Bundesgerichtshof
Urt. v. 20.06.1966, Az.: VII ZR 40/64
Bestehen eines aus Werksmängeln hergeleiteten Gewährleistungsanspruches bei Vorliegen unvollständiger Einzelleistungen des Architekten
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 20.06.1966
- Aktenzeichen
- VII ZR 40/64
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1966, 13177
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Düsseldorf - 20.12.1963
- LG Kleve - 16.01.1963
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 2 GebOA
- § 19 Abs. 1g GebOA
- § 634 BGB
Fundstellen
- BGHZ 45, 372 - 376
- DB 1966, 1310-1311 (Volltext mit amtl. LS)
- JZ 1966, 680-681 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1966, 834-835 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1966, 1713-1714 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Führt ein Architekt einzelne Teilleistungen, die im Architektenvertrag oder in § 19 GebOA mit einem bestimmten Hundertsatz der Gesamtleistung bewertet sind, nur unvollständig aus, so mindert sich sein Vergütungsanspruch nicht, wenn gleichwohl das Architektenwerk mangelfrei erbracht wird.
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juni 1966
unter Mitwirkung
des Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofs Glanzmann und
der Bundesrichter Dr. Heimann-Trosien, Rietschel, Erbel und Hubert Meyer
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Düsseldorf vom 20. Dezember 1963 aufgehoben, soweit es zum Nachteil des Klägers erkannt hat.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts in Kleve vom 16. Januar 1963 wird ganz zurückgewiesen. Dieses Urteil wird auf die Anschlußberufung des Klägers dahin abgeändert, daß der Beklagten verurteilt wird, an den Kläger 2.271,65 DM nebst 4 % Zinsen von 2.257,55 DM seit dem 15. November 1961 und von 14,10 DM seit dem 19. Januar 1962 zu zahlen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Der Beklagte übertrug durch schriftlichen Vertrag vom 7. Januar 1960 dem Kläger alle Architektenarbeiten für den Bau eines Wohnhauses in M.-A. Der Kläger berechnete und beanspruchte für die Bauführung (örtliche Bauaufsicht) 900 DM, für die übrigen Architektenleistungen 4.020 DM, für statische Berechnungen 650 DM und für Auslagen 101,65 DM, insgesamt 5.671,65 DM. Der Beklagte zahlte 3.400 DM. Den Rest von 2.271,65 DM nebst Zinsen fordert der Kläger mit der Klage.
Der Beklagte meint, der Kläger habe nichts mehr zu beanspruchen, weil er verschiedene der ihm nach dem Architektenvertrag obliegenden Leistungen nur unvollständig erbracht habe.
Unter Abweisung der weitergehenden Klage haben das Landgericht 1.620,65 DM und das Oberlandesgericht 1.017,65 DM nebst Zinsen dem Kläger zugesprochen.
Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision bittet er, seinem Klageantrag voll stattzugeben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht kürzt die Vergütung des Klägers für die Bauführung um 50 %, die Vergütung für die übrigen Architektenarbeiten um 20 %, weil er mehrere der im Vertrag beschriebenen Einzelleistungen nur teilweise oder unvollständig erbracht habe. So habe er für verschiedene Handwerkerarbeiten gar keine, für andere nur eine unvollständige Massen und Kostenberechnung geliefert. Eine künstlerische Oberleitung habe er nicht, die technische Oberleitung nicht voll ausgeübt. Die aus der Bauführung folgenden Pflichten habe er nur teilweise erfüllt; insbesondere habe er die Baustelle nur selten besucht. Aus diesen Gründen sei der Beklagte berechtigt, nach § 634 BGB die Vergütung zu mindern.
II.
Das Berufungsgericht versagt dem Kläger zu Unrecht die volle vertragliche Vergütung.
1.)
