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Bundesgerichtshof
Urt. v. 07.01.1972, Az.: IV ZR 231/69

Anspruch auf Schadensersatz wegen einer unerlaubten Handlung; Voraussetzungen für die Durchführung einer Scheidung; Vorliegen eines Treuhandverhältnisses zwischen Ehepartnern

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
07.01.1972
Aktenzeichen
IV ZR 231/69
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1972, 11977
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
KG Berlin - 19.05.1969
LG Berlin

Fundstellen

  • DB 1972, 623-624 (Volltext mit amtl. LS)
  • JA 2001, 376
  • MDR 1972, 401 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1972, 580 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Kaufmann Anton H., B., K.,

Prozessgegner

Hausfrau Ruth H., B. (...), D.straße ...,

Amtlicher Leitsatz

  1. a)

    Es liegt in der Regel keine Schenkung vor, wenn ein Ehemann aus seinem Verdienst Wertpapiere zur gemeinsamen Alterssicherung der Eheleute erwirbt und dabei mit seiner Frau gemeinsame Verfügungsbefugnis vereinbart.

  2. b)

    Übersteigt eine solche Zuwendung das Maß, das mit Rücksicht auf die bisherige Mitarbeit der Ehefrau in der Ehe angemessen erscheint, so ist nach Scheidung der Ehe nach den Rechtsregeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu entscheiden, in welcher Weise die Zuwendung den veränderten Umständen anzupassen ist.

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 1971
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Dr. Hauß und
der Bundesrichter Dr. Pfretzschner, Dr. Reinhardt, Dr. Bukow und Dr. Buchholz
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 12. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 19. Mai 1969 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien waren von August 1954 bis zum 18. Oktober 1967 miteinander verheiratet. Sie hatten Gütertrennung vereinbart. Am 21. Juni 1966 erwarben sie gemeinsam in Zürich Anteile des Investors O. S. (IOS I. P.) im Werte von 17.500 US-Dollar, die im Depot in der Schweiz lagern. Die einzelnen Anteile (Certifikate) sind ausdrücklich auf beide Parteien ausgestellt, so daß die Verfügung über die Anteile nur beiden Parteien gemeinsam zusteht.

2

Im Oktober 1966 klagte die Beklagte auf Scheidung mit der Behauptung, der Kläger habe sich ehewidrig verhalten. Der Kläger erhob Widerklage mit der Behauptung, die Beklagte habe Ehebruch getrieben, wovon er erst am 13. Oktober 1966 Kenntnis erhalten habe. Nach einer umfangreichen Beweisaufnahme schränkten die Parteien ihre Behauptungen auf beiderseitige Fortsetzungsverweigerung ein. Die Ehe der Parteien wurde daraufhin am 18. Oktober 1967 auf die Klage und Widerklage aus Verschulden beider Parteien rechtskräftig geschieden. Für den Fall der Rechtskraft des Scheidungsurteils hatten die Parteien am gleichen Tage folgenden Vergleich geschlossen:

"1.
Beide Parteien verzichten gegenseitig auf alle Unterhaltsansprüche einschließlich für den Fall des Notbedarfs und der unverschuldeten Erwerbsunfähigkeit.

Die Parteien nehmen gegenseitig den Verzicht an.

2.
Der Beklagte verpflichtet sich jedoch, der Klägerin den bisherigen Unterhalt von monatlich 500 DM weiterhin bis einschließlich Dezember 1968 zu zahlen.

2a
.....

3.
.....

4.
.....

5.
Die vermögensrechtliche Auseinandersetzung zwischen den Parteien bleibt von diesem Vergleich unberührt.

6.
....."

3

Der Kläger hat in erster Instanz begehrt, daß die Beklagte in den Verkauf eines näher bezeichneten IOS-Anteils in Höhe von 2.500 US-Dollar einwilligt und der Erlös bis auf einen geschuldeten Unterhaltsbetrag von 1.500 DM an ihn ausgezahlt wird.

