Bundesgerichtshof
Urt. v. 06.07.1971, Az.: VI ZR 94/69
Klage auf Schadensersatz gegen einen Rechtsanwalt infolge falscher Rechtsberatung; Vorliegen eines Anwaltsvertrags; Haftung für das Verschulden eines Sozietätsmitglieds; Anwälte einer Sozietät als Gesamtschuldner
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 06.07.1971
- Aktenzeichen
- VI ZR 94/69
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1971, 11009
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Hamm - 28.01.1969
- LG Münster - 12.07.1968
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHZ 56, 355 - 364
- DB 1971, 1568-1569 (Volltext mit amtl. LS)
- DB 1971, 1415 (Volltext)
- MDR 1971, 834-835 (Volltext mit amtl. LS)
- VersR 1971, 936-939 (Volltext mit red. LS)
Prozessführer
Firma August S., R., M.straße ...
Prozessgegner
1. Rechtsanwalt Dr. Heinz W.
2. Rechtsanwältin Gisela W.-J., beide in M., H.platz ...
Amtlicher Leitsatz
Wer einen einer Anwaltssozietät angehörenden Rechtsanwalt beauftragt, schließt den Anwaltsvertrag im Zweifel nicht nur mit dem Rechtsanwalt ab, der seine Sache bearbeitet, sondern mit allen der Sozietät angehörenden Anwälten. Sie alle haften ihm auf Schadensersatz, auch wenn nur der Anwalt, der seine Sache bearbeitet, den Schaden verschuldet hat (Abweichung von BGH NJW 1963, 1301).
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juli 1971
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Pehle und
der Bundesrichter Dr. Bode, Dr. Weber, Sonnabend und Scheffen
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin werden das Teilurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 12. Juli 1968 und das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 28. Januar 1969 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin hatte im September 1965 für einen Omnibus-Unternehmer den Motor eines seiner Busse überholt und ihm dafür insgesamt rd. 1.300 DM in Rechnung gestellt. Bald darauf rief dieser bei der Klägerin an und beanstandete, daß der Motor nicht genug leiste. Die Klägerin erklärte sich bereit, den Motor nachzusehen, erinnerte aber daran, daß ihre Reparaturrechnung noch nicht bezahlt sei. Als am 15. Oktober 1965 der Bus der Klägerin in die Werkstatt gebracht worden war, wurde festgestellt, daß nur eine Kleinigkeit am Motor zu verstellen war, was keine Kosten verursachte.
Die Klägerin wollte jedoch das Fahrzeug nicht zurückfahren lassen, bevor nicht die Rechnung vom September 1965 bezahlt sei. Daher rief einer ihrer Angestellten im Büro der Rechtsanwälte Dr. H. W., des Erstbeklagten, und Gisela W.-J., der Zweitbeklagten, an, die auch in früherer Zeit für die Klägerin schon tätig geworden waren, um zu fragen, ob die Klägerin jetzt noch berechtigt sei, wegen der September-Rechnung den Bus zurückzuhalten. Der Angestellte wurde hierbei mit dem Erstbeklagten verbunden, der die Frage bejahte. Nach der Behauptung der Klägerin soll er bei diesem Ferngespräch dem Erstbeklagten auch klargemacht haben, daß für die Nacharbeit keine neue Werklohnforderung entstanden sei; die Beklagten bestreiten dies.
Im Hinblick auf die Auskunft des Erstbeklagten weigerte sich der Angestellte der Klägerin, den Fahrer mit dem Bus zurückfahren zu lassen, so daß dieser das Fahrzeug stehen lassen mußte. Wenige Tage später erhob das Omnibusunternehmen gegen die Klägerin Klage auf Herausgabe des Fahrzeugs. Daraufhin suchte jener Angestellte mit der Klageschrift das Büro der Beklagten auf. Diesesmal sprach er mit der Zweitbeklagten. Die Beklagten bestellten sich zum Prozeßbevollmächtigten der Klägerin und beantragten, die Herausgabeklage abzuweisen. Im Verhandlungstermin erschien der Erstbeklagte; es erging ein Beweisbeschluß, wonach der Einzelrichter Zeugen, vor allem jenen Angestellten der Klägerin, vernehmen sollte. Im Beweistermin trat für die Klägerin die Zweitbeklagte auf, während im anschließenden Kammertermin wieder der Erstbeklagte erschien. Das Landgericht verurteilte in diesem Vorprozeß die Klägerin zur Herausgabe des Fahrzeuges. Gegen diese Entscheidung legte sie auf Rat der Beklagten keine Berufung ein und gab den Bus an den Unternehmer zurück. Anschließend erhob dieser gegen die Klägerin erneut Klage, diesmal auf Zahlung von 2.579 DM, weil er in der Zeit von Oktober 1965 bis März 1966 den Bus nicht habe gewinnbringend einsetzen können. Auch in diesem Rechtsstreit ließ sich die Klägerin von den Beklagten vertreten, wobei auch diesesmal in den Terminen teils der Erstbeklagte, teils die Zweitbeklagte auftrat. Auch dieser Prozeß endete zu Lasten der Klägerin: sie wurde verurteilt, die verlangten 2.579 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Mit der im vorliegenden Rechtsstreit zu entscheidenden Klage macht die Klägerin die Beklagten dafür verantwortlich, daß es zu jenen beiden Prozessen gekommen sei. Sie verlangt Erstattung der Beträge, die sie an den Unternehmer hat zahlen müssen, sowie der Gerichts- und Anwaltskosten, zu deren Tragung sie in den Vorprozessen verurteilt worden war.
