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Bundesgerichtshof
Urt. v. 15.11.1951, Az.: III ZR 21/51

Rechtsmittel

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
15.11.1951
Aktenzeichen
III ZR 21/51
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1951, 11273
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Bremen - 27.10.1950

Fundstellen

  • BGHZ 4, 10 - 53
  • DB 1952, 225-226 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1952, 353-355 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1952, 738-740 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

des Inhabers einer Elektrowerkstatt Kurt Re., Br., H.str. ...,

Prozessgegner

die Stadtgemeinde Bremerhaven, vertreten durch den Magistrat,

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.)
    1. a)

      Es wird an der Rechtsprechung des Reichsgerichts (RGZ 137, 20 [21]; 145, 56 [68], 258 [262]) grundsätzlich festgehalten, dass weder eine Leistungs- noch eine Feststellungsklage aus Amtspflichtverletzung gerechtfertigt ist, ehe feststeht, in welcher Höhe der Geschädigte auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag. Andere sind die Fälle zu beurteilen, dass noch ungewiss ist, ob und in welcher Höhe ein Schaden eintreten wird (RGZ 139, 343 [348]) oder dass der Dritte nur zu einem bestimmten Bruchteil des Schadens haftet (RGZ 96, 164 [166]).

    2. b)

      Auch die Möglichkeit, von dem wegen Amtspflichtverletzung in Anspruch genommenen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn selbst auf Grund anderer Bestimmungen Ersatz zu verlangen, schliesst eine Klage aus Amtspflichtverletzung gegen diesen Dienstherrn aus.

  2. 2.)

    Die ungenaue oder fehlende Bezeichnung des Begünstigten macht die Beorderungsverfügung nicht nichtig.

  3. 3.)

    Die Beorderungsverfügung bedarf nicht der formellen Zustellung. Es genügt, wenn ihr Inhalt dem Betroffenen zur Einsicht vorgelegt wird. Die Vorlage kann im Einvernehmen mit der Behörde auch durch eine Privatperson, insbesondere durch den Begünstigten selbst erfolgen. Nur muss der Betroffene sich darüber klar sein oder später darüber klar werden, dass die verfügende Behörde mit dieser Art der Übermittlung der Verfügung einverstanden ist.

  4. 4.)
    1. a)

      Nichtigkeit des Verwaltungsaktes liegt nur bei "reiner Willkür", nicht bei Ermessensmissbrauch vor. Ein der "reinen Willkür" im Rahmen des §839 BGB vom Reichsgericht (RGZ 147, 179 [183]) gleichgestelltes Verhalten hat nicht die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes zur Folge.

    2. b)

      Im Rahmen des Reichsleistungsgesetzes hat die irrtümliche Beurteilung des Vorliegens eines Notstandes und der Erfüllung von Reichsaufgaben bezw. eines öffentlichen Interesses keine Nichtigkeit der Beorderungsverfügung zur Folge, da hierin nur ein Ermessensverstoss liegt.

    3. c)

      Die Verletzung des Grundsatzes der "Verhältnismässigkeit" zwischen Leistungsanforderung und den sie veranlassenden Reichsaufgaben, insbesondere der Umstand, dass eine Inanspruchnahme zur Nutzung statt der erfolgten Inanspruchnahme zur Verfügung für die Befriedigung der öffentlichen Interessen ausgereicht hätte, macht die Beorderungsverfügung nicht nichtig.

    4. d)

      Auch aus der Häufung von Pflichtwidrigkeiten folgt nicht die Nichtigkeit der Beorderungsverfügung.

    5. e)

      Dagegen liegt ein Akt "reiner Willkür" u.a. vor, wenn die Bedarfsstelle die Beorderungsverfügung erlassen hat, ohne überhaupt eine Prüfung der formellen und materiellen Voraussetzungen derselben vorgenommen zu haben.

  5. 5.)

    Bei einer "Inanspruchnahme zur Verfügung" wird der Verlust des Eigentums allein durch den Zugang der Beorderungsverfügung bewirkt; die Übertragung des Besitzes an dem angeforderten Gegenstand ist dazu nicht erforderlich.

  6. 6.)

    Unter Wille zur Besitzübertragung, dessen Fehlen ein "Abhandenkommen" zur Folge hat, ist nicht der rechtliche, sondern der rein tatsächliche Wille zu verstehen. Eine Sache ist daher auch dann nicht abhandengekommen, wenn der Besitz infolge einer auf Irrtum, Drohung oder arglistiger Täuschung beruhenden Willensentschliessung aufgegeben wird.

    Der Besitz ist ohne den Willen des Besitzers aufgegeben, wenn er dem Besitzer durch unwiderstehliche physische Gewalt oder einen gleichstehenden seelischen Zwang genommen wird; letzterer liegt auch dann vor, wenn der Wille zur Besitzaufgabe im wesentlichen unter dem Druck unerträglich werdender Störungen gefasst wird (RG in JW 1928, 497).

  7. 7.)

    Für Ansprüche aus dem Reichsleistungsgesetz, die eine Entschädigung für eine Enteignung enthalten, ist der ordentliche Rechtsweg vor den Zivilgerichten gegeben.

    Die Festsetzung der Entschädigung im verwaltungsmässigen Verfahren nach §§26-27 c RLG bleibt zulässig.

    Die Klage zwecks Festsetzung der Entschädigung kann vor den ordentlichen Gerichten jedoch auch ohne das Vorliegen einer solchen verwaltungsmässigen Festsetzung der Entschädigung erhoben werden.

hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 1951 unter Mitwirkung des Senatspräsidenten Dr. Riese und der Bundesrichter Dr. Delbrück, Dr. Pagendarm, Dr. Kleinewefers und Dr. Bock

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 27. Oktober 1950 aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

1

Der Personenkraftwagen des Klägers wurde durch Verfügung der Stadtvertretung, der Stadt W. - Strassenverkehrsamt - vom 3. Dezember 1946 "gemäss §15 RLG" "zu Eigentum zugunsten des R. B., Vertreter für W. Manfred O., W.-G., D. Ri.," beschlagnahmt.

2

Der Kläger behauptet unbestritten, er habe hiervon erst dadurch erfahren, dass O. die Beschlagnahmeverfügung vorgelegt und den Wagen herausverlangt habe. Als er die Herausgabe verweigert habe, habe O. sich mit der Bemerkung entfernt, er werde die Wegnahme des Wagens gewaltsam durchsetzen. Etwa eine Stunde später sei O. mit einem Polizeibeamten erschienen. Hierauf habe er - der Kläger - seine Garage geöffnet und den Wagen "freiwillig" herausgegeben, nachdem er zunächst fruchtlose Einwendungen erhoben und dem Polizeibeamten mitgeteilt habe, er werde Beschwerde gegen die Beschlagnahmeverfügung einlegen.

3

O. hat den Wagen nach der Behauptung des Klägers "einige Tage später" weiterverkauft; nach den Angaben in der Klageschrift soll er sich in dem Besitz des Fabrikanten Schlohbohm befinden.

4

Auf eine schriftliche Vorstellung des Klägers vom 11. Dezember 1946 teilte der Fahrbereitschaftsleiter für den Stadtkreis W. dem Kläger am 8. Januar 1947 mit, die Beschlagnahme könne nicht rückgängig gemacht werden; "der Wagen sei zugunsten des R. B. beschlagnahmt und werde dort weiterhin dringend gebraucht".

5

R. B. teilte dem Kläger auf eine spätere Anfrage unter dem 31. Dezember 1947 mit, von einer Beschlagnahme des Wagens für R. B. sei nichts bekannt; vielleicht habe der ehemalige Berichterstatter von R. B., O. etwas damit zu tun. Die Beklagte, die inzwischen Nachfolgerin der Stadt W. geworden war, verweigerte trotz Anregung des Klägers mit Schreiben vom 12. April 1948 die Rückgängigmachung der Beschlagnahme und die Rückbeorderung des Wagens, da "die Beschlagnahme zu Eigentum erfolgt und das Eigentum auf Herrn O. übergegangen sei". Sie bestätigte dem Kläger mit Schreiben vom 17. Juni 1948, dass ihm "bei nächster Gelegenheit ein anderer Personenkraftwagen zugewiesen werden solle". Nach der Währungsreform teilte sie ihm unter dem 11. November 1948 mit, dass er "infolge wesentlicher Veränderungen auf dem Gebiete des Kraftfahrzeugwesens kaum noch mit Ersatzgestellung eines Wagens rechnen könne".

6

Der Kläger hat bisher den Wagen nicht zurückerhalten; eine Entschädigung für den Verlust des Wagens ist nicht bezahlt worden. Der Kläger begehrt von der Beklagten Zahlung von 2.500 DM. Er stützt seine Ansprüche auf "§25 RLG in Verbindung mit Art. 13 der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen", auf die mit Schreiben vom 17. Juni 1948 eingegangene Verpflichtung der Beklagten zur Lieferung eines Ersatzwagens und schliesslich auf Schadensersatz aus Amtspflichtverletzung. Er behauptet, die "Beschlagnahme" sei von einer hierzu unzuständigen Dienststelle erlassen worden. Aus der beanstandeten Anordnung sei nicht einmal zu erkennen, für wen die "Beschlagnahme" erfolgt sei. Der die Beschlagnahme aussprechende Beamte habe auch die Voraussetzungen für den Erlass seiner Anordnung überhaupt nicht nachgeprüft; insbesondere nicht, ob ein öffentlicher Notstand vorgelegen habe, ob eine Beschlagnahme zu Eigentum erforderlich gewesen sei, oder ob eine solche zur Benutzung genügt habe. Es handle sich um einen reinen Willkürakt. Der Kläger sieht deshalb die "Beschlagnahme" als nichtig an.