4

Er hat hierzu vorgetragen: Er habe die Anteile allein bezahlt. Das Depot habe zur Alterssicherung beider Parteien dienen und später noch aufgestockt werden sollen. Die Beklagte habe bereits vor dem Kauf der Papiere mehrfach Ehebruch getrieben und beabsichtigt, sich von ihm zu lösen, wie er erst nach dem Kauf erfahren habe. Als sie ihrer Mitberechtigung sicher gewesen sei, habe sie die Scheidungsklage eingereicht. Zwischen den Parteien bestehe hinsichtlich der IOS- Anteile eine Innengesellschaft, mindestens aber eine Gemeinschaft. Die Beklagte sei nur Treuhänderin ihres Anteils. Durch das Verhalten der Beklagten und die nachfolgende Scheidung sei die Geschäftsgrundlage entfallen. Zumindest liege eine Schenkung vor, die er wegen groben Undanks widerrufen habe.

5

Der Kläger hat daher beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, einzuwilligen, daß das auf den Namen beider Parteien lautende, bei den "I. O. S." G., Schweiz, ... Rue de L., unter der Kontonummer ... lagernde L. P. Certificate in Höhe von 2.500 US-Dollar verkauft und der Erlös bis auf einen Betrag von 1.500 DM-West an ihn ausgezahlt wird.

6

Die Beklagte hat um Klageabweisung gebeten und hierzu vorgetragen, der Kläger habe ihr die IOS- Anteile zur Hälfte für ihre tätige Mitwirkung beim wirtschaftlichen Aufstieg zugewendet. Ihre Ehe sei im Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile ungetrübt gewesen. Die Beklagte hat darüber hinaus bestritten, die Ehe jemals gebrochen zu haben. Sie hat sich mit einem Verkauf des streitigen Anteils unter der Voraussetzung einverstanden erklärt, daß der Erlös beiden Parteien anteilig zur Hälfte zufällt und die Unterhaltsforderung allein zu Lasten des klägerischen Anteils geht. Sie hat weiterhin die Auffassung vertreten, durch die Auflösung der Ehe sei der Zuwendung des Klägers nicht die Geschäftsgrundlage entzogen worden. Wenn die Geldanlage ein Akt der Familienfürsorge in Form einer Schenkung gewesen sei, habe dies einer sittlichen Pflicht entsprochen und die Schenkung sei unwiderrufbar.

7

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

8

Im Berufungsverfahren hat der Kläger zusätzlich den Verkauf eines weiteren Investmentsanteils über 5.000 US-Dollar und die Auszahlung des erlösten Betrages an ihn begehrt. Er hat daher seinen Klageantrag erster Instanz wiederholt und zusätzlich beantragt,

die Beklagte fernerhin zu verurteilen, darin einzuwilligen, daß die auf den Namen beider Parteien lautenden und bei der IOS I. P. Certificate L. unter Depot Nr. ... vom 21. Juni 1966 lagernden Zertifikate in Höhe von nominell 5.000 US- Dollar verkauft werden und daß der Erlös an ihn allein auszuzahlen ist.

9

Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

10

Mit der Revision, um deren Zurückweisung die Beklagte bittet, verfolgt der Kläger seine im Berufungsverfahren gestellten Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

11

1.

Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers, soweit dieser ihn als Schadensersatzanspruch (§ 823 Abs. 2 (§ 263 StGB), 826 BGB) geltend gemacht hat, als unbegründet angesehen. Desgleichen hat es verneint, daß zwischen den Parteien ein Treuhandverhältnis oder eine Innengesellschaft bestanden habe, woraus der Kläger seinen Anspruch herleiten könnte. Die Ausführungen des Berufungsgerichts hierzu lassen keine Rechtsfehler erkennen und werden auch von der Revision nicht angegriffen.

12

2.

