Bundesgerichtshof
Urt. v. 05.03.1971, Az.: V ZR 168/68
Ersatz des Schadens an einem Grundstück; Abrutschen des gesamten Grundstücks infolge Aufschüttungen auf dem Nachbargrundstück
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 05.03.1971
- Aktenzeichen
- V ZR 168/68
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1971, 10998
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG München - 10.07.1968
- LG Traunstein
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DB 1971, 718-719 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1971, 468-469 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1971, 935-936 (Volltext mit amtl. LS)
- VersR 1971, 565-567 (Volltext mit red. LS)
Amtlicher Leitsatz
Ein Grundstück wird auch dann im Sinne von § 909 BGB vertieft, wenn ohne Entnahme von Bodenbestandteilen sein Niveau sich nicht durch das Gewicht eines Neubaues, sondern infolge Auflagerung gewichtiger Stoffe (hier: Auskippen von Bauschutt und Erdaushub) senkt, der dabei auf das tieferliegende Erdreich ausgeübte Druck seitlich in den Boden des Nachbargrundstücks hinüberwirkt und dieses hierdurch seinen Halt verliert (Ergänzung zu BGHZ 44, 130 [BGH 13.07.1965 - V ZR 169/64] = VersR 65, 1050).
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 5. März 1971
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Dr. Augustin und
der Bundesrichter Dr. Rothe, Dr. Freitag
Dr. Mattern und Dr. Grell
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 10. Juli 1968 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
Der Kläger und seine Ehefrau sind Eigentümer eines Wohn-, Garten- und Wiesengrundstücks in A., Gemeinde R.: sie haben das rund 700 qm große, mit einem Einfamilienhaus bebaute Anwesen im Jahre 1962 vom Beklagten gekauft. Diesem gehört die ostwärts angrenzende Wiesenparzelle, die etwa 300 qm groß und unbebaut ist. Die Grundstücke liegen, nicht weit vom Westufer des Chiemsees entfernt, inmitten einer Moränenlandschaft mit moorigem Untergrund. Unmittelbar am Nordrand des Grundstücks der Eheleute, von ihm durch einen Graben getrennt, zieht sich Moorgelände hin, während an der westlichen Grundstücksgrenze der (kanalisierte) A. bach entlangfließt. Das Wohnhaus, das der Beklagte 1948 oder 1949 als damaliger Grundstückseigentümer errichtet hat, steht auf einem Pfahlrost.
Am 14., 15. und 16. April 1966 ließ der Beklagte mit Lastkraftwagen 240 Kubikmeter Bauschutt und Aushubmaterial anfahren und auf seiner Wiesenparzelle abladen. Noch während des Aufschüttens kam es an dem letztgenannten Tage im Grundstücksbereich der Parteien und seitlich darüber hinaus zu einer in ost-westlicher Richtung verlaufenden grundbruchartigen Erdbewegung. Innerhalb von drei Stunden rutschte quer über das ganze Grundstück des Klägers und seiner Ehefrau der Boden entlang der Nordkante des Wohnhauses auf das Moorgelände zu in breiter Front ab. Die Erdoberfläche senkte sich dort um 90 cm; der Aiterbach trat über seine Ufer und überschwemmte den nördlichen Grundstücksteil. Am Fundament und in den Mauern des Wohnhauses bildeten sich breite Risse, seine Nordostecke sank ab und die daneben befindliche Versitzgrube sowie ein Kontrollschacht wurden zerstört.
