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Bundesgerichtshof
Urt. v. 06.02.1967, Az.: VII ZR 245/64

Vorliegen der Vertragskündigung eines Werkvertrages über die Errichtung von Bauarbeiten an Reihenhäusern; Anspruch auf Zahlung restlicher Werklohnforderungen und Nutzungsentschädigung für benutzte Geräte; Abgrenzung einer ordentlichen von einer außerordentlichen Kündigung im Werkvertragsrecht; An den Inhalt eines Kündigungsschreibens zu stellende Anforderungen

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
06.02.1967
Aktenzeichen
VII ZR 245/64
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1967, 13070
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
KG Berlin - 10.07.1964

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 6. Februar 1967
unter Mitwirkung
des Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofs Glanzmann und
der Bundesrichter Rietschel, Erbel, Dr. Vogt und Dr. Finke
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Kammergerichts vom 10. Juli 1964 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Durch Vertrag vom 7. März 1961 betraute der Beklagte die Klägerin mit Bauarbeiten beim Neubau von zehn Einfamilien-Reihenhäusern auf seinem Grundstück Berlin-Charlottenburg, G.str. ... und ..., zum Pauschalpreis von 246.000 DM. Die Parteien vereinbarten die Geltung der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB). Die Arbeiten sollten etwa bis zum 1. Juli 1961 fertig sein, waren es aber nicht.

2

Ab September 1961 entstanden Unstimmigkeiten zwischen den Parteien. Es kam zu einem Schriftwechsel, der für den Beklagten z.T. von seinem Architekten Z., im übrigen von seiner Bevollmächtigten, der Firma W. F. GmbH in Berlin, geführt wurde. Diese Firma ist in den Vorinstanzen den Beklagten als Streithelferin beigetreten, hat sich aber in der Revisionsinstanz nicht vertreten lassen.

3

Mit Schreiben vom 22. September, 2. Oktober und 4. Oktober 1961 erhob Zacher gegenüber der Klägerin zahlreiche Mängelrügen.

4

Mit Brief vom 31. Oktober 1961 beanstandete die W.-F. GmbH, daß der Putz noch nicht fertig war, setzte der Klägerin Nachfristen bis zum 7. und 11. November 1961 und drohte ihr an, bei fruchtlosen Fristablauf die Arbeiten auf ihre Kosten fertigstellen zu lassen.

5

Unter dem 7. November 1961 (Brief Nr. 1075) schrieb die W.-F. GmbH an die Klägerin, diese habe einen großen Teil der in ihrer Rechnung vom 27. Juli 1961 genannten Arbeiten noch nicht ausgeführt. Es seien erhebliche, im einzelnen aufgeführte Mängel vorhanden. Die Klägerin habe nicht einmal den guten Willen gezeigt, die Arbeiten terminsgerecht fertigzustellen. Sie (W.-F. GmbH) werde daher nach dem 12. November 1961 eine andere Firma einsetzen, um die Arbeiten beschleunigt wenigstens noch vor der Frostperiode fertigzustellen. Den Schaden des Beklagten habe die Klägerin zu tragen.

6

In einem weiteren, ebenfalls vom 7. November 1961 datierten Brief (Nr. 1076) schrieb die W.-F. GmbH an die Klägerin, der Pauschalvertrag sei auf Grund einer Massenermittlung Z. zustande gekommen, die nicht sorgfältig vorgenommen worden sei, in einigen Teilleistungsbeschreibungen seien erhebliche Abweichungen der Massen und Mengen festgestellt worden, die weit höher lägen als 10 %. Wörtlich heißt es in dem Brief dann weiter:

"Wir berufen uns auf die Verdingungsordnung für Bauleistungen, die 1961 zu A § 5, Ziff. 1 B herausgegeben wurde und kündigen Ihnen hiermit den Pauschalvertrag, da in den Massenberechnungen erhebliche Irrtümer und Abweichungen der Massen und Mengen unterlaufen sind. Gemäß VOB sind daher bei dem Aufmaß sich ergebende Mehr- und Minderleistungen in der Abrechnung zu berücksichtigen."