Im weiteren hat das Berufungsgericht unterstellt, daß der Kläger die Mittel zum Ankauf der IOS- Anteile allein zur Verfügung gestellt und damit der Beklagten ihre Beteiligung als Schenkung zugewendet hat. Es ist jedoch zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger habe seine Schenkung nicht nach § 73 EheG widerrufen und gemäß § 531 Abs. 2 BGB die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern können, da die Beklagte im Scheidungsurteil nicht für allein schuldig erklärt worden sei. Der unabhängig von § 73 EheG zulässige Widerruf wegen groben Undanks nach § 530 Abs. 1 BGB sei aber gemäß § 532 BGB ausgeschlossen, weil er nicht innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Widerrufsvoraussetzungen erfolgt sei.

13

3.

Es kann dahinstehen, ob die Rüge der Revision durchgreift, das Berufungsgericht habe unter Verletzung des § 139 ZPO angenommen, der Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks sei nicht innerhalb der Jahresfrist erfolgt. Denn nach dem festgestellten Sachverhalt kann nicht angenommen werden, daß in der Zuwendung der Hälfte der lOS-Anteile eine Schenkung des Klägers an die Beklagte gelegen hat. Eine Schenkung erfordert nicht nur, daß der erworbene Vermögenswert aus dem Vermögen des Zuwenders kommt, sondern darüber hinaus, daß beide Teile darüber einig sind, daß die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Die Anlage des vom Kläger verdienten Geldes in Investment-Anteilen sollte nach dem Vortrag des Klägers der gemeinsamen Alterssicherung der Parteien dienen. Nach den hier gegebenen Umständen konnte die Beklagte einen wesentlichen Bestimmungsfaktor dieser Zuwendung darin sehen, daß sie nach Eingehung der Ehe nicht durch eigene Berufstätigkeit die Voraussetzungen für eine Alterssicherung schaffen konnte, andererseits aber durch die Führung des ehelichen Haushalts und durch ihre - dem Umfang nach allerdings streitige - Mitarbeit im Geschäft des Klägers zu der Vermögensbildung beigetragen hatte. Es kommt hinzu, daß die Beklagte angesichts der vereinbarten Gütertrennung bei Auflösung der Ehe keinen Anspruch auf Beteiligung an dem vom Kläger erworbenen Zugewinn erwarb. Hielt sich die Alterssicherung in einem Rahmen, der mit Rücksicht auf die Einkommensverhältnisse des Klägers einerseits und die Art und Dauer der von der Beklagten in der Ehe geleisteten Arbeit als angemessen erscheint, so liegt eine entgeltliche Leistung vor, deren Bestand durch die im 14. Jahr der Ehe erfolgte Scheidung nicht in Frage gestellt wird (vgl. BGH II ZR 137/63 vom b. Dezember 1965 = NJW 1966, 542 = FamRZ 1966, 91). Die Beklagte durfte sich darauf verlassen, daß sie in der geschehenen Weise angemessen an den Früchten des ehelichen Zusammenwirkens beteiligt wurde und die Alterssicherung endgültig erwarb. Bedeutungslos bleibt, ob die Parteien bei Erwerb der Anteile den Fall einer Scheidung der Ehe nicht bedacht haben.

