Bundesgerichtshof
Urt. v. 06.10.1976, Az.: VIII ZR 66/75
Anforderungen an die Auslegung eines Kaufvertrages; Voraussetzungen für das Vorliegen eines kaufmännischen Bestätigungsschreibens; Anforderungen an den Vorwurf des Vertragsbruchs
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 06.10.1976
- Aktenzeichen
- VIII ZR 66/75
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1976, 12937
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Nürnberg - 18.12.1974
- LG Regensburg - 25.11.1969
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DB 1976, 2395-2396 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1977, 220 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1977, 35-36 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Firma Hans D. OHG,
vertreten durch die persönlich haftenden Gesellschafter Dipl.-Ing. Hans D. jun. und Ottilie D. in Ab.-Ar.
Prozessgegner
Firma Wilhelm und Josefine J. i.L., vertreten durch den Liquidator Wilhelm J. in H., Am Er.
Amtlicher Leitsatz
Zur Frage der Anwendbarkeit des § 326 Abs. 1 BGB bei Sukzessivlieferungsverträgen, wenn der Schuldner zwar die abgerufenen Teillieferungen leistet, aber erklärt, zur fristgerechten Leistung der noch nicht fälligen Teillieferungen nicht in der Lage zu sein.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 6. Oktober 1976
durch
den Vorsitzenden Richter Braxmaier und
die Richter Hoffmann, Merz, Treier und Dr. Brunotte
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 18. Dezember 1974 im Kostenpunkt aufgehoben und dahin geändert, daß die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 25. November 1969 zurückgewiesen und die weitergehende Klage abgewiesen wird.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Die jetzt in Liquidation befindliche Klägerin betrieb den Großhandel mit Ton- und Keramikwaren sowie Blumentöpfen. Sie trat am 15. März 1967 mit der Beklagten, einer der größten Herstellerfirmen von Blumentöpfen in der Bundesrepublik, in geschäftliche Beziehungen, weil sie nunmehr in erster Linie Blumentöpfe vertreiben wollte. Diese werden im Gebiet der Klägerin vor allem ab Herbst eines Jahres bis Mai/Juni des nächsten Jahres zum Eintopfen von Erikablumen benötigt. Aufgrund eines Angebotes der Beklagten vom 16. März 1967 bezog die Klägerin in der Folge mehrere Lieferungen mit Blumentöpfen. Am 1. September 1967 bestellte sie erneut Blumentöpfe bei der Beklagten und teilte dieser mit, es sei "nach den avisierten Aufträgen mit einem Bedarf von rund 4 Millionen Blumentöpfen" zu rechnen, wobei der Hauptbedarf in die Zeit von Januar bis Mai 1968 fallen werde. Nach der Behauptung der Klägerin hatten die Parteien daraufhin bei einer Besprechung im September 1967 mündlich einen Rahmen- oder Mantelvertrag vereinbart, wonach die Beklagte sich verpflichtet habe, der Klägerin in der Saison 1967/1968 auf Abruf rund 4 Millionen Blumentöpfe zu liefern. Die Beklagte lieferte der Klägerin von September 1967 bis Juli 1968 indessen nur 601.635 Blumentöpfe.
Nachdem die Klägerin am 29. November 1967 ihren Bedarf für Dezember mit rund 180.000 Blumentöpfen angegeben und mitgeteilt hatte, daß sie diese am 12., 15. und 19. Dezember abholen lassen werde schrieb die Beklagte am 14. Dezember 1967:
"Wir bedauern sehr, Ihnen leider mitteilen zu müssen, daß sie den dritten Zug mit Blumentöpfen erst Anfang des kommenden Jahres abholen können.
Wir sind zur Zeit in Blumentöpfen 11 cm ø ausverkauft."