7

Am 8. November 1961 fand eine Besprechung zwischen der W.-F. GmbH und der Klägerin statt. Kurz danach stellte diese die Arbeiten ein.

8

Mit Schreiben an die Klägerin vom 17. November 1961 setzte die W.-F. GmbH ihr Nachfrist bis zum 27. November 1961. Nach fruchtlosem Fristablauf schrieb sie ihr unter dem 28. November 1961, in Vollmacht des Beklagten entziehe sie ihr den Auftrag gemäß § 8 Ziff. 3 VOB (B).

9

Der Beklagte führte dann die Bauarbeiten in eigener Regie zu Ende.

10

Die Klägerin ist der Auffassung, der Vertrag der Parteien sei durch das ihr am 11. November 1961 zugegangene Schreiben Nr. 1076 vom 7. November 1961 gemäß § 8 Ziff, 1 VOB (B), § 649 BGB beendet worden; danach sei für eine Auftragsentziehung gemäß § 8 Ziff. 3 VOB (B) kein Raum mehr gewesen.

11

Sie hat eine restliche Werklohnforderung von 61.898,01 DM, einen entgangenen Gewinn von 2.000 DM und eine Nutzungsentschädigung (für vom Beklagten beim Weiterbau genutzte Gerüste und Geräte) von 4.050 DM errechnet. Die Gesamtforderung hat sie als Sicherheit für einen Kredit an das Bankhaus N. und von M. in Berlin abgetreten. Dieses hat die Klägerin ermächtigt, die Forderung im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen. Demgemäß hat die Klägerin mit der Klage vom Beklagten Zahlung von 67.948,01 DM nebst Zinsen an die genannte Bank gefordert.

12

Der Beklagte hat eingewandt, durch das Schreiben Nr. 1076 vom 7. November 1961 habe er nicht den Vertrag gekündigt, sondern sich erkennbar nur von der pauschalen Abrechnungsweise lösen wollen. Der Vertrag sei erst durch die mit Schreiben vom 28. November 1961 ausgesprochene Auftragsentziehung gemäß § 8 Ziff. 3 VOB (B) in Verbindung mit § 4 Ziff. 7 und § 5 Ziff. 4 VOB (B) beendet worden. Im übrigen seien damals auch die Voraussetzungen für eine Kündigung nach § 8 Ziff. 2 und § 8 Ziff. 4 VOB (B) gegeben gewesen. Der Beklagte hat weiter die Höhe der Forderung bestritten und mit einem Schadensersatzanspruch von 14.000 DM aufgerechnet.

13

Die W.-F. GmbH hat als Streithelferin vorgetragen, die Parteien hätten das Vertragsverhältnis in der Besprechung vom 8. November 1961 einverständlich gelöst.

14

Das Landgericht hat durch Teilurteil den Beklagten zur Zahlung von 33.368,06 DM nebst Zinsen an die genannte Bank verurteilt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten im wesentlichen zurückgewiesen (bis auf einen Betrag von 600 DM, den es der Klägerin aus hier nicht interessierenden Gründen aberkannt hat).

15

Mit der Revision, um deren Zurückweisung die Klägerin bittet, verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klagabweisung gegenüber den vom Berufungsgericht zuerkannten 32.768,06 DM nebst Zinsen weiter.

Entscheidungsgründe

16

I.

Das Berufungsgericht legt das Schreiben Nr. 1076 vom 7. November 1961 als Vertragskündigung aus.

17

Auf die von der Revision dagegen erhobenen, übrigens nicht begründeten Verfahrensrügen braucht nicht näher eingegangen zu werden, da das Berufungsurteil aus anderen Gründen keinen Bestand haben kann, wie im folgenden erörtert wird.

