Bundesgerichtshof
Urt. v. 22.05.1968, Az.: VIII ZR 21/66
Anspruch auf Schadensersatz ; Mangelhaftigkeit eines vermieteten Baggers ; Handlung eines Verrichtungsgehilfen
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 22.05.1968
- Aktenzeichen
- VIII ZR 21/66
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1968, 14522
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Düsseldorf - 10.12.1965
- LG Duisburg
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DB 1968, 1317 (Volltext)
- MDR 1968, 918 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Zur Rechtsnatur eines Vertrages über die Gestellung eines Raupenbaggers mit Bedienungsmann.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 22. April 1968
unter Mitwirkung
der Bundesrichter Dr. Gelhaar, Artl, Dr. Messner, Mormann und Braxmaier
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 10. Dezember 1965 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin führte Anfang 1962 ein umfangreichen Bauvorhaben für die Bundespost in Mülheim/Ruhr aus, zu den auch Ausschachtungsarbeiten gehörten. Die Beklagte stellte ihr für diese Arbeiten gegen Vergütung einen Raupenbagger und als Fahrer den Baggerführer W. zur Verfügung, der von der Beklagten entlohnt wurde.
Eine Seite der Baugrube war mit einer Spundwand versehen, zu deren Herstellung der Bagger ebenfalls herangezogen wurde. In Zuge dieser Arbeiten stand der Bagger Mitte März 1962 auf einer sog. Standnatratze am Baugrubenrand. Damals stellte der Baggerführer W. eines Morgens, als er vor Arbeitsbeginn auf der Baustelle erschienen war, fest, daß sich die Standmatratze mitsamt dem Bagger etwas in Richtung Baugrube gesenkt hatte. Da er Gefahr für den Bagger befürchtete, bewegte er das Gerät von dieser Stelle weg. Er soll dabei nach der Behauptung der Klägerin die Spundwand erheblich beschädigt haben.
Die Klägerin beziffert ihren Schaden auf 16.579,60 DM und verlangt diesen Betrag nebst Zinsen im Wege der Klage von der Beklagten als Schadensersatz.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klägerin stützt den Schadensersatzanspruch auf Vertrag und unerlaubte Handlung. Sie vertritt die Ansicht, der Baggerführer W. müsse als Erfüllungsgehilfe der Beklagten in Rahmen des abgeschlossenen Vertrages angesehen werden. Da er den Schaden schuldhaft verursacht habe, treffe die Beklagte eine Haftung aus §§ 276, 278 BGB, Die Beklagte hafte aber auch deshalb, weil der vermietete Bagger mangelhaft gewesen sei. Der Antrieb der von der Baugrube abgekehrten Raupenkette habe ständig versagt, so daß jeweils die Kupplungsklaue auf Zuruf des W. von einem Arbeiter der Klägerin habe hineingeschlagen werden müssen. Da an dem Morgen des Unfalls die Leute der Klägerin noch nicht auf der Baustelle erschienen gewesen seien, habe W. keine Unterstützung gehabt. Er habe daher den Bagger nur mit einer Raupenkette bewegt und habe auf diese Weise den Schaden verursacht. Die Beklagte hafte somit auch aus § 538 BGB. In übrigen sei die Beklagte auch aus unerlaubter Handlung zum Schadensersatz verpflichtet, denn W. sei ihr Verrichtungsgehilfe gewesen.
II.
Die Revision gegen das die Klage abweisende Berufungsurteil ist schon deshalb begründet, weil das, Berufungsgericht zu Unrecht eine Haftung aus unerlaubter Handlung verneint hat.
Das Berufungsgericht verkennt nicht, daß der Baggerführer W., der auch während seines Einsatzes bei der Klägerin weiterhin von der Beklagten entlohnt wurde, deren Arbeitnehmer geblieben ist. Es meint jedoch, weil er sich wahrend dieses Einsatzes den Weisungen der Klägerin zu fügen hatte, könne die Beklagte für diese Zeit nicht als "Geschäftsherr" des W. angesehen werden. Diese Ansicht ist nicht richtig.