Die Klägerin antwortete am 16. Dezember 1967:
"...Wir haben seit Juni, also seit Ende des Blumentopfgeschäfts fast ausschließlich neue Verbindungen angeknüpft und neue Kunden geworben und haben, wie Sie aus dem von uns im Herbst angemeldeten voraussichtlich 4 Millionen Stück Bedarf ersehen, durchaus respektable Erfolge erzielt. Diese Erfolge beruhen in der Hauptsache darauf, daß wir bei den Gärtnereien dafür bekannt sind, unbedingt pünktlich und zuverlässig zu sein. Damit sind wir jedoch auf Ihre Hilfe angewiesen. Wir können uns nicht damit einverstanden erklären, daß plötzlich fest bestellte Terminlieferungen ohne vorherige Ankündigung hinausgeschoben werden.
Wenn irgendein Engpaß zu entstehen droht, möchten wir bitten, uns dies ohne Verzögerung so rechtzeitig mitzuteilen, daß auch unsere Kunden noch umdisponieren können.
Wie wir Ihnen schon schrieben, wird im Januar wahrscheinlich eine kurze Pause eintreten. Ende Januar Anfang Februar wird jedoch der Bedarf plötzlich einsetzen. Wir schätzen bis Anfang Mai etwa 3 Millionen Blumentöpfe ausliefern zu müssen ...."
Am 18. Januar 1968 bat die Beklagte "bezüglich der Lieferzeiten" jeweils 2 Wochen vor der Abholung die ungefähren Stückzahlen schriftlich oder telefonisch bekanntzugeben. Sobald die italienischen Arbeiter der Beklagten zurück seien, werde sich die Lieferzeit verringern. Nach weiterem Schriftwechsel über die Lieferschwierigkeiten der Beklagten und die Lieferzeiten schrieb die Klägerin der Beklagten am 16. März 1968:
"Wir würden uns sehr freuen, wenn wir in den nächsten Tagen von Ihnen einen Brief erhalten würden, in dem Sie uns den Grund und die voraussichtliche Dauer Ihrer Lieferschwierigkeiten mitteilen. Wir können unmöglich annehmen, daß diese Schwierigkeiten, welche für uns katastrophal sind, auf erhöhte Nachfrage zurückzuführen sind. Die von Ihnen wiederholt genannte Kapazität und der von uns seit vorigen Herbst angemeldete Bedarf stehen in keinem Verhältnis zu Ihren jetzigen Lieferschwierigkeiten. Wir können nicht annehmen, daß Ihre anderen Kunden gleichfalls so lange vorbestellt haben und sind der Ansicht, daß spätere Bestellungen eher mit Lieferfristen ausgeliefert werden müßten, als unsere immer wieder avisierten Bestellungen. Bitte schreiben Sie uns deshalb schnellmöglichst, wie die Angelegenheit weiterlaufen soll, da unter den jetzigen Umständen für uns keine Aussicht besteht zu einem tragbaren Umsatz zu kommen."
Die Beklagte erwiderte am 19. März 1968:
"Auf Ihren Brief teilen wir Ihnen folgendes mit. Nach nochmaliger Überprüfung der Lieferschwierigkeiten, auch in Abstimmung mit unseren anderen Großabnehmern müssen wir zu einer gewissen Rationierung schreiten und Sie können damit rechnen, um Ihnen einen festen Punkt zu geben, von dem Sie ausgehen können, daß wir Ihnen nur alle 10 Tage einen Lastzug bereitstellen können.
Der für heute zur Abholung eintreffende Zug würde der erste sein nach dieser Regel, so daß der nächste Zug erst am 29. März 1968 zur Verfügung stehen würde. Richten Sie sich bitte beim Verkauf nach dieser Regelung und Sie können dann gewiß sein - und unter dem üblichen Vorbehalt - selbstverständlich, diese Ware auch wirklich zu bekommen und können mit handfesten Zahlen operieren...."