Diese Klage hatte die Klägerin zunächst nur gegen den Erstbeklagten gerichtet. Nachdem hier ihr Angestellter darüber, welchen Sachverhalt er dem Erstbeklagten bei dem Ferngespräch an jenem 15. Oktober 1965 geschildert hatte, vernommen worden war, und daraufhin das Landgericht auf Antrag des Erstbeklagten beschlossen hatte, gegenbeweislich die Zweitbeklagte als Zeugin zu vernehmen, hat die Klägerin ihre Klage erweitert und sie auch gegen die Zweitbeklagte erhoben. Dazu hat sie behauptet, auch diese sei von ihr beauftragt gewesen und habe sie ebenfalls nicht richtig beraten. Im übrigen, so hat die Klägerin geltend gemacht, hafte die Zweitbeklagte ohnehin so wie der Erstbeklagte, weil sie mit diesem die Anwaltspraxis in einer Sozietät gemeinschaftlich ausübe.
Das Landgericht hat daraufhin den Termin, in dem die Zweitbeklagte als Zeugin vernommen werden sollte, aufgehoben und durch Teilurteil die Klage insoweit abgewiesen, als sie gegen die Zweitbeklagte erhoben war.
Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren, neben dem Erstbeklagten auch die Zweitbeklagte in Anspruch nehmen zu können, weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Im Revisionsrechtszug geht es nicht um die Frage, ob die Klägerin Schadensersatz verlangen kann, weil sie schuldhaft falsch beraten worden sei, sondern nur darum, ob sie dafür neben dem Erstbeklagten auch die Zweitbeklagte verantwortlich machen könnte. Insofern geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, daß es in erster Linie darauf ankommt, mit welchem der beiden Rechtsanwälte der Beratungsvertrag zustandegekommen war, als der Angestellte der Klägerin am 15. Oktober 1965 im Büro der Anwälte anrief und dabei mit dem Erstbeklagten verbunden wurde. Die hierbei von dem Erstbeklagten gegebene Auskunft, die Klägerin dürfe den Bus zurückhalten, hat dazu geführt, daß sie von dem Omnibusunternehmer verklagt worden ist und, weil sie diese beiden Vorprozesse verloren hat, die mit ihrer Klage verlangten Beträge hat aufwenden müssen. Wie das Berufungsgericht feststellt, hat bei jenem Ferngespräch weder jener Angestellte noch der Erstbeklagte ausdrücklich etwas dazu gesagt, wer Vertragspartner des Beratungs- und Anwaltsvertrages sein sollte. Allerdings habe der Angestellte bekundet, ihm sei es bei seiner Bitte um Rechtsauskunft nicht darauf angekommen, ob er sie vom Erstbeklagten oder von der Zweitbeklagten erhalte; er sei mit beiden einverstanden gewesen. Er habe gewußt, daß seit längerer Zeit die Zweitbeklagte in die Praxis des Erstbeklagten eingetreten sei; auch schon vor diesem Ferngespräch habe er Rechtssachen der Klägerin sowohl mit der Zweitbeklagten wie mit dem Erstbeklagten besprochen.
