Bundesgerichtshof
Urt. v. 16.04.1969, Az.: VIII ZR 64/67
Beweislast bei einem Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung; Vorgehen des Vorbehaltsverkäufers gegen eine Bank ; Verwertung der vom Vorbehaltskäufer sicherungsübereigneten Sache; Zeitpunkt des Erlöschens des Eigentumsvorbehalt
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 16.04.1969
- Aktenzeichen
- VIII ZR 64/67
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1969, 12392
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Hamm - 24.02.1967
- LG Bielefeld
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DB 1969, 964 (Kurzinformation)
- JZ 1969, 433-434 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1969, 750 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Zur Beweislast, wenn der Vorbehaltsverkäufer eine Bank aus § 816 BGB in Anspruch nimmt, weil diese die ihr vom Vorbehaltskäufer sicherungsübereignete Sache verwertet hat, und zwischen den Parteien streitig ist, ob im Zeitpunkt der Sicherungsübereignung an die Bank der Eigentumsvorbehalt bereits erloschen war.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 16. April 1969
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Dr. Haidinger sowie
der Bundesrichter Artl, Dr. Mezger, Mormann und Braxmaier
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 24. Februar 1967 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Tatbestand
Die klagende Maschinenfabrik lieferte im Jahre 1960 33 und im Jahre 1961 bis zum 30. April 88 Kopieroberfräsen unter Eigentumsvorbehalt an die Firma Ing. H., Kommanditgesellschaft in Bieren. Diese versah die Fräsen mit elektrischer Ausrüstung und verkaufte sie im eigenen Namen und für eigene Rechnung weiter. Die beklagte Volksbank unterhielt ebenfalls Geschäftsbeziehungen zur Firma H.. Diese übereignete am 31. Mai 1961 der Bank "20 Stck. Standard-Kopierfräsen Type OF Nr. 1-20" zur Sicherung einer Schuld von rund 61.000 DM. Nach § 2 Abs. 3 des Vertrages waren "die übereigneten Gegenstände mit den Zahlen 1-20 V (Volksbank) gekennzeichnet". Vor Abschluß dieses Vertrages hatte die Firma H. der Bank zum Nachweis ihres Eigentums folgendes an sie (Firma H.) gerichtetes Schreiben der Klägerin vom 30. Dezember 1960 vorgelegt:
"Wunschgemäß bestätigen wir Ihnen, daß die von uns bezogenen Kopier-Oberfräsen nicht mehr unter Eigentumsvorbehalt stehen, da inzwischen sämtliche Rechnungen von Ihnen bezahlt worden sind."
Im Juli 1962 brach die Firma H. zusammen. Das Amtsgericht bestellte einen Rechtsanwalt zum Liquidator. Dieser schrieb am 11. Februar 1963 an die Bank:
"Betr.: Verwertung der Fräsen ... der H. KG i.L. Bezug: Ihr Schreiben vom 30.1.1963 Bei der Bestandkontrolle der Fräsen der H. KG am 7.1.1963 wurden von mir ... 18 Fräsen mit dem Schildchen V festgestellt. Nummern 1-4, 6-14 und 16-20 waren vorhanden. ..."
Am 14. März 1963 holte die Bank, ohne den Liquidator zu verständigen, aber im Einverständnis mit der Gesellschafterin R. der Firma H. 18 Fräsen heraus, lagerte sie bei einer Speditionsfirma ein und verwertete sie von dort aus in der Weise, daß sie den Lagerhalter jeweils anwies, die Fräsen herauszugeben.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten den von dieser angeblich erzielten Erlös von 40.000 DM mit der Begründung, die von der Beklagten veräußerten Fräsen seien von der Firma H. nicht bezahlt worden und deshalb Eigentum der Klägerin geblieben. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz vom 10. Februar 1967 hat die Klägerin die Klage hilfsweise auf eine Abtretungserklärung des Liquidators der Firma H. vom 1. Februar 1967 gestützt, in der es heißt:
"... Für den Fall, daß der Eigentumsvorbehalt der Klägerin an den fraglichen Oberfräsen erloschen und die Oberfräsen demzufolge Eigentum der H. KG geworden sein sollten, trete ich alle der Hering KG im Zusammenhang mit der Wegnahme und Verwertung gegen (die Beklagte) entstandenen Ansprüche ... als Liquidator ... an (die Klägerin) ab."
Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Diese verfolgt mit der Revision ihre Klageforderung weiter.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1.
