Bundesgerichtshof
Urt. v. 22.09.1977, Az.: III ZR 146/75
Öffentlich-rechtliche Verpflichtungen; Betrieb einer Abwasseranlage als Betätigung schlicht hoheitlicher Verwaltung im Rahmen der Daseinsvorsorge; Anwendbarkeit der vertraglichen Haftung nach bürgerlichem Recht auf öffentlich-rechtliche Benutzungsverhältnisse; Nebenpflichten aus einer öffentlich-rechtlichen Sonderverbindung; Haftung für Fehlverhalten eines Erfüllungsgehilfen
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 22.09.1977
- Aktenzeichen
- III ZR 146/75
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1977, 11537
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Hamm - 30.05.1975
- LG Essen
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DÖV 1978, 930 (amtl. Leitsatz)
- MDR 1978, 298 (Volltext mit amtl. LS)
- VerwRspr 29, 616 - 621
Verfahrensgegenstand
Verwaltungsrecht
Prozessführer
Stadt E.,
vertreten durch den Oberstadtdirektor, K.-Platz ..., E.
Prozessgegner
Deutsche Bundespost,
vertreten durch den Präsidenten der Oberpostdirektion M., Graf-A.-Platz ..., D.
Amtlicher Leitsatz
Zur Frage, ob eine Gemeinde gegenüber einem Anschlußnehmer ihrer Abwasseranlage für eine Beschädigung der Hausanschlußleitung durch eine Baufirma eintreten muß, die von der Gemeinde im Rahmen der Errichtung einer U-Bahn mit Arbeiten in der Nähe der Leitung beauftragt worden ist.
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 1977
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Nüßgens und
die Richter Dr. Tidow, Dr. Peetz, Kröner und Boujong
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 30. Mai 1975 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsrechtszuges.
Tatbestand
Die Klägerin errichtete in den Jahren 1963/64 auf ihrem Grundstück in der beklagten Stadt einen Neubau für ihr Postscheckamt. Das Grundstück wurde an die öffentliche Abwasseranlage der Beklagten angeschlossen. Die Benutzung der Abwasserkanalisation war damals durch die Satzung der Beklagten über die Entwässerung der Grundstücke und den Anschluß an die städtische Abwasseranlage vom 15. Dezember 1954 (im folgenden: Satzung 1954) geregelt. Die Satzung sah Anschluß- und Benutzungszwang (§§ 6, 7) vor und bestimmte in § 11 ("Ausführung, Kosten und Unterhaltung des Anschlusses") u.a.:
Abs. 2:
"Der Anschluß an die Netzleitung einschließlich des Prüfschachtes sowie die Ausbesserung, Reinigung, Erneuerung und sonstige Veränderungen dieser Anschlußleitung sind in jedem Einzelfall nur mit schriftlicher Erlaubnis der Stadt statthaft; diese Arbeiten dürfen nur durch einen von der Stadt hierfür besonders zugelassenen Unternehmer ausgeführt werden, soweit die Arbeiten nicht von der Stadt selbst oder durch einen von ihr beauftragten Unternehmer ausgeführt werden ..."
Abs. 4:
"Die Abwasseranlagen in den Gebäuden sowie auf dem anzuschließenden Grundstück dürfen nur durch Unternehmer und Installateure hergestellt und instandgehalten werden, die von der Stadt zugelassen sind. Die Stadt übernimmt für diese Arbeiten keine Gewähr der Haftung."
Abs. 5:
"Alle Abwasseranlagen, die der Genehmigung bedürfen ..., unterliegen einer Abnahme durch die Stadt. Der Anschlußberechtigte oder die ausführende Firma hat Baubeginn und Fertigstellung schriftlich bei der Stadt zu beantragen. Bei Abnahme müssen alle abzunehmenden Leitungen sichtbar und gut zugänglich sein. Die Prüfung und Abnahme der Anlagen durch die Stadt befreit den ausführenden Unternehmer nicht von seiner zivilrechtlichen Verpflichtung für fehlerfreie und vorschriftsmäßige Ausführung der ihm übertragenen Arbeiten. Die Herstellung und Instandhaltung der Grundstücksentwässerungsanlagen muß außerdem den allgemeinen baurechtlichen Bestimmungen sowie den besonderen Anforderungen der Bauaufsichtsbehörde entsprechen ..."