In Würdigung dieser Aussage meint das Berufungsgericht, sie spreche dafür, daß das Vertragsverhältnis am 15. Oktober 1965 mit beiden Beklagten begründet worden sei; die Klägerin habe beiden Anwälten Prozeßvollmacht erteilt und beide seien für sie aufgetreten. Indes sei der Erstbeklagte derjenige gewesen, der mit der Bearbeitung der Sachen betraut gewesen sei; die Zweitbeklagte sei nur als Substitutin, mithin als seine Erfüllungsgehilfin tätig geworden. Die Frage, ob die Zweitbeklagte für das Handeln des Erstbeklagten als Gesamtschuldnerin hafte, hat das Berufungsgericht verneint.
II.
Der Ansicht des Berufungsgerichts, daß die Klägerin mit beiden Beklagten den Anwaltsvertrag geschlossen habe, ist zuzustimmen. Mit Recht greift jedoch die Revision den Standpunkt des Berufungsgerichts an, daß innerhalb einer Anwaltssozietät grundsätzlich nur der Anwalt - für einen ihm selbst oder dem von ihm herangezogenen Sozius (§ 278 BGB) unterlaufenen Fehler - hafte, der die Sache des Mandanten bearbeitet und für ihn tätig geworden sei. Schon das Reichsgericht hat in seinem Urteil vom 6. Oktober 1914 (RGZ 85, 306 = JW 1914, 1078; auch RGZ 88, 342) entschieden, daß, wenn Anwälte einer Sozietät den Auftrag des Mandanten angenommen haben, sämtliche Sozien als Gesamtschuldner für den Schaden haften, den einer von ihnen verschuldet hat. An diesem Standpunkt hat das Reichsgericht trotz der Kritik von Oertmann LZ 1916, 199 und Kaufmann JW 1916, 883 festgehalten (RG Warn 1916 Nr. 247; zuletzt noch RG JW 1936, 803, Nr. 24). Allerdings kann sich das Berufungsgericht auf das Urteil des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 29. April 1963 (III ZR 211/61 - LM § 611 BGB Nr. 22 = NJW 1963, 1301) stützen, in dem ausgeführt ist, daß der Mandant auch bei einer Sozietät nur einen der Anwälte beauftrage und daher nur dieser und nicht auch die Sozien ihm hafteten (vgl. dazu auch Arndt NJW 1969, 1200; ihm folgend Palandt/Putzo RGB 30. Aufl. Bem. 2 aee vor § 611). Gegen diesen Standpunkt hat sich bereits Müller in ergebenden Ausführungen (NJW 1969, 903, 1416) gewandt, ebenso der 11. Zivilsenat des Berufungsgerichts in seinem Urteil vom 13. Mai 1970 (NJW 1970, 1791).
Der erkennende Senat tritt der schon vom Reichsgericht vertretenen Ansicht bei.
1.
Sollen alle Anwälte einer Sozietät als Gesamtschuldner dem Mandanten auf Schadensersatz haften, obschon nur einer von ihnen, der Bearbeiter der Sache, den schadensverursachenden Fehler begangen hatte, so ist zunächst zu prüfen, ob sie alle dem Mandanten auf Erfüllung des mit ihm abgeschlossenen Auftrages haften, weil dieser sie alle mit seiner Sache betraut hatte.
Das ist im allgemeinen zu bejahen.
a)
Gesetzlich sind die Rechtsbeziehungen, die entstehen, wenn sich mehrere Anwälte zur gemeinschaftlichen Ausübung ihres Berufes verbunden haben (Sozietät), nicht besonders geregelt. Wohl heißt es in § 21 Abs. 1 der gemäß § 177 Abs. 2 Nr. 2 BRAO von der Bundesrechtsanwaltskammer festgestellten Grundsätze des anwaltlichen Standesrechts (i.d.F. vom 2./3. Mai 1963, abgedruckt bei Kalsbach, BRAO 1960 S. 249), die Sozietät zwischen Anwälten erfordere eine gemeinsame Kanzlei und grundsätzlich die gemeinschaftliche Entgegennahme der Aufträge und Entgelte. Doch dürfte sich diese Bestimmung nur auf das zwischen den Anwälten einer Sozietät bestehende Innenverhältnis beziehen, auf das es hier nicht unmittelbar ankommt. Immerhin unterscheidet § 21 Abs. 5 der Richtlinien die Sozietät von der bloßen Bürogemeinschaft, bei der die Frage, ob jeder der beteiligten Anwälte dem Mandanten haftet, grundsätzlich nicht auftaucht (vgl. BGB-RGRK, 11. Aufl. Bem. 65 vor § 611; Soergel/Wlotzke-Volze BGB, 10. Aufl. Bem. 