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Bundesgerichtshof
Urt. v. 30.04.1952, Az.: III ZR 198/51

Schadensersatz wegen unbefugter Verwendung und Weggabe überlassenen Baumaterials; Vereinbarung über die Lagerung von Baumaterial als Verwahrungsvertrag oder verwahrungsähnlicher Vertrag; Anwendbarkeit des § 287 Zivilprozessordnung (ZPO) zur Feststellung von zum Schadensersatz verpflichtenden Tatsachen; Behandlung von Schadensersatzansprüchen wegen Sachbeschädigung oder Sachentzug aus der Zeit vor der Währungsreform

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
30.04.1952
Aktenzeichen
III ZR 198/51
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1952, 10137
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Köln - 26.04.1951

Fundstellen

  • BGHZ 6, 62 - 63
  • NJW 1952, 978 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Gartenbauarchitekt Jean H., U. bei O.,

Prozessgegner

Gärtner Christian W., U. bei O.,

Amtlicher Leitsatz

Zur Ermöglichung der Schätzung, ob die Schadensermittlung auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht, und ob wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen außer acht gelassen worden sind (BGHZ 3, 162 [175]), muß das Tatsachengericht die tatsächlichen Grundlagen der Schätzung und ihrer Auswertung in den Urteilsgründen darlegen.

In dem Rechtsstreit
hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 1952
unter Mitwirkung
der Bundesrichter Dr. Delbrück,
Dr. Pagendarm, Dr. Kleinewefers,
Dr. Bock und Rietschel
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers und die Anschlußrevision des Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Köln vom 26. April 1951 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger hat im letzten Kriegsjahr Baumaterial nach U. schaffen lassen, um dort auf einem Grundstück des Beklagten und im Anschluß an ein vom Beklagten zu erbauendes Haus sich ein Haus bauen zu lassen. Der Bau wurde Jedoch infolge der Kriegsereignisse nicht ausgeführt.

2

Der Kläger behauptet, der Beklagte habe einen großen Teil des Baumaterials für sich verwendet und an andere gegeben, insbesondere gegen Lebensmittel eingetauscht, obwohl der Kläger ihm Jede Verfügung über das Baumaterial verboten gehabt habe. Er verlangt von Beklagten Schadensersatz und hat zunächst beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 15.000 DM nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu verurteilen, hilfsweise zur Lieferung einer näher bezeichneten Menge Baumaterial.

3

Der Beklagte begehrt Klageabweisung. Er gibt zu, rund 133 Sack Zement und 8 Eisenschienen vom Baumaterial des Klägers verwendet oder an Nachbarn zur Behebung von baulichen Kriegsschäden abgegeben zu haben. Der Kläger habe sich nachher damit einverstanden erklärt. Der Beklagte bestreitet, darüber hinaus weiteres Baumaterial an sich gebracht zu haben, und behauptet, ein Teil des Baumaterials sei von deutschen und amerikanischen Truppen während der Kampfhandlungen entnommen worden. Auch habe der Kläger selbst nach dem Durchzug der Truppen weiteres Baumaterial von U. fortgeschafft. Er behauptet weiter, dem Kläger 3 Autoreifen und eine Lichtmaschine gegeben zu haben, der Kläger habe deren Gegenwert mit dem Wert des entnommenen Baumaterials verrechnen wollen. Der Beklagte verlangt Absetzung des Werts dieser Gegenstände von der Forderung des Klägers und macht hilfsweise ein Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf diese Gegenstände geltend.

4

Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 8.124,50 DM seit dem 20. Juni 1948 sowie 4 % Zinsen von 812,45 DM vom 8. August 1946 bis 20. Juni 1948 verurteilt, im übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils den Beklagten zur Zahlung von 1.500 DM nebst 4 % Zinsen ab 20. Juni 1948 verurteilt, im übrigen die Klage abgewiesen.

5

Mit der Revision begehrt der Kläger Aufhebung des angefochtenen Urteils und Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Mit der Anschlußrevision erstrebt der Beklagte die volle Abweisung der Klage. Beide Parteien haben beantragt, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

1.