Nach vorausgegangenem Beweissicherungsverfahren, in welchem der Architekt K. ein schriftliches Gutachten erstattet hat (H 17/66 des Amtsgerichts Rosenheim), nimmt der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit mit der Behauptung, von seiner Ehefrau zur Prozeßführung ermächtigt worden zu sein, den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch und verlangt Zahlung eines Teilbetrages von 50.000 DM nebst 8 % Zinsen an beide Eheleute zu seinen Händen. Er führt die Schäden am Grundstück und Haus zurück auf die angesichts der schwierigen Bodenverhältnisse unstatthafte Belastung der Nachbarparzelle mit den gewichtigen Schuttmassen. Daß der moorige Untergrund dem nicht standhalten würde, sei dem Beklagten bekannt gewesen, was nicht nur aus seiner eigenen früheren Bauweise (Pfahlgründung), sondern auch daraus hervorgehe, daß er die Grundstückskäufer wiederholt - bei Vertragsabschluß und später - auf die ungünstige Bodenbeschaffenheit hingewiesen habe, die ohne vorherige "Verpfählung" keinerlei Aufschüttungen erlaube; noch bei Beginn und während des Aufschüttens sei der Beklagte von seiner, des Klägers, Ehefrau unter Hinweis auf jene früheren Erklärungen gewarnt worden.
Der Beklagte, der Klageabweisung beantragt hat, bestreitet dies und stellt sowohl die Ursächlichkeit seines Verhaltens als auch jedes Verschulden in Abrede. Allenfalls, so behauptet er, sei der Erdrutsch durch das Aufschütten zwar ausgelöst worden, wäre aber früher oder später wegen der Bodenbeschaffenheit und infolge gefährlicher Druckverhältnisse, die sein Nachbar Ku. auf dem ostwärts an die Wiesenparzelle angrenzenden Gelände durch Hausbau und Niveauerhöhungen 1958 oder 1959 geschaffen habe, ohnehin von selbst eingetreten. Er, der Beklagte, habe sich vor Beginn der Aufschüttungen fachmännisch beraten lassen und auch die Durchführung der Arbeiten einem Fachmann für Tiefbau übertragen. Außerdem seien der Kläger und dessen Ehefrau mit dem Auffüllen der Wiese und zugleich ihres eigenen Grundstücks einverstanden gewesen; dadurch hätten sie den Schaden schuldhaft mitverursacht.
Das Landgericht hat nach Einholung eines Gutachtens des Geologen Dr. habil. T. und Vernehmung von Zeugen den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung des Beklagten gegen dieses Zwischenurteil ist vom Oberlandesgericht zurückgewiesen worden. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
1.
Als rechtliche Grundlage für den eingeklagten Schadensersatzanspruch kommen, wovon auch das angefochtene Urteil zutreffend ausgeht, lediglich gesetzliche Bestimmungen in Betracht, insbesondere die §§ 823 ff BGB sowie die nachbarrechtlichen Vorschriften der §§ 906 ff BGB. Zwar haben früher zwischen den Beteiligten auch vertragliche Beziehungen bestanden, weil der Kläger und seine Ehefrau seinerzeit ihr Grundstück nebst Aufbauten käuflich vom Beklagten erworben haben; aber daß auf Grund des längst abgewickelten Kaufvertrages vom Jahre 1962 dem Beklagten noch im April 1966 die Rechtspflicht obgelegen habe, sich schädigender Einwirkungen auf das verkaufte Nachbaranwesen zu enthalten, hat weder der Kläger selbst geltend gemacht, noch bieten die von den Parteien vorgetragenen Tatsachen dafür einen Anhaltspunkt.