Abs. 6:
"Der Anschlußberechtigte hat für die vorschriftsmäßige Benutzung der Abwasseranlage seines Grundstücks entsprechend den Bestimmungen dieser Satzung Sorge zu tragen. Er haftet für alle Schäden und Nachteile, die infolge mangelhaften Zustandes oder satzungswidriger Benutzung seiner Abwasseranlagen entstehen. Fehler, die von der Stadt zu beseitigen sind, hat er ihr sofort mitzuteilen. Für die Beseitigung anderer Fehler hat er selbst umgehend zu sorgen. Er hat die Stadt von Ersatzansprüchen freizustellen, die Dritte gegen die Stadt aufgrund von Mängeln seiner Anlage geltend machen ...".
Die Beklagte erteilte der Firma de N. den Auftrag, den Anschlußkanal für den Neubau der Klägerin auszuführen. Dabei handelte die Beklagte nach ihrem Vorbringen in Vertretung der Klägerin, nach deren Darstellung im eigenen Namen.
Die Firma de N. stellte die Anschlußleitung her, deren Betonrohrkanal (Länge 68,45 m; Durchmesser 400 mm) überwiegend in einem stadteigenen Grundstück verlegt wurde. Die Beklagte, die die Bauausführung überwacht hatte, nahm am 17. März 1964 die Anschlußleitung ab, ohne Beanstandungen zu erheben. Die Klägerin bezahlte die ihr von der Beklagten nach Prüfung übersandte Schlußrechnung der Firma de N..
Beim Ausbau des Ruhrschnellweges als Tiefstraße in den Jahren 1966/67 führte die Firma B. in der Nähe der Anschlußleitung Verpreßarbeiten mit flüssigem Beton aus. Eine anschließend vorgenommene Prüfung ergab keine Beschädigung der Anschlußleitung.
In den Jahren 1970/71 ließ die Beklagte eine U-Bahn anlegen. Dabei nahm die Firma S. Baugesellschaft mbH (im folgenden: Firma S.) als Subunternehmerin der eine Arbeitsgemeinschaft bildenden (im Revisionsrechtszug nicht mehr vertretenen) Streithelferinnen in unmittelbarer Nähe der Anschlußleitung ebenfalls Verpreßarbeiten mit flüssigem Beton vor.
Ab 2. Juni 1971 trat in den Abwasserrohren des Postscheckamtes infolge Verstopfung der Anschlußleitung wiederholt ein Rückstau auf. Nachdem Reinigungsversuche erfolglos geblieben waren, ließ die Klägerin die Anschlußleitung teilweise freilegen. Dabei wurden in dem auf dem Gelände der Beklagten verlegten Abschnitt der Betonrohrleitung Zementablagerungen gefunden.
Die Klägerin ließ den Schaden durch ein Tiefbauunternehmen beheben. Die Reparaturarbeiten wurden in der Zeit vom 28. September bis 15. November 1971 aufgrund einer Absprache zwischen den Parteien unterbrochen, um die Ursache des Rückstaues genau zu ermitteln. Es stellte sich dann heraus, daß bei den Baumaßnahmen in den Jahren 1970/71 Zement in die Anschlußleitung eingedrungen war, sich dort verfestigt und den Abfluß der Abwässer gehemmt hatte.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Erstattung der Kosten, die sie aufgewendet hat, um die Verstopfung der Anschlußleitung zu beseitigen.
Die Klägerin hat vorgetragen: Die Firma de N. habe bei der Verlegung der Anschlußleitung in den Jahren 1963/64 auftragswidrig die Muffen der Betonrohre nicht mit dem nach DIN 19543 vorgeschriebenen Material (TOK- oder Palesit-Band) abgedichtet. Infolgedessen sei bei den Verpreßarbeiten 1970/71 Beton in die Leitung gelangt, was zu der Verstopfung und dem Rückstau geführt habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 99.489,44 DM nebst Zinsen zu verurteilen.
Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten und geltend gemacht: Es sei allein deshalb Beton in den Abwasserkanal eingedrungen und habe sich dort festgesetzt, weil die Firma S. bei den Verpreßarbeiten unsorgfältig vorgegangen sei und deshalb die Leitung angebohrt habe, obwohl ihr deren Verlauf genau bekannt gewesen sei. Im übrigen sei in § 12 der Satzung 1954 eine Haftung für Schäden, die durch Hemmungen im Wasserablauf hervorgerufen seien, ausgeschlossen. Schließlich seien etwaige vertragliche Ansprüche der Klägerin verjährt.
Die dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetretenen Streithelferinnen haben ebenfalls beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Diese hat u.a. ausgeführt, sie brauche nicht für Fehler der Firma S. einzustehen. Die Klägerin hat sich hilfsweise das Vorbringen der Beklagten zu eigen gemacht, die Firma S. habe infolge unsorgfältiger Durchführung der Verpreßarbeiten die Anschlußleitung angebohrt.
Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.
Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
I.
1.
Das Berufungsgericht hat zur Anspruchsgrundlage ausgeführt:
Die Beklagte hafte der Klägerin wegen der Verletzung eines zwischen den Parteien bestehenden öffentlich-rechtlichen Leistungsverhältnisses.
Der Betrieb der von der Beklagten errichteten und unterhaltenen Abwasseranlage stelle sich als eine Betätigung schlicht-hoheitlicher Verwaltung im Rahmen der Daseinsvorsorge dar. Das gelte auch für die Herstellung der Anschlußleitung, soweit die Beklagte daran beteiligt gewesen sei. Die Beklagte unterhalte nach § 1 Abs. 1 der Satzung 1954 ihre Abwasseranlagen als öffentliche Einrichtung. Sie habe für die Eigentümer der im Stadtgebiet liegenden Grundstücke Anschluß- und Benutzungszwang angeordnet (§§ 5, 6). Für den Anschluß an die Kanalisation und deren Benutzung würden öffentlich-rechtliche Gebühren erhoben (§ 16). Die Beklagte habe aufgrund der Satzung für sich Entscheidungs-, Aufsichts-, Prüfungs-, Auskunfts- und Weisungsrechte in Anspruch genommen (§ 9 Abs. 12, §§ 10, 11, 13). Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften der Satzung sei in § 14 ein "Zwangsgeld" angedroht worden. - Die im Jahre 1970 erlassene Satzung habe an der hoheitlichen Zweckbestimmung und der öffentlich-rechtlichen Ausprägung der Vorschriften über die öffentliche Abwasseranlage der Beklagten nichts geändert.
Im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses fänden die Grundsätze über die vertragliche Haftung nach bürgerlichem Recht sinngemäß Anwendung. Zwischen der Beklagten und ihren Anschlußnehmern bestehe ein besonderes, enges und auf Dauer angelegtes Leistungsverhältnis, das typisch schuldrechtliche Merkmale aufweise und seinem Inhalt nach auch einer privatrechtlichen Gestaltung zugänglich sei.
2.
Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht annimmt, zwischen den Parteien bestehe bezüglich der Abwasseranlage ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis, sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Der Bundesgerichtshof hat zur Frage der Schadensersatzpflicht einer Gemeinde, die eine Abwasseranlage betreibt, gegenüber einem einzelnen Anschlußnehmer folgende Grundsätze aufgestellt (Senatsurteil in BGHZ 54, 299, 303 = LM § 278 BGB Nr. 55 mit Anm. Kreft = JZ 1971, 94 mit Anm. Baur; Senatsurteil in LM Allgemeines Verwaltungsrecht [öffentlich-rechtliche Verpflichtung] Nr. 10; Senatsurteil vom 28. Oktober 1976 - III ZR 155/74 = NJW 1977, 197 mit Anm. Palder in NJW 1977, 954 = WM 1977, 294 = MDR 1977, 207; vgl. ferner BGHZ 17, 191);
Die Gemeinde steht zu den an ihr Kanalisationsnetz angeschlossenen Eigentümern in einem auf Dauer angelegten öffentlich-rechtlichen Benutzungs- oder Leistungsverhältnis, aufgrund dessen sie Abwässer aus den Grundstücken aufzunehmen und abzuleiten hat. Dieses Leistungsverhältnis ist geeignet, Schadensersatzansprüche nach allgemeinen Grundsätzen zu begründen, wie sie in den für das vertragliche Schuldrecht geltenden Vorschriften, insbesondere in den §§ 276, 278 BGB ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden haben.