Die Revision stellt zur Nachprüfung, ob ein vom Berufungsgericht abgelehntes vertragsähnliches Verhältnis zwischen den Parteien bestanden hat.

7

Das Berufungsgericht sieht als Grundlage der Klage nur Ansprüche aus unerlaubter Handlung (§ 823 BGB) als gegeben an, da der Beklagte das Eigentum des Klägers an den Baumaterialien widerrechtlich verletzt habe. Es liege kein Vertragsverhältnis zwischen den Parteien vor, aus dem der Beklagte zu einer besonderen Verwahrung oder zu einer Obhut hinsichtlich des Baumaterials verpflichtet gewesen wäre. Saß der Beklagte dem Klüger die Lagerung auf dem Grundstück des Beklagten gestattet habe, reiche ebensowenig für die Annahme einer vertraglichen Verpflichtung des Beklagten aus wie die Tatsache, daß die Bauvorhaben beider Parteien in einem Zusammenhang dadurch gestanden haben, daß der Kläger an das vom Beklagten zu errichtende Haus habe anbauen wollen. Infolgedessen sei der Beklagte nicht verpflichtet gewesen, das Baumaterial an den Kläger herauszugeben; er habe daher nicht zu beweisen, daß er ohne Verschulden zur Herausgabe nicht in der Lage sei. Der Beklagte sei lediglich, wie er die Lagerung des Materials durch den Kläger gestattet gehabt Habe, gehalten gewesen, auch die Wegnahme des Materials durch den Kläger zu gestatten und zu ermöglichen. Aus vertraglichen Gesichtspunkten könne der Kläger daher keine Ansprüche gegen den Beklagten herleiten.

8

Die Revision macht demgegenüber geltend, die Parteien hätten vereinbart, daß der Kläger unentgeltlich Baumaterial auf dem Grundstück des Beklagten lagern könne. Daß daraus keine noch so lose Verpflichtung des Beklagten entstanden sein solle, sei unbefriedigend.

9

Mit Recht rügt die Anschlußrevision, daß die Tatsachenfeststellung des Berufungsgerichts, die Baumaterialien hätten in Hof des Beklagten gelagert, im Widerspruch zum Akteninhalt und zum unstreitigen Vortrag der Parteien stehe. Die Baumaterialien haben nur zum kleineren Teil auf dem Hof des Beklagten gelagert und im wesentlichen im Anwesen des Joseph B., wie der Kläger selbst in seinem Schriftsatz vom 10. Februar 1947 S 2 und bei seiner Vernehmung durch den Einzelrichter am 1. Juli 1948, der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 9. Dezember 1949 auf S 2 und 3 und der Zeuge B. bei seiner Vernehmung vom 25. August 1947 sowie der Zeuge M. bei seiner Vernehmung vom 5. April 1951 vorgetragen haben. Entgegen den Feststellungen des Berufungsurteils ist daher davon auszugehen, daß die Materialien nur zum Teil auf dem Grundstück des Beklagten gelagert haben.

10

Die Frage, welcher Art die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien waren, interessiert hier ausschließlich unter dem Gesichtswinkel der Beweislast. Der Kläger will aus einem "vertraglichen" Verhältnis herleiten, der Beklagte sei zur Herausgabe der eingelagerten Sachen verpflichtet. Er habe deshalb mindestens gemäß § 282 BGB die Beweislast dafür, daß die Unmöglichkeit der Herausgabe die Folge eines von ihm nicht zu vertretenden Umstandes sei, während der Beklagte eine solche Verpflichtung zur Herausgabe bestreitet mit der Folge, daß grundsätzlich der Kläger zu beweisen habe, in welchem Umfang der Beklagte in das Eigentum des Klägers eingegriffen hat.