7

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Sie trägt vor:

8

Für Ansprüche aus dem Reichsleistungsgesetz sei der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten nicht gegeben. Im Schreiben vom 17. Juni 1948 habe sie dem Kläger nur in Aussicht gestellt, dass er bei Zuweisung von Kraftwagen nach Massgabe der Bewirtschaftungsvorschriften vordringlich berücksichtigt werden solle. Sie vertritt die Ansicht, eine Amtspflichtverletzung seitens des Beamten, der die Beschlagnahme angeordnet habe, liege nicht vor. Die Beschlagnahmeanordnung sei nicht als willkürlich und damit als nichtig, sondern höchstens als anfechtbar anzusehen. Infolgedessen unterliege der Verwaltungsakt nicht der richterlichen Nachprüfung. Die Beschlagnahme sei im übrigen auf Anweisung der Militärregierung erfolgt; die Frage der Gültigkeit dieser Anordnung könne durch des deutsche Gericht nicht nachgeprüft werden. Wenn der Kläger es unterlassen habe, die Abschätzung des Wagens vornehmen zu lassen und wenn ihm infolgedessen der Schätzungspreis nicht ausgezahlt worden sei, so liege darin eine eigene Schuld des Klägers; der Kläger habe auch mehrfach die Zuweisung von Ersatzkraftwagen ausgeschlagen.

9

Der Kläger bestreitet, dass die Beschlagnahme auf Grund von Anordnungen der Militärregierung erfolgt sei.

10

Das Landgericht hat für Ansprüche aus dem Reichsleistungsgesetz den Rechtsweg für unzulässig erklärt und Ansprüche aus einer Verpflichtung, einen Ersatzwagen zu beschaffen, verneint, die Klage hinsichtlich der Ansprüche aus Amtspflichtverletzung dagegen dem Grunde nach zugesprochen. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen; es hat sich wegen der Ansprüche aus dem Reichsleistungsgesetz und aus der Verpflichtung, einen Ersatzwagen zu stellen, dem Urteil des Landgerichts angeschlossen, die Klage hinsichtlich der Ansprüche aus Amtspflichtverletzung dagegen deshalb abgewiesen, weil der Kläger sich bei dem jetzigen Besitzer des Wagens wegen seines Schadens erholen könne. Er habe gegen diesen einen Anspruch auf Herausgabe des Wagens, da der jetzige Besitzer Eigentum an dem dem Kläger mit Rücksicht auf die Nichtigkeit der Beschlagnahme abhandengekommenen Wagen nicht habe erwerben können.

11

Mit der Revision erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils; die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe:

12

I.

Da die Beschwerdesumme des §546 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO nicht erreicht und die Revision auch nicht nach §546 Abs. 1 Halbsatz 1 ZPO zugelassen ist, ist im vorliegenden Falle die Revision gemäss §547 Abs. 1 Ziff 2 ZPO nur zulässig, soweit es sich um Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche handelt, für welche die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ausschliesslich zuständig sind.

13

Eine solche ausschliessliche Zuständigkeit der Landgerichte ist nach der hier in Betracht kommenden neuen Fassung des §71 Abs. 2 Ziff 2 GVG - das Berufungsurteil ist am 27. Oktober 1950, also erst nach Inkrafttreten des Rechtsvereinheitlichungsgesetzes vom 12. September 1950 (BGBl. I, 455) verkündet - hinsichtlich der Ansprüche gegen Beamte wegen Überschreitung ihrer amtlichen Befugnisse gegeben, und zwar im Gegensatz zur alten Fassung des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht nur bei Reichsbeamten, sondern bei allen Beamten, so dass es jetzt nicht mehr darauf ankommt, ob das in Betracht kommende Land für diese Ansprüche gegen seine Landesbeamten die ausschliessliche Zuständigkeit der Landgerichte angeordnet hat.

14

Für die Ansprüche aus dem Reichsleistungsgesetz und aus Zusicherung der Zuweisung eines Ersatzwagens ist dagegen eine solche ausschliessliche Zuständigkeit der Landgerichte nicht gegeben. Insoweit ist daher in der Sache selbst die Revision nicht zulässig. Eine solche Zulässigkeit ergibt sich auch nicht etwa daraus, dass hinsichtlich der hier ebenfalls geltend, gemachten Ansprüche aus Amtspflichtverletzung (§839 BGB) im Hinblick auf die für jene Ansprüche gegebene ausschliessliche Zuständigkeit der Landgerichte die Revision zulässig ist. Wie der Senat bereits im BGHZ 1, 369 [380/81] unter Übernahme der neueren Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Obersten Gerichtshofs für die Britische Zone ausgeführt hat, ist beim Vorliegen mehrerer Klagegründe, von denen für den einen die Revision ohne Rücksicht auf den Streitwert zulässig ist und für den anderen nicht, für diesen anderen eine Nachprüfung im Revisionsrechtszug unzulässig. Der vom Reichsgericht in HRR 1936 Nr. 631 erörterte Fall, dass das Berufungsgericht über den nicht bevorrechtigten eine Entscheidung nich getroffen hat, liegt hier nicht vor, da das Berufungsgericht Ansprüche aus den nicht bevorrechtigten Klage gründen ausdrücklich abgelehnt hat. Infolgedessen bedarf es keiner Auseinandersetzung mit jener Reichsgerichtsentscheidung.

15

Jedoch hat das Berufungsgericht hinsichtlich der Ansprüche aus dem Reichsleistungsgesetz den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten für unzulässig erachtet. Insoweit ist gemäss §547 Abs. 1 Ziff 1 ZPO die Revision statthaft. Jedoch kann in diesem Rahmen nur die Zulässigkeit des Rechtsweges geprüft werden. Trotz der Zulässigkeit der Revision im Hinblick auf den Streit der Parteien über die Zulässigkeit des Rechtsweges ist das Revisionsgericht nicht in der Lage, auf das angefochtene Urteil in der Sache selbst einzugehen, soweit hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche die Revision unzulässig ist (BGHZ 1, 369 [280]).

16

Die Abweisung der Ansprüche wegen der Verpflichtung, einen Ersatzwagen zu stellen, unter liegt daher keiner Nachprüfung im Revisionsrechtszug; die Abweisung der Ansprüche aus dem Reichsleistungsgesetz unterliegt nur insoweit der Nachprüfung im Revisionsrechtszug, als der Rechtsweg für unzulässig erklärt worden ist, aber nicht, soweit eine Nachprüfung in der Sache selbst in Betracht kommt. Dagegen ist die Abweisung der Ansprüche aus Amtspflichtverletzung in vollem Umfange im Revisionsrechtszuge nachprüfbar.

17

II.

1.

Das Berufungsgericht hat die Klage aus §839 BGB abgewiesen, weil für den Kläger die Möglichkeit bestehe, auf andere Weise Ersatz zu erlangen (§839 Abs. 1 Satz 2 BGB); der Kläger könne nämlich den Kraftwagen von dem ihm bekannten jetzigen Besitzer herausverlangen; die Inanspruchnahme des Wagens durch die Beklagte bezw. ihre Rechtsvorgängerin auf Grund des Reichsleistungsgesetzes sei nichtig; deshalb sei das Eigentum an dem Wagen durch die Inanspruchnahme nicht auf den Begünstigten übergegangen. Ein gutgläubiger Erwerb des Wagens seitens des jetzigen Besitzers sei gemäss §935 BGB nicht eingetreten, weil der Wagen dem Kläger infolge der Nichtigkeit der Inanspruchnahme "abhandengekommen" sei. Ob die hiernach durch den Kläger in Frage kommende Herausgabeklage gegen den jetzigen Besitzer vollen Erfolg haben werde, sei im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu untersuchen. Es genüge für den Haftungsausschluss nach §839 Abs. 1 Satz 2 BGB, dass für den Kläger die Möglichkeit bestehe, auf andere Weise Ersatz zu erlangen.

18

2.

Die Revision führt aus, die Möglichkeit, Ersatz von einem Dritten zu erlangen, scheide schon deswegen aus, weil einem - nach Ansicht der Revision im übrigen nicht vorhandenen - Herausgabeanspruch des Klägers eine Reihe von Einwendungen entgegenstehen würde, die den Besitzer nach §1000 BGB berechtigten, ein Zurückbehaltungsrecht wegen Verwendung auszuüben. Ein Kraftwagen, der seit 1946 ununterbrochen von fremden Besitzern gebraucht worden sei, habe prima facie eine Reihe von Reparaturen und sonstigen Verwendungen erfahren; dem Herausgabeanspruch könnten deshalb die in §§993 ff BGB beschriebenen Einwendungen entgegengesetzt werden, welche die Verwirklichung des Herausgabeanspruchs völlig zweifelhaft und ungewiss machten. Ein Herausgabeanspruch, der nur bei Zahlung der Verwendungen durchsetzbar sei, enthalte nicht die Möglichkeit, im Sinne des §839 Abs. 1 Satz 2 auf andere Weise Ersatz zu erlangen.