Während das Landgericht seine den Klageanspruch dem Grunde nach (§ 304 ZPO) bejahende Entscheidung auf § 823 Abs. 1 BGB gestützt hat, weil der Beklagte schuldhaft das Eigentum des Klägers und seiner Ehefrau am Grundstück und Wohnhaus verletzt habe, folgt nach Ansicht des Berufungsgerichts die Schadenersatzpflicht des Beklagten aus § 823 Abs. 2 in Verbindung mit § 909 BGB. Es erblickt in der letztgenannten Vorschrift - Verbot von Grundstücksvertiefungen, durch die der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert, sofern nicht für genügende anderweitige Befestigung gesorgt wird - mit Recht ein Schutzgesetz im Sinne des zweiten Absatzes von § 823 BGB (BGH LM BGB § 909 Nr. 2; Urteil des erkennenden Senats vom 27. Juni 1969, V ZR 41/66, NJW 1969, 2140, 2142) und ist unter Würdigung der erhobenen Beweise zu dem Ergebnis gelangt, daß der Beklagte den Tatbestand des § 909 BGB verwirklicht und dabei fahrlässig gehandelt habe. Zu Beginn der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird allerdings auch auf § 823 Abs. 1 BGB verwiesen, was auf die Absicht hindeuten könnte, diese Vorschrift ebenfalls anzuwenden. Inwieweit das in Fällen der vorliegenden Art, wo der Anspruchsgegner bloß auf seinen eigenen Grund und Boden eingewirkt und sich eines unmittelbaren Eingriffs in die Substanz des Nachbargrundstücks enthalten hat, zulässig ist, erscheint zweifelhaft (RGZ 155, 154, 158), zumal da im allgemeinen die nachbarrechtliche Regelung für Grundstücksvertiefungen einem Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen desselben Sachverhalts vorgeht (Urteil des Senats vom 28. Januar 1970, V ZR 7/67, WM 1970, 406, 407 = NJW 1970, 608; vgl. über die Unterschiede der Haftung aus den beiden Absätzen des § 823 BGB Korbion/Scherer, Gesetzliches Bauhaftungsrecht - Bauliches Nachbarrecht K 69, S. 226). Jedoch bedarf es hierzu keiner abschließenden Stellungnahme, da jedenfalls, wie im folgenden darzulegen ist, die Erwägungen, mit denen das Oberlandesgericht die Verantwortlichkeit des Beklagten auf Grund von § 823 Abs. 2 BGB bejaht hat, einer rechtlichen Nachprüfung standhalten.
2.
Die Revision bemängelt, daß das Berufungsurteil von einer Vertiefung der Wiesenparzelle spricht, obgleich der Beklagte nichts von seinem Grund und Boden weggenommen, sondern im Gegenteil noch zusätzlich Bauschutt und Aushubmaterial aufgeschüttet habe. Sie verweist auf die Entscheidung RGZ 155, 154; dort werde klargestellt (S. 160), daß § 909 BGB die Wegnahme von Bodenbestandteilen voraussetze, während er bei einer Aufhöhung des Geländes nicht zum Zuge komme.
Die Rüge ist unbegründet. Mit der Frage, wann eine Grundstücksvertiefung im Sinne des Nachbarrechts vorliegt, hat sich der erkennende Senat im Urteil vom 13. Juli 1965 (BGHZ 44, 130 [BGH 13.07.1965 - V ZR 169/64]; ausführlicher wiedergegeben WM 1965, 1039) befaßt. Ob Bodenbestandteile weggenommen wurden, ist danach nicht entscheidend, vielmehr genügt jede Senkung des Bodenniveaus, sofern sie sich auf die Beschaffenheit des Nachbargrundstücks auswirkt und es der erforderlichen Stütze beraubt. In dem damals entschiedenen Fall war dies durch die Errichtung eines Neubaues geschehen, dessen Gewicht den Untergrund zusammengepreßt und damit einen Druck erzeugt hatte, der sich dann seitlich auf die tieferliegenden Erdschichten des angrenzenden Geländes übertrug und dort Veränderungen herbeiführte. Der Senat hat in diesem Zusammenhang bereits jene Reichsgerichtsentscheidung, auf die sich die Revision jetzt beruft, erörtert und näher dargelegt, daß und warum sie zu keiner abweichenden Beurteilung Anlaß gebe: in dem Fall, über den das Reichsgericht seinerzeit zu befinden hatte, war ein Grundstück nicht vertieft worden, sondern seine Erhöhung hatte ein Ansteigen des Grundwasserspiegels im Nachbargelände zur Folge gehabt, und schon aus diesem Grunde hat das Reichsgericht die Anwendung des § 909 BGB abgelehnt; aber auch nach seiner Ansicht, wie sie aus den Ausführungen in RGZ 155, 154 hervorgeht, ist die Anwendung dann gerechtfertigt, wenn infolge einer Vertiefung, die nicht durch Wegnahme von Bodenbestandteilen bewirkt zu sein braucht, das Nachbargrundstück in Bewegung gerät. Dies hat im Schrifttum Zustimmung gefunden (Meisner/Stern/Hodes, Nachbarrecht im Bundesgebiet 5. Aufl. § 20 I 1, S. 398 f, und V 1, S. 424 bei Fußn. 64; Korbion/Scherer a.a.O. K 14, S. 214, und K 111, S. 235), und der Senat hält nach erneuter Prüfung daran fest.