Die Beklagte blieb nach wie vor Geschäftsherr in Sinne des § 831 BGB. Die in dieser Bestimmung vorausgesetzte Bestellung zu einer Verrichtung bestand darin, daß die Beklagte ihren Baggerführer W. vorübergehend zur Dienstleistung bei der Klägerin abstellte. Daß damit dessen Abhängigkeit von der Beklagten nicht aufgehoben wurde, ergibt sich schon aus der Überlegung, daß diese ihren Arbeitnehmer jederzeit zurückziehen und anders verwenden konnte (vgl. hierzu BGH Urt. v. 15. Februar 1957 - VI ZR 335/55 = LM BGB § 823 (Hb) Nr. 5 sowie BGHZ 45, 311 m.A. von Rietschel LM BGB § 831 (B) Nr. 6). Daß der Baggerführer W. überhaupt bei der Klägerin tätig wurde, hatte seinen Grund ausschließlich in dieser Abhängigkeit von der Beklagten, die der Klägerin gegenüber verpflichtet war, W. zur Befolgung von deren Anweisungen anzuhalten (RGZ 82, 427, 429). Daran ändert nichts, daß es die Aufgabe der Klägerin war, die Tätigkeit des W., soweit er Arbeiten für ihren Betrieb ausführte, in einzelnen durch solche Anweisungen zu regeln.
Deshalb haftet die Beklagte für den Schaden, den W. der Klägerin in Ausführung dieser Verrichtung zugefügt hat. Ihre Ersatzpflicht tritt nur dann nicht ein, wenn sie bei der Auswahl des W. die erforderliche Sorgfalt beobachtet hat oder wenn der Schaden auch bei der Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde. Weisungen an W. über die Ausführung von Arbeiten im Betrieb der Klägerin zu erteilen, war dagegen nicht mehr Sache der Beklagten, sondern Aufgabe der Klägerin. Wenn die Klägerin bei der Leitung der dem W. obliegenden Verrichtungen Sorgfaltspflichten verletzt haben sollte, so brauchte die Beklagte, wenn sie den ihr hinsichtlich der Auswahl obliegenden Entlastungsbeweis zu führen in der Lage ist, hierfür nicht einzustehen. Da aber beide Parteien mit der jeweils geltenden Beschränkung als "Geschäftsherr" des W. anzusehen waren, hatte ein Dritter, falls W. in Ausführungen der ihm übertragenen Verrichtung diesem widerrechtlich Schade zugefügt haben würde, beide Parteien gemäß § 831 BGB in Anspruch nehmen können. Beide Parteien hätten einer Haftung nur entgehen können, wenn sie jeweils den ihnen obliegenden Entlastungsbeweis geführt hätten, die Beklagte hinsichtlich der Auswahl des W., die Klägerin hinsichtlich einer sorgfältigen Leitung.
Daß bei einen Dienstverschaffungsvertrag, wie er hier vom Berufungsgericht bejaht ist, der zur Dienstleistung Bestellte als Verrichtungsgehilfe des zur Dienstverschaffung Verpflichteten anzusehen ist, hat demgemäß auch die Rechtsprechung wiederholt angenommen (vgl. BGH Urt. v. 5. März 1957 - VI ZR 11/56 = BB 1957, 413; KG JW 1920, 284 m. zust.Anm. von Oertmann; OLG Köln DR 1940, 723).
Das klageabweisende Berufungsurteil konnte daher keinen Bestand haben. Da die Beklagte den ihr obliegenden Entlastungsbeweis angetreten hatte, war der Senat auch nicht in der Lage, selbst eine endgültige Entscheidung zu Ungunsten der Beklagten zu treffen. Das Urteil mußte deshalb aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
III.
Für die neue Verhandlung sei bemerkt:
Das Berufungsgericht würdigt die vertraglichen Beziehungen der Parteien als einen Mietvertrag, der mit einen Dienstverschaffungsvertrag verbunden gewesen sei.