99 vor § 611). Demgegenüber haben Rechtsanwälte einer Sozietät nicht nur ein gemeinsames Büro, sondern üben den Beruf im Interesse und auf Rechnung aller Sozien unter Benutzung ihrer gemeinsamen Einrichtungen gemeinsam, als eine Einheit, aus (vgl. Friedländer, Rechtsanwaltsordnung, 3. Aufl. 1930 im Exkurs zu § 40). Ihr Rechtsverhältnis ist daher jedenfalls nach außen entsprechend den Vorschriften über die bürgerlich-rechtliche Gesellschaft (§§ 705 ff BGB) zu bestimmen (so auch das bereits erwähnte BGH-Urteil des III. Zivilsenats vom 29. April 1963; vgl. auch BGH-Urteil vom 4. Mai 1960 - IV ZR 309/59 - BB 1960, 681). Das ist auch der überwiegende Standpunkt des Schrifttums (Friedländer a.a.O. Rdn. 3; Oertmann a.a.O.; Soergel/Schulze/v. Lasaulx a.a.O. Bem. 77 vor § 705; Palandt/Thomas, a.a.O. § 705 Anm. 9 baa; Esser, Schuldrecht II 3. Aufl. § 94 III 1; Müller NJW 1969, 903 und 1416 Fn. 5 m.w. Nachw.). Der grundsätzlichen Heranziehung der Vorschriften des Gesellschaftsrechts steht nicht entgegen, daß die Ausführung des der Sozietät erteilten Mandate wohl nicht in der Weise noch zur Geschäftsführung der Gesellschaft gehört, daß sie gemäß § 709 BGB nur gemeinschaftlich erfolgen könnte. Diese Bestimmung den gesetzlichen Gesellschaftsrechts können die Gesellschafter abweichend durch Vereinbarung einer Arbeits- und Geschäftsführungsaufteilung regeln (vgl. §§ 710, 711 BGB).
Die Sozietät ist freilich keine juristische Person, daher nicht als solche der dem Mandanten gegenüberstehende Beauftragte. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts hängt die zu entscheidende Frage auch nicht davon ab, ob die Prozeßvollmacht vom Mandanten auf alle der Sozietät angehörenden Anwälte ausgestellt war, wie dies bei gemeinsam tätigen Anwälten durchweg geschieht. Die Prozeßvollmacht hat mit dem Verhältnis des Anwalts zu dem Mandanten nicht unbedingt etwas zu tun; sie soll lediglich den Anwalt nach außen legitimieren (vgl. auch § 84 ZPO), ermöglicht es ihm daher, seinen Sozius auch dann, wenn dieser an sich nicht für seinen Mandanten tätig ist, als Prozeßbevollmächtigten, also nicht bloß als Unterbevollmächtigten auftreten zu lassen. Wohl dürfte dann, wenn der Mandant die Prozeßvollmacht nur auf einen der Anwälte der Sozietät ausgestellt hat, anzunehmen sein, daß er seinen Anwaltsvertrag nur mit diesem einen Anwalt abgeschlossen hatte. Entscheidend ist auch nicht, welcher Anwalt der Sozietät in den Terminen aufgetreten war und wer von ihnen die Schriftsätze gefertigt und unterschrieben hat. Abzustellen ist allein darauf, wer nach dem ausdrücklich oder schlüssig erklärten Willen des Mandanten der Rechtsanwalt sein sollte, von dem er die Erfüllung der ihm kraft des Auftrages obliegenden Pflichten erwartete, und mit welchem Inhalt ein Anwalt der Sozietät diese Pflichten übernommen hatte. Für die Beantwortung dieser Frage wird nichts gewonnen mit dem Hinweis darauf, daß dann, wenn dem Mandanten außer "seinem" Anwalt, den er mit seiner Sache betraut hatte, insofern auch dessen Sozius dann gegenübersteht, wenn auch dieser für ihn tätig geworden war, so daß "sein" Anwalt für ein vom Sozius begangenes Verschulden haftet. Diese aus § 278 BGB folgende Haftung des Anwalts ist selbstverständlich; sie träfe ihn selbst dann, wenn er nicht einen Sozius, sondern einen Hilfsarbeiter, Referendar usw. mit der (völligen oder teilweisen) Bearbeitung der Sache beauftragt hätte. Hier geht es dagegen darum, ob der Mandant gegen diesen "Erfüllungsgehilfen" einen unmittelbaren vertraglichen Anspruch hat, und vor allem darum, ob er diesen Anspruch auch gegen den Anwalt der. Soziet8t hat, der mit seiner Sache nicht befaßt gewesen war.