18

II.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, bei der Kündigung vom 7. November 1961 handele es sich um eine "freie" Kündigung gemäß § 8 Ziff. 1 VOB (B), § 649 BGB und nicht um eine "außerordentliche" Kündigung gemäß § 8 Ziff. 3 VOB (B). Für die freie Kündigung sei keine Begründung erforderlich, die außerordentliche Kündigung dagegen setze das Vorhandensein der in § 8 Ziff. 3 VOB (B) erwähnten Gründe voraus, und es sei auch erforderlich, daß diese Gründe bei der Kündigung genannt würden. Das sei hier nicht geschehen. Der im Kündigungsschreiben vom 7. November 1961 (Nr. 1076) genannte Grund (unrichtige Massenberechnung) falle nicht unter § 8 Ziff. 3 VOB (B). Auch wenn man diese Bestimmung entsprechend anwenden wollte, fehle es doch an entsprechender Fristsetzung und Androhung der Auftragsentziehung. Die im Schreiben vom 31. Oktober 1961 gesetzten Fristen seien noch nicht abgelaufen gewesen; die Kündigung vom 7. November 1961 sei auch nicht mit den im Schreiben vom 31. Oktober 1961 genannten Gründen gerechtfertigt worden, sondern ausdrücklich nur mit unrichtiger Massenberechnung. Da irgendeine Bezugnahme auf das Schreiben vom 31. Oktober 1961 fehle, könne die Kündigung vom 7. November 1961 nicht als "außerordentliche" nach § 8 Ziff. 3 VOB (B) angesehen werden, sondern nur als eine "freie" gemäß § 8 Ziff. 1 VOB (B).

19

1)

Es ist schon zweifelhaft, ob die Auffassung des Berufungsgerichts zutrifft, aus der Kündigungserklärung müsse ersichtlich sein, daß eine "außerordentliche" Kündigung erklärt werde, andernfalls habe die Kündigung als "freie" gemäß § 8 Ziff. 1 VOB (B) zu gelten.

20

Beim Dienstvertrag geht allerdings die herrschende Auffassung dahin, daß sich aus der Kündigungserklärung ergeben muß, ob außerordentlich (fristlos) oder ordentlich (fristgerecht) gekündigt wird (vgl. BAG AP Nr. 13 zu § 123 EGB; RGRK BGB 11. Aufl. § 626 Anm. 16 mit Nachweisen). Das braucht beim Werkvertrag aber nicht zwangsläufig ebenso zu sein.

21

Beim Dienstvertrag ist Eindeutigkeit der Kündigungserklärung über den Charakter der Kündigung als "ordentlicher" oder "außerordentlicher" vor allen deswegen geboten, weil davon der Zeitpunkt der Vertragsbeendigung abhängt. Die fristlose Kündigung wirkt sofort mit Zugang der Kündigungserklärung, die ordentliche erst zum Ablauf der Kündigungsfrist. Über den Zeitpunkt der Vertragsbeendigung aber muß Klarheit herrschen; das gebietet die Rechtssicherheit.

22

Beim Werkvertrag entfällt dieser Gesichtspunkt. Hier bewirkt jede Kündigungserklärung, eine ordentliche wie eine außerordentliche, die sofortige Vertragsbeendigung. Nur für die nachfolgende Abwicklung der Vertragsbeziehungen kann es von Bedeutung sein, ob dem Besteller ein besonderer Grund für seine Kündigung zur Seite stand. Regelmäßig befreit ihn die Kündigung nicht von der Pflicht, das ganze Werk zu bezahlen; das kann jedoch anders sein, wenn ihn ein den Vertragszweck gefährdendes Verhalten des Unternehmers zur Kündigung veranlaßt hat (§ 649 S. 2 BGB; BGHZ 31, 224, 229 [BGH 26.11.1959 - VII ZR 120/58]; § 8 Ziff. 1, Ziff. 3 Abs. 2 VOB, B). Diese mittelbaren Folgen könnten dafür sprechen, daß auch beim Werkvertrag zum Ausdruck kommen muß, ob "frei" oder "außerordentlich" gekündigt wird.