19

Ob die von der Revision vertretene Ansicht zutrifft, Herausgabeansprüche, denen ein Zurückbehaltungsanspruch wegen Verwendungen entgegengestellt werden könne, die also nur bei Befriedigung der Ansprüche wegen der Verwendungen die Herausgabe herbeiführen, könnten nicht als Ansprüche des Klägers auf anderweiten Ersatz angesehen werden, kann aus folgenden Erwägungen dahingestellt bleiben:

20

Die gewöhnlichen Erhaltungskosten, zu denen auch die laufenden Instandsetzungskosten gehören, fallen nach §994 Abs. 1 BGB für die Zeit, für welche ihm die Nutzungen verbleiben, dem Besitzer zur Last. Dass hier darüber hinaus erstattungsfähige notwendige oder werterhöhende nützliche Verwendungen tatsächlich gemacht worden wären, hat der Kläger nicht substantiiert behauptet. Infolgedessen muss auch unter Berücksichtigung der Lebenserfahrung zunächst davon ausgegangen werden, dass derartige den Herausgabeanspruch als Einsendungen belastende Gegenforderungen des jetzigen Besitzers nicht vorhanden sind.

21

Wenn daher ein Herausgabeanspruch überhaupt besteht, hat der Kläger insoweit entgegen der Annahme der Revision die Möglichkeit, sich von dritter Seite Ersatz zu verschaffen.

22

3.

Die Revision vertritt weiter die Auffassung, der dem Kläger entstandene und zu ersetzende Schaden werde nicht in vollem Umfange durch, die Herausgabe des während jahrelanger Benutzung im Werte gesunkenen Wagens gedeckt. Es verbleite also in jedem Falle ein Restbetrag, den der Kläger nicht vom Besitzer verlangen könne. Da die erste Instanz nur ein Grundurteil gefüllt habe, sei dieses auch aus diesem Grunde aufrecht zu erhalten.

23

Dieser Rechtsansicht kann nicht beigetreten werden. Die Unmöglichkeit anderweiter Ersatzbeschaffung gehört zur Klagebegründung für die Amtshaftungsklage. Ehe die Höhe dessen feststeht, was der Geschädigte nicht auf andere Weise einbringen kann, ist weder eine Leistung- noch eine Feststellungsklage gegen den die Amtspflicht verletzenden. Beamten gerechtfertigt (RGZ 137, 20 [21]; 145, 56 [68], 258 [262]). Anders ist nur der Fall zu beurteilen, dass noch ungewiss ist, ob und in welcher Höhe ein Schaden eintreten wird (RGZ 139, 343 [148]) und der Fall, dass der Dritte nur zu einem bestimmten Bruchteil des Schadens haftet (RGZ 96, 164 [166]); ein derartiger Fall liegt hier nicht vor. Etwas anderes kann auch nicht aus der bei Palandt (Aufl. 7 §839 Anm. 7 f) zitierten Entscheidung des Reichsgerichts im Recht, Beilage zur Deutschen Justiz 1937 Nr. 8609, die sachgleich ist mit RGZ 156, 87, entnommen werden. Diese Entscheidung ist dem ganzen Zusammenhang nach dahin zu verstehen, vor Erlass eines Grundurteils müsse festgestellt werden, dass der seiner Höhe nach noch nicht geklärte Schaden doch so gross sei, dass er die der Höhe nach festgestellte anderweite Ersatzmöglichkeit auf jeden Fall übersteige; eine andere Auslegung würde der ständigen Rechtsprechung des Reichsgerichts widersprechen; die Entscheidung lässt aber nicht erkennen, dass sie von der bisherigen Rechtsprechung abweichen wollte.

24

Entgegen den Ausführungen der Revision kann die Bezifferung der Ersatzmöglichkeit gegenüber dem Dritten daher nicht dem Verfahren über die Höhe der Ansprüche aus Amtspflichtverletzung vorbehalten werden. Das dem Grunde nach zusprechende Urteil des Landgerichts kann daher nicht ohne Prüfung, ob Ersatzansprüche gegen Dritte bestehen oder nicht, wiederhergestellt werden.

25

III.

1.)

Es kommt also darauf an, ob der Kläger gegen den jetzigen Besitzer Ansprüche auf Herausgabe des Wagens hat. Das Berufungsgericht geht davon aus, dass die Inanspruchnahmeverfügung nichtig und ein gutgläubiger Erwerb des Wagens durch den derzeitigen Besitzer ausgeschlossen sei, weil der Wagen dem Kläger "abhanden gekommen" sei. Die Revision greift insoweit nur die Ausführungen des Berufungsgerichts über das Abhandenkommen des Wagens an. Trotzdem bedarf es zunächst der Prüfung, ob die Inanspruchnahmeverfügung, wie das Berufungsgericht annimmt, nichtig ist.

26

Einschaltend sei bemerkt, dass das Berufungsgericht die Verfügung vom 3. Dezember 1946, durch die der Wagen "auf Grund des §15 RLG beschlagnahmt" wurde, zutreffend nicht als eine Beschlagnahme im Sinne des §25 RLG, sondern als "eine Inanspruchnahme zur Verfügung" im Sinne des §15 RLG ausgelegt hat. Der Senat, der die Auslegung dieser Verfügung als die eines Verwaltungsaktes auch im Revisionsrechtszug zu überprüfen hat, schliesst sich insoweit den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts an. Sowohl aus der Anführung des §15 RLG wie auch aus der Wendung, dass "der Wagen "zu Eigentum" beschlagnahmt wird, abzuschätzen und der Schätzwert dem Kläger zu überweisen ist", ergibt sich mit Sicherheit, dass dem Kläger das Eigentum genommen und auf den Begünstigten übertragen werden sollte.

27

Ist nun diese Inanspruchnahme zur Verfügung nicht nichtig, sondern nur anfechtbar oder sogar ordnungsmässig, so würde auf Grund dieser Beordnung das Eigentum an dem Wagen vom Kläger auf den Begünstigten übergegangen sein, denn die "Inanspruchnahme zur Verfügung" bewirkt den Verlust des Eigentums des früheren Eigentümers, und zwar geht das Eigentum kraft öffentlichen Rechtes originär ohne Rücksicht auf eine Besitzübertragung in dem Augenblick über, in dem die Inanspruchnahme zur Verfügung dem Besitzer mitgeteilt wird (so entgegen OLG Frankfurt, Recht des Kraftfahrers 1950, 174 und Wedesweiler (NJW 1949, 414) auch der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seinem insoweit in BGHZ 2, 366 nicht veröffentlichten Urteil vom 28. Juni 1951 - IV ZR 88/50 - S. 8/9 Naumann DVerw 1948, 45 und 1949, 92; HessVGH VerwRspr 1, 38 und DVerw 1949, 296; OVG Hamburg DVerw 1949, 277; LVG Hannover ÖVerw 1949, 238; a.A. LVG Braunschweig DVerw 1949, 104; VG Stuttgart ÖVerw 1949, 319; Zwischenmeinung Lindemann DVerw 1950, 300).

28

Die "Inanspruchnahme zur Verfügung" bewirkt also, wenn sie nicht nichtig ist, im Augenblick ihrer Mitteilung an den Betroffenen den Eigentumsübergang. Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob die Inanspruchnahmeverfügung O. oder eine andere Stelle als Begünstigten bezeichnet. Auf jeden Fall hätte der Kläger durch diese Beorderungsverfügung sein Eigentum an dem Wagen verloren. Er wäre dann keinesfalls mehr befugt, die Herausgabe des Wagens als Eigentümer vom jetzigen Besitzer zu verlangen. Er hätte daher keine Möglichkeit, sich kraft eines Anspruchs auf Herausgabe des Wagens anderweit Ersatz im Sinne des §839 Abs. 1 Satz 2 BGB zu verschaffen.

29

2.)

Bei der Prüfung einer etwaigen Nichtigkeit der Inanspruchnahmeverfügung verneinen Landgericht (Urteil S. 4) und Berufungsgericht (Urteil S. 12-13) das Vorliegen der Voraussetzungen einer Vorlage der Sache an die Besatzungsmächte. Dem ist jedenfalls im Ergebnis beizutreten, da die Prüfung, ob eine Anordnung der Militärregierung vorliegt und welchen Inhalt sie hat, im vorliegenden Fall auf Grund der Genehmigung der amerikanischen Militärregierung vom 9. August 1949 den deutschen Gerichten zusteht.

30

3.)