Nach weiteren Schreiben und Ferngesprächen teilte die Klägerin der Beklagten am 6. Mai 1968 mit:
"...Wir möchten der Ordnung halber die im Vorjahr getroffenen Vereinbarungen einmal wiederholen:
Sie haben uns zugesagt, daß Sie uns die von uns gewünschten Töpfe mit einer Frist von höchstens 8 Tagen in vollem Umfange liefern würden. ... Insoweit wir uns verpflichtet haben, haben wir unseren Teil des Vertrages in vollem Umfang eingehalten. Soweit der Vertrag Sie betrifft müssen wir feststellen, daß Sie diesen in keinem einzigen Punkt eingehalten haben.... Wir hatten Ihnen unseren voraussichtlichen Bedarf schon im Sommer vorigen Jahres mitgeteilt und seitdem laufend diese Aufträge und die voraussichtliche Lieferzeit mit Hinweis auf kurzfristigen Abruf vorangemeldet. Wir brauchen keine Aufstellung der tatsächlichen Lieferungen zu machen, da diese hinreichend bekannt sind, Diese Lieferungen erfolgten fast immer mit Verzögerungen.... Wir müssen deshalb Ihr letztes Schreiben zum Anlaß nehmen Sie zu fragen, ob Sie überhaupt daran interessiert sind, daß wir in der nächsten Saison Ihre Blumentöpfe verkaufen. Wenn Sie daran interessiert sind, müssen wir Sie bitten, die getroffenen Vereinbarungen einzuhalten...."
Die Antwort der Beklagten vom 13. Mai 1968 lautet:
"...Wir wollen auf keinen Fall den Eindruck erwecken, daß wir nicht daran interessiert sind, weiterhin an Sie zu verkaufen.... Sie dürfen auch versichert sein, daß in der kommenden Saison unsere Lieferfähigkeit wieder größer ist, da wir ja, wie Sie wissen, vergangenes Jahr durch die Tonumstellung in der stillen Zeit nicht auf Lager produzieren konnten, um die Spitzen der Saison abzufangen."
Nachdem der Gesellschafter J. der Klägerin vergeblich versucht hatte, am 8. Juli 1968 den geschäftsführenden Gesellschafter der Beklagten zu sprechen, aber lediglich deren Versandleiter R. angetroffen hatte, schrieb die Beklagte am 11. Juli 1968:
"...wie mir Herr R. berichtete, haben Sie auch die Lieferschwierigkeiten dieses Frühjahres angeführt. Ich darf Ihnen versichern, daß wir für Ihre Rüge großes Verständnis haben. Ich brauche Ihnen heute nicht mehr zu sagen, wie sehr uns unsere Materialumstellung in der Auslieferung behindert hat. Ich kann Ihnen aber erfreulicherweise für das verbleibende Jahr 1968 und die kommende Saison 1969 von der Produktionsseite her die Zusage machen, daß Sie monatlich mindestens 5 LKW's á 20 to an Ware bei uns beziehen können (höhere Gewalt ausgeschlossen). Die Preiskonditionen bleiben bis auf weiteres die gleichen. In Anbetracht Ihrer Zugehörigkeit zu unserer Firma haben wir uns zu diesem Schritt entschlossen, um Ihnen die Möglichkeit zu geben, in Ihrem Raum aktiv sein zu können...."
In dem Antwortschreiben des Gesellschafters J. der Klägerin vom 12. Juli 1968 heißt es u.a.:
"...Mit Herrn R. stimmte ich überein, daß die Lieferung der von mir im September 1967 angemeldeten 4.000.000 Blumentöpfe durch Ihren Herrn Vater fest zugesagt war. Wie mir Herr R. erklärte, wurden diese Töpfe nicht geliefert, weil eine enorm hohe Nachfrage nach Blumentöpfen bestand...."
Die Klägerin machte in diesem Schreiben weiter geltend, sie habe durch die Nichteinhaltung der Lieferzusage der Beklagten einen Ausfall von rund 45.000 DM erlitten. Bei einer Unterredung der Parteien am 5. August 1968 wurde über den von der Klägerin geforderten Schadensersatz keine Einigung erzielt.