Die Begründung, die es dafür gibt, wird dem Wesen eines alle Architektenleistungen umfassenden Vertrages, wie er hier vorliegt, nicht gerecht. Ein solcher Vertrag ist ein Werkvertrag, bei dem alle dem Architekten obliegenden Einzelarbeiten einen bestimmten Erfolg erzielen sollen. Dieser Erfolg besteht vor allem in einem mangelfreien Bauwerk (BGHZ 31, 224, 228) [BGH 26.11.1959 - VII ZR 120/58]; daneben schuldet der Architekt oft noch andere Arbeitsergebnisse, z. B. die in § 19 Abs. 1 g GebOA erwähnte Feststellung der endgültigen Höhe der Herstellungskosten. Das Berufungsgericht führt zwar das genannte Urteil des Bundesgerichtshofs an, zieht aber daraus nicht die zutreffenden Folgerungen für den Vergütungsanspruch des Architekten. Wird numlich der geschuldete Erfolg erreicht, so läßt sich nicht sagen, daß das Architektenwerk mangelhaft wäre und der Bauherr Gewährleistungsansprüche hätte. Vielmehr muß dann der Bauherr grundsätzlich das volle Honorar zahlen, das für die gesamten zu leistenden Architektenarbeiten im Vertrage bezw. in § 10 GebOA vorgesehen ist. Es kommt dann nicht darauf an, ob jede Teilleistung, die im Vertrag oder in § 19 GebOA genannt ist, vollständig und genau erbracht ist. Diesen Standpunkt hat der erkennende Senat bereits im Urteil VII ZR 245/61 vom 10. Juni 1963 eingenommen.
Ein aus Werksmängeln hergeleiteter Gewährleistungsanspruch kommt demnach nur dann in Betracht, wenn die unvollständigen Einzelleistungen des Architekten zu einem Mangel seines Werks geführt haben. Im vorliegenden Falle sind weder Mängel des Bauwerks noch sonstige Mängel des Architektenwerks vom Berufungsgericht festgestellt oder vom Beklagten behauptet worden.
2.)
In einem früheren Urteil (VII ZR 29/58) vom 30. April 1959, das ergangen ist, ehe der Architektenvertrag in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes als Werkvertrag angesehen wurde, hat der Senat allerdings ausgesprochen, daß die für eine bestimmte Teilleistung in § 19 GebOA vorgesehene Gebühr (damals die Gebühr für Ausführungszeichnungen) nicht oder nur teilweise erwachse, wenn die betreffende Teilleistung nicht oder nur zu einem geringen Teil erbracht werde. Daran kann der Senat nicht uneingeschränkt festhalten.
Es mag berechtigt sein, einem Architekten, der eine im Vertrag oder in der GebOA mit einem bestimmten Prozentsatz des Gesamthonorars bewertete Leistung überhaupt nicht erbringt, insoweit eine Vergütung auch dann zu versagen, wenn der Bau ohne Mängel errichtet wird. Im Urteil vom 30. April 1959 sind die in § 19 GebOA für bestimmte Einzelleistungen erwachsenden Gebühren als eine Art "Aktgebühren" bezeichnet worden. Wird nun einer dieser "Akte", durch die der Architekt einen bestimmten Hundertsatz des vollen Honorars verdient, gar nicht vorgenommen, so ist es wohl berechtigt, dem Architekten den Teil der Vergütung, der nach dem Vertrag oder der Gebührenordnung auf diesen Akt entfällt, nicht zuzubilligen; auf einen dahingehenden Willen der Vertragsteile deutet die im Architektenvertrag oder in der ergänzend geltenden Gebührenordnung vorgenommene Aufteilung in Leistungsphasen hin; für dieses Ergebnis spricht auch, daß die betreffenden Phasen für sich allein in Auftrag gegeben werden können (vgl. § 2 Abs. 2 GebOA).
