Bundesgerichtshof
Urt. v. 22.05.1970, Az.: V ZR 130/67
Genehmigungsversagung des Vormundschaftsgerichts hinsichtlich eines Grundstückskaufvertrages im Hinblick auf günstigere Verkaufsmöglichkeiten; Interesse an der Veräußerung nur einer Eigentumshälfte ; Einheitlichkeit eines Rechtsgeschäfts ; Vorliegen einer rechtsgeschäftlichen Bedingung ; Haftung aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen im Sonderfall der vormundschaftlichen Genehmigung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 22.05.1970
- Aktenzeichen
- V ZR 130/67
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1970, 11735
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- KG Berlin - 08.06.1967
- LG Berlin
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHZ 54, 71 - 75
- DB 1970, 1317-1318 (Volltext mit amtl. LS)
- DNotZ 1970, 495-496
- MDR 1970, 750 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1970, 1414-1416 (Volltext mit amtl. LS) "hier: Miteigentum von Vormund und Mündel"
Prozessführer
Firma J. GmbH & Co., Kommanditgesellschaft, B., O.-Allee ...
vertreten durch ihre persönlich haftende Gesellschafterin, die J., Gesellschaft mit beschränkter Haftung, ebenda
diese wiederum vertreten durch ihren Geschäftsführer, den Kaufmann Dr. jur. Eugen J., L., Hofgut R.
Prozessgegner
Kauffrau Liesbeth L. geb. G. in B., K.-A.-Straße ...
Amtlicher Leitsatz
Verkauft ein gesetzlicher Vertreter ein Grundstück, das zum Teil ihm und zum Teil seinem Mündel gehört, so ist er in der Regel nicht gehindert, dem Vormundschaftsgericht Umstände mitzuteilen,, die zur Versagung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung führen können.
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 1970
unter Mitwirkung des Senatspräsidenten Dr. Augustin und
der Bundesrichter Dr. Mattern, Hill, Offterdinger und Dr. Grell
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 8. Juni 1967 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Tatbestand
Durch notariellen Vertrag vom 31. Juli 1965 hat die Beklagte das Grundstück B.straße ..., in B. an die Klägerin verkauft. Das Grundstück gehörte zur Hälfte der Beklagten und zur Hälfte der Erbengemeinschaft zwischen ihr und ihren sieben damals minderjährigen Kindern; die Beklagte handelte zugleich als deren gesetzliche Vertreterin.
Die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zum Vertrag wurde von Vormundschaftsgericht und Beschwerdegericht im Hinblick auf günstigere Verkaufsmöglichkeiten versagt.
Mit der Klage begehrt die Klägerin 20.000 DM nebst Zinsen als teilweisen Schadensersatz, weil die Beklagte die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung hintertrieben habe.
Landgericht und Karmergericht haben die Klage als unbegründet abgewiesen.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klagantrag weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht verneint einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte: Aus Vertrag hafte die Beklagte nicht, weil der Kaufvertrag infolge der Genehmigungsversagung des Vormundschaftsgerichts in vollem Umfang unwirksam sei (unten I). Aus § 162 BGB hafte die Beklagte nicht, weil diese Bestimmung einen wirksamen Vertrag und eine rechtsgeschäftliche Bedingung voraussetze, die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung aber eine Rechtsbedingung gewesen sei (unten II). Aus Verschulden bei Vertragsschluß hafte die Beklagte nicht, weil die vertragliche Genehmigungsforderungspflicht mit der Genehmigungsversagung rückwirkend entfallen sei (unten III). Nichternstlichkeit des Bindungswillens bei der Beklagten nicht bewiesen und eine Aufklärung über die Eigentumsverhältnisse durch die Beklagte rechtlich nicht geboten gewesen und zudem durch den Notar erfolgt sei. Aus unerlaubter Handlung hafte die geklagte nicht, weil die Mitteilung nachträglicher Versagungsgründe an das Vormundschaftsgericht sogar Pflicht der Beklagten als gesetzlicher Vertreterin ihrer Kinder gewesen sei und deshalb nicht gegen die guten Sitten (§ 826 BGB) verstoßen habe und weder ein durch § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Recht der Klägerin noch ein Schutzgesetz im Sinn von § 823 Abs. 2 BGB verletzt worden sei.
Die Angriffe der Revision hiergegen, die sich auf eine getrennte rechtliche Behandlung beider Eigentumshälften gründen, haben keinen Erfolg.
I.
Ohne Rechtsirrtum hält das Berufungsgericht den Kaufvertrag wegen Versagung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung nach § 1643 Abs. 1, 3 i.V.m. §§ 1821 Abs. 1 Satz 4, 1829 Abs. 1 BGB hinsichtlich beider Eigentumshälften für endgültig unwirksam, obwohl die Genehmigung bei getrennter Betrachtung nur bezüglich der Eigentumshälfte der Erbengemeinschaft und nicht auch bezüglich der der Beklagten allein zustehenden Eigentumshälfte erforderlich war.