Die Klägerin begehrte daher mit der Klage die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 20.000 DM nebst Zinsen. Die Beklagte beantragte Klagabweisung. Das Landgericht wies die Klage ab, weil die von der Klägerin behauptete Vereinbarung nicht bewiesen sei. Nachdem die Klägerin Berufung eingelegt und die Beklagte negative Feststellungswiderklage erhoben hatte, beantragte die Klägerin, die Beklagte zur Zahlung von 57.078,04 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Beide Parteien erklärten daraufhin unter Verwahrung gegen die Kosten die Feststellungswiderklage für erledigt. Das Berufungsgericht gab der Klage in Höhe von 54.392,45 DM nebst Zinsen statt.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I.
Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe zu Unrecht eine Vereinbarung angenommen, worin die Beklagte zugesagt habe, den Bedarf der Klägerin in der Saison 1967/1968 in der Größenordnung von rund 4 Millionen Blumentöpfen in Teillieferungen zu decken, ist allerdings unbegründet. Das Berufungsgericht hat diese Vereinbarung den Aussagen der Zeugen D. sen. und Sieglinde J., die es im Hinblick auf die Beziehungen dieser Zeugen zu den Parteien kritisch gewürdigt hat, sowie vor allem dem der Unterredung vom September 1967 nachfolgenden Schriftwechsel der Parteien entnommen. Diese Würdigung läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen und ist jedenfalls möglich.
1.
Das Berufungsgericht hat der Auffassung sein können, daß die Aussagen der Zeugen D. sen. und Sieglinde J. für die Darstellung der Klägerin sprechen. Entscheidend hat es indessen auf den folgenden Schriftwechsel der Parteien abgestellt. Daraus hat das Berufungsgericht entnehmen können, daß der für die Beklagte vertretungsberechtigte Zeuge D. sen. zugesagt hatte, den Bedarf der Klägerin an Blumentöpfen in der Saison 1967/1968, der mit rund 4 Millionen angegeben worden war, zu decken. Denn die Beklagte hat auf die wiederholten Beanstandungen der Klägerin wegen der Lieferverzögerungen nie darauf hingewiesen, daß sie keine Lieferverpflichtung eingegangen sei. Dazu hätten aber die Schreiben der Klägerin Anlaß gegeben. Bereits am 16. Dezember 1967 hatte diese darauf hingewiesen, daß sie im Herbst 1967 einen voraussichtlichen Bedarf von 4 Millionen Blumentöpfen "angemeldet" und Anspruch auf pünktliche Belieferung habe. Im Schreiben vom 16. März 1968 hatte sie auf die katastrophale Lage hingewiesen, in die sie durch die verzögerten Lieferungen der Beklagten geraten sei. Schließlich hatte die Beklagte dem Vorwurf des Vertragsbruchs im Schreiben der Klägerin vom 6. Mai 1968 wie dem Hinweis, der Zeuge R. habe bestätigt, daß der Zeuge D. die Lieferung der im September 1967 angemeldeten 4 Millionen Blumentöpfe zugesagt habe, im Schreiben vom 12. Juli 1968 nicht widersprochen. Obgleich diese Schreiben keine kaufmännischen Bestätigungsschreiben sind, hätte es nahegelegen, daß ein Unternehmen von der Größe der Beklagten den Vorwurf des Vertragsbruchs nicht unwidersprochen hingenommen hätte, wenn er nicht berechtigt gewesen wäre. Ein Widerspruch erfolgte aber erst mit dem Anwaltsschreiben vom 14. August 1968, nachdem die Klägerin Schadensersatz gefordert hatte.
2.
Aus diesem Schriftwechsel in Verbindung mit den Zeugenaussagen hat somit das Berufungsgericht schließen dürfen, daß im Herbst 1967 die von ihm angenommene Vereinbarung mündlich zustandegekommen war, obwohl diese nicht bestätigt worden war und obwohl es ungewöhnlich sein mag, Bestellungen in dieser Größenordnung nicht schriftlich zu bestätigen.
II.