Die Frage kann jedoch offen bleiben, denn ein solcher Fall ist hier nicht gegeben. Das gilt auch, soweit es sich um die künstlerische Oberleitung handelt, die der Kläger nach dem Berufungsurteil überhaupt nicht ausgeübt haben soll. Sie ist nach dem Vertrag der Parteien keine eigene "Leistungsphase", wird vielmehr in § 6 des Vertrags mit der technischen Oberleitung zusammengefaßt und ist mit dieser zusammen mit 25 % des Honorars zu vergüten.
Kein Bedürfnis besteht aber dafür, das Honorar auch dann zu kürzen, wenn der Architekt nicht alle innerhalb einer "Leistungsphase" anfallenden Arbeiten vollständig erbringt,. Dann ist es angemessen, gegebenenfalls die bei Werksmängeln gegebenen Rechtsbehelfe zu gewähren, das volle Honorar jedoch zuzubilligen, wenn das Werk frei von Mängeln ist. Daß dies unbillig wäre, kann dem Berufungsgericht nicht zugegeben werden. Der Architekt trägt das Risiko, wenn er seinen Beitrag zur Herstellung des Baus in einer Art und Weise leistet, die zu Mängeln des Werks führt. Durch die wegen solcher Mangel erwachsenden Gewährleistungsansprüche wird andererseits der Bauherr gegen Nachlässigkeit des Architekten schon weitgehend geschützt. Dagegen kann er sich euch mit anderen Rechtsbehelfen wehren. Arbeitet der Architekt so nachlässig, daß der Bauherr kein Vertrauen mehr zu ihm haben kann, so kann dieser den Vertrag kündigen, ohne den in § 649 BGB vorgesehenen Anspruch des Architekten auf das volle Honorar erfüllen zu müssen (BGHZ 31, 224, 229) [BGH 26.11.1959 - VII ZR 120/58]; in solchem Falle hat der Architekt auch etwa entstehenden Schaden, z.B. nicht zu vermeidende Mehraufwendungen für die Hinzuziehung eines anderen Architekten, zu ersetzen. Schadensersatzansprüche des Bauherrn können auch ohne Kündigung des Vertrags entstehen, z.B. dann, wenn der Architekt notwendige Zeichnungen nicht anfertigt und diese wegen des Verzugs des Architekten anderweit in Auftrag gegeben werden müssen.
Ist aber weder das Werk mangelhaft noch sonst dem Bauherrn ein Schaden entstanden, so werden dessen Interessen nicht beeinträchtigt, wenn er die volle vertragliche Vergütung zahlen muß.
3.)
Die gegenteilige Ansicht des Berufungsgerichts wird auch nicht durch § 2 Abs. 2 GebOA gestützt. Wie der Senat in dem erwähnten Urteil vom 10. Juni 1963 ausgeführt hat, erfaßt diese Bestimmung die Fälle, in denen von vornherein nur Teile der in § 19 GebOA beschriebenen vollen Leistung dem Architekten übertragen sind oder er die Leistung infolge vorzeitiger Auflösung des Architektenvertrags nur teilweise erbringt. Einen Fall der zuletzt genannten Art betrifft das vom Berufungsgericht angeführte, bei Schäfer-Finnern, Rechtsprechung der Bauausführung, Z. 3.01 Bl. 14 ff veröffentlichte Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig. Der Eintritt eines solchen Falles ist auch in § 15 Abs. 3 und 5 des Vertrags der Parteien vorgesehen; im übrigen aber ergeben die Bestimmungen des Vertrags, der in § 2 Abs. 2 die dem Architekten übertragenen Leistungen als ein einheitliches geistiges Werk bezeichnet, nichts für die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung.
III.
Dem Kläger steht danach das volle Honorar zu. Es ist unstreitig, daß er seinen Restanspruch richtig mit 2.271,65 DM berechnet hat. Auch der von ihm geltendgemachte Zinsanspruch ist begründet, wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben. Der Senat hat daher gemäß § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO der Klage in vollem Umfang stattzugeben und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 ZPO aufzuerlegen.
Heimann-Trosien
Rietschel
Erbel
Meyer