Hinsichtlich der Eigentumshälfte der Beklagten leitet der Tatrichter die Unwirksamkeit aus § 139 BGB ab. Entgegen der Meinung der Revision gibt er hierfür eine Begründung: es stehe fest, daß sich die Beklagte nicht auch für den Fall der Genehmigungsversagung binden wollte; an der Veräußerung nur ihrer Eigentumshälfte habe ihr nichts gelegen. Diese Begründung reicht aus. § 139 BGB gilt anerkanntermaßen für jede Art von Unwirksamkeit (vgl. RGZ 146, 366, 367/68). Zur Einheitlichkeit eines Rechtsgeschäfts im Sinn von § 139 BGB gehört allerdings, daß beide Vertragspartner (hier die Verkäufer und die Käuferin) den einen Geschäftsteil (hier: Kauf der Eigentumshälfte der Beklagten) nicht ohne den ändern Geschäftsteil (hier: Kauf der Eigentumshälfte der Erbengemeinschaft) abschließen wollten. Aber das wird bei Zusammenfassung der Teile in einer einzigen Urkunde wie hier vermutet; die Revision hat nicht vorgetragen, daß die Einheitlichkeit in den Vorinstanzen von der Klägerin in Zweifel gezogen worden wäre. Lag aber ein (einziges, einheitliches) Rechtsgeschäft im Sinn von § 139 BGB vor, so ergab sich für den Regelfall bereits aus dem Gesetz die Dichtigkeit des Gesamtgeschäfts (§ 139 1. Teil). Sache der Klägerin war es, zu behaupten und nötigenfalls zu beweisen, daß die Eigentumshälfte der Beklagten auch ohne die Eigentumshälfte der Erbengemeinschaft verkauft worden wäre, wenn man die Möglichkeit der Genehmigungsversagung bedacht hätte (§ 139 2. Teil). Baß dies die Klägerin in den Tatsacheninstamzen getan hätte, trägt die Revision nicht vor, Was die Revision hierzu selbst in tatsächlicher Hinsicht geltend macht, würde aber auch dann, wenn es verfahrensrechtlich berücksichtigt werden könnte, die Würdigung des Berufungsgerichts nicht erschüttern: Die Behauptung, die Beklagte habe wegen ihres eiligen Geldbedarfs zum Erwerb eines anderen Grundstücks ihre eigene Eigentumshälfte gegebenenfalls auch ohne die Eigentumshälfte der Erbengemeinschaft verkaufen wollen, steht im Widerspruch zu der ausdrücklichen Feststellung des Tatrichters, die Beklagte habe sich für den Fall der Genehmigungsversagung nicht binden wollen.
Darauf, ob die Klägerin zu notfalls getrenntem Erwerb der Eigentumshälfte der Beklagten allein gewillt war, kommt es deshalb nicht mehr an.
II.
Die Revision meint, die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung müsse nach § 162 BGB als erteilt gelten, weil die Beklagte sie wider Treu und Glauben verhindert habe, und wendet sich gegen beide Begründungen des Berufungsgerichts für seine gegenteilige Auffassung (keine Bindungswirkung; keine rechtsgeschäftliche Bedingung). Aber bereits die erste Begründung des Kammergerichts - Verneinung einer Bindungswirkung des Vertrags im ganzen - hält der Nachprüfung stand (oben I). Infolgedessen kommt es nicht mehr darauf an, ob in einer Verlautbarung des Parteiwillens, daß der Verkauf der einen Eigentumshälfte (der Beklagten) nur bei Wirksamkeit des Verkaufs der ändern Eigentumshälfte (der Erbengemeinschaft) gelten solle, statt oder neben, einer Begründung der Rechtsgeschäftseinheit im Sinn von § 139 BGB auch eine rechtsgeschäftliche Bedingung gesehen werden könnte. Daß auch bei Bejahung einer Geschäftseinheit im Sinn von § 139 BGB die Annahme einer rechtsgeschäftlichen Bedingung zur Anwendung des § 162 BGB führen könnte, trifft entgegen der Meinung der Revision nicht zu, weil bei solcher Geschäftseinheit der Vertrag im ganzen (einschließlich der Bedingung) unwirksam wäre. Zudem ist eine rechtsgeschäftliche Bedingung vom Tatrichter nicht festgestellt und eine Verfahrensrüge insoweit nicht erhoben.
III.
Was die Haftung aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen (§§ 242, 276 BGB) betrifft, so sind zwar im Normalfall eines genehmigungsbedürftigen Vertrags beide Vertragspartner gegenseitig verpflichtet, das Ihrige zur Herbeiführung der Genehmigung zu tun; bei Verletzung dieser Pflicht haften sie auf Schadensersatz (BGHZ 14, 1, 2 [BGH 04.06.1954 - V ZR 18/53]; 18, 248, 252) [BGH 13.10.1955 - II ZR 44/54]. Im Sonderfall der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung jedoch findet diese Pflicht ihre Grenze an der Vorschrift des § 1829 BGB: das Gesetz berechtigt und verpflichtet den gesetzlichen Vertreter dann, wenn er bei einem genehmigungspflichtigen Vertrag Interessen seines Mündels für gefährdet hält, den Antrag auf vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zu unterlassen oder nach Antragstellung und vor der Entscheidung dem Vormundschaftsgericht seine Bedenken mitzuteilen oder sogar noch nach Erteilung der Genehmigung von deren Mitteilung an den Vertragspartner abzusehen und es dadurch bei der Unwirksamkeit des Vertrags zu belassen (§ 1829 Abs. 1, vgl. Abs. 2 BGB); infolgedessen Kann ein solches Verhalten im Regelfall keine Schadensersatzpflicht begründen (RG JW 1921, 1237 = SeuffA 77 Nr. 8).