11

Ein vertragsähnliches Verhältnis ist hinsichtlich der auf dem Anwesen B. liegenden Materialien mit der Begründung des Berufungsgerichts, die sich insoweit überwiegend auf tatsächlichen Gebiet hält, zu verneinen. Hinsichtlich der auf dem Anwesen des Beklagten liegenden Materialien sind aber die Ausführungen des Berufungsgerichts entgegen der Auffassung der Revision nicht dahin zu verstehen, daß "keine noch so lose Verpflichtung des Beklagten entstanden sei". Vielmehr spricht das Berufungsgericht ausdrücklich davon, daß der Beklagte "gehalten" gewesen sei, dem Kläger die Wegnahme der Materialien zu gestatten und zu ermöglichen. Insoweit wird also eine vertragliche Verpflichtung verneint. Dagegen lehnt das Berufungsgericht auf Grund seiner Tatsachenfeststellung das Vorliegen eines Verwahrungsvertrags oder eines verwahrungsähnlichen Vertrages mit zutreffender Begründung ab; es handelt sich insoweit um einen Gefälligkeitsvertrag nicht geregelter Art (Palandt Aufl 9, Einführung Ziff. 2 vor § 688 BGB). Selbst wenn sich für den Beklagten aus der Gestattung der Lagerung eines Teils der Materialien auf seinem Hof die weitere vertragliche Verpflichtung ergeben würde, sich selbst aller Eingriffe in die Materialien zu enthalten, so ergäbe sich daraus noch keine Verpflichtung zur Herausgabe der Materialien, sondern nur die von Berufungsgericht angenommene Verpflichtung, dem Kläger die Wiederfortnahme der Materialien zu gestatten; damit entfallen auch - selbst bei einer so weitgehenden vertraglichen Verpflichtung - die Beweislastfolgen aus §§ 282, 688 BGB, die nur bestehen können, wenn eine Verpflichtung des Beklagten zur Herausgabe zu bejahen wäre.

12

Das Berufungsgericht ist daher zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger grundsätzlich die Beweislast für das Eingreifen des Beklagten in das an der Baustelle gelagerte Eigentum des Klägers hat.

13

2.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts, mit denen eine Umkehrung der Beweislast und das Vorliegen eines Beweises des ersten Anscheins zu Gunsten des Klägers abgelehnt wird, sind von den Revisionen nicht angegriffen worden; sie lassen einen Rechtsirrtum auch nicht erkennen.

14

3.

Zutreffend geht daher das Berufungsgericht davon aus, daß dem Kläger Ansprüche gegen den Beklagten nur insoweit zustehen, als der Beklagte Material des Klägers verwendet oder darüber durch Weggabe an andere verfügt hat und daß der Kläger zu beweisen hat, der Beklagte habe mehr als die zugegebene Menge (133 Sack Zement; 8 Eisenschienen) sich in irgend einer Weise angeeignet.

15

Das Berufungsgericht stellt in tatsächlicher Beziehung fest, daß der Beklagte sich Baumaterial des Klägers in nicht unerheblichem Umfang angeeignet hat. Gegen diese Feststellungen sind in Revisionsverfahren formelle Rügen nicht erhoben worden. Die Feststellungen binden daher den erkennenden Senat. Auf Grund dieser Feststellungen gelangt das Berufungsgericht in rechtlich nicht zu beanstandenden, von den Revisionen auch nicht angegriffenen Ausführungen zu den Ergebnis, daß die Schadensersatzpflicht des Beklagten nach § 823 BGB dem Grunde nach gegeben ist.

16

Das Berufungsgericht führt alsdann in tatsächlicher Beziehung aus, daß sich aus dem Parteivortrag und der Beweisaufnahme ein hinreichend sicheres Bild über den Umfang der Entwendungen nicht ergebe. Auch diese Ausführungen sind von den Revisionen nicht angegriffen und lassen einen Rechtsirrtum nicht erkennen.

17

4.

Das Berufungsgericht hat deshalb den Umfang der Entwendungen und die Höhe des dadurch verursachten Schadens gemäß § 287 ZPO geschätzt. Dagegen wendet sich die Anschlußrevision. Sie führt aus, die Schätzung nach § 287 ZPO umfasse nach den Ausführungen des Berufungsgerichts auch den Umfang der angeblichen Entwendungen, beziehe sich damit also auf das Schadensereignis selbst. Diese Anwendung des § 287 ZPO sei rechts irrtümlich. Den Umfang der angeblichen Entwendungen könne das Gericht nicht nach § 287 ZPO schätzen. Es müsse ihn vielmehr nach § 286 ZPO feststellen; erst dann sei Raum für eine Schätzung der Höhe des durch die festgestellten Entwendungen entstandenen Schadens nach § 287 ZPO.