Das Berufungsgericht führt aus, auf Grund der unbestimmten Aussage des Fahrbereitschaftsleiters Oh. lasse sich über den Inhalt des etwaigen Vermerks der Militärregierung nichts mehr feststellen. Es sei durchaus möglich, dass es sich dabei um einen der damals üblichen Vermerke der Militärregierung gehandelt habe, die häufig keinen anderen Inhalt gehabt hätten, als dass das Besatzungsorgan keine Einwendungen gegen das geplante Vorgehen der deutschen Behörde zu erheben gehabt hätte, die also praktisch nur auf "approved" oder "o.k." hinausgelaufen seien. Diese Ausführungen lassen einen Rechtsirrtum nicht erkennen. Damit ist für den Senat bindend festgestellt, dass das Vorliegen eines ausdrücklichen Befehls der Militärregierung auf Inanspruchnahme des Wagens des Klägers nicht erwiesen ist.

31

Deshalb kann auch nicht festgestellt werden, dass der Wagen des Klägers auf Grund der Verwaltungsanweisung Nr. 122 der 21. Britischen Armeegruppe: Eigentumsübertragung an Kraftfahrzeugen und an Ersatzteilen in Deutschland - 21 Agp/5130/Q(AE) 2 - und der Anordnung des Hauptquartiers des 8. Britischen Korps vom Juni 1948 betreffend Kontrolle deutscher Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeugersatzteile - 8 C/5926/Q(AE) - (beide veröffentlicht in ZJBl. BrZ 1949, 198), in Anspruch genommen worden ist. Es kommt also ausschliesslich darauf an, ob die Inanspruchnahmeverfügung vom 3. Dezember 1946 nach deutschem Recht nicht nichtig war und damit einen Eigentumsübergang an dem Wagen auf den Begünstigten herbeiführte.

32

4.)

Das Berufungsgericht (Urteil S. 8) prüft zunächst, ob die Inanspruchnahmeverfügung deshalb nichtig sei, weil sie etwa von einer unzuständigen Stelle erlassen wäre. Es gelengt auf Grund des nicht revisiblen Rechts des Landes Bremen zu dem Ergebnis, die Fahrbereitschaft in W., die den Verwaltungsakt erlassen hat, sei eine Dienststelle des Oberbürgermeisters und dieser habe zu der fraglichen Zeit in W. gleichzeitig die Funktionen des Regierungspräsidenten und des Oberpräsidenten ausgeübt. Auf Grund dieser Ausführungen, an die der Senat gebunden ist, steht fest, dass die Verfügung vom 3. Dezember 1946 von einer sachlich zuständigen Bedarfsstelle nach Ziff 1 zu §15 RLG der Bekanntmachung der Bedarfsstellen ausserhalb der Wehrmacht, die zur Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Reichsleistungsgesetz berechtigt sind, vom 11. Januar 1944 (RGBl. I, 13) erlassen worden ist.

33

Wenn das Berufungsgericht (S. 9 des Urteils) ausführt, dass nach Wegfall der Wehrersatzinspektionen die Oberpräsidenten und Regierungspräsidenten nunmehr allein als zuständige Bedarfsstellen anzusehen waren, so entspricht das der in der Rechtsprechung (OGHZ 4, 34 ff [38]) fast einhellig vertretenen, auch vom Bundesgerichtshof in ständiger Praxis gebilligten Rechtsauffassung.

34

Auf die vom Kläger offenbar aufgestellte Behauptung (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 18. Januar 1950 auf S. 5), die Fahrbereitschaft in Br. sei deshalb örtlich unzuständig gewesen, weil der zu beschlagnahmende Wagen sich in Bremen befunden habe, ist das Berufungsgericht im einzelnen nicht, näher eigegangen. Eines weiteren tatsächlichen Eingehens darauf bedarf es indessen aus rechtlichen Erwägungen nicht. Eine örtliche Unzuständigkeit der den Verwaltungsakt erlassenden Stelle würde im allgemeinen nicht die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes, sondern höchstens dessen Anfechtbarkeit zur Folge haben, weil nach allgemeiner Verwaltungsrechtslehre die Verfügung einer sachlich nicht absolut unzuständigen Stelle keine Nichtigkeit des Verwaltungsakts herbeiführt (vgl. Jellinek, Verwaltungsrecht 3. Aufl. S. 262-268; Forsthoff Aufl. 1950 S. 177 ff; Hatschek, Verwaltungsrecht 3.-4. Aufl. §16 II S. 97; Wedesweiler NJW 1949, 415; Hornig MDR 1949, 50; OLG Kiel, SchlHA 1950, 151; a.A. Fleiner, Institutionen 3. Aufl. S. 194 und Anm. 59).

35

Eine Nichtigkeit des Verwaltungsaktes wegen Unzuständigkeit der Stelle, die ihn erlassen hat, ist daher nicht gegeben.

36

5.)

Das Berufungsgericht sieht die Inanspruchnahmeverfügung aber wegen nicht genügender Bezeichnung des Begünstigten, also aus formellem Grund, und wegen "schlechterdings vorliegender Unvereinbarkeit mit den an eine ordnungsmässige Verwaltung zu stellenden Anforderungen", also aus materiellem Grund, als nichtig an.

37

In formeller Beziehung will das Berufungsgericht die Nichtigkeit der Inanspruchnahme vor allem aus der ungenügenden Bezeichnung des Begünstigten herleiten.

38

Der Wagen wurde "zu Eigentum zugunsten des R. B., Vertreter für W., Manfred O., W.-G, D. Ri., beschlagnahmt", und dem Kläger wurde aufgegeben, den Wagen "im Einvernehmen mit Herrn O." schätzen zu lassen. Das Berufungsgericht meint, es könne hiernach nicht mit Sicherheit festgestellt werden, für wen der Wagen in Anspruch genommen werden sollte. Der Wagen könne zugunsten von "R. B." oder zugunsten "des damaligen Berichterstatters von R. B. Manfred O. persönlich" oder zugunsten von "O., aber nur in dessen Eigenschaft als damaliger Vertreter von R. B." in Anspruch genommen sein.

39

Diese Auslegung der Inanspruchnahmeverfügung begegnet allein schon deshalb Bedenken, weil das Berufungsgericht die Unklarheit nicht aus dem Wortlaut des Aktes folgert, sondern allein "aus dem Schreiben des Leiters der Fahrbereitschaft W. vom 8. Januar 1947, der Wagen sei zugunsten des R. B. beschlagnahmt, und dem des Bürgermeisters der Stadt Bremen vom 12. April 1948, das Eigentum an dem beschlagnahmten Wagen sei auf Herrn O. übergegangen". Zuzugeben ist allerdings, dass der Wortlaut der Verfügung vom 3. Dezember 1946 Zweifel aufkommen lassen kann, wem der Wagen zugewiesen werden sollte. Ob diese Zweifel durch Auslegung des Wortlauts und des übrigen Inhalts der Beorderungsverfügung beseitigt und das Ergebnis gewonnen werden kann, O. sei der Begünstigte, kann dahingestellt bleiben. Auch dann, wenn es zuträfe, dass die Inanspruchnahmeverfügung vom 3. Dezember 1946 überhaupt nicht erkennen liess, für wen die Leistung in Anspruch genommen ist, würde ein nichtiger Verwaltungsakt nicht vorliegen.

40

Zwar würde ein innerer Widerspruch oder eine völlige Unklarheit darüber, was verfügt werden sollte, z.B. ob Beschlagnahme nach §25 RLG oder Inanspruchnahme nach §15 RLG, den Verwaltungsakt nichtig machen (BayerVGH VerwRspr 1, 403). Derartige Voraussetzungen liegen aber nicht vor. Selbst wenn anzunehmen wäre, dass die Verfügung nicht erkennen liesse, ob O. persönlich oder R. B. der Begünstigte sein sollte, so wäre sie doch auch für den Fall der Begünstigung des R. B. dahin zu verstehen, dass O. für R. B. berechtigt sein sollte, den Wagen in Empfang zu nehmen und die Abschätzung vornehmen zu lassen. Keinesfalls ist die Verfügung dagegen in sich widerspruchsvoll, indem sie etwa im ersten Teil R. B. und im zweiten Teil O. als Begünstigten bezeichnet.

41

Der Umstand, dass die Verfügung vom 3. Dezember 1946 nicht mit völliger Sicherheit erkennen lässt, ob O. persönlich oder R. B. begünstigt sein sollte, hat zur Folge, dass der Verwaltungsakt geradeso zu beurteilen ist, als ob er einen Begünstigten überhaupt nicht bezeichnete.