Nach seiner Auslegung der vertraglichen Beziehungen schuldete die Beklagte der Klägerin nur die Gestellung eines gebrauchsfähigen Baggers und eines geeigneten Baggerführers. Sie hatte dagegen nicht die Sorge für die Betriebsführung und die Wartung und Obhut des Baggers übernommen. Das Berufungsgericht sieht deshalb W. hinsichtlich dessen Dienstleistung bei der Klägerin nicht als Erfüllungsgehilfen der Beklagten an. Deshalb lehnt es eine aus §§ 276, 278 BGB hergeleitete Haftung der Beklagten für schuldhaftes Verhalten des Wilke ab.
Diese Erwägungen begegnen, wenn der Auslegung des Berufungsgerichts gefolgt wird, keinen rechtlichen Bedenken.
Entgegen der Ansieht der Revision kann es nicht darauf ankommen, ob W. den Bagger vor Dienstbeginn oder während der eigentlichen Arbeitszeit in Bewegung gesetzt hat. Denn wenn die Klägerin als Mieterin der Maschine der Beklagten deren Obhut und Wartung schuldete, so wurde, wenn Dich aus den Umstanden des Falles nichts anderes ergab, jede in dieser Richtung liegende Tätigkeit des W. in Erfüllung dieser Verpflichtung geleistet, so daß W. auch insoweit als Erfüllungsgehilfe der Klägerin und nicht der Beklagten anzusehen ist.
Wenn mit dem Berufungsgericht davon ausgegangen wird, daß die Klägerin als Mieterin des Baggers auch die Wartung und Pflege der Maschine übernommen hatte, die Beklagte die hierzu erforderlichen Maßnahmen also nicht selbst durch ihren Baggerführer W. durchzuführen hatte, so oblag es der Klägerin, Mängel der Maschine gemäß § 545 BGB der Beklagten anzuzeigen Das Berufungsgericht hat daher von seinem Standpunkt zu Recht eine Haftung der Beklagten nach § 538 BGB hinsichtlich der Mängel, die erst nach Vertragsschluß aufgetreten waren, verneint, weil die Beklagte keine Anzeige gemäß § 545 BGB erhalten hatte.
Erhebliche Bedenken bestehen indes insoweit, als nicht ersichtlich ist, ob das Berufungsgericht bei seinen tatsächlichen Feststellungen, aufgrund deren es die von ihn erörterten rechtlichen Schlüsse gezogen hat, die von den Parteien vergetragenen umstände ausreichend berücksichtigt hat. Zu der Annahme es habe sich um einen bloßen Dienstverschaffungsvertrag gehandel reicht jedenfalls nicht die Feststellung aus, die Beklagte habe es abgelehnt, die Ausschachtungsarbeiten als Subunternehmerin der Klägerin selbst vorzunehmen und sich lediglich bereit gefunden, der Klägerin einen Bagger mit Bedienungsmann gegen Entge zur Verfügung zu stellen.
Die Parteien haben grundsätzlich freie Hand, wie sie ihre Vertragsverhältnisse gestalten wollen. Haben sie keine ausdrücklichen ins einzelne gehenden Vereinbarungen getroffen, so bedarf es einer sorgfältigen Würdigung aller feststellbaren Umstände, um durch Auslegung schlüssiger Tatsachen und Erklärungen zu ermitteln, welche Absichten die Parteien hier mit der Vermietung einer Baumaschine und der Gestellung eines Bedienungsmannes verfolgt und wie sie sich die rechtliche Abwicklung des Vertragsverhältnisses gedacht haben.