Für derartige Schadensersatzansprüche ist, wie der Bundesgerichtshof weiter ausgesprochen hat, der ordentliche Rechtsweg gegeben (BGHZ 59, 303, 305; BGH LM § 13 GVG Nr. 89; Senatsurteile in LM Allgemeines Verwaltungsrecht [öffentlich-rechtliche Verpflichtungen] Nr. 10 und vom 28. Oktober 1976 - III ZR 155/74 = a.a.O.).
Daran hat auch die seit dem 1. Januar 1977 geltende Neufassung des § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO nichts geändert. Auch nach der jetzigen Fassung der Vorschrift gehören Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, vor die ordentlichen Gerichte. Um einen solchen Anspruch handelt es sich hier; er ist aus einem öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis abgeleitet, das durch Verwaltungsakt, nämlich die Zulassung zur Benutzung einer (unselbständigen) Anstalt, nicht aber im Wege der Einigung durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag begründet worden ist (vgl. Wolff/Bachof VerwR I 9. Aufl. § 44 I b 1 ß und VerwR II 4. Aufl. § 99 III a; Simons, Leistungsstörungen verwaltungsrechtlicher Schuldverhältnisse, 1967, S. 46).
Gegenstand des Benutzungsverhältnisses war auch die Anschlußleitung. Ob das erst vom Zeitpunkt der Abnahme der Leitung an der Fall war, wie die Revision meint, braucht hier nicht entschieden zu werden, da sich der Haftungstatbestand nach diesem Zeitpunkt verwirklicht hat (vgl. unten II 2 b, 3).
II.
1.
Das Berufungsgericht hat weiter ausgeführt:
Es könne dahingestellt bleiben, ob die schadensstiftenden Zementablagerungen in der Anschlußleitung allein auf die unsorgfältige Ausführung der Verpreßarbeiten durch die Firma S. oder auch auf die mangelhafte Abdichtung der von der Firma de N. verlegten Rohre zurückzuführen sei. Denn die Beklagte hafte in jedem Falle aus dem öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis in entsprechender Anwendung der §§ 276, 278 BGB für eigene Pflichtverletzung oder solche ihrer Erfüllungsgehilfen.
a)
Wenn die Firma de N. die Rohre nicht genügend abgedichtet habe, wie die Klägerin behaupte, so müsse die Beklagte hierfür einstehen. Dabei sei unerheblich, ob die Beklagte den Auftrag zur Erstellung der Anschlußleitung im eigenen Namen oder in Vertretung der Klägerin erteilt habe. Die Beklagte habe sich, wenn sie den Werkvertrag mit der Firma de N. im eigenen Namen geschlossen habe, gegenüber der Klägerin dieser Firma als Erfüllungsgehilfin (§ 278 BGB) bedient; wenn sie den Auftrag namens der Klägerin vergeben habe, mangele es an hinreichender Überwachung bei der Herstellung der Anschlußleitung und/oder an gebotener Sorgfalt bei der Abnahme der Leitung.
b)
Aber auch wenn die durch Zementablagerungen bewirkte Verstopfung der Rohre allein dadurch verursacht worden sei, daß die Firma S. die Anschlußleitung angebohrt habe - diese Einlassung der Beklagten habe sich die Klägerin im Berufungsrechtszug hilfsweise zu eigen macht -, sei die Beklagte der Klägerin schadensersatzpflichtig. Die Beklagte habe auch die - weitgehend auf ihrem Gelände verlegte - Anschlußleitung vor Beschädigungen durch Bauarbeiten auf ihrem Grund und Boden bewahren müssen. Zur Erfüllung dieser Fürsorgepflicht habe sie die Firma S. eingeschaltet. Zudem habe die Beklagte ihre Verpflichtung, die Verpreßarbeiten dieser Firma zu überwachen, verletzt.
2.
Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten im Ergebnis der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
a)
Das Berufungsgericht hat, ohne Beweis zu erheben, die Verurteilung der Beklagten alternativ auf das Klagevorbringen und die Einlassung der Beklagten, die die Klägerin hilfsweise übernommen hat, gestützt. Dieses Verfahren wäre nur dann unbedenklich, wenn jede der beiden Sachverhaltsalternativen den Klageanspruch in vollem Umfange rechtfertigte. Das ist jedoch selbst dann zweifelhaft, wenn das Berufungsgericht allein diese beiden Fallgestaltungen für möglich hielt und einen anderen Geschehensablauf ausschließen wollte. Das Berufungsgericht läßt nämlich die Möglichkeit offen, daß die Beklagte der Firma de N. den Auftrag zur Erstellung der Anschlußleitung namens und in Vollmacht der Klägerin erteilt hat. Träfe das zu, so hätte sich die Klägerin zur Erfüllung ihrer auf dem öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis beruhenden Pflicht, die Anschlußleitung fachgerecht herstellen zu lassen (vgl. § 11 der Satzung 1954), der Firma de N. bedient. Dann müßte sich die Klägerin etwaige Fehler dieser Firma bei der Abdichtung der Rohre in entsprechender Anwendung der §§ 278, 254 Abs. 2 Satz 2 BGB auf ihre Ansprüche gegen die Beklagte aus der - vom Berufungsgericht angenommenen - Verletzung der Pflicht, die Herstellung der Leitung ausreichend zu überwachen und die Abnahme des Werkes sorgfältig vorzunehmen, ersatzmindernd anrechnen lassen. Das hat das Berufungsgericht nicht beachtet.
b)
Der vom Berufungsgericht offengelassenen Frage, in wessen Namen der Auftrag zur Erstellung der Leitung erteilt worden ist, braucht jedoch nicht weiter nachgegangen zu werden, da sich das Berufungsurteil bereits aus einem anderen Grunde als richtig erweist. Denn die Klage ist schon aufgrund des Vorbringens der Beklagten, auf das sich die Klägerin hilfsweise beruft, begründet. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 16. September 1968 - III ZR 20/68 = DRiZ 1968, 422/3 ausgesprochen hat, ist ein Beklagter auch dann zu verurteilen, wenn er die vom Kläger für das Bestehen der Klageforderung vorgetragenen Tatsachen zwar bestreitet, aber dabei einen anderen Sachverhalt vorträgt, der seinerseits den Klageanspruch stützt. Das Gericht darf dann der Klage stattgeben, wenn sich ihre Begründetheit aus dem von der Beklagtenseite dargelegten Sachverhalt ergibt (so im Ergebnis auch schon BGHZ 19, 387, 389 f). Voraussetzung ist allerdings, wie der erkennende Senat a.a.O. weiter ausgeführt hat, daß der Kläger sich den Vortrag des Beklagten mindestens hilfsweise zu eigen macht, wie das hier geschehen ist.
3.
Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, die Beklagte müsse es sich zurechnen lassen (§ 278 BGB), daß die Firma S. bei den Verpreßarbeiten fahrlässig die Rohre der Anschlußleitung beschädigt habe.
a)
Die Beklagte war aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Leistungs- und Benutzungsverhältnisses verpflichtet, die Klägerin als ihre Vertragspartnerin vor Schäden zu bewahren, die ihr durch den Betrieb der städtischen Abwasseranlage an ihren Rechtsgütern entstehen konnten. Die Klägerin hatte gemäß § 2 Abs. 2 der Satzung 1954 nach der "betriebsfertigen Herstellung der Anschlußleitung" das Recht, die auf ihrem Grundstück anfallenden Abwässer durch den Anschlußkanal in die Abwasseranlage der Beklagten einzuleiten; als Gegenleistung erhob die Beklagte für den Anschluß an ihr Leitungsnetz eine einmalige Anschlußgebühr und für die laufende Benutzung wiederkehrende Gebühren (§§ 17, 18). Die Beklagte traf daher auf Grund der öffentlich-rechtlichen Sonderverbindung die Nebenpflicht, alles zu unterlassen, was die Funktionsfähigkeit der Anschlußleitung gefährden oder beeinträchtigen konnte. Das gilt um so mehr, als die Anschlußleitung größtenteils auf dem Gelände der Beklagten verlegt war. Diese besonderen Schutz- und Obhutspflichten oblagen der Beklagten ohne Rücksicht darauf, ob sie oder die Klägerin Eigentümerin der Leitung war. Denn das Benutzungsrecht der Klägerin an der von ihr auf eigene Kosten angelegten und unterhaltenen Anschlußleitung, deren Lage und Führung zudem die Beklagte bestimmte (§ 11 Abs. 1 der Satzung 1954), bestand ohne Rücksicht auf die Eigentumsverhältnisse an der Leitung.