42

Ausdrücklich vorgesehen hat das Reichsleistungsgesetz die Benennung des Dritten in der Inanspruchnahmeverfügung nicht. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (ÖVerw 1949, 260 = VerwRspr 1, 421) ist zwar der Auffassung, dass bei Anforderung einer Leistung zugunsten eines Dritten die Benennung dieses Dritten einen wesentlichen Bestandteil der Inanspruchnahmeverfügung deshalb darstelle, weil der Dritte gemäss §23 Abs. 3 RLG zur Erteilung der Empfangsbestätigung und gemäss §26 Abs. 4 RLG zur Zahlung der Entschädigung verpflichtet sei. Er folgert daraus, dass die Nichtbenennung des Begünstigten die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes zur Folge habe. Die Benennung des Dritten braucht aber nicht in der Inanspruchnahmeverfügung selbst zu erfolgen; sie kann mangels gegenteiliger Bestimmungen des Reichsleistungsgesetzes auch einer späteren Entscheidung der Bedarfsstelle vorbehalten bleiben (OGH in NJW 1949, 714 = OGHZ 2, 217 [220]; OLG Kiel, SchlHA 1950, 191). Da der Begünstigte das Eigentum originär durch Hoheitsakt erwirbt und die Inanspruchnahme zu Eigentum sich nach §15 RLG gegen den Besitzer der Sache richtet, auch wenn dieser nicht Eigentümer ist, kann es nicht von entscheidender Bedeutung sein, ob der Leistungsempfänger dem bisherigen Eigentümer schon bei der Inenspruchnahme ausdrücklich genannt wird (vgl. Urteil das IV. Senats vom 28. Juni 1951 - IV ZR 88/50 - auf S. 8/9, das insoweit in BGHZ 2, 366 nicht abgedruckt ist). Im Fall der späteren Zuweisung an einen Dritten geht das Eigentum spätestens mit dieser Zuweisung über; es könnte nur streitig werden, wem es in der Zwischenzeit zwischen Inanspruchnahme und Zuweisung zustand (OGHZ NJW 1949, 714 = OGHZ 2, 217 [220]). Auf die Gültigkeit der Inanspruchnahmeverfügung hat das jedoch keinen Einfluss.

43

Die Inanspruchnahmeverfügung vom 3. Dezember 1946 ist daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts aus diesem formellen Grund nicht nichtig.

44

6.)

Die Inanspruchnahmeverfügung vom 3. Dezember 1946 ist auch nicht mangels Bekanntmachung an den Betroffenen nichtig. Zwar fehlen darüber Feststellungen und Ausführungen, die das Berufungsgericht aber von seinem Standpunkt aus deshalb nicht zu machen brauchte, weil es bereits aus anderen Gründen die Nichtigkeit bejahte.

45

Das Reichsleistungsgesetz bestimmt über die Form der Inanspruchnahmeverfügung in §23 Abs. 1 und 2 nur, dass die Anforderung an den Leistungspflichtigen der Schriftform bedarf, dass an ihre Stelle die öffentliche Bekanntmachung treten kann und dass in dringenden Fällen die Leistung auch in anderer Weise (mündlich, durch Zeichen oder Funkspruch) angefordert werden kann. Ausser der im Reichsleistungsgesetz für den Regelfall vorgesehenen Schriftform, hinsichtlich deren Wahrung hier Zweifel nicht bestehen, bedarf jeder Verwaltungsakt unerlässlich der Bekanntgabe gegenüber dem Betroffenen. Die Bekanntgabe gehört zu den Grundvoraussetzungen der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes. Die Unterlassung der Bekanntmachung ist ein wesentlicher Formmangel und hat die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes zur Folge. Das ist herrschende Verwaltungsrechtslehre (vgl. z.B. Forsthoff, Verwaltungsrecht 1950 §12 d S. 183/184; Hatschek , Verwaltungsrecht Aufl. 5/6 S. 136; Kleinrahm, MDR 1948, 111; OLG Bamberg, NJW 1950, 870 [OLG Bamberg 17.05.1950 - 1 U 32/50]; BayerVGH DVerw 1950, 275; OLG. Düsseldorf, Recht des Kraftfahrers 1950, 63; HessVGH ÖVerw 1949, 259; DVerw 1949, 78 = VerwRspr 1, 151). Streitig ist nur die Form, in der diese Bekanntmachung zu erfolgen hat.

46

Eine förmliche Zustellung ist nicht erforderlich, weil im Gesetz nicht vorgeschrieben. Aus dem Umstand, dass die an die Bekanntgabe geknüpften Folgen besonders schwerwiegend sind (hier Entziehung des Eigentums an einem Kraftwagen), kann nicht unter Berufung auf Grund des Runderlasses des Reichsministers des Innern vom 31. August 1943 über Postzustellung in der öffentlichen Verwaltung (RLBliV 1408 Ziff 2) die Aufgabe der Beorderung als Einschreibesendung verlangt werden (so: BayerVGH DVerw 1950, 275). Dieser Erlass ist auf Grund der Verordnung über Postzustellung in der öffentlichen Verwaltung vom 23. August 1943 (RGBl. I 527) ergangen; diese regelt zwingend aber nur die Zustellung in den Fällen, in denen gesetzlich eine förmliche Zustellung vorgeschrieben ist, eine Voraussetzung, die hier nicht vorliegt, so dass dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof nicht gefolgt werden kann. Das Gesetz sieht vielmehr allgemein die öffentliche Bekanntmachung als ausreichend an, von der erfahrungsgemäss der Betroffene häufig keine Kenntnis erhält. Der Gesetzgeber gibt damit zu erkennen, dass er auf Einhaltung besonderer Formen der Bekanntmachung keinen Wert legt, weil er sich sogar mit der "gesetzlichen" Vermutung des Bekanntwerdens begnügt. Es muss daher genügen, wenn der Inhalt der schriftlich niedergelegten Verfügung dem Betroffenen zur Einsicht vorgelegt wird. Auch über die Person desjenigen, durch den das zu geschehen hat, ergibt sich aus dem Gesetz nichts. Beides kann daher auch durch eine Privatperson, insbesondere durch den Begünstigten selbst, erfolgen. Nur muss der Betroffene sich darüber klar sein oder später darüber klar werden, dass die verfügende Behörde mit dieser Art der Übermittlung der Verfügung einverstanden ist (vgl. HessVGH DVerw 1949, 78 - VerwRspr 1, 151; OLG Düsseldorf in Recht des Kraftfahrers 1948, 45). In der Tat entspricht es der Verwaltungsübung, die Inanspruchnahmebescheide häufig in dieser Weise bekannt zu machen, z.B. war es häufig üblich, dass bei militärischen Einquartierungen die eingewiesenen Militärpersonen ihre Quartierscheine selbst an die betreffenden Quartierwirte überbrachten.

47

Im vorliegenden Fall hat der Kläger, falls entsprechend seinen Behauptungen keine unmittelbare Mitteilung der Bedarfsstelle über die Inanspruchnahme an ihn erfolgt ist, wenn nicht schon bei der Herausgabe des Wagens, dann doch im Verlauf seiner späteren Verhandlungen mit dem Strassenverkehrsamt erfahren, dass die von ihm selbst bekundete Mitteilung des Inhalts der Inanspruchnahmeverfügung durch O. mit Einverständnis der Bedarfsstelle erfolgt ist.

48

Es liegt also eine ausreichende Bekanntmachung der Verfügung vom 3. Dezember 1946 vor.

49

7.)

Zu den materiellen Nichtigkeitsgründen führt das Berufungsgericht aus: Eine Verkennung des Vorliegens eines öffentlichen Notstandes und des Tatbestandes der Erfüllung von Reichsaufgaben, sowie eine nach sorgfältiger Abwägung für erforderlich gehaltene Inanspruchnahme zur Verfügung statt einer objektiv ausreichenden Inanspruchnahme zur Nutzung könnten in der Regel zwar mir als Ermessensfehler oder als Ermessensmissbrauch des Leiters des Strassenverkehrsamts angesehen werden und machten den Verwaltungsakt nicht nichtig, sondern höchstens anfechtbar. Aus dem Verhalten des Leiters des Strassenverkehrsamts (Zurückgeben des Antrags an O.; keine Rückfrage bei R. B., wer den Antrag stelle und ob die Notwendigkeit der Zuweisung eines Wagens vorliege) und aus dem sofortigen Verkauf des Wagens durch Olst folgert das Berufungsgericht hier aber, dass eine pflichtgemässe Nachprüfung der sachlichen Voraussetzungen für den Verwaltungsakt überhaupt nicht vorgenommen worden sei. Wenn der Leiter des Strassenverkehrsamts Inanspruchnahmen niemals zur Nutzung, sondern immer nur zu Eigentum vorgenommen habe, "weil es bei Inanspruchnahmen zur Nutzung nachträglich immer Scherereien wegen der Reparaturen gegeben habe", so liege darin keine Ermessensentscheidung mehr, sondern es handle sich um einen reinen Willkürakt der den Verwaltungsakt nichtig mache.

50

Das Berufungsgericht geht zwar in einigen Teilen von einem richtigen Ausgangspunkt aus; aber in anderen Punkten kann bereits seinem Ausgangspunkt nicht zugestimmt werden. Auch kann ihm bei der Anwendung der entwickelten Grundsätze auf den vorliegenden Fall zum Teil nicht gefolgt werden.