Das Berufungsgericht stellt fest, die von der Klägerin im Jahre 1960 gelieferten Fräsen habe die Firma H. bis zum Ende des Jahres voll bezahlt; soweit das bezüglich der letzten Lieferung zweifelhaft sein könne, habe die Klägerin jedenfalls durch das Schreiben vom 30. Dezember 1960 auf ihren Eigentumsvorbehalt verzichtet. Demnach seien sämtliche im Jahre 1960 gelieferten Fräsen - im Gegensatz zu den im Jahre 1961 gelieferten - Eigentum der Firma H. geworden. Ob die von der Beklagten bei der Firma H. herausgeholten Fräsen aus Lieferungen im Jahre 1960 oder aus Lieferungen im Jahre 1961 stammten, könne nicht mehr festgestellt werden, weil die Klägerin die Fräsen nicht durch Fabrikationsnummern oder in sonstiger Weise gekennzeichnet habe. Da die Klägerin die Beweislast für ihr Eigentum habe, müsse zugunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, daß die von ihr verwerteten Fräsen sämtlich bezahlt und deshalb Eigentum der Firma H. gewesen seien. Dann aber könne die Klägerin wegen der Verwertung der Fräsen aus eigenem Recht keine Ansprüche gegen die Beklagte herleiten. Ansprüche aus abgetretenem Recht der Firma H. habe die Klägerin erstmals in der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz erhoben. Die Klageänderung, der die Beklagte widersprochen habe, sei nicht sachdienlich und deshalb nicht zuzulassen (§ 264 ZPO).
2.
Die Revision rügt in erster Linie, das Berufungsgericht habe die Beweislast verkannt: Da unstreitig die Klägerin zunächst Eigentümerin aller, also auch der 18 von der Beklagten verwerteten, Maschinen gewesen sei, habe nach allgemeinen Beweislastregeln die Beklagte nachweisen müssen, daß die Klägerin - durch Bezahlung der Maschinen seitens der Firma H. - ihr Eigentum verloren und die Beklagte es von der Firma H. erworben habe.
Die Rüge ist nicht begründet.
a)
Die allgemeinen, nicht gesetzlich normierten Beweislastregeln können nur angewandt werden, wenn nicht spezielle gesetzliche Beweislastregeln Platz greifen. Da die Parteien hier darum streiten, wer von ihnen zu einem bestimmten Zeitpunkt (im Jahre 1963, als die Beklagte die Maschinen veräußerte) Eigentümer der Maschinen, also beweglicher Sachen, gewesen ist, kommt hier als spezielle Beweislastnorm § 1006 BGB in Frage. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung wird zugunsten eines früheren (Eigen)besitzers vermutet, daß er während der Bauer seines Besitzes Eigentümer der Sache gewesen sei; nach Abs. 3 gilt im Falle eines mittelbaren Besitzes die Vermutung für den mittelbaren Besitzer.
b)
Geht man - zugunsten der Klägerin - davon aus, daß die Firma H. sämtliche Fräsen auf Kredit bezogen, also keine vorausbezahlt hat, so ist die Klägerin auf Grund ihres Eigentumsvorbehalts bei allen Fräsen, und deshalb auch bei den hier streitigen 18, zunächst mittelbare Eigenbesitzerin geworden, der die Firma H. als unmittelbare Fremdbesitzerin den Besitz mittelte. Dieses Besitzmittlungsverhältnis dauerte hinsichtlich der 18 Fräsen jedoch nicht länger als bis zum 31. Mai 1961. Denn an diesem Tage schloß die Firma H. mit der Beklagten über die 18 Fräsen den Sicherungsübereignungsvertrag, in dem die Firma H. ausdrücklich versicherte, daß die Maschinen ihr unbeschränktes Eigentum seien, und sie für die Beklagte in Verwahrung nahm. Damit beendete die Firma H. den mittelbaren Besitz der Klägerin, indem sie sich nach außen erkennbar einseitig von dem Besitzmittlungsverhältnis zur Klägerin lossagte. Für das Erlöschen des mittelbaren Besitzes der Klägerin ist es unerheblich, ob die Firma H. ihr gegenüber zu diesem Verhalten berechtigt war. Da demnach die Klägerin nicht über den 31. Mai 1961 hinaus mittelbare Besitzerin der 18 Fräsen geblieben ist, spricht auf Grund des § 1006 Abs. 2 BGB für sie nur die Vermutung, daß sie bis zu dem genannten Zeitpunkt Eigentümerin der Fräsen war. Diese Vermutung ist für die Entscheidung ohne Bedeutung, weil es hier darauf ankommt, ob die Klägerin noch im Jahre 1963, als die Beklagte die Fräsen veräußerte, das Eigentum an ihnen hatte.
c)
Am 31. Mai 1961 wurde die Beklagte mittelbare (Eigen)besitzerin der Fräsen. Von diesem Zeitpunkt an bestand deshalb gemäß § 1006 Abs. 2 und 3 BGB für sie die Eigentums Vermutung, und zwar für die Dauer ihres Besitzes. Ihr mittelbarer Besitz wandelte sich, als sie am 14. März 1963 die Maschinen bei der Firma H. herausholte, zum unmittelbaren Besitz. Damit wurde die zugunsten der Beklagten sprechende Eigentumsvermutung jedoch nicht unterbrochen, denn ihr Eigenbesitz dauerte, wenn auch in geänderter Form, fort. Rechtliche Grundlage der Eigentumsvermutung war nunmehr § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB. Als die Beklagte dann die Fräsen beim Spediteur einlagerte, wandelte sich ihr unmittelbarer Besitz noch einmal in einen mittelbaren Besitz, der nunmehr wiederum nach Abs. 3 die Eigentumsvermutung für die Beklagte begründete. Demnach war die Beklagte vom 31. Mai 1961 bis zur Veräußerung der Fräsen im Jahre 1963 ununterbrochen Eigenbesitzerin der Fräsen. Für die Beklagte spricht deshalb die Vermutung, daß sie vom 31. Mai 1961 bis zur Veräußerung Eigentümerin der Fräsen war.