Das Berufungsgericht geht ebenfalls von diesem Grundsatz aus. Es meint, sein Geltungsbereich beschränke sich jedoch nicht auf die Errichtung von Neubauten, vielmehr müsse er auch bei Auflagerung irgendwelcher Materialien gelten, wenn deren Gewicht eine Bodenvertiefung bewirke; erforderlich sei lediglich, daß ein Druck auf das tieferliegende Erdreich ausgeübt werde, der bis in das Grundstück des Nachbarn hineinreiche; gerate dort infolge einer durch den Druck ausgelösten Pressung der Boden in Bewegung, dann habe er im Sinne von § 909 BGB die erforderliche Stütze verloren. Diese Rechtsauffassung ist nicht zu beanstanden. Die Revision rügt zwar, sie stehe nicht im Einklang mit BGHZ 44, 130 [BGH 13.07.1965 - V ZR 169/64], weil in dem Fall, der jener Entscheidung zugrunde lag, eine Ausschachtung stattgefunden habe; außerdem werde dort (S. 135) darauf abgehoben, daß "der Druck auf den Boden des Nachbargrundstücks ohne die Vertiefung im Grundstück des Beklagten nicht weitergewirkt hätte". Hierbei mißversteht indessen, die Revision den Gedankengang des früheren Urteils: Es betont, daß nach den Feststellungen des Tatrichters "die Baugrube als Vertiefung" keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Boden des Nachbargrundstücks gehabt habe, und stellt ihr die andere "durch den Druck des Neubaues bewirkte Vertiefung" gegenüber; nur auf diesen zweiten, von der Ausschachtung unabhängigen Vertiefungstatbestand beziehen sich, wie nach dem Zusammenhang nicht zweifelhaft sein kann, die angeführten Worte.
Daß im vorliegenden Fall durch das Auskippen des Bauschuttes auf der Wiesenparzelle entgegen der Behauptung der Revision keine "Aufhöhung" eingetreten ist, vielmehr das Niveau des Bodens sich unter dem Gewicht der Schuttmassen gesenkt hat, geht aus den tatrichterlichen Feststellungen hervor. Das angefochtene Urteil spricht ausdrücklich von einer dadurch eingetretenen Vertiefung und schließt sich im übrigen der Darstellung des Sachverständigen Dr. T. an, wonach die etwa 240 cbm Bauschutt mit rund 0,16 bis 0,17 Kilopond je Quadratzentimeter auf den unter der Grasnarbe befindlichen Torffilz gedrückt haben, die darunter lagernde Muddeschicht, weil sie in ihrer breiigen Konsistenz keinerlei Spannung aufnehmen konnte, seitlich ausgewichen ist und dieses Ausweichen schließlich zum Bruch des Torffilzes - und damit zum Hinabstürzen der Aufschüttung in die neu entstandenen Hohlräume - geführt hat. Diese Feststellungen entsprechen auch der vom Beklagten nicht substantiiert bestrittenen Behauptung des Klägers, die Schuttmengen seien infolge ihres großen Gewichts alsbald in den moorigen Untergrund eingedrungen und dort zum Teil in der Tiefe versunken (Klageschrift S. 2; vgl. auch Abschnitt Nr. 2 und 4 des Schriftsatzes vom 1. September 1966; ferner Gutachten Kautzky S. 5 und 6).