51

Hoheitliche Verwaltungsakte haben zunächst die Vermutung ihrer Rechtswirksamkeit für sich (Jellinek, Verwaltungsrecht Aufl. 3 §11 IV 1 S. 268; Forsthoff, Verwaltungsrecht Aufl. 1950 §12, 1 S. 173). Es ist ganz herrschende Auffassung, dass auch Verwaltungsakte, die nach der Sachlage nicht hätten ergehen dürfen, grundsätzlich nicht der Wirksamkeit entbehren. Demgegenüber bedeutet die Nichtigkeit, dass der Verwaltungsakt von jedermann als nicht vorhanden angesehen werden kann (Fleiner, Institutionen 8. Aufl. S. 205); sie hat "die von sich aus bestehende Unbeachtlichkeit" des Verwaltungsakts zur Folge (Jellinek a.a.O. S. 262). Damit stellt die Nichtigkeit die stärkste Form der Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsakts dar. Eine zur Nichtigkeit führende Fehlerhaftigkeit wird daher nur angenommen, wenn der Akt in seinem wesentlichen Teil so fehlerhaft ist, dass unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine Ermächtigung zum Erlass dieses Akts im Gesetz zu finden ist (Jellinek a.a.O. S. 274). Das Reichsgericht (RGZ 164, 162 [176]) hat einem Verwaltungsakt die Verbindlichkeit und Wirksamkeit daher nur abgesprochen, "sofern es sich um einen dem Bereiche hoheitlicher Betätigung unzweifelhaft fremden, gesetzlich überhaupt nicht zu rechtfertigenden Akt reiner Willkür handelt", oder wenn die Massnahme "sich so weit von den an eine ordnungsmässige Verwaltung zu stellenden Anforderungen entfernt, dass sie als Akt der Verwaltung überhaupt nicht mehr angesehen werden kann, vielmehr ausserhalb aller verwaltungsmässigen Erwägungen liegt" (RGZ 168, 129 [137]). In seiner Rechtsprechung zu §839 BGB hat das Reichsgericht (RGZ 147, 179 [183]) der Willkür gleichgestellt "ein in so hohem Masse fehlsames Verhalten der Verwaltungsbehörde, dass es mit den an eine ordnungsmässige Verwaltung zu stellenden Anforderungen schlechterdings unvereinbar ist, ein Verhalten, bei dem sich die Fehlerhaftigkeit der beanstandeten Ermessensentscheidung jedem sachlichen Beurteiler ohne weiteres aufdrängen muss und das unter keinen möglichen Gesichtspunkten den Erfordernissen einer ordnungsmässigen Verwaltung genügen kann". Gerade auf diese Rechtsprechung zur Frage der Amtspflichtverletzung hat das Berufungsgericht abgestellt und das Vorliegen eines mit der Willkür gleichzustellenden Sachverhalts daraus hergeleitet, dass der Beamte (hier der Leiter des Strassenverkehrsamts) bei Erlass des Akts überhaupt keine sachlichen Erwägungen angestellt hätte.

52

Bereits der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in seinem Urteil vom 28. Juni 1951 - IV ZR 33/50 - BGHZ 2, 366 - darauf hingewiesen, dass es zweifelhaft sei, ob diese vom Reichsgericht zu §839 BGB aufgestellten Grundsätze ohne weiteres auch für die Frage entscheidend seien, ob ein Verwaltungsakt wegen Willkür nichtig sei. Daraus, dass die Nichtigkeit die stärkste Form der Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsakts darstellt, folgert er, dass die Nichtigkeit wegen Willkür jedenfalls mindestens das gleiche Mass an Fehlerhaftigkeit voraussetze wie eine durch Willkür begangene Amtspflichtverletzung. Die vom IV. Senat anschliessend aufgeworfene, aber nicht beantwortete Frage, ob der Kreis der wegen Willkür nichtigen Verwaltungsakte nicht noch enger zu ziehen sei als der Kreis der durch Willkür begangenen Amtspflichtverletzung, ist in der Tat zu bejahen. Das Reichsgericht hat die angeführte Gleichstellung mit der Willkür vorgenommen, um abzugrenzen, wie weit Verwaltungsakte im Rahmen des §839 BGB auf eine bei ihrem Erlass begangene schuldhafte Amtspflichtverletzung nachgeprüft werden können. Eine solche Amtspflichtverletzung setzt aber durchaus nicht voraus, dass der Verwaltungsakt nichtig ist. Aus diesem Grund kann aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts zu §839 BGB nichts Positives für die Frage der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes gewonnen werden. Das Reichsgericht hat daher auch in den Entscheidungen über die Zulässigkeit des Rechtswegs, in denen es entscheidend nicht auf die Nachprüfbarkeit, sondern auf die Nichtigkeit, also das Nichtvorliegen bindender Hoheitsakte ankam, regelmässig (RGZ 130, 290 [292]; 158, 257 [262]; 162, 181 [191]; 164, 162 [176]) nur von Akten "reiner Willkür" in dem oben näher umrissenen Sinn gesprochen. In keiner dieser Entscheidungen stellt es das Reichsgericht auf die Fehlerhaftigkeit der beanstandeten Ermessensentscheidung ab, "die sich jedem sachlichen Beurteiler ohne weiteres aufdrängt und die bewirkt, dass die Entscheidung unter keinem möglichen Gesichtspunkt den Erfordernissen einer ordnungsmässigen Verwaltung genügen kann". Diese Formulierung kommt nur in Urteilen über die Nachprüfbarkeit von Ermessensentscheidungen in Amtshaftungsprozessen vor (RGZ 99, 254 [256]; 106, 216 [219/220]; 113, 19 [20]; 125, 299 [307]; 126, 164 [166/7]; 135, 110 [117]; 138, 6 [14]; 146, 366 [375]; 147, 179 [183]; 154, 117 [121]; 159, 247 [251]; 164, 15 [31/32]; 168, 143 [168]). Mit Naumann (DVerw 1949, 189) und Bachof (SJZ 1948, 742) ist daher eine Anwendung der vom Reichsgericht zu §839 BGB entwickelten Gleichstellung gewisser fehlerhafter Verwaltungsakte mit den "reinen Willkürakten" für die Frage nach der Nichtigkeit von Verwaltungsakten abzulehnen.

53

Zwar ist in der ersten Zeit nach dem Zusammenbruch gerade bei Beurteilung von Inanspruchnahmeverfügungen auf dem Gebiete des Reichsleistungsgesetzes in der Rechtsprechung versucht worden. (z.B. LG Hagen MDR 1949, 110 [LG Hagen 23.01.1948 - 2b O 166/47]; LG Osnabrück DVerw 1948, 39 und MDR 1949, 48 [LG Osnabrück 11.03.1948 - 4 S 95/48]; LG Kiel DVerw 1949, 187), der zeitweilig ungebührlichen Ausdehnung dieser Inanspruchnahmen gerade auch im Hinblick auf eine anfangs noch fehlende Verwaltungsgerichtsbarkeit dadurch zu begegnen, dass in Abweichung von der reichsgerichtlichen Rechtsprechung die Nichtigkeit der Inanspruchnahmeverfügung schon bei Fehlen der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Eingriffs nach Reichsleistungsgesetz, z.B. bei Fehlen des öffentlichen Interesses bezw. der Reichsaufgaben, bei Fehlen eines Notstandes, bei Inanspruchnahme zugunsten einer Privatperson, angenommen worden ist. Dieser Rechtsprechung, die vor allem von Naumann (DVerw 1948, 42 und 1949, 189) und Hornig (MDR 1949, 50) angegriffen worden ist, kann in Übereinstimmung mit der reichsgerichtlichen Rechtsprechung und der insoweit einhelligen Verwaltungsrechtslehre (Fleiner, Institutionen §12 I 1 c S. 194 ff; Jellinek. Verwaltungsrecht 3. Aufl. S. 268 ff; Forsthoff, Verwaltungsrecht Aufl. 1950, 170 ff; Hatschek , Verwaltungsrecht Aufl. 3/4 §16 S. 95 ff) nicht gefolgt werden. Würde man die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes, die Überschreitung der der Behörde gesetzten Nachtbefugnisse schlechthin als Nichtigkeitsgrund ansehen, so würde die Möglichkeit einer Unterscheidung der Nichtigkeitsvoraussetzungen von den Voraussetzungen der Anfechtbarkeit nicht mehr bestehen. Der Gesetzgeber unterscheidet aber z.B. in der Verordnung der Britischen Militärregierung Nr. 165 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit (ABl. BrMilReg S. 799) zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit; in §23 der Verordnung bezeichnet er die Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsaktes und die Überschreitung der gesetzlichen Ermessensgrenzen als einen Anfechtungsgrund (vgl. OVG Hamburg, VerwRspr 1, 409). Es würde auch zu einer unerträglichen Rechtsunsicherheit führen, wenn Gesetzwidrigkeiten der in Rede stehenden Art die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes zur Folge hätten und ihn damit für jedermann unverbindlich machten (Hornig MDR 1949, 50). Gegenüber der hier abgelehnten Rechtsprechung aus der Zeit nach dem Zusammenbruch muss vielmehr betont werden, dass das Reichsgericht mit Recht Nichtigkeit nur bei Vorliegen "reiner Willkür", nicht etwa schon bei Willkür schlechthin annimmt (vgl. Naumann DVerw 1949, 189; Benkendorff, NJW 1949, 770). Ein Ermessensmissbrauch genügt zur Feststellung der Nichtigkeit niemals (HessVGH ÖVerw 1949, 260).

54

8.)

Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist es zu billigen, dass das Berufungsgericht die Verkennung des Notstandes und die Verkennung des Vorliegens von Reichsaufgaben bezw. eines öffentlichen Interesses nicht als Nichtigkeitsgründe angesehen hat.