b)
Dem Berufungsgericht ist auch darin beizutreten, daß die Firma S. Erfüllungsgehilfin der Beklagten war. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, daß die Beklagte nur zu den Streithelferinnen, als deren Subunternehmerin die Firma S. tätig wurde, in vertraglichen Beziehungen stand. Der Schuldner haftet nach § 278 BGB auch, wenn sich die von ihm zugezogene Hilfsperson ihrerseits wieder eines Erfüllungsgehilfen bedient, falls dessen Einschaltung dem Willen des Schuldners entsprach (BGH NJW 1952, 217; Erman/Battes BGB 6. Aufl. § 278 Rdn. 32). Davon ist hier auszugehen, da weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, daß die Beklagte die Zuziehung der Firma S. beanstandet hätte.
Die Beklagte hat sich gegenüber der Klägerin im Rahmen eines bereits bestehenden öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnisses der Firma S. zur Erfüllung besonderer Verhaltenspflichten bedient. Wie oben unter 3 a ausgeführt, traf die Beklagte selbst die Verpflichtung, schädigende Einwirkungen auf die Leitung zu unterlassen. Mit Willen der Beklagten hat die Firma S. Arbeiten ausgeführt, die zu Schäden an der Rohrleitung führen konnten. Daher oblag es der Firma S., sich ihrer Aufgabe so zu entledigen, daß die Unterlassungspflichten der Beklagten gegenüber der Klägerin nicht verletzt wurden (BGH LM § 278 BGB Nr. 39). Die Firma S. war mit der Erfüllung der Unterlassungspflicht allerdings nur insoweit betraut, als es dem ihr von der Beklagten zugewiesenen Aufgabenkreis entsprach (BGHZ 23, 319, 323). Hier fällt jedoch die schadenstiftende Tätigkeit, nämlich das fahrlässige Anbohren der Leitungsrohre nicht aus dem Umkreis des Aufgabenbereichs heraus, den die Firma S. als Erfüllungsf gehilfin für die Beklagte wahrzunehmen hatte (BGHZ 31, 358, 366). Denn die der Erfüllungsgehilfin übertragenen Verpreßarbeiten waren in unmittelbarer Nähe des Anschlußkanals vorzunehmen und bargen daher die Gefahr einer Beschädigung der Rohrleitung in sich. Daher stand das Fehlverhalten der Firma S. in einem inneren sachlichen Zusammenhang mit der Vertragserfüllung (vgl. Erman/Battes a.a.O. § 278 Rdn. 40).
c)
Die Klägerin ist entgegen der Ansicht der Revision in ihrer Eigenschaft als Anschlußnehmerin, also unter Verletzung einer aus der öffentlich-rechtlichen Sonderverbindung herzuleitenden Rechtsstellung geschädigt worden. Deshalb greift hier nicht, wie die Revision meint, allein das Recht der Amtshaftung ein. Eine Haftung der Beklagten aus dem Schuldverhältnis tritt vielmehr gleichzeitig neben eine etwaige Haftung aus Amtspflichtverletzung (BGHZ 61, 7, 14; 63, 167, 172; 21, 214, 220; BGH LM § 14 GVG Nr. 89; BGH NJW 1974, 1816; Senatsurteil vom 28. Oktober 1976 - III ZR 155/74 a.a.O.). Schon deshalb unterliegt die Haftung aus dem öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis nicht den Einschränkungen des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB (BGHZ 63, 167, 171 ff; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht 1976 S. 233; vgl. auch Baur, Urteilsanmerkung in JZ 1971, 96).