23

2)

Näher braucht auf diese Frage in vorliegenden Falle aber nicht eingegangen zu werden. Denn auch wenn man insoweit der Auffassung des Berufungsgerichts über den notwendigen Inhalt einer außerordentlichen Kündigungserklärung folgt, muß man hier zu dem Ergebnis gelangen, daß die Klägerin unter den gegebenen Umständen das Kündigungsschreiben des Beklagten vom 7. November 1961 nicht als ordentliche Kündigung gemäß § 8 Ziff. 1 VOB (B) auffassen durfte, sondern als außerordentliche Kündigung auffassen mußte. Die vom Berufungsgericht getroffene gegenteilige Auslegung des Kündigungsschreibens vom 7. November 1961 ist unmöglich.

24

a)

Bei der Auslegung des Schreibens ist zwar von den gebrauchten Worten auszugehen; entscheidend ist aber, wie die Klägerin als Empfängerin des Schreibens dieses unter Berücksichtigung aller ihr damals bekannten Umstände verständigerweise auffassen konnte und mußte. Dabei ist insbesondere der vorangegangene Schriftwechsel und das Schreiben Nr. 1075 vom 7. November 1961 zu würdigen, das nach den Feststellungen des Berufungsgerichts der Klägerin gleichzeitig mit dem Kündigungsschreiben Nr. 1076 vom 7. November 1961 zugegangen ist.

25

b)

Bei Berücksichtigung der Gesamtumstände spricht hier nichts dafür, daß der Beklagte in der Lage, wie er sie damals sah, ausgerechnet die ihm ungünstigste Kündigungsmöglichkeit gemäß § 8 Ziff. 1 VOB (B) gewählt haben sollte, obwohl er, wie der Klägerin bekannt war, glaubte, daß ihm eine wesentlich günstigere außerordentliche Kündigungsmöglichkeit offen stand.

26

In der Regel macht ein Bauherr von der ihm unter den gegebenen Umständen günstigsten Kündigungsmöglichkeit Gebrauch. Damit rechnet auch sein Vertragspartner, und in diesem Sinne faßt der Bauunternehmer daher durchweg die Kündigungserklärung des Bauherrn auf. Das hat der Senat bereits in seinem Urteil VII ZR 218/62 vom 21. Mai 1964 ausgesprochen. In jenem Fall hatte das Berufungsgericht ebenfalls eine Kündigung gemäß § 8 Ziff. 1 VOB (B) angenommen und damit unterstellt, daß der Bauherr die für ihn unvorteilhafteste Möglichkeit gewählt habe, obwohl für ihn günstigere Möglichkeiten in Betracht kamen. Der Senat hat in jenem Urteil die Auffassung des damaligen Berufungsgerichts als rechtsfehlerhaft mißbilligt.

27

c)

Ähnlich liegt der Fall hier. Der Beklagte hatte durch seinen Architekten und die Wohnbau-Finanz GmbH in mehreren Briefen aus September und Oktober 1961 sowie mit Schreiben Nr. 1075 vom 7. November 1961 die Verzögerung der Arbeiten und zahlreiche Mängel gerügt. Er hatte Nachfristen gesetzt und angedroht, er werde die Arbeiten auf Kosten der Klägerin durch eine andere Firma zu Ende führen lassen. Die erste der gesetzten Nachfristen war, soviel ersichtlich, bereits abgelaufen, als die Klägerin die beiden Briefe der Bevollmächtigten des Beklagten vom 7. November 1961 erhielt. Unter diesen Umständen mußte für die Klägerin die Annahme ausscheiden, der Beklagte habe mit dem Schreiben Nr. 1076 die für ihn ungünstige Kündigung gemäß § 8 Ziff. 1 VOB (B) aussprechen wollen. Es mußte sich der Klägerin vielmehr zwingend der Schluß aufdrängen, daß das genannte Kündigungsschreiben keine ordentliche Kündigung gemäß § 8 Ziff. 1 VOB (B), sondern eine außerordentliche Kündigung (gemäß einer der folgenden Ziffern dieser Bestimmung) darstellte.