55

Zwar vertritt der Hessische Verwaltungsgerichtshof (DVerw 1949, 78 und 191; VerwRspr 1, 151 und 286 [289]) die Ansicht, "eine Inanspruchnahme in privatem Interesse entbehre so völlig der gesetzlichen Grundlage, dass sie nicht als Verwaltungsakt angesehen werden könne" und sei daher nichtig. Das Landesverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz (VerwRspr 1, 291 [293]) vertritt die gleiche Ansicht sogar in einem Fall, wo "der Begünstigte auch gewisse ehrenamtliche und sonstige im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben erfüllt, weil diese nicht unter "Reichsaufgaben" fielen". Dieser Rechtsprechung kann nicht gefolgt werden. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (ÖVerw 1949, 260; DVerw 1949, 78) sieht selbst eine Beorderung auch für Privatpersonen als möglich an, wenn die Beorderung im öffentlichen Interesse, etwa zur Sicherung der ärztlichen Versorgung der Bevölkerung erfolgt. Dass dabei auch die privaten Interessen gefördert werden, mache die Zuweisung deshalb nicht nichtig, weil das lediglich eine Folge, nicht aber der Zweck der Zuweisung sei. Gerade aber für den hier interessierenden Fall der Zuweisung an einen Behördenangestellten oder an eine für eine Behörde tätige Person vertritt er die Ansicht, dass die Inanspruchnahme für den Angestellten oder Beamten statt für die Behörde selbst den Verwaltungsakt nichtig mache (DVerw 1949, 191). Mit Recht weist aber das Oberwaltungsgericht Hamburg (VerwRspr 1, 409 [412]) darauf hin, dass es Sache der Behörde sei zu prüfen, ob sie ihren Angestellten einen "beamteneigenen" Kraftwagen überlassen wolle. Tatsächlich ist die Benutzung "beamteneigener Wagen" für Dienstzwecke vorgesehen und durch Verwaltungsvorschriften eingehend geregelt; unter gewissen Voraussetzungen können den Beamten sogar Darlehen zur Anschaffung solcher Fahrzeuge geben werden. Die Beschaffung eines solchen Wagens zu persönlichem Eigentum des Beamten kann daher sehr wohl im öffentlichen Interesse liegen. Dem steht nicht, wie der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VerwRspr 2, 317) meint, entgegen, dass der Beamte nach Zuweisung den Wagen der Behörde nicht zur Verfügung zu stellen brauche, anders als der Arzt, weil dem Arzt die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben auf andere Weise nicht möglich sei. Auch der Arzt oder ein anderer im öffentlichen Interesse freiberuflich Tätiger kann nach Zuweisung des Wagens es unterlassen, den Wagen im öffentlichen Interesse zu verwerten, sei es, dass er seine Tätigkeit aufgibt oder ändert oder den Wagen veräussert. Insoweit liegt also ein grundlegender Unterschied zwischen Behördenangestellten und Beamten einerseits und den freiberuflich Schaffenden, andererseits nicht vor. Auch ist der Übergang vom freiberuflich Schaffenden, wie z.B. dem Arzt, zu den Angestellten und Beamten flüssig, wie z.B. die Stellung des Gerichtsvollziehers zeigt, der, obgleich Beamter, in der Regel immer auf ein "beamteneigenes Fahrzeug" angewiesen ist. Ist aber eine Zuweisung an eine Privatperson und auch an einen Beamten zulässig, so wird im allgemeinen das materielle Recht bei Zuweisung an einen Beamten oder Angestellten statt an die Behörde vielleicht falsch angewandt worden sein. Das ist aber, worauf Apelt (VerwRspr 1, 290) hinweist, der typische Fall nicht der Nichtigkeit, sondern der Anfechtbarkeit, weil es sich nicht um einen "ausserhalb aller verwaltungsmässigen Erwägungen liegenden Akt" handelt. Ganz deutlich zeigt das der oben erwähnte vom Landesverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz entschiedene Fall, in dem nach der Ansicht des Landesverwaltungsgerichts der Begriff des öffentlichen Interesses, der Reichsaufgaben, verkannt war.

56

Auch den weiteren Ausführungen des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in seiner bereits erwähnten Entscheidung (VerwRspr 2, 317) über den angeblichen Verstoss gegen die sittliche Rechtsordnung, der in einer im Privatinteresse erfolgten Inanspruchnahme liegen soll, kann für den Regelfall nicht gefolgt werden, weil auch insoweit übersehen ist, dass es im Ermessen der Behörde steht, ob sie von der Möglichkeit der Beschaffung "beamteneigener Kraftfahrzeuge" Gebrauch machen oder den Wagen als Behördeneigentum erwerben will. Hier bei einer fehlerhaften Ermessensentscheidung von "einem unsittlichen Verwaltungsakt" zu sprechen, ist unzulässig. Es kann selbstverständlich Fälle geben, in denen eine "willkürliche Inanspruchnahme vorliegt, die bewusst lediglich den Zweck der Befriedigung persönlicher Luxus- und Bequemlichkeitsinteressen eines Privatmannes dienen soll" (Naumann DVerw 1949, 189); diese hat dann allerdings die Nichtigkeit des Verwaltungsaktes zur Folge. Doch sind diese Fälle auch bereits nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts als nichtig anzusehen, "weil sie sich soweit von den an eine ordnungsmässige Verwaltung zu stellenden Anforderungen entfernen, dass sie als Akt der Verwaltung überhaupt nicht mehr angesehen werden können, vielmehr ausserhalb aller verwaltungsmässigen Erwägungen liegen".

57

Die irrtümliche Beurteilung des Notstandes und der Erfüllung von "Reichsaufgaben" bezw. eines öffentlichen Interesses hat mithin als Ermessensverstoss keine Richtigkeit der Beorderungsverfügung zur Folge (so auch VG Stuttgart ÖVerw 1949, 319; VG Karlsruhe ÖVerw 1949, 440; VGH Braunschweig VerwRspr 1, 33; VGH München DVerw 1949, 663; OVG Hamburg VerwRspr 1, 409; Bayer VGH VerwRspr 1, 407; Naumann DVerw 1949, 189; Bachof MDR 1950, 376 [VGH Hessen 10.02.1950 - O S 210/49]; Apelt VerwRspr 1, 290).

58

Mit Recht hat daher das Berufungsgericht eine Nichtigkeit wegen irriger Beurteilung des Notstandes und des öffentlichen Interesses abgelehnt. Dafür, dass hier die Inanspruchnahme zugunsten einer Privatperson in deren Privatinteresse in einer Weise erfolgt ist, "dass man unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine Ermächtigung zum Erlass des Aktes im Gesetz findet", liegen Anhaltspunkte nicht vor. Selbst wenn die Inanspruchnahme für O. persönlich erfolgte, so war O. doch ein Mitarbeiter des R. B.. Presse und Rundfunk erfüllen aber in gewissem Umfang öffentliche Aufgaben. Mit Recht weist die Beklagte in diesem Zusammenhang darauf hin, dass R. B. bis zum 1. Oktober 1948 sogar unter Regie der amerikanischen Militärregierung gestanden hat und nach dem Bremischen Gesetz über die Errichtung und die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts "R. B." vom 22. November 1948 (Bremer Gesetzblatt 1948, 225) "durch Unterrichtung, Belehrung und Unterhaltung der gesamten Bevölkerung dient", also sicherlich öffentliche Aufgaben erfüllt. Eine Zuweisung an einen Reporter von R. B. konnte daher sehr wohl dem Gesetz entsprechen, liegt aber keinesfalls gänzlich ausserhalb der vom Gesetz erteilten Ermächtigung, wie auch die Erörterungen des Verwaltungsgerichtshofs Freiburg (ÖVerw 1949, 177) darüber zeigen, ob ein Zeitungsverlag eine "Reichsaufgabe" erfüllt.

59

Dass die Bedarfsstelle bewusst mit O. zusammengearbeitet hätte, um ihm in gesetzwidriger Weise zu rein privaten Zwecken den Wagen zu verschaffen, worin dann allerdings ein nichtiger Akt reiner Willkür zu erblicken wäre (vgl. OVG Hamburg VerwRspr 1, 409 [412]), ist von den Parteien nicht vorgetragen worden. Anhaltspunkte für ein solches Verhalten ergeben sich auch nicht daraus, dass das Strassenverkehrsamt der späteren Umschreibung des Wagens von O. auf den neuen Erwerber kurze Zeit nach der Zuweisung des Wagens an O. zugestimmt hat (vgl. Schriftsatz des Klägers vom 23. März 1949 auf S. 3). Die Beklagte hat in der Berufungsbegründung auf S. 3 und 4 unbestritten vorgetragen, O. habe anstelle des vom Kläger empfangenen Wagens einen Wandererwagen eingetauscht und am 25. März 1947 bei der Fahrbereitschaft der Beklagten erklärt, dass er mit der Zuweisung eines Volkswagens über den Rundfunk rechne; der Wandererwagen sei für O. am 13. Februar 1947 polizeilich zugelassen worden. O. verfügte also auch nach Abgabe des hier strittigen Wagens noch über einen Kraftwagen; deshalb kann aus der Abgabe des Wagens nicht hergeleitet werden, O. habe diesen Wagen nicht nötig gehabt.