3.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts war die Belastung der Wiesenparzelle mit dem aufgeschütteten Material ursächlich für die Bodenveränderungen auf dem Grundstück des Klägers und seiner Ehefrau und für die daselbst eingetretenen Schäden. Das angefochtene Urteil folgert dies schon aus dem engen zeitlichen Zusammenhang der Ereignisse, stützt sich ferner auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. Thiele, dessen Darlegungen es für "durchaus verständlich und überzeugend" erachtet und dem es, was das Zustandekommen des Erdrutsches anlangt, in allen Punkten folgt, und sieht schließlich das gefundene Ergebnis bestätigt durch die Feststellungen des Sachverständigen Kautzky im Beweissicherungsverfahren.
Hiergegen erhebt die Revision Verfahrensrügen nach § 286 ZPO. Es geht dabei vor allem um den Zeugen Franz Ku., den Eigentümer des Grundstücks, das an die Wiesenparzelle im Osten - also auf der dem Anwesen des Klägers und seiner Ehefrau entgegengesetzten Seite - angrenzt. Ku. hat ausgesagt, er habe 1957 auf seinem Grundstück ein Haus "ohne Verpfählung" errichtet; außerdem soll er dort - das hatte der Beklagte vorgetragen und unter Beweis gestellt - im Zusammenhang mit dem Hausbau Aufschüttungen vorgenommen haben, die das benachbarte Wiesengrundstück um einen halben Meter überragten und durch ihren Druck einen zuvor auf der Scheitellinie errichteten Zaun verschoben, ohne daß sonstige Auswirkungen erkennbar waren, und er soll auch mehrere Fischteiche angelegt und deren Zuflüsse reguliert haben. Die Revision rügt Nichtberücksichtigung dieses Tatsachenstoffes und vermißt im angefochtenen Urteil insbesondere eine Stellungnahme dazu, ob Kunschners Maßnahmen nicht "bereits das Gefüge des Untergrundes beeinträchtigt" hätten.
Bloße Mitursächlichkeit der Maßnahmen Ku.s würde jedoch die Haftung des Beklagten für die Folgen seines eigenen Tuns nicht ausschließen. Er hatte schon in den Tatsacheninstanzen geltend gemacht, das Auskippen der Schuttmassen auf seiner Wiesenparzelle sei nicht die alleinige Ursache für den Erdrutsch gewesen, sondern habe ihn lediglich "ausgelöst". Das war aus dem Grunde unerheblich, weil mehrere für den Schaden aus einer unerlaubten Handlung Verantwortliche gemäß § 840 Abs. 1 BGB als Gesamt Schuldner haften (vgl. Korbion/Scherer a.a.O. K 73, S. 227). Sollte die Revision nunmehr behaupten wollen, Kunschners Hausbau und sonstiges Verhalten in den fünfziger Jahren stellten die alleinige Ursache der Erdbewegung vom April 1966 dar, so könnte sie damit angesichts der tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, die für das Revisionsgericht bindend sind (§ 561 Abs. 2 ZPO), nicht gehört werden. Inwieweit freilich die dortige Bemerkung (S. 16), daß der Beklagte nicht dargelegt habe, welche früheren Geschehnisse auf den angrenzenden Nachbargrundstücken auf den Erdrutsch am 16. April 1966 von Einfluß gewesen sein sollten, Zustimmung verdient, mag im Hinblick auf das, was über die Maßnahmen Kunschners vorgetragen und teilweise von ihm als Zeuge bestätigt worden war, zweifelhaft sein. Aber hierauf kommt es nicht entscheidend an, da jedenfalls die vom Oberlandesgericht beigefügte Hilfsbegründung durchgreift: selbst wenn der Beklagte solche früheren Umstände dargelegt hätte, wären sie für die Kausalität der von ihm veranlaßten Aufschüttungen zum schadenbringenden Geschehen ohne Bedeutung; denn sie hätten vor dem 16. April 1966 keine erkennbare Bodenbewegung im fraglichen Gebiet ausgelöst und könnten mithin unberücksichtigt bleiben. Dies ist eine tatrichterliche Würdigung, die im Zusammenhalt mit dem festgestellten zeitlichen Ablauf der Ereignisse und dem Inhalt der beiden Sachverständigengutachten sich als möglich erweist und keinen Rechtsverstoß erkennen läßt.