28

3)

Auch wenn man mit dem Berufungsgericht davon ausgeht, daß die Kündigungserklärung nach § 8 VOB (B) erkennen lassen müsse, ob der Auftraggeber "frei" (Ziff. 1 a.a.O.) oder aber "außerordentlich" (Ziff. 2-4 a.a.O.) kündigt, so kann doch keinesfalls die weitere Auffassung des Berufungsgerichts gebilligt werden, es sei auch Wirksamkeitsvoraussetzung einer außerordentlichen Kündigung, daß die Kündigungserklärung die die Kündigung rechtfertigenden Gründe im einzelnen schlüssig darlege.

29

a)

Damit überspannt das Berufungsgericht auf jeden Fall die Anforderungen, die an den Inhalt einer Kündigungserklärung zu stellen sind. Es muß hierfür genügen, wenn in der Erklärung für den Empfänger erkennbar zum Ausdruck kommt, der Auftraggeber nehme irgendeinen besonderen, außerordentlichen Kündigungsgrund für sich in Anspruch. Die Kündigungserklärung braucht aber keine schlüssige Darlegung darüber zu enthalten, auf welchen der in § 8 Ziff. 2-4 VOB (B) aufgezählten Gründe der Kündigende sich beruft und ob dessen Voraussetzungen im einzelnen erfüllt sind.

30

Derartige Anforderungen werden auch auf andern Rechtsgebieten an den Inhalt einer außerordentlichen Kündigungserklärung nicht gestellt. Vielmehr ist anerkannt, daß grundsätzlich kein Kündigungsgrund angegeben zu werden braucht (BGHZ 27, 220, 223 ff [BGH 05.05.1958 - II ZR 245/56], vom Berufungsgericht zitiert als BGH MDR 1958, 583). Die vom Berufungsgericht weiter angeführten Entscheidungen betreffen keine Kündigungs-, sondern Rücktrittsfälle (BGH VIII ZR 148/57 vom 18. November 1958 = Betrieb 1959, 82 und BGH VIII ZR 47/58 vom 17. Februar 1959 = Betrieb 1959, 457, im Anschluß an BGHZ 11, 80, 86) [BGH 13.11.1953 - I ZR 140/52]. Diese Urteile können daher die Auffassung des Berufungsgerichts nicht stützen.

31

b)

Der Beklagte brauchte also in seiner Kündigungserklärung vom 7. November 1961 nicht darzulegen, daß die für eine Kündigung gemäß § 8 Ziff. 3 VOB (B) bedeutsame Nachfrist nach § 4 Ziff. 7 und § 5 Ziff. 4 VOB (B) im Zeitpunkt der Kündigungserklärung bereits fruchtlos abgelaufen war.

32

c)

Das Berufungsgericht durfte auch den Charakter der Kündigungserklärung vom 7. November 1961 als einer "außerordentlichen" Kündigung nicht deswegen verneinen, weil der in diesem Schreiben genannte Grund nicht unter § 8 Ziff. 3 VOB (B) fällt. Es durfte somit auch nicht den Schluß ziehen, aus diesem Grunde müsse die Erklärung als "freie" Kündigung gemäß § 8 Ziff. 1 VOB (B) angesehen werden.

33

4)

Da das Kündigungsschreiben vom 7. November 1961 die einzelnen Kündigungsgründe nicht aufzuzählen brauchte, ist der Beklagte auch nicht gehindert, zur Rechtfertigung seiner außerordentlichen Kündigung weitere Kündigungsgründe nachzuschieben, soweit dies in der Rechtsprechung sonst zugelassen wird (vgl. dazu die Urteile des Senats LM Nr. 10 zu § 626 BGB und VII ZR 111/62 vom 20. Juni 1963).