Die Revision kann auch insoweit keinen Erfolg haben, als sie geltend macht, eine etwaige Lieferzusage sei freibleibend gewesen.
1.
Das Berufungsgericht hat zunächst annehmen können, daß das Wort "freibleibend" in dem Angebot der Klägerin vom 16. März 1967 lediglich die damals in Aussicht genommenen Bestellungen betraf, sich aber nicht auf die mündliche Lieferzusage im Herbst 1967 bezog. Es hat weiter aufgrund der Aussagen der Zeugen D. sen. und Sieglinde J. der Ansicht sein dürfen, daß bei der Unterredung im September 1967 die Lieferzusage der Beklagten nicht freibleibend erteilt worden war.
2.
Ob, wie das Berufungsgericht meint, die Bestimmung, "Lieferungsmöglichkeit bleibt in jedem Fall vorbehalten", in den Verkaufs- und Lieferungsbedingungen des von der Beklagten übergebenen Vertragsmusters deshalb unerheblich ist, weil zwischen den Parteien keine Verträge nach einem bestimmten Formular abgeschlossen wurden und weil es sich nicht um ein Formular der Beklagten, sondern der Firma Hans D. jun. handelte, kann dahingestellt bleiben. Denn das schlösse nicht aus, daß die Parteien die Geltung dieser Verkaufs- und Lieferungsbedingungen für ihre Geschäftsbeziehungen vereinbart hätten. Doch hat das Berufungsgericht dazu keine Feststellungen getroffen. Zweifelhaft kann allerdings auch sein, ob die weitgehende Freizeichnung in der erwähnten Klausel als wirksam angesehen werden könnte (vgl. dazu Senatsurteil vom 18. Februar 1976 - VIII ZR 162/74 = WM 1976, 352), was das Berufungsgericht nicht erörtert hat. Doch kann beides offen bleiben.
III.
Denn die Rüge der Revision, es liege entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kein Fall vor, in dem ohne Fristsetzung gemäß § 326 BGB Schadensersatz wegen Nichterfüllung beansprucht werden könne, ist berechtigt.
1.
Bei dem Vertrag vom September 1967 handelt es sich um einen Sukzessiv- oder Teillieferungsvertrag. Nach der Vereinbarung waren nämlich vertretbare Sachen gegen Entgelt, und zwar mit der Besonderheit zu liefern, daß die ihrer Art wie ihrem Umfang nach festgelegte Leistung in Teillieferungen erfolgen sollte. Ein derartiger Vertrag ist ein einheitlicher Vertrag, wenn die Parteien trotz der vereinbarten Erfüllung in zeitlich getrennten Teilleistungen ein einheitliches Ganzes gewollt hatten (Staudinger/Kaduk, BGB 10./11. Aufl. Einl. vor § 305 Rdn. 52 m.w.Nachw.), was das Berufungsgericht ersichtlich angenommen hat.
2.
Das Berufungsgericht hat in Erwägung gezogen, ob eine Fristsetzung gemäß § 326 BGB infolge der Handelsbräuche im Blumentopfgeschäft entbehrlich gewesen sei. Wer sich indessen auf einen Handelsbrauch beruft, muß sein Bestehen und seinen Inhalt behaupten und beweisen (BGH Urt. vom 28. Mai 1956 - II ZR 314/55 = LM HGB § 346 (F) Nr. 1). Ein hier in Betracht kommender Handelsbrauch ist von der Klägerin nicht einmal behauptet worden. Die Klägerin hatte lediglich vorgetragen, im Handel mit Blumentöpfen sei es "üblich", daß ein Gärtner, der vom Großhändler nicht fristgerecht beliefert werde, ohne Fristsetzung vom Vertrage zurücktrete und seinen Bedarf anderweitig decke. Diese Behauptung der Klägerin betrifft das Verhältnis zwischen Großhändler und Gärtner und nicht, wie hier, dasjenige zwischen Hersteller und Großhändler.