Die Schlußfolgerungen des Sachverständigen Dr. T. werden entgegen der Meinung der Revision nicht durch die Angabe des Zeugen B. entkräftet, die Stelle, an der die Aufschüttung vorgenommen wurde, sei fester Boden gewesen. Denn hiervon geht auch Dr. T. aus. Nach seinen Feststellungen besteht die obere Schicht der Wiesenparzelle aus Mutterboden, und erst durch Sondierungsbohrungen konnte ermittelt werden, daß darunter andere Substanzen von geringerer Festigkeit - Torf, Mudde und Seeton - gelagert sind (Gutachten S. 5 f); der obere Teil des Torfs war ausgetrocknet und verwittert, und es befand sich dort eine dichte Decke von Gräsern (a.a.O. S. 8). Mit den zeitlich weit zurückliegenden Bau- und Planierungsmaßnahmen des ostwärtigen Grundstücksnachbarn Kunschner brauchte sich der Sachverständige, nachdem er hinsichtlich des Ursachenzusammenhangs zu einem eindeutigen Ergebnis gelangt war, nicht mehr ausdrücklich zu befassen. Gleiches gilt von dem Einwand des Beklagten, daß etwaige künftige Bauvorhaben Ku.s ebenfalls zu einem Erdrutsch hätten führen können; eine solche "hypothetische Annahme" hat der Berufungsrichter mit Recht für unerheblich erachtet, und sie kommt hier um so weniger in Betracht, als Kunschner seiner eigenen, von der Revision nicht angezweifelten Aussage zufolge nach dem Vorgefallenen nicht mehr die Absicht hat, noch weitere Bauten zu errichten. Für die vom Beklagten beantragte Einholung eines Obergutachtens bestand nach der Sachlage kein Anlaß; insbesondere ging es hier weder um besonders schwierige Fragen, noch wiesen die beiden bereits vorliegenden Sachverständigengutachten oder eines von ihnen grobe Mängel auf (BGH LM ZPO § 286 E Nr. 4).
4.
Nicht stichhaltig ist der erstmals in der Revisions Instanz vorgebrachte Einwand des Beklagten, sein Verhalten sei nicht rechtswidrig gewesen, weil die Ehefrau des Klägers sich mit der Aufschüttung einverstanden erklärt habe (unter Bezugnahme auf LM BGB § 823 Hb Nr. 2). Ob eine lediglich von der Miteigentümerin gegebene Einwilligung, wenn sie vorgelegen hätte, auch für den klagenden Ehemann verbindlich gewesen wäre, kann dahingestellt bleiben. Auf jeden Fall ergibt entgegen der Behauptung der Revision die Zeugenaussage der Ehefrau keineswegs, daß sie der Belastung der Nachbarparzelle mit den Schuttmassen vorbehaltlos und unbedingt zugestimmt habe. Nach ihrer Bekundung hat sie lediglich bei Beginn des Aufschüttens, als der erste Lastkraftwagen abgeladen wurde, sich "damit zunächst zufrieden gegeben", weil sie damals noch nicht wußte, wieviel Material der Beklagte noch aufschütten werde. Den tatrichterlichen Feststellungen ist jedoch nicht zu entnehmen, daß sie mit diesem anfänglichen Nichtwidersprechen eine Einwilligungserklärung habe abgeben wollen (Urteil des erkennenden Senats vom 13. Februar 1970, V ZR 13/67, S. 9 f). In der Folgezeit, als immer mehr Bauschutt, mit großen Zementbrocken untermischt, angefahren wurde, hat die Ehefrau des Klägers dem Beklagten sogar nachdrückliche Vorhaltungen gemacht und ihn unter Hinweis auf die Gefährlichkeit seines Tuns eindringlich gewarnt. Von einer Einwilligung des Verletzten, wie der Beklagte sie nunmehr geltend macht, kann bei dieser Sachlage keine Rede sein.