34

Es ist auch grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, wenn der Beklagte, obwohl die Klägerin nach dem Gesamtzusammenhang zunächst davon ausgehen konnte, daß er seine Kündigung auf § 8 Ziff. 3 VOB (B) stütze, sieh nachträglich auch auf Gründe beruft, die den Tatbestand des § 8 Nr. 2 oder § 8 Nr. 4 VOB (B) erfüllen. Denn in allen Fällen des § 8 Nr. 2, 3 und 4 VOB (B) handelt es sich um "außerordentliche" Kündigungen, die in ihren Wirkungen der "ordentlichen" Kündigung gemäß § 8 Ziff. 1 VOB (B) gegenüberzustellen sind. Während die Kündigung nach § 8 Ziff. 1 VOB (B) in ihren Rechtsfolgen für den Unternehmer günstig, für den Bauherrn aber ungünstig ist, ist die Rechtslage bei einer Kündigung gemäß § 8 Ziff. 2, 3 oder 4 VOB (B) für den Unternehmer ungünstiger, für den Bauherrn entsprechend günstiger.

35

III.

Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Das Revisionsgericht ist nicht in der Lage, in der Sache selbst abschließend zu entscheiden.

36

1)

Ob die sachlichen Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung gemäß § 8 Ziff. 3 VOB (B) vorliegen, hat das Berufungsgericht noch nicht geprüft. Möglicherweise kommt es auch auf den genauen Zeitpunkt des Zugangs der beiden Briefe vom 7. November 1961 an.

37

2)

Jegliche Feststellung des Berufungsgerichts fehlt aber auch dazu, ob möglicherweise die Tatbestände für eine außerordentliche Kündigung gemäß § 8 Ziff. 2 oder § 8 Ziff. 4 VOB (B) hier gegeben sind, was der Beklagte behauptet hatte.

38

3)

Die Sache muß daher zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

39

a)

Damit hat der Beklagte Gelegenheit, dem Tatrichter seine Bedenken dagegen vorzutragen, daß in dem Schreiben Nr. 1076 vom 7. November 1961 überhaupt eine Kündigung gesehen wird. Der Beklagte meint, es habe sich nur um den Versuch gehandelt, sich, unter Aufrechterhaltung des Vertrages im übrigen, von der Pauschal-Abrechnungsweise zu lösen.

40

b)

Sollte das Berufungsgericht, entgegen seiner jetzigen Feststellung, aber entsprechend der Behauptung der W.-F. GmbH, zu dem Ergebnis gelangen, daß der Vertrag von den Parteien einverständlich aufgehoben worden ist, so würde das Ansprüchen des Beklagten aus § 8 Ziff. 3 Abs. 2 ff VOB (B) nicht ohne weiteres entgegenstehen, vorausgesetzt, daß er im Zeitpunkt der vereinbarten Vertragslösung zur Kündigung gemäß dieser Vorschrift berechtigt war. Das hat der Senat bereits in seinem Urteil VII ZR 239/60 vom 10. Mai 1962 ausgesprochen (ferner Urteil des Senats VII ZR 133/62 vom 23. Januar 1964 für den ähnlich liegenden Fall des § 89 a HGB, insoweit in NJW 1964, 817 nicht abgedruckt).

41

c)

Schließlich wird das Berufungsgericht beachten müssen, daß eine entsprechende Anwendung von § 8 Ziff. 3 VOB (B), über die in Abs. 1 dieser Vorschrift genannten Fälle der § 4 Ziff. 7 VOB (B) und § 5 Ziff. 4 VOB (B) hinaus, dann in Betracht kommt, wenn der Beklagte wegen positiver Vertragsverletzung der Klägerin zu sofortiger Lossagung vom Vertrage befugt war (vgl. Ingenstau-Korbien VOB 4. Aufl. vor B §§ 8 + 9 Rz 12; Hereth-Ludwig-Naschold VOB (B) Ez 8. 16; OLG Celle vom 28. Oktober 1961 = Schäfer-Finnern, Rechtsprechung der Bauausführung Z 2.510 Bl. 15 ff; offen gelassen im Urteil des Senats VII ZR 105/64 vom 10. November 1966).

Glanzmann
Rietschel
Erbel
Vogt
Finke