18

Allerdings darf § 287 ZPO nicht zur Feststellung der Tatsachen angewandt werden, "auf die die Verpflichtung zum Schadensersatz gegründet wird" (Urteil des erkennenden Senats vom 19. April 1951 - III ZR 186/50). Der IV. Zivilsenat hat in Urteil von 13. Dezember 1951 (BGHZ 4, 192) ausgeführt, die Kausalbeziehung im Ablauf des Geschehens, das den konkreten Haftungsgrund bildet, sei nach § 286 ZPO zu beweisen; die Frage, ob eine Person von einem bestimmten Ereignis, auf das ein Schaden angeblich zurückgeführt wird, rein tatsächlich betroffen sei, betreffe den Kausalzusammenhang innerhalb des konkreten Haftungsgrundes; nach § 287 ZPO sei über den Kausalzusammenhang zwischen dem konkreten Haftungsgrund und dem Schaden zu entscheiden. Einer Stellungnahme zu dieser Entscheidung bedarf es nicht. Hier handelt es sich nämlich nicht um den Beweis des konkreten Haftungsgrundes. Vielmehr ist der Eingriff des Beklagten in das Eigentum des Klägers teils durch eigenes Geständnis des Beklagten, teils durch Zeugenaussagen bewiesen. Hier geht es in der Tat nur noch um die Ermittlung des Umfangs der Entwendungen. Mit Recht hat das Berufungsgericht daher insoweit von der Schätzungsmöglichkeit des § 287 ZPO Gebrauch gemacht.

19

5.

Mit Recht rügen aber beide Revisionen einen Rechtsverstoß des Berufungsgerichts bei der Schätzung des Schadens nach § 287 ZPO. Das Berufungsgericht führt aus, es sei nicht angängig, den Kläger als Beweisführer über den Schaden zu vernehmen, da er lediglich wissen könne, was ihm alles abhanden gekommen sei, aber nicht ob der Beklagte die abhanden gekommenen Sachen an sich gebracht habe. Der Umfang der abhanden gekommenen Sachen könne daher nur geschätzt werden. Bei der Festsetzung der Summe, die nach der Überzeugung des Senats den im Rechtsstreit hervorgetretenen Umständen entspreche, könne der Aussage des Zeugen Johann Be. nur beschränkt gefolgt werden. Ein Betrag von 1.500 DM enthalte einen angemessenen Ausgleich des den Kläger entstandenen und von ihm nachgewiesenen Schadens.

20

Wie die Revision zutreffend rügt, hat das Berufungsgericht es unterlassen, die schätzungsbegründenden Tatsachen aus dem Vorbringen der Parteien hinreichend zu würdigen (RGZ 130, 108 [112]; Urteil des I. Zivilsenats vom 19. Dezember 1950 - I ZR 80/50 - in Lindenmaier-Möhring § 287 ZPO Nr. 1). Zwar hat das Revisionsgericht nur nachzuprüfen, ob die Schadensermittlung auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht, und ob wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen außer acht gelassen worden sind (BGHZ 3, 162 [175]). Zur Ermöglichung dieser Schätzung muß aber das Tatsachengericht die tatsächlichen Grundlagen der Schätzung und ihre Auswertung darlegen (RGZ 130, 108 [112]; RG JW 1936, 2096; Baumbach Aufl 20 § 287 Anm. 3 A; Lindenmaier-Möhring. § 287 Anm. zu Ziff. 3). Dem steht auch das Urteil des IV. Zivilsenats vom 27. September 1951 - IV SR 155/50 - (BGHZ 3, 162 [175]) nicht entgegen, wo ausgesprochen wird, das Gericht sei im nahmen des § 287 ZPO nicht verpflichtet, das gewonnene Ergebnis als solches durch die Angabe der einzelnen für die Schadensbemessung maßgebenden Tatsachen zu begründen. Damit ist nur gesagt, daß es in noch stärkerem Umfang als bei § 286 ZPO keineswegs eines ausdrücklichen Eingehens auf jedes einzelne Vorbringen der Parteien oder jede einzelne Zeugenaussage oder jedes einzelne Beweismittel und einer ausdrücklichen Auseinandersetzung damit bedarf; das kommt einmal in der Wendung zum Ausdruck, daß die Angabe der einzelnen für die Schadensbemessung maßgebenden Tatsachen nicht erforderlich sei, wie weiter aus der Gegenüberstellung mit den Ausführungen zu § 286 ZPO, wie endlich daraus, daß die auch von jenem Urteil geforderte Überprüfung, ob die Schadensermittlung auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruhe und ob wesentliche die Entscheidung bedingende Tatsachen außer acht gelassen seien, ohne solche Angaben nicht möglich wäre.