3.
a)
Nach Auffassung des erkennenden Senats kann bei einem auf längere Dauer abgeschlossenen und von einem gegenseitigen Vertrauensverhältnis abhängigen Sukzessivlieferungsvertrag, sofern der Verkäufer durch schuldhaftes Verhalten den Zweck des Vertrages und seine reibungslose Durchführung ernsthaft gefährdet, der Käufer unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung von der weiteren Vertragserfüllung Abstand nehmen und Schadensersatz hinsichtlich der noch ausstehenden Lieferungen verlangen (Senatsurteil vom 1. Dezember 1971 - VIII ZR 143/70 = NJW 1972, 246, 247 = WM 1972, 161 m.w.Nachw.).
b)
In einem Fall, in dem zwei Verträge geschlossen worden waren und der Schuldner alsbald nach Vertragsschluß erklärt hatte, er könne den zweiten nicht fristgerecht erfüllen, hat der erkennende Senat entschieden, daß ein Gläubiger in rechtsähnlicher Anwendung des § 326 BGB Frist zur Abgabe einer Erklärung, ob der Schuldner fristgerecht erfüllen werde, setzen muß, wenn dieser bereits vor Fälligkeit der Leistung erklärt, infolge unvorhergesehener Umstände nicht zu der vereinbarten Zeit liefern zu können, wobei er den Schuldner darauf hinzuweisen hat, daß er die Annahme der Leistung nach Ablauf der Frist ablehne. Wenn der Schuldner daraufhin eine entsprechende Erklärung nicht abgibt, kann der Gläubiger vom Vertrag zurücktreten oder Schadensersatz fordern (Senatsurteil vom 10. Dezember 1975 - VIII ZR 147/74 = NJW 1976, 326 (nur Leitsatz) = WM 76, 75 m.w.Nachw.).
c)
Das gilt auch für einen Sukzessiv- oder Teillieferungsvertrag. Auch bei einem derartigen Vertrag kann und muß der Gläubiger dem Schuldner in der Regel hinsichtlich der noch nicht fälligen Leistungen in rechtsähnlicher Anwendung des § 326 BGB unter Ablehnungsandrohung Frist zur Erklärung setzen, ob er den Vertrag vereinbarungsgemäß erfüllen werde. Das gebietet, wie bereits im Urteil vom 10. Dezember 1975 (a.a.O.) ausgeführt ist, Treu und Glauben. Es stellt zwar eine positive Vertragsverletzung dar, wenn der Schuldner erklärt, er werde sich bei Fälligkeit nicht an seine vertraglichen Verpflichtungen halten und könne die Lieferzeiten nicht einhalten. Dennoch muß in einem derartigen Fall § 326 BGB rechtsähnlich angewendet werden. Denn dem Gläubiger kann, wenn der Schuldner vor Fälligkeit erklärt, nicht vertragsgemäß, insbesondere nicht fristgemäß leisten zu können, nicht zugemutet werden, bis zur Fälligkeit der Leistung zuzuwarten und dann erst nach § 326 BGB vorzugehen. Falls der Schuldner ernstlich und endgültig die rechtzeitige Leistung ablehnt, muß der Gläubiger vielmehr die Möglichkeit haben, sich um Deckungsgeschäfte zu bemühen, was übrigens auch im Interesse des Schuldners liegt. Der Schuldner, der seine Leistung nicht endgültig verweigert hatte, darf andererseits nicht durch den Rücktritt des Gläubigers bzw. das Verlangen auf Schadensersatz überrascht werden.
d)
Eine Fristsetzung gemäß § 326 BGB hätte sich hier nur dann erübrigt, wenn die Beklagte bereits ohne Fristsetzung eindeutig und endgültig erklärt hätte, sie werde auf keinen Fall der Klägerin 4 Millionen Blumentöpfe in der vereinbarten Zeit liefern, und wenn ein Versuch, die Beklagte umzustimmen, völlig aussichtslos gewesen wäre.