5.
Ohne Erfolg stellt die Revision ein Verschulden des Beklagten in Abrede. Daß er fahrlässig gehandelt habe, bejaht das angefochtene Urteil auf Grund eingehender Würdigung der festgestellten Tatsachen: Insbesondere sei dem Beklagten, wie sein eigenes früheres Verhalten bei Errichtung des später verkauften Hauses und seine wiederholten Gespräche mit den Käufern über die Geländebeschaffenheit zeigten, die Gefährlichkeit des Aufschüttens bekannt gewesen; wenn er auch möglicherweise nicht mit derartig schwerwiegenden Folgen, wie sie dann eintraten, gerechnet habe, sei für ihn doch Anlaß zu besonderer Vorsicht gewesen; er habe sich aber weder von fachkundiger Seite Aufschluß über den Grad der Belastbarkeit des Bodens geben lassen, noch hätten ihn die Warnungen der Ehefrau des Klägers von einer Fortsetzung der Aufschüttungen abzuhalten vermocht. Diese Erwägungen sind sachgemäß und lassen keinen Rechtsirrtum erkennen. Was die Revision unter Herausgreifen einzelner Punkte dagegen ins Feld führt, läuft auf den verfahrensrechtlich unzulässigen Versuch hinaus, den Sachverhalt anders zu würdigen als der Tatrichter.
Den Vortrag des Beklagten, er habe seinerzeit das später verkaufte Haus nicht gezwungenermaßen, sondern aus freien Stücken auf Pfählen errichtet, und zwar wegen der Nähe des Chiemsees und wegen der damit zeitweilig verbundenen Grundwassererhöhungen, hat das Oberlandesgericht, wie die Wiedergabe im Urteilstatbestand beweist, nicht übersehen. Aber die behaupteten Beweggründe schlossen nicht aus, daß neben ihnen auch die besondere Bodenbeschaffenheit, vor allem die unmittelbare Nachbarschaft des im Norden angrenzenden Moores, bei der Bauweise des Beklagten eine Rolle gespielt hat. Dafür sprechen seine wiederholten Erklärungen gegenüber dem Kläger und dessen Ehefrau, man müsse wegen des sehr nachgiebigen Bodens vorsichtig sein, dürfe überhaupt nur leichtes Material aufbringen und müsse vor einem Aufschütten Pfähle einschlagen. Soweit die Revision diese Warnungen als "übergroße Vorsicht" hinstellen möchte, wird von ihr verkannt, daß sie sich angesichts des tatsächlichen Verlaufs der Dinge als durchaus berechtigt erwiesen haben. Da mithin der Beklagte die besondere Gefahrenlage kannte, entband ihn auch der Umstand, daß die ohne "Verpfählung" durchgeführten Bau-, Planierungs- und sonstigen Maßnahmen seines Nachbarn Ku. ohne nachteilige Folgen geblieben waren, nicht von seiner Verpflichtung zur Vorsicht.