21

An der danach notwendigen Angabe der Schätzungsgrundlagen und der dafür erforderlichen Feststellungen fehlt es im vorliegenden Fall, worauf die Revisionen mit Recht hinweisen.

22

Das Berufungsgericht durfte sich nicht auf eine Schätzung ohne Angabe irgendwelcher Anhaltspunkte beschränken. Es hätte, worauf vor allem die Revision des Klägers hinweist, zunächst versuchen müssen, festzustellen - notfalls in Wege der Abschätzung -, welche Baumaterialien ursprünglich an der Baustelle gelagert worden sind. Die Ausführungen des Landgerichts zu diesem Punkte zeigen, daß recht konkrete Einzelheiten vorliegen, die Aufschluß über die Menge des angelieferten Materials geben können. Das Berufungsgericht hätte sich damit auseinandersetzen müssen, in welchem umfange deutsche und amerikanische Truppen Baumaterialien entnommen haben. Die Ausführungen auf S 4 des angefochtenen Urteils sprechen sich über die Menge des entnommenen Materials nur ganz allgemein aus, lassen aber andererseits erkennen, daß es sich dabei nicht um größere Materialmengen gehandelt haben kann. Vor allem fehlt aber ein Eingehen auf die vom Kläger vorgetragenen Umstände, wonach zur Zeit des Abzugs der amerikanischen Truppen fast sämtliches Material noch vorhanden gewesen sein soll; die Revision des Klägers hat mit Recht insoweit die Nichtberücksichtigung der Aussagen des Zeugen Johann Be. vom 16. Januar 1948 und vom 21. Juli 1950, der Aussage der Zeugin Be. vom 7. Januar 1948, sowie der Behauptungen des Klägers auf S 5 seines Schriftsatzes vom 7. November 1949 gerügt. Das angefochtene Urteil erwähnt zwar auf S 4, daß es nach der Lebenserfahrung in der damaligen Zeit auch zu Diebstählen hinsichtlich der sehr begehrten Baumaterialien gekommen sein könne; in welchem Umfange und zu welcher Zeit derartige Diebstähle erfolgt sein können, wird jedoch nicht näher erörtert. Dazu wäre aber um so mehr Anlaß gewesen, als der Beklagte in den früheren Schriftsätzen vom 2. Februar 1950, 6. Mai 1950 auf S 6 und 22. Dezember 1950 auf S 4 bereits unter Beweis gestellt hatte, daß bis zum Juli 1945 nur verhältnismäßig geringe Materialmengen fortgekommen seien. Gänzlich fehlt jede Ausführung darüber, in welchem Umfange jetzt noch Material vorhanden ist und in welchem Umfange der Kläger etwa selbst Material von Bauplatz wieder fortgeschafft hat. Auch in dieser Richtung bedarf es näherer Feststellungen. Schließlich fehlt es an einer Abschätzung des Wertes der unstreitig von Beklagten fortgenommenen 133 Säcke Zement und der 8 Eisenschienen.