aa)
An eine derartige Erklärung des Schuldners ist nach allgemeiner Meinung ein strenger Maßstab anzulegen. Denn die Fristsetzung soll den Schuldner vor die Frage stellen, ob er die Folgen des § 326 BGB auf sich nehmen oder durch Erfüllung von sich abwenden will. Die Fristsetzung ist daher nur dann entbehrlich, wenn der Schuldner zuvor eindeutig und endgültig zu erkennen gegeben hat, daß er weder eine Frist zur Erfüllung begehre noch von einer ihm gesetzten Frist Gebrauch machen werde, eine Änderung dieser Einstellung nicht zu erwarten ist und eine Erklärung nach § 326 BGB nur als leere und überflüssige Form zu betrachten wäre (Ballhaus, BGB-RGRK 12. Aufl. § 326 Rdn. 46 und 47 m.Nachw. aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs).
bb)
Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht verkannt.
Es hat gemeint, eine Fristsetzung sei hier deshalb entbehrlich gewesen, weil die Beklagte wiederholt zum Ausdruck gebracht habe, daß sie zu größeren und schnelleren Lieferungen nicht in der Lage sei und deshalb sogar eine Rationierung vorgenommen habe.
Daß die Beklagte das zum Ausdruck gebracht hatte, ist zwar richtig. Doch hat das Berufungsgericht nicht festzustellen vermocht, daß die Beklagte gewissermaßen "ihr letztes Wort" gesprochen hatte und daß eine Fristsetzung lediglich eine unnütze Förmelei gewesen wäre. Das läßt sich aus dem vom Berufungsgericht angeführten Schriftwechsel der Parteien nicht entnehmen. Auch das Schreiben der Beklagten vom 19. März 1968 kann nicht als deren letztes Wort angesehen werden. Dieses Schreiben ist die Antwort der Beklagten auf das Schreiben der Klägerin vom 16. März 1968, worin diese im Hinblick auf ihre Schwierigkeiten lediglich um Nachricht gebeten hatte, "wie die Angelegenheit weiterlaufen soll". Der in dem Schreiben der Beklagten enthaltene Hinweis auf die erforderlich gewordene "Rationierung" deutet darauf hin, daß die Beklagte bei bevorzugter Belieferung der Klägerin offenbar zu einer vertragsgemäßen Lieferung in der Lage gewesen wäre. Überdies hatte die Klägerin weder im Schreiben vom 16. März 1968, noch in einem ihrer vorangegangenen Schreiben auf die Zusage der Beklagten vom September 1967 hingewiesen, wonach diese in der Saison 1967/68 4 Millionen Blumentöpfe liefern werde. Ein Hinweis auf die von der Beklagten eingegangene Lieferverpflichtung findet sich erst in dem Schreiben der Klägerin vom 6. Mai 1968, kurz vor Ende der Saison. Auch an diesen Hinweis hatte die Klägerin indessen keine Folgerungen geknüpft, sondern lediglich angefragt, ob die Beklagte an ihrer Belieferung in der nächsten Saison interessiert sei.
Es läßt sich daher nicht ausschließen, daß die Beklagte, wenn die Klägerin rechtzeitig auf die Lieferzusage vom September 1967 hingewiesen hätte und wenn sie der Beklagten gemäß § 326 BGB unter Ablehnungsandrohung Frist zur Erklärung, ob sie vereinbarungsgemäß liefern werde, gesetzt hätte, der Klägerin die zugesagte Menge von Blumentöpfen vertragsgemäß geliefert hätte. Da die Klägerin das nicht tat, sondern trotz laufender Beanstandungen die geringeren Lieferungen der Beklagten entgegennahm, kann sie wegen der nicht erfolgten Lieferungen nicht Schadensersatz gemäß § 326 BGB beanspruchen.
IV.
Auf die Revision der Beklagten war daher die Berufung gegen das landgerichtliche Urteil zurückzuweisen und die Klage in vollem Umfange abzuweisen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 91, 91 a, 97 ZPO.
Hoffmann
Merz
Treier
Dr. Brunotte