Der vorliegende Fall weist allerdings, wie die Revision zutreffend hervorhebt, die Besonderheit auf, daß die Beklagte den Vertrag nicht nur in ihrer Eigenschaft als gesetzlicher Vertreter ihrer minderjährigen Kinder abgeschlossen hat, sondern auch in eigenem Namen. Dies tat sie (nicht nur beim Verkauf der Eigentumshälfte der Erbengemeinschaft, nämlich hinsichtlich ihres eigenen Miterbenanteils, sondern insbesondere) beim Verkauf ihrer eigenen Eigentumshälfte, Hätte die letztere Eigentumshälfte nicht der Beklagten, sondern einem Dritten zugestanden und wäre dieser es gewesen, der (neben der Beklagten für die Eigentumshälfte der Erbengemeinschaft) den Vertrag abgeschlossen und dann auf die Versagung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung (hinsichtlich der Eigentumshälfte der Erbengemeinschaft) hingewirkt hätte, so könnte er gegen die auch bei Geschäftseinheit im Sinn des § 139 BGB für ihn bestehende Genehmigungsförderungspflicht verstoßen und sich dadurch gegebenenfalls schadensersatzpflichtig gemacht haben. Etwas anderes muß jedoch gelten in einem Fall wie dem vorliegenden, wo ein und dieselbe Person sowohl - als gesetzlicher Vertreter - den genehmigungspflichtigen Teil (Verkauf der Eigentumshälfte der Erbengemeinschaft) als auch - in eigenem Namen - den für sich allein genehmigungsfreien Teil eines einheitlichen Rechtsgeschäfts (Verkauf der eigenen Eigentumshälfte) abschließt. Die Pflichtenkollision, die sich hier ergibt zwischen der Genehmigungsförderungspflicht auf Grund des Eigengeschäfts und der Genehmigungshinderungspflicht auf Grund des Vertretungsgeschäfts, ist nicht dahin zu lösen, daß die erstere, sondern dahin, daß die letztere Pflicht den Vorrang hat: Gegenüber der Pflicht der Beklagten gegen ihre Kinder, als deren gesetzliche. Vertreterin in deren Interesse dem Vormundschaftsgericht die gegen die Genehmigung sprechenden günstigeren anderweitigen Verkaufsangebote mitzuteilen und dadurch die Genehmigungsversagung herbeizuführen, trat ihre Pflicht gegenüber der Klägerin zurück, auf Grund des Verkaufs ihrer eigenen Eigentumshälfte dem Vertrag zur Wirksamkeit zu verhelfen. Und zwar entfiel nicht nur ihre Pflicht, die Wirksamkeit des Vertrags im ganzen herbeizuführen, sondern auch die von der Revision bejahte weniger weitgehende Pflicht, für die Wirksamkeit des Verkaufs ihrer eigenen Eigentumshälfte zu sorgen ohne Rücksicht auf die Wirksamkeit des Verkaufs der Erbengemeinschaftshälfte. Denn eine solche Wirksamkeit nur eines Rechtsgeschäftsteils würde dem vom Tatrichter rechtsirrtumsfrei festgestellten Willen beider Vertragspartner zur Rechtsgeschäftseinheit (I) widersprochen; zur Herbeiführung eines Rechtszustands jedoch, der von dem rechtsgeschäftlichen Willen beider Partner abweicht, ist ein Partner auch in Fällen wie dem vorliegenden nicht nach § 242 BGB verpflichtet.
Hieran ändert auch nichts der Umstand, daß die Beklagte durch den Kaufabschluß vorübergehend in den Genuß der Wertpapiersicherheit gekommen war; auch hieraus ergab sich für die Beklagte noch keine Verpflichtung nach § 242 BGB, sich am Verkauf auch nur ihrer eigenen Eigentumshälfte festhalten zu lassen.
Ob etwas anderes dann gilt, wenn ein gesetzlicher Vertreter bereits bei Vertragsabschluß ober bei der Benutzung einer solchen Sicherheit vorhat, die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zu hintertreiben, und den Partner darüber täuscht, braucht hier nicht entschieden zu werden; denn der Tatrichter hat Derartiges hier nicht festgestellt, vielmehr die Nichternstlichkeit des Abschlußwillens der Beklagten in anderm Zusammenhang ausdrücklich verneint (BU S. 18/19).
IV.
Da auch im übrigen ein Rechtsirrtum des Tatrichters zum Nachteil der Revisionsklägerin nicht ersichtlich ist, war ihr Rechtsmittel als unbegründet mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Mattern
Hill
Offterdinger
Dr. Grell