d)
Dem steht § 1006 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung gilt die Eigentumsvermutung nicht gegenüber einem früheren Besitzer, dem die Sache abhanden gekommen ist. Abhanden gekommen ist eine Sache nur dann, wenn der unmittelbare Besitzer ohne seinen Willen den Besitz verloren hat. Deshalb sind der Klägerin am 31. Mai 1961 die Fräsen nicht abhanden gekommen, auch wenn man unterstellt, daß sie bis dahin nicht bezahlt waren und deshalb die Klägerin noch mittelbare Besitzerin war. Sie hat dann zwar ihren mittelbaren Besitz ohne ihren Willen dadurch verloren, daß die Firma H. als ihr Besitzmittler das Besitzmittlungsverhältnis beendete. Die Entziehung des mittelbaren Besitzes durch den Besitzmittler erfüllt aber nicht den Begriff des Abhandenkommens.
Die Fräsen sind allerdings möglicherweise dadurch abhanden gekommen, daß die Klägerin am 14. März 1963 sie bei der Firma H. ohne Wissen und Willen des Liquidators herausholte. Wie die Besitzverhältnisse bei der Firma H. damals waren, stellt das Berufungsgericht nicht fest. Unterstellt man zugunsten der Klägerin, daß entweder der Liquidator selbst unmittelbarer Besitzer war, oder daß die Firma H. jedenfalls nur mit seinem Willen Besitz aufgeben oder übertragen konnte, so hätte die Beklagte am 14. März 1963 verbotene Eigenmacht verübt und dem Liquidator oder der Firma H. den unmittelbaren Besitz ohne deren Willen entzogen. Damit waren aber nicht zugleich, worauf es nach § 1006 Abs. 1 Satz 2 BGB für die Rechtsbeziehungen der Parteien allein ankäme, die Sachen auch der Klägerin abhanden gekommen. Denn diese war (s. oben zu 2 b) schon seit dem 31. Mai 1961 nicht mehr mittelbare Besitzerin der Fräsen.
e)
Die demnach auf Grund des § 1006 BGB bestehende Vermutung, daß die Beklagte, und nicht die Klägerin, im Zeitpunkt der Veräußerung Eigentümerin der Fräsen war, müßte die Klägerin widerlegen. Diese Widerlegung scheitert nach der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts schon daran, daß nicht mehr festzustellen ist, ob die von der Firma H. der Beklagten sicherungsübereigneten Fräsen zu den 1960 gelieferten und deshalb bereits bezahlten Fräsen gehörten. Damit entfällt ein Anspruch der Klägerin aus eigenem Recht (§§ 816, 989 ff, 823 ff BGB).
3.
Über hilfsweise geltend gemachte Ansprüche der Klägerin aus abgetretenem Recht der Firma H. hat das Berufungsgericht nicht entschieden, weil es die erst in der letzten mündlichen Verhandlung vorgenommene Klagänderung nicht für sachdienlich hält. Die dafür gegebene Begründung - Notwendigkeit neuer Erörterungen und Feststellungen, sowie Verlust einer Instanz für die Beklagte - ist zwar im Hinblick auf die in BGHZ 1, 65 [BGH 17.01.1951 - II ZR 16/50] (= NJW 1951, 311 = JZ 1951, 447) für den Begriff der Sachdienlichkeit entwickelten Grundsätze nicht unbedenklich. Der Bundesgerichtshof hat aber andererseits wiederholt ausgesprochen (II ZR 206/52 vom 20. Mai 1953 = LM ZPO § 264 Nr. 4; KZR 5/62 vom 14. Juni 1963 = LM ZPO § 264 Nr. 18), das Tatsachengericht dürfe eine Klagänderung als nicht sachdienlich zurückweisen, wenn durch sie ein völlig neuer Streitstoff zur Beurteilung und Entscheidung gestellt werde. Das kann hier bejaht werden. Bis zur Klagänderung stritten die Parteien lediglich darüber, ob die Klägerin gegen die Beklagte unmittelbar Ansprüche aus unberechtigter Verfügung über ihr Eigentum habe. Der Schwerpunkt des Rechtsstreits lag demgemäß in der Frage, des Eigentums der Klägerin. Durch die Klagänderung wurde dagegen das Verhältnis zwischen der Firma H. und der Beklagten daraufhin zur Nachprüfung gestellt, ob sich aus ihm für die Firma H. vertragliche oder gesetzliche Schadensersatzansprüche oder Bereicherungsansprüche ergaben. Damit erhielt der Rechtsstreit ein völlig neues Gesicht. Es ist deshalb kein Rechtsfehler, wenn das Berufungsgericht unter dem Gesichtspunkt des § 264 ZPO es abgelehnt hat, diese Ansprüche noch in dem anhängigen Rechtsstreit zu prüfen, der ohne die Klagänderung zur Entscheidung reif war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Artl
Dr. Mezger
Mormann
Braxmaier