Mit ihrer Behauptung, der Beklagte habe fachmännischen Rat eingeholt, setzt die Revision sich in Widerspruch zu der gegenteiligen Feststellung im Berufungsurteil, die keinen Rechtsverstoß erkennen läßt und daher das Revisionsgericht bindet (§ 561 Abs. 2 ZPO). Die Aussage des Zeugen Bergmann - der übrigens kein Architekt ist, sondern sich als Bauleiter bezeichnet - ist vom Berufungsgericht dahin gewürdigt worden, der Beklagte habe ihn nicht nach der zulässigen Belastbarkeit des Bodens gefragt; die Frage ging lediglich dahin, ob für das Aufschütten eine Baugenehmigung erforderlich sei. Wenn die Revision aus der Zeugenaussage entnehmen zu können glaubt, Bergmann habe "die Belastbarkeit des Bodens mit der vorgesehenen Menge als selbstverständlich bejaht", übersieht sie, daß es sich dabei um eine rein persönliche, im Inneren verbliebene Meinung handelt, die der Zeuge nach dem Zusammenhang seiner Bekundungen dem Beklagten nicht verlautbart hat; er war auch, wie im landgerichtlichen Urteil ohne Widerspruch des Beklagten festgestellt wurde, von diesem gar nicht wegen der Geländeverhältnisse zu Rate gezogen worden. Für die Behauptung, der Beklagte habe vor Beginn des Aufschüttens einen Fachmann namens S., Inhaber einer Firma für Bagger- und Kiesbetrieb sowie Planierungen, befragt und von ihm die Auskunft erhalten, daß gegen die geplanten Arbeiten keine Bedenken bestünden, fehlt es, wie das Berufungsgericht feststellt, an einem Beweisantritt; ein solcher war in der Berufungsbegründung lediglich vorbehalten worden, wurde aber in der Folgezeit ausweislich der Schriftsätze und der Verhandlungsniederschrift nicht nachgebracht. Den anwaltlich vertretenen Beklagten hierzu gemäß § 139 ZPO aufzufordern, war das Oberlandesgericht entgegen der Meinung der Revision nicht gehalten, zumal da es jene Behauptung aus dem Grunde als unbeachtlich ansah, weil Schnell keine Bodenuntersuchungen vorgenommen habe und dazu mangels ausreichenden Fachwissens auch nicht imstande gewesen sei. Diese letztere Erwägung wird von der Revision vergeblich mit dem Einwand bekämpft, daß der Beklagte sich angesichts der zuvor von ihr erörterten Umstände auf den Fachmann Schnell habe verlassen können; denn auch ihre sonstigen Rügen greifen, wie bereits dargelegt, nicht durch.
Zuzugeben ist der Revision, daß das Berufungsgericht bei Bejahung der Fahrlässigkeit nicht, wie es dies mit seiner abschließenden Bemerkung getan hat, darauf hätte abstellen dürfen, ob der Beklagte "sein Gewissen ... in der erforderlichen und möglichen Weise angespannt" habe. Denn abweichend vom strafrechtlichen Fahrlässigkeitsbegriff gilt im Zivilrecht kein individueller, sondern ein abstrakter, auf die allgemeinen Verkehrsbedürfnisse ausgerichteter Maßstab (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB: "die im Verkehr erforderliche Sorgfalt"; vgl. RGZ 95, 16 sowie - jeweils zu § 276 - BGB RGRK 11. Aufl. Anm. 33, Palandt/Heinrich BGB 29. Aufl. Anm. 4 b und Soergel/Siebert/Schmidt, BGB 10. Aufl. Anm. 14 f). Aber dies hilft der Revision nicht weiter. Denn gerade wenn es nicht so sehr auf die Individualität des Handelnden als vielmehr auf diejenige Sorgfalt ankommt, die ein normaler, ordentlicher und gewissenhafter Mensch unter den jeweils gegebenen Verhältnissen anzuwenden pflegt (RGRK a.a.O.), kann bei den im vorliegenden Fall festgestellten Umständen nicht zweifelhaft sein, daß der Beklagte, als er in Kenntnis der gefahrbringenden Bodenbeschaffenheit und unter Nichtbeachtung der an ihn gerichteten mehrfachen Warnungen sein Grundstück mit den schweren Schuttmassen belastete, die nach der Sachlage gebotene Vorsicht außer acht gelassen und damit fahrlässig gehandelt hat. Soweit die Revision auch in diesem Zusammenhang die "Erfahrung der Fachleute Bergmann und Schnell" anführt, auf die der Beklagte sich habe verlassen können, wird von ihr übersehen, daß er Bergmann nicht um Rat gefragt hat und hinsichtlich Schnelle beweisfällig geblieben ist.
6.
Da das angefochtene Urteil auch sonst keinen sachlich-rechtlichen Fehler erkennen läßt, muß die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden.
Rothe
Dr. Freitag
Mattern
Dr. Grell