14

Eine andere rechtliche Beurteilung wäre allerdings dann veranlaßt, wenn die Zuwendung eine Grenze überstieg, über die hinaus sie nicht mehr als Ausgleich für geleistete Mitarbeit oder als angemessene Beteiligung an den Früchten des ehelichen Zusammenwirkens aufgefaßt werden kann. Angesichts des Zwecks der Maßnahme, der Schaffung einer gemeinsamen Alterssicherung, wäre es auch insoweit verfehlt, eine Schenkung anzunehmen und damit die Zuwendung den einschränkenden, aber hier nicht passenden Vorschriften der §§ 528, 530 BGB oder des § 73 EheG zu unterwerfen (vgl. Lieb, Die Ehegattenarbeit im Spannungsfeld zwischen Rechtsgeschäft, Bereicherungsausgleich und gesetzlichem Güterstand, 1970, S. 124). Der Absicht von Eheleuten, die sich durch eine Vermögensanlage eine gemeinsame Sicherung für ihr Alter schaffen wollen, wird eine Betrachtung in aller Regel nicht gerecht, die von einer bewußten Trennung zweier Vermögens Sphären und der unentgeltlichen Zuwendung des einen Ehegatten an den anderen Ehegatten ausgeht. Wohl aber kann für die Art und das Maß der Alterssicherung für beide Teile die Vorstellung grundlegend gewesen sein, die Ehe werde Bestand haben und die Beklagte werde auch weiterhin wie bisher den ehelichen Haushalt führen und im Geschäft des Mannes mitarbeiten. Nach der Auffassung des Senats läßt sich bei einer Vermögensdisposition, wie sie hier unter dem Gesichtspunkt der Sicherung des künftigen Unterhalts unter Eheleuten getroffen ist, nur durch die Anwendung der Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine angemessene, den Umständen des Einzelfalls gerecht werdende Lösung erzielen (vgl. RGZ 169, 249, 253; RG DR 1944, 909, 910 unter Ziffer III; Lorenz JZ 1968, 382 [BGH 05.10.1967 - VII ZR 143/65]; Lieb a.a.O. S. 121 ff Kühne FamRZ 1968, 356, 360). Kann die Zuwendung - wenigstens zu einem Teil - nicht mehr als angemessene Ausgleichung für eine erbrachte Leistung in der ehelichen Lebensgemeinschaft angesehen werden, so wird der bedachte Ehegatte in der Regel nicht davon ausgehen dürfen, die Vermögenszuwendung müsse im Fall einer Scheidung in voller Höhe Bestand haben. In welcher Höhe alsdann dem Kläger ein Rückforderungsanspruch einzuräumen ist, kann nur entschieden werden, wenn weitere Umstände aufgeklärt sind, die für die nach § 242 BGB erforderliche Anpassung an die veränderte Lage ins Gewicht fallen können. Neben dem Alter der Parteien und der Dauer der Ehe könnte von Bedeutung sein, welches Ausmaß die Arbeit der Beklagten in der Ehe hatte, wie die Einkommensverhältnisse des Beklagten waren und welche Verdienstmöglichkeiten für die Parteien in Zukunft bestehen. Ebenfalls wäre aufzuklären, ob und in welcher Höhe die Beklagte neben dem lautenden Unterhalt andere Zuwendungen vom Kläger im Laut der Ehe erhalten hat. Unerheblich muß es dagegen bleiben, ob sich die Beklagte der vom Kläger behaupteten Eheverfehlungen schuldig gemacht hat. Das Gesetz kennt selbst bei einem allein schuldig geschiedenen Ehegatten nicht allgemein eine Schlechterstellung durch Aberkennung von Ansprüchen. So wirkt sich beispielsweise beim gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft der Schuldausspruch im Ehescheidungsurteil auf eine Ausgleichsforderung des schuldigen Ehegatten nicht ohne weiteres nachteilig aus, sondern nur insoweit, als der Ausgleich des Zugewinns nach den Umständen des Falles grob unbillig wäre (§ 1381 BGB). Erst recht kann der Beklagten das, was sie, wenn möglicherweise auch nur mittelbar, zum Erwerb der IOS-Anteile beigetragen hat, nicht deshalb wieder fortgenommen werden, weil sie mitschuldig an der Scheidung war.

15

Die Sache bedarf unter den angeführten rechtlichen Gesichtspunkten einer weiteren Erörterung und Klärung, die dem Tatrichter obliegt.

16

Die Sache mußte daher unter Aufhebung des Berufungsurteils an das Berufungsgericht zur weiteren Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden.

Dr. Hauß
Dr. Pfretzschner
Dr. Reinhardt
Dr. Bukow
Dr. Buchholz