23

Aus der Gegenüberstellung der ursprünglichen Mengen abzüglich der von den Truppen entfernten und evtl. gestehlenen, sowie der von Kläger entnommenen bezw. ihm verbliebenen Mengen einerseits mit den unstreitig vom Beklagten entnommenen Mengen andererseits, ergibt sich die zwischen den Parteien streitige Menge. Hinsichtlich dieser streitigen Menge bestanden sehr wohl Möglichkeiten abzuschätzen, wieweit diese streitige Menge vom Beklagten entnommen worden ist. Die allgemeine Angabe des Berufungsgerichts, der Beklagte habe sich in nicht unerheblichem Umfang Baumaterial angeeignet, genügt hierfür nicht. Das Berufungsgericht hätte sich damit auseinandersetzen müssen, daß die Zeugin Frau W. sich durch die Hingabe von Baumaterialien hat bestimmen lassen, dem Beklagten eine Kuh zum Preis von 1.000 RM zu verkaufen, ebenso wie der Zeuge Josef M. ein Schwein als Gegenwert für Baumaterial den Beklagten gegeben hat. Der Umfang dieser Gegenleistungen könnte für den Umfang der vom Beklagten an diese Zeugen gegebenen Materialmengen von Bedeutung sein, zumal das Berufungsgericht auf S 6 des Urteils davon ausgeht, daß "diese Zeugen mit ihrer Aussage offensichtlich zurückgehalten haben". Diese Zurückhaltung bezieht sich nach den Zusammenhang aber gerade auf die Materialmengen, die diese Zeugen vom Beklagten erhalten haben, und könnte möglicherweise unter Berücksichtigung jener Erwägungen über das Verhältnis zwischen Gegenleistungen und Materiallieferungen im rege der freien Schätzung nach § 287 ZPO wieder ausgeglichen werden. Es fehlt auch jeder Versuch einer Verwertung der Aussagen der Zeugin Be. über die vom Beklagten vorgenommene Fortschaffung von Baumaterial. Auch aus den Aussagen dieser Zeugin könnten sich gewisse Anhaltspunkte für den Umfang der Entnahmen des Beklagten ergeben. Die Aussage des Zeugen Johann Be. ist zwar gewürdigt. Die allgemeine Wendung des Berufungsgerichts, der Aussage dieses Zeugen könne nur beschränkt gefolgt werden, während auf der anderen Seite die grundsätzliche Glaubwürdigkeit dieses Zeugen angenommen wird, kann sich nur auf den Umfang der von diesen Zeugen bekundeten Entnahmen des Beklagten beziehen. Es fehlt aber an jeder Auseinandersetzung mit den Einzelangaben dieses Zeugen, darunter auch mit den von ihm bei seiner Vernehmung vom 25. August 1947 überreichten Brief, in dem er nähere Angaben über vom Beklagten entnommene Materialien gemacht hat. Wenn auch das Tatsachengericht nicht auf jeden einzelnen Umstand, der sich in Laufe des Prozesses aus Beweisaufnahme und Parteivorbringen sowie aus der Lebenserfahrung ergibt, einzugehen braucht, so muß doch die Abschätzung erkennen lassen, daß diese Umstände berücksichtigt worden sind. Daran fehlt es in vorliegenden Fall. Infolgedessen war schon aus diesem Grund das angefochtene Urteil auf die Revision und auf die Anschlußrevision aufzuheben.

24

6.

Die Revision bittet weiter um Nachprüfung, ob die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Umstellung einen Rechtsirrtum enthielten. Das Berufungsgericht hat auf S 8 des Urteils dazu ausgeführt, es sei anerkannten Rechts, daß Schadensersatzansprüche der hier fraglichen Art keiner Umstellung unterlägen. Es hat weiter ausgeführt, der Verpflichtete habe vielmehr durch seine Zahlung dem Berechtigten den Ausgleich für die jetzige Zeit zu verschaffen. Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsirrtum erkennen. Sie laufen im Ergebnis auf die ständige Rechtsprechung, auch die des Bundesgerichtshofs (BGHZ 1, 34 [39]), hinaus, wonach, soweit es sich um Schadensersatzansprüche aus Sachbeschädigungen und Sachentzug aus der Zeit vor der Währungsreform handelt, für den in der Zeit vor der Währungsreform Ersatz noch nicht beschafft worden ist, der Betrag von Schuldner zu leisten ist, der jetzt erforderlich ist, um den Zustand wiederherzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

25

7.