b)
Nimmt bei einer Sozietät einer der Anwälte ein ihm angetragenes Mandat an, so handelt er dabei regelmäßig namens der Sozietät, d.h. er verpflichtet nicht nur sich, sondern auch seine Sozien (vgl. § 714 BGB; Kalsbach a.a.O. S. 249 in Am. 3 I zu § 21 der Richtlinien). Das gilt, da es für die hier zu entscheidende Frage allein auf das Außenverhältnis zum Mandanten ankommt, auch dann, wenn jener Sozius im Innenverhältnis lediglich gegen festes Gehalt angestellt war ("fixierter Sozius"), insofern also nicht eigentlich Gesellschafter war. Für die Auslegung der beiderseitigen Willenserklärungen sind die äußeren Umstände, vor allem die Verkehrsauffassung maßgebend. Sie aber geht dahin, daß die Sozietät den guten Ruf, non nie als solche genießt, dem Mandanten anbietet und dieser auf diesen guten Ruf der Sozietät, oft begründet und künftig fortwirkend durch ihren Senior-Partner, vertraut.
Dieser Auffassung stehen, wie bereits Müller NJW 1969, 1416 dargetan hat, weder die Vorschriften des Rechtsberatungsmißbrauchsgesetzes noch die der Zivilprozeßordnung entgegen. Sie steht auch nicht in Widerspruch mit § 5 BRAGebO, wonach ein Mandant, wenn er mehrere Rechtsanwälte beauftragt hat, jedem von ihnen die volle Vergütung schuldet. Diese Regelung gilt nur, wenn die mehreren Anwälte nebeneinander tätig werden sollen, nicht aber, wenn sie - wie dies bei einer Sozietät grundsätzlich geschehen soll - nacheinander und füreinander tätig werden sollen (vgl. das erwähnte Urteil des III. Zivilsenats vom 29. April 1963 m.w. Nachw.). Wie aber der Gebührenanspruch dann, wenn für den Mandanten eine Sozietät tätig war, den ihr angehörenden Rechtsanwälten gemeinschaftlich und ohne Rücksicht darauf zusteht, wer von ihnen die Sache bearbeitet hatte (vgl. § 718 BGB), so schulden alle Anwälte der Sozietät dem Mandanten die Erfüllung der Anwaltspflichten - gleich wer das Mandat angenommen und wer die Sache bearbeitet hatte. Daß sie berechtigt sind, diese Arbeitsteilung unter sich selbständig zu regeln, hindert die Annahme eines Gesamtschuldverhältnisses nicht (so auch Müller NJW 1969, 905; zweifelnd Soergel/Reimer Schmidt a.a.O. § 421 Anm. 16). Der Rechtsuchende, der eine Sozietät beauftragt, will sich - von noch zu erörternden Ausnahmen abgesehen - gerade die Vorteile zu Nutze machen, die ihm solche Sozietät bietet. Freilich wird er wissen, daß innerhalb der Sozietät grundsätzlich nur einer der Anwälte seine Sache bearbeitet. Darauf wird er sogar Wert legen, weil er nicht alle Anwälte, sondern nur einen informieren will, den er aufsucht und persönlich kennt, der ihn (von Ausnahmen abgesehen) vor Gericht vertritt und mit dem er seine Angelegenheiten besprechen kann. Auf all dies, was, wenn er einen allein arbeitenden Rechtsanwalt beauftragt, das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und Anwalt begründet und festigt, will er bei einer Sozietät nicht verzichten. Vielmehr will er insofern besser stehen, als er die Gewißheit hat, daß hinter "seinem" Anwalt die Sozietät mit ihren Vorteilen in Bezug auf Organisation und Arbeitsteilung steht. Er weiß, daß, wenn sein Anwalt verhindert sein sollte, stets für Vertretung gesorgt ist; stirbt sein Anwalt, so erlischt entgegen § 673 BGB der Auftrag nicht, sondern wird sogleich von dessen Sozien fortgeführt. Auch wenn seine Sache von einem der Sozien, etwa dem Junior, bearbeitet wird, der noch über keine große Erfahrung verfügt, rechnet er vielfach damit, daß dieser sich gegebenenfalls, insbesondere in Spezialfragen, bei den anderen, vor allem dem Seniorpartner der Sozietät, Rat holen wird. Denn die gemeinsame Nutzung der Berufserfahrung und die Pflege des Gedankenaustausches gehört zum Zweck der Sozietät (so Anwaltsblatt 1964, 130).