Es ist rechtlich durchaus möglich, je nach der Eigenart der vermieteten Maschine und den übrigen Umständen des Falles auch zu einer von der Betrachtungsweise des Berufungsgerichts abweichenden Beurteilung zu gelangen, daß nämlich der Vermieter Obhut und Wartung des Gerätes nicht aus der Hand geben wollte, daß es vielmehr in seiner Absicht lag, die Baumaschine durch den Maschinenführer als seinen eigens zu diesem Zwecke gestellten Vertrauensmann versorgen zu lassen. Die Würdigung des Berufungsgerichts ist zwar rechtlich möglich, braucht aber keineswegs dem von den Parteien wirklich Gewollten zu entsprechen. Handelt es sich um eine besonders wertvolle und in der Bedienung komplizierte Maschine, so liegt es sogar nahe, daß die Vermieterin den Bedienungsmann deshalb der Mieterin überließ, damit dieser im Interesse der Vermieterin die Maschine wartete und betreute. Dann würde es sich nicht um einen bloßen Dienstverschaffungsvertrag handeln und Wilke würde jedenfalls insoweit Erfüllungsgehilfe der Beklagten gewesen sein, als es sich um Maßnahmen handelte, die dazu dienten, den Bagger vor Schaden zu bewahren. Die Beklagte müßte also für eine ordnungsgemäße Arbeit des W. dann einstehen, wenn sich ihre Verpflichtung nicht in der bloßen Gestellung des Bedienungsmannes erschöpfte, sondern die Wartung und Betreuung des Gerätes miteinbegriff.
Ob eine solche Beurteilung geboten ist, kann wesentlich von der Eigenart der vermieteten Maschine abhängen (vgl. insbesondere OLG Kamm in VersR 1966, 641; auch RG in LZ 1916, 235 und Gruchot 1961, 633). Es erscheint daher nicht ausgeschlossen, daß das Berufungsgericht bei entsprechenden Feststellungen zu dem Ergebnis könnt, W. sei im Rahmen des Mietvertrages Erfüllungsgehilfe der Beklagten gewesen, deren Haftung dann nicht an den von Berufungsgericht herangezogenen Gesichtspunkten scheitern würde. Auch in einer anderen Hinsicht wird das Berufungsgericht seinen rechtlichen Standpunkt überprüfen müssen, selbst wenn es wieder zu der Ansicht gelangen sollte, daß es sich um einen bloßen Dienstverschaffungsvertrag handelte.
Das Berufungsgericht hält die Voraussetzungen dafür, daß die Beklagte ihre Vertragspflichten durch Zuweisung eines ungeeigneten Bedienungsmannes verletzt haben könnte, nicht für gegeben. Das Berufungsgericht meint, die Klägerin habe es in dieser Richtung an einem schlüssigen Vortrag fehlen lassen. Ihre Behauptung, W. sei verspielt gewesen, sei auch mit dem Bagger wüst umgegangen und habe sich als wilder und forscher Fahrer gegeben, seien zu vage, als daß man daraus auf eine mangelnde Eignung schließen könnte. Das Berufungsgericht nimmt also an, der Beklagten könne eine schuldhafte Verletzung ihrer Vertragspflicht, einen brauchbaren Fahrer zu stellen, nicht vorgeworfen werden. Diese Ausführungen erwecken Zweifel, ob sich das Berufungsgericht bewußt gewesen ist, daß es Aufgabe der Beklagten ist, auch im Rahmen einer vertraglichen Haftung den Beweis dafür zu führen, daß sie in der Person des W. einen tauglichen und geeigneten Baggerführer zur Verfügung gestellt hatte (vgl. BGHZ 28, 251). Es handelt sich um einen Beweis über Dinge, die den Gefahrenkreis und der Kenntnis der Klägerin entzogen sind, vielmehr allein in den Bereich der Beklagten fallen, der deshall die Beweislaat aufzubürden ist. Das Berufungsgericht wird daher erwägen missen, daß es, wenn sich feststellen läßt, daß Wilke am Unfalltage versagt hat, Sache der Beklagten ist, darzulegen und notfalls zu beweisen, daß sie bei der Auswahl des W. die im Verkehr erforderliche Sorgfalt hat walten lassen.
IV.
Da die Entscheidung über die Kosten der Revision von der Endentscheidung abhängt, war die Kostenentscheidung den Berufungsgericht zu übertragen.
Artl
Dr. Messner
Mormann
Braxmaier