Mit zutreffender Begründung hat das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf § 393 BGB eine Aufrechnung des Beklagten gegen die aus unerlaubter Handlung begründete Klage für unzulässig erklärt. Die Angriffe der Anschlußrevision richten sich nicht gegen diese Rechtsauffassung, sondern rügen ein Nichteingehen des Berufungsgerichts auf den Sachvortrag des Beklagten. Der Beklagte hat bereits im Schriftsatz vom 6. Mai 1950 auf S 2 behauptet, der Kläger habe dem Beklagten persönlich gesagt, die Autoreifen und die Lichtmaschine, die der Beklagte dem Kläger gegeben habe, sollten als Entschädigung für das an Keller des Beklagten verarbeitete Material verrechnet werden; der Beklagte habe dem Kläger mehrfach angeboten, das Material, soweit er solches verbraucht oder in kleinen Mengen an Nachbarn abgegeben habe, in Reichsmark zu bezahlen; der Kläger sei darauf aber nicht eingegangen und habe erklärt, ihm seien Reifen und Lichtmaschine lieber. Eine solche vertragliche Vereinbarung der Verrechnung ist auch gegenüber Ansprüchen aus unerlaubter Handlung zulässig. Das Berufungsgericht ist auf dieses Vorbringen des Klägers nicht eingegangen. Die Ausführungen des Berufungsgerichts, die sich nur auf die Unzulässigkeit der Aufrechnung beziehen, erschöpfen den Sachvortrag des Beklagten daher nicht. Auch aus diesem Grund ist daher das angefochtene Urteil, soweit es eine Verrechnung für unzulässig erklärt, aufzuheben.

26

Ob die weitere in diesen Zusammenhang geltend gemachte Rage des Beklagten durchgreift, er habe neben der Aufrechnung auch in seinem Schriftsatz vom 6. September 1949 S 8 hilfsweise ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht, durchgreift, läßt sich zur Zeit noch nicht beurteilen. Die Geltendmachung eines solchen Zurückbehaltungsrechts setzt nach § 273 BGB voraus, daß die Verpflichtung des Schuldners und sein Anspruch gegen den Gläubiger auf denselben rechtlichen Verhältnis beruhen. Es muß ein innerer natürlicher wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen beiden Ansprüchen bestehen (RGZ 134, 146; 158, 14). Ob vorliegend ein solcher Zusammenhang besteht, kann erst geklärt werden, wenn feststeht, auf Grund welcher Umstände der Kläger vom Beklagten die Lichtmaschine und die drei Autoreifen erhalten hat. Auch insoweit wird das Berufungsgericht bei der erneuten Prüfung des Sachverhalts den Vortrag der Parteien zu würdigen und notfalls Beweis zu erheben haben.

27

8.

Das Berufungsgericht hat auf S 8 seines Urteils dem Kläger Zinsen nur für die Zeit seit der Währungsreform zugebilligt, weil für die Zeit vor der Währungsreform eine Verzinsung nicht in Frage komme. Der Kläger hat jedoch nur Prozeßzinsen in Höhe von 4 % seit Klageerhebung gemäß §§ 291, 288 BGB geltend gemacht. Wie bereits der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone (OGHZ 2, 65 [73]) überzeugend ausgeführt hat, stehen dem Kläger für die Zeit seit der Klageerhebung bis zur Währungsreform, Prozeßzinsen zu, jedoch nur auf einen Reichsmark-Anspruch. In dieser Höhe hat daher das Berufungsgericht für die Zeit vor der Währungsreform die Prozeßzinsen zu Unrecht abgewiesen. Bei der erneuten Entscheidung werden, soweit dem Kläger Schadensersatzbeträge zuzubilligen sind, auch Prozeßzinsen für die Zeit vor der Währungsreform von dem in Betracht kommenden Reichsmark-Betrag zuzusprechen sein, die als dann im Verhältnis 10:1 in D-Mark umzustellen sein werden.

28

Die Sache war, da es noch weiterer Sachaufklärung bedarf, zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Diesem wird im Hinblick auf die Zurückverweisung der Sache auch die Entscheidung über die Prozeßkosten des Revisionsrechtszugs vorbehalten.

Dr. Delbrück
Dr. Pagendarm
Bundesrichter Dr. Kleinewefers ist durch Erkrankung an der Unterschrift verhindert.
Dr. Delbrück
Dr. Bock
Rietschel