Auf der anderen Seite sind es eben diese Vorteile, welche die Rechtsanwälte veranlassen, sich über eine bloße Bürogemeinschaft hinaus zu gemeinsamer Ausübung ihrer Praxis zu verbinden. Sie tun dies nicht nur, um Unkosten zu senken, sondern auch deshalb, weil sie wissen, daß die beschriebenen Vorteile manchen Mandanten bewegen, gerade diese Sozietät mit seiner Sache zu betrauen. Denn erfahrungsgemäß fallen die Erfolge, das Ansehen, die Erfahrung usw., die den Seniorpartner der Sozietät zukommen, ins Gewicht und sollen dies auch.
Angesichts dieser Umstände und nach der Verkehrsauffassung kommt der Anwaltsvertrag bei einer Sozietät mit allen Anwälten zustande. Daß diese Lösung allein sachgerecht ist, zeigt sich vor allem dann, wenn der Mandant die Sozietät beauftragt hatte, Klage zu erheben oder ein Rechtsmittel einzulegen, die Sozietät aber, obschon sie den Auftrag nicht abgelehnt hatte (vgl. § 44 BRAO; § 151 BGB), die Sache nicht fristgerecht bearbeitet. In diesem Falle fehlt es (noch) an einem Anwalt, der haften würde, weil "er" die Sache des Mandanten bearbeitet. Ihm gegenüber war aber die Sozietät beauftragt, also alle ihr angehörenden Anwälte. Davon geht offenbar auch § 22 der Grundsätze des anwaltlichen Standesrechts aus, wonach dann, wenn die Anwälte ihre Sozietät aufheben, der Klient darüber zu entscheiden hat, welcher der Anwälte seine Sache weiter bearbeiten soll.
c)
Freilich kann nach den Umständen des Falls die Sache auch so liegen, daß nur einer der Anwälte Vertragsgegner des Mandanten ist, wie etwa bei Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, bei reinen Beratungsaufträgen und dergleichen. Solche Ausnahmen liegen auch dann vor, wenn einer der Anwälte als Armenanwalt, als Notanwalt oder als Pflichtverteidiger beigeordnet war. Gleiches wird gelten, wenn nur einer der Anwälte bei dem Gericht zugelassen ist, vor dem die Sache zu verhandeln war. Aber auch dann, wenn der Mandant aus besonderen Gründen den Auftrag an die Person eines der Anwälte der Sozietät geknüpft hat, wird zu prüfen sein, ob nicht nur dieser sein Anwalt sein sollte, er also auch nur ihn für einen Fehler haftbar machen kann (vgl. BGB-RGRK a.a.O. Bem. 65 vor § 611).
Für einen solchen Ausnahmefalls geben die Umstände des hier zu entscheidenden Sachverhalts jedoch nichts her. Vielmehr spricht alles dafür, daß nicht nur der Erstbeklagte der Anwalt der Klägerin sein sollte und wollte, sondern auch die Zweitbeklagte. Sie war, als sie selbst die Klägerin beriet und vor Gericht vertrat, nicht bloß Erfüllungsgehilfe des Erstbeklagten, sondern wie dieser Schuldner der Klägerin. Dies war sie aber auch schon, als der Erstbeklagte am 15. Oktober 1965 dem Angestellten der Klägerin den erbetenen Rechtsrat erteilte. Schon hierbei handelte der Erstbeklagte namens der Sozietät, verpflichtete also die Zweitbeklagte so wie sich selbst.
2.
Ist hiernach auch die Zweitbeklagte Vertragspartner der Klägerin gewesen, so folgt daraus, daß auch sie der Klägerin auf Ersatz haftet, falls diese durch schuldhaft falschen Rechtsrat des Erstbeklagten zu Schaden gekommen ist.