Da die Beklagte nach alledem gemäß § 278 BGB für das Verschulden der Firma S. einzustehen hat, kann offenbleiben, ob ihr auch eine eigene Pflichtverletzung bei der Überwachung der Arbeiten und der Abnahme der Leitung zur Last fällt.
4.
Ohne Rechtsverstoß hat das Beruflingsgericht angenommen, daß zugunsten der Beklagten kein Haftungsausschluß nach den §§ 3 Abs. 4, 12 der Satzung 1954 eingreift, § 3 Abs. 4 lautet:
"Gegen den Rückstau des Abwassers aus dem städtischen Entwässerungsnetz in die angeschlossenen Grundstücke hat sich jeder Anschlußnehmer selbst zu schützen (z.B. durch Einbau von Absperrschiebern).
Für Schäden, die durch Rückstau aus dem Abwassernetz entstehen, übernimmt die Stadt keine Haftung."
§ 12 besagt:
"Bei Betriebsstörungen oder Außerbetriebsetzung der öffentlichen Abwasseranlage sowie bei Auftreten von Mängeln und Schäden, welche durch Rückstau infolge Naturereignissen wie Hochwasser, Wolkenbrüche oder Schneeschmelze oder durch Hemmungen im Wasserablauf hervorgerufen werden, hat der Anschlußberechtigte keinen Anspruch auf Schadensersatz."
Die Auslegung dieser Satzungsbestimmungen kann das Revisionsgericht selbst vornehmen, weil sie einer Mustersatzung des Innenministeriums und des Ministeriums für Wirtschaft und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen vom 30. März 1951 (MBl. NW. 1951, 485) entsprechen und gleichlautende Satzungsbestimmungen außerhalb des Bezirks des Berufungsgerichts bewußt und gewollt zum Zwecke der Vereinheitlichung erlassen worden sind (vgl. BGH MDR 1964, 753).
Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung in BGHZ 54, 299, 305 zu Satzungsbestimmungen, die mit den hier zu beurteilenden nahezu wörtlich übereinstimmen, im wesentlichen ausgeführt:
Derartige Freizeichnungsklauseln seien im Zweifel eng und gegen den, der die Haftung abbedungen habe, auszulegen. § 12 beziehe sich erkennbar nur auf Rückstauschäden, die Folgen eines Naturereignisses seien, und auf Beeinträchtigungen, die sich beim Betrieb einer Abwasseranlage nicht völlig ausschließen ließen und immer wieder auftreten könnten, also auf sog. typische Beeinträchtigungen der ordnungsgemäß eingerichteten und betriebenen Kanalisationsanlage. Darunter falle aber nicht ein Rückstau, der dadurch entstehe, daß die beklagte Gemeinde oder ihr Erfüllungsgehilfe eine Anschlußleitung zu einem Anliegergrundstück schuldhaft fehlerhaft ausgeführt habe. Die gleiche Überlegung führe dazu, § 3 Abs. 4 Satz 2 der Satzung nur auf einen bei einem Betrieb der Kanalisationsanlage unvermeidbaren Schaden zu beziehen, aber nicht auf einen durch eine schuldhaft fehlerhafte Erstellung einer Anschlußleitung entstehenden.
Diese Erwägungen sind auf die vorliegende Fallgestaltung zu übertragen. Es bedeutet keinen entscheidungserheblichen Unterschied, daß die Anschlußleitung von der Beklagten nicht fehlerhaft angelegt, sondern später in einer der Beklagten zurechenbaren Weise beschädigt worden ist. Auch im Streitfall beruht der Rückstau somit nicht auf einer - vom Haftungsausschluß erfaßten - typischen Beeinträchtigung der ordnungsgemäß betriebenen Abwasseranlage.
Dem Berufungsgericht ist auch darin beizutreten, daß die Haftung der Beklagten nicht nach § 15 der Satzung 1970 ausgeschlossen ist. Diese Bestimmung hat § 12 der Satzung 1954 abgelöst und enthält bezüglich der Risiken, auf die sich die Haftungsfreizeichnung erstreckt, eine im wesentlichen übereinstimmende Regelung.