Das Berufungsgericht nimmt insoweit zutreffend an, daß sich die Mit-Haftung der Zweitbeklagten nicht schon aus den Bestimmungen des Gesellschaftsrechts ergibt. Daß nach § 714 BGB jeder Gesellschafter den anderen rechtsgeschäftlich verpflichten kann, heißt nicht, daß er dann, wenn er die so begründeten Pflichten verletzt, auch den anderen zu Schadensersatz verpflichtet. Daher ist mit dem oben gewonnenen Ergebnis, daß die Anwälte einer Sozietät Gesamtschuldner der im Anwaltsvertrag übernommenen Pflichten sind, allerdings noch nicht gesagt, daß auch jeder von ihnen für die Fehler, die sein Sozius gemacht hat, zu haften hat. Das ist nach dem Gesetz grundsätzlich gerade nicht der Fall (§ 425 Abs. 2 BGB). Jedoch zeigen die oben erörterten Besonderheiten des mit einer Anwaltssozietät geschlossenen Vertrages, daß sich aus dem Schuldverhältnis in diesem Fall das Gegenteil ergibt (§ 425 Abs. 1 BGB; Blomeyer, Allgemeines Schuldrecht, 4. Aufl. § 49 II 1 b S. 303). Auch dies hat schon das Reichsgericht in dem oben angeführten Urteil RGZ 85, 306 angenommen und ist trotz der Kritik von Oertmann und Kaufmann (a.a.O.) dabei geblieben (zuletzt RG JW 1936, 803; ebenso OLG Hamburg JW 1916, 519; OLG Dresden JW 1917, 304 Nr. 7; OLG Nürnberg MDR 1960, 310 [OLG Nürnberg 01.12.1959 - 2 U 92/59] sowie der 11. Zivilsenat des Berufungsgerichts NJW 1970, 1791).
Das Reichsgericht hat seine Ansicht - im Anschluß an Friedländer in seinem Kommentar zur Rechtsanwaltsordnung, 1. Aufl. 1907, Exkurs zu § 40 Rdn. 15 und Josef LZ 1908, 680; JW 1912, 551 - damit begründet, daß bei einer Sozietät der Anwalt, dem nach der internen Aufgabenverteilung die Sache des Mandanten zugefallen ist und der nunmehr mit diesem verhandelt und spricht, ihm dabei im Namen seiner Sozien zusage, daß bei einem Fehler nicht nur er, sondern auch seine Sozien hafteten (so auch Enneccerus/Lehmann, Schuldrecht 15. Aufl. § 93 IV S. 370; Staudinger/Werner, BGB 9. Aufl. § 425 Anm. II 3; vgl. auch Staudinger/Nipperdey/Mohnen BGB 11. Aufl. Bem. 201 vor § 611). Ob sich die gesamtschuldnerische Schadenshaftung der Anwälte mit solcher Garantiezusage begrifflich einwandfrei begründen läßt, mag offen bleiben (kritisch insoweit Soergel/Reimer Schmidt a.a.O.). Jedenfalls entspricht das vom Reichsgericht gefundene Ergebnis allein der Interessenlage und Verkehrsauffassung. Daß es sich schon damals auf eine angesehene Stimme der Anwaltschaft, nämlich die Ausführungen Friedländers in seinem Kommentar "zu den richtigen Auffassungen von den Pflichten des Anwaltsstandes" stützen konnte, muß bei Entscheidung der in Rede stehenden Frage ins Gewicht fallen. Dem Recht der zur Sozietät verbundenen Anwälte, selbst darüber zu bestimmen, wer von ihnen den Mandanten betreuen, seine Sache bearbeiten und je nach den Umständen behalten oder abgeben soll, insofern also dem Mandanten gegenüber immer als Einheit, als "die Sozietät" aufzutreten, steht die Pflicht gegenüber, ihm gegebenenfalls dann auch "als Sozietät" zu haften - also daraus, daß die Sozietät die Sache wie vorgesehen nur einem von ihnen zur Bearbeitung übergeben hatte, im Haftungsfall keine Einwendungen herzuleiten. Es würde einer Sozietät schlecht anstehen, dem Mandanten gegenüber als eine Sozietät, der er besonderes Vertrauen entgegenbringen darf, aufzutreten, dann aber, wenn es um die Wiedergutmachung eines dem Mandanten zugefügten Schadens geht, diesen auf den jeweiligen Bearbeiter seiner Sache zu verweisen, auf dessen Auswahl er keinen Einfluß hatte und den er unter Umständen nie kennengelernt hat. Das Berufungsgericht meint, der Juniorpartner einer großen Anwaltssozietät, der vielleicht praktisch vermögenslos sei, werde kaum willens sein, die Haftung für die von seinem Seniorpartner bearbeiteten Sachen mit hohen Streitwerten zu übernehmen; umgekehrt werde dieser kaum bereit sein, für den soeben eingetretenen Juniorpartner zu haften. Diese Bedenken überzeugen nicht. Ohnehin tritt in der Regel für den schuldigen Sozius die Berufshaftpflichtversicherung ein, die in § 37 der erwähnten Richtlinien zur Pflicht gemacht ist. Nach § 12 Nr. 