5.
Dem Berufungsgericht ist schließlich darin beizupflichten, daß die Schadensersatzansprüche der Klägerin aus dem öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis einer dreißigjährigen Verjährungsfrist (entsprechend § 195 BGB) unterliegen.
III.
Die Revision dringt auch mit ihren Angriffen gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Schadenshöhe nicht durch.
Fehl geht zunächst der Einwand der Revision, die Klägerin müsse ihre Aufwendungen für den Einsatz von Spülwagen und für Absaugarbeiten selbst tragen, weil sie sich nach § 4 Abs. 5 der Satzung 1970 gegen Rückstau selbst abzusichern habe und insoweit gemäß § 15 Abs. 2 der Satzung keine Ersatzansprüche gegen die Beklagte erheben könne. Hierbei verkennt die Revision folgendes: Diese Satzungsbestimmungen erstrecken sich aus den oben unter II 4 angeführten Gründen nicht auf Rückstauschäden, die durch eine der Beklagten zuzurechnende Verletzung ihrer Sorgfaltspflichten aus dem Benutzungsverhältnis verursacht worden sind.
2.
Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe der Klägerin zu Unrecht die gesamten - von der Beklagten schon im ersten Rechtszug bestrittenen - Mehrkosten, die infolge der zeitweiligen Unterbrechung der Reparaturarbeiten anfielen, zuerkannt. Das Berufungsgericht hat es in Übereinstimmung mit dem Landgericht als unstreitig angesehen, daß die Arbeiten in der Zeit vom 28. September bis zum 15. November 1971 aufgrund einer Absprache der Parteien vorübergehend eingestellt waren, um zunächst die Schuldfrage zu klären.
Demgegenüber beanstandet die Revision, das Berufungsgericht habe dem Privatgutachten des Sachverständigen Dahlem vom 22. November 1971 entnehmen müssen, daß die Beklagte die Klägerin am 26. Oktober 1971 aufgefordert habe, die Reparaturarbeiten nunmehr fortzusetzen; diese Frage habe das Berufungsgericht notfalls durch Ausübung des Fragerechts (§ 139 ZPO) klären müssen. Die Revision zeigt indes nicht auf, daß sich die Beklagte in den Tatsacheninstanzen auf diese Ausführungen berufen hätte. Daher bestand für das Berufungsgericht auch kein Anlaß, diesen unstreitigen Punkt näher aufzuklären. Zudem übersieht die Revision, daß nach dem Gutachten D. bei der Besprechung vom 26. Oktober 1971 erwogen wurde, die Klägerin schriftlich zur Aufhebung des Baustopps aufzufordern. Die Revision weist jedoch wiederum nicht nach, daß die Beklagte vorgetragen hätte, das sei alsbald nach jener Besprechung geschehen.
3.
Das erstmalige Bestreiten weiterer Schadensposten im zweiten Rechtszug hat das Berufungsgericht gemäß §§ 529 Abs. 2, 3, 519 ZPO in der Fassung, die bis zum 30. Juni 1977 galt, nicht zugelassen.
Das begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Beklagte hatte sich im ersten Rechtszug, was die Schadenshöhe anbelangt, darauf beschränkt, diese "nur äußerst vorsorglich und unter Hinweis auf die entsprechenden Ausführungen des Gutachtens D." zu bestreiten. Das Landgericht hat darin mit Recht lediglich ein Bestreiten der in jenem Gutachten beanstandeten Schadensposten erblickt. Wenn sich die Beklagte gegen weitere Posten hätte wenden wollen, hätte sie das unmißverständlich erklären und die Aufwendungen, die sie bestreiten wollte, im einzelnen aufführen müssen. Sie hat jedoch in erster Instanz den Eindruck hervorgerufen, die Höhe des Schadens nur nach Maßgabe des Gutachtens D. anzweifeln zu wollen. Unter diesen Umständen hat das Berufungsgericht rechtsbedenkenfrei § 529 Abs. 2, 3 ZPO a.F. angewandt.
RiBGH
Dr. Tidow ist erkrankt und kann daher nicht unterschreiben. Nüßgens
Peetz
Kröner
Boujong