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden (abgedruckt bei Brück/Prölss/Johannsen, §§ 149 ff VVG) gilt der Versicherungsfall auch nur eines der Sozien als Versicherungsfall aller Sozien. Soweit der Versicherer den Haftpflichtschaden nicht oder nicht voll deckt, dürfte im Innenverhältnis jeder Sozius nur den von ihm selbst verschuldeten Schaden zu tragen haben. Im übrigen muß, wie Friedländer überzeugend ausgeführt hat, bei der Entscheidung der Streitfrage nicht so sehr an das Innenverhältnis, sondern an das zwischen der Sozietät und dem Mandanten bestehende Außenverhältnis gedacht werden. Hier aber ist allein die gesamtschuldnerische Schadensersatzhaftung aller Sozien die gerechte Lösung. Das ist auch überwiegend die Ansicht in Rechtslehre und Schrifttum (BGB-RGRK 11. Aufl. § 425 Anm. 11; Denecke a.a.O. Bem. 65 vor § 611; Erman/Westermann, BGB 4. Aufl. § 426 Anm. 2; Soergel/Reimer Schmidt a.a.O., § 421 Rdn. 16; Staudinger/Nipperdey/Mohnen a.a.O., Bem. 201 vor § 611; Palandt/Heinrichs a.a.O., § 425 Anm. 1 c; Kalsbach a.a.O., Anm. 1 I zu § 37 der Richtlinien; Larenz, Schuldrecht Bd. I 9. Aufl. § 33 I a.E. S. 383/384; Esser, Schuldrecht Bd. I, 4. Aufl. § 58 III Fn. 15 und Bd. II 3. Aufl. § 94 III 1; Müller a.a.O.).
3.
Allerdings ist in dem erwähnten Urteil des III. Zivilsenats vom 29. April 1963 ausgeführt, im Zweifel beauftrage der Mandant bei einer Anwaltssozietät nur einen Anwalt, der dann befugt sei, jeden zur Sozietät gehörenden Anwalt als Vertreter, Substituten oder Mitarbeiter heranzuziehen, für die er gemäß § 278 BGB hafte. An der dort vertretenen Ansicht wird nicht festgehalten. Einer Anrufung des Großen Senats bedarf es nicht. Einmal beruht jenes Urteil nicht auf der hier zu entscheidenden Frage, weil es sich nur um eine Hilfserwägung gehandelt hat; zum anderen ist inzwischen der erkennende Senat für Schadensersatzansprüche gegen Rechtsanwälte aus dem Mandatsverhältnis zuständig.
Es bestehen keine Bedenken dagegen, die oben aufgestellten Rechtsgrundsätze auch schon auf den Vorliegenden Fall, der sich im Jahre 1965 zugetragen hat, anzuwenden. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die hier streitenden Parteien ihre vertraglichen Beziehungen so haben ordnen wollen, wie dies jenes Urteil vom 29. April 1963 im Zweifel für richtig gehalten hat.
4.
Ohne Bedeutung ist auch, daß die Ersatzpflicht der Beklagten - ihr Bestehen unterstellt - auf den Rechtsrat zurückgeht, den der Erstbeklagte noch vor Beginn der beiden Vorprozesse erteilt hat, so daß die vertraglichen Beziehungen der Parteien zunächst als Werk- und nicht als Dienstvertrag zu beurteilen sein dürften (vgl. Senatsurteil vom 20. Oktober 1964 - VI ZR 101/63 - NJW 1965, 106). Die in der vorliegenden Entscheidung ausgesprochenen Grundsätze sind auf den Anwaltsvertrag, einen Dienst- oder Werkvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (§ 675 BGB), auch dann anzuwenden, wenn er rechtlich ein Werkvertrag war. Daß dies im gegebenen Fall hätte anders sein sollen, ist nicht ersichtlich.
III.
Nach alledem hat das Berufungsgericht zu Unrecht die Möglichkeit verneint, daß die Klägerin auch die Zweitbeklagte in Anspruch nehmen kann. Infolgedessen waren die Vorentscheidungen aufzuheben und die Sache zur Prüfung der Frage zurückzuverweisen, ob der Klägerin schuldhaft falscher Rechtsrat erteilt worden war, der den eingeklagten Schaden zur Folge gehabt hat.
Dr. Bode
Dr. Weber
Sonnabend
Scheffen