60

In Betracht konnte höchstens kommen, dass O. den Leiter des Strassenverkehrsamts über die Notwendigkeit des Wagens getäuscht hätte. Dazu bedarf es aber keiner weiteren tatsächlichen Aufklärung. Zwar vertritt der Hessische Verwaltungsgerichtshof (ÖVerw 1949, 260) die Ansicht, hinsichtlich des Nichtvorliegens öffentlicher Interessen und des Notstandes komme es nicht auf die Kenntnis der Bedarfsstelle, sondern allein darauf an, ob die Inanspruchnahme objektiv im privaten Interesse erfolgt sei. Dem kann nicht gefolgt Werden. Wie oben bereits ausgeführt, hat das Fehlen dieser beiden Voraussetzungen eines Eingriffs nach Reichsleistungsgesetz nicht die Nichtigkeit des Verwaltungsakts generell zur Folge, sondern macht ihn, solange es sich allein um einen Ermessensverstoss handelt, nur anfechtbar. Es genügt daher zur Nichtigkeit nicht, dass der Eingriff objektiv im Privatinteresse erfolgt ist. Solange nur die Bedarfsstelle das Fehlen des Notstandes und des öffentlichen Interesses nicht kennt, liegt nur eine Täuschung der Bedarfsstelle vor. Es ist aber herrschende Auffassung der Verwaltungsrechtslehre (vgl. Jellinek a.a.O. §11 IV 1 d S. 278; Forsthoff a.a.O. §12, 2 e , aa S. 185/6; Naumann DVerw 1949, 189; Kleinrahm MDR 1948, 111), dass der erschlichene Verwaltungsakt nur Anfechtbarkeit, nicht Nichtigkeit zur Folge hat.

61

9.)

Die Frage, ob dann, wenn eine Inanspruchnahme zur Nutzung statt der erfolgten Inanspruchnahme zur Verfügung für die Befriedigung der öffentlichen Interessen ausreicht, der Verwaltungsakt nichtig ist, hat das Berufungsgericht verneint, wenn die Bedarfsstelle nach sorgfältiger Abwägung zu einem sachlich unrichtigen Ergebnis gekommen ist, weil es sich insoweit um einen die Anfechtbarkeit begründenden Ermessensfehler, höchstens aber um einen Ermessensmissbrauch handle. Dieser Ausgangspunkt ist nach den Ausführungen zu Ziff III, 7 dieses Urteils zutreffend.

62

Dagegen hat das Berufungsgericht bei der Anwendung dieses Rechtsgrundsatzes auf den vorliegenden Fall den Begriff der reinen Willkür und den des Ermessensmissbrauchs verkannt. Auch wenn der Leiter des Strassenverkehrsamts nach den Feststellungen des Berufungsgerichts Beschlagnahmen zur Nutzung deshalb niemals vorgenommen hat, "weil es dann nachträglich immer Scherereien wegen der Reparaturen gegeben habe", so hat er entgegen der Beurteilung durch das Berufungsgericht nicht in reiner Willkür gehandelt. Er war sich der ihm gegebenen Möglichkeiten der Inanspruchnahme zur Nutzung und der zur Verfügung bewusst. Er hat sich also mit der Wahl der Inanspruchnahme zur Verfügung bewusst innerhalb der im Gesetz vorgesehenen Möglichkeiten gehalten. Er hat diese Entscheidung nicht "ausserhalb aller, verwaltungsmässigen Erwägungen" getroffen. Bei seiner Entscheidung durfte er in der Tat berücksichtigen, dass gerade in der Zeit vor der Währungsreform grössere Ausbesserungen an Kraftfahrzeugen sehr häufig nur unter Aufwendung erheblicher Mittel möglich waren und dass der Ersatz oder die Verrechnung der dafür aufgewandten Kosten häufig zu Schwierigkeiten führte, wie sich andererseits häufig auch aus der Nichtausführung von Ausbesserungen bei der Rückgabe der Wagen Streitigkeiten ergaben darüber, ob die Ausbesserung nunmehr auf Kosten des Begünstigten oder des Eigentümers nachzuholen war. Die Ansichten darüber, wann zur Verfügung und wann zur Nutzung in Anspruch zunehmen ist, schwankten. Der Verwaltungsgerichtshof Braunschweig (NJW 1949, 319 [VGH Niedersachsen 23.06.1948 - P.R. 44/48]) hielt die Inanspruchnahme zu Eigentum zwecks Vermeidung späterer Streitigkeiten über Ausbesserungen sogar für eine zutreffende Ermessensentscheidung, der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VerwRspr 1, 38) für eine zulässige Erwägung, während Pabst (NJW 1949, 319 [VGH Niedersachsen 23.06.1948 - P.R. 44/48]) eine solche Entscheidung im Ergebnis für unrichtig hielt. Erst allmählich setzte sich in Verwaltungsanweisungen und in der Rechtsprechung (vgl. OGH in NJW 1950, 225) der Grundsatz der "Verhältnismässigkeit" und schliesslich in der Gesetzgebung (vgl. z.B. §8 Ziff 1 HessLeistpflG vom 26. Juni 1947, HessGVBl. 1947, 57) sogar der Gedanke durch, dass die Übertragung des Eigentums nur gefordert werden darf, wenn die Anforderung der Überlassung nicht ausreicht und untunlich ist. Gerade auch durch diese Entwicklung wird bestätigt, dass es sich bei diesen Entscheidungen, auch wenn sie im Hinblick auf die Vermeidung künftiger Streitigkeiten über die Ausbesserungskosten getroffen werden, um Ermessensentscheidungen handelt; allerdings mag das Ermessen falsch oder sogar missbräuchlich angewandt sein; von einem Akt reiner Willkür kann dagegen keine Rede sein. Diese Verwaltungsakte sind daher keinesfalls nichtig (vgl. auch BayerVGH DVerw 1949, 297; VerwRspr 1, 240; VGH Braunschweig NJW 1949, 319; HessVGH VerwRspr 1, 151; DVerw 1949, 78, 259, 296; OGH NJW 1950, 225 = Recht des Kraftfahrers 1950, 61; OLG Düsseldorf, Recht des Kraftfahrers 1950, 63; OLG Hamburg MDR 1949, 233).

63

Ob bei Hinzutreten weiterer Voraussetzungen gerade aus dem Umstand der "Inanspruchnahme zur Verfügung" statt einer an sich ausreichenden "Inanspruchnahme zur Nutzung" eine Nichtigkeit des Verwaltungsakts sich ergeben kann (so z.B. HessVGH VerwRspr 1, 151), bedarf hier keiner näheren Untersuchung, da besondere Umstände nicht vorgetragen sind.

64

10.)

65

Schliesslich führt das Berufungsgericht aus: Es müsse zu Ungunsten der Beklagten davon ausgegangen werden, dass der Leiter des Strassenverkehrsamtes Oh. "überhaupt keine pflichtgemässe Nachprüfung der sachlichen Voraussetzungen für den Verwaltungsakt vorgenommen habe". Daraus folgert das Berufungsgericht die Nichtigkeit der Beorderungsverfügung.

66

Diese Folgerung ist jedoch möglicherweise von Rechtsirrtum beeinflusst. Nichtigkeit würde nur dann gegeben sein, wenn sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts eine "reine Willkür" der Bedarfsstelle ergäbe. Eine solche "reine Willkür" könnte dann bejaht werden, wenn die Bedarfsstelle die Beorderungsverfügung erlassen hätte, ohne überhaupt eine Prüfung der formellen und materiellen Voraussetzungen für den Verwaltungsakt vorgenommen zu haben. Es würde sich dann nicht mehr um einen Ermessensmissbrauch, sondern überhaupt nicht mehr um die Anwendung eines Ermessens, vielmehr um eine rein willkürliche Massnahme handeln.

67

Das Unterlassen jeglicher Prüfung in diesem Sinne hat das Berufungsgericht jedoch bisher nicht festgestellt. Es ergibt sich insbesondere aus der vom Berufungsgericht gebrauchten Wendung, "der Leiter des Strassenverkehrsamts habe überhaupt keine pflichtgemässe Nachforschung der sachlichen Voraussetzungen für den Verwaltungsakt vorgenommen", nicht. Schon die Betonung der "pflichtgemässen" Nachprüfung legt die Annahme nahe, dass nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zwar eine Nachprüfung, jedoch keine "pflichtgemässe" erfolgt sei. Diese Annahme wird durch den Hinweis des Berufungsgerichts auf die vom Reichsgericht zu §839 BGB entwickelten Grundsätze über die Nachprüfung eines Ermessensmissbrauchs verstärkt (vgl. Urteil S. 11), Grundsätze, die, wie oben bereits ausgeführt wurde, nicht auf die Lehre von der Nichtigkeit der Verwaltungsakte ausgedehnt werden dürfen.

68

Darauf, dass das Berufungsgericht an der fraglichen Stelle vor allem an eine pflichtwidrige Ausübung des Ermessens und nicht an die vollständige Unterlassung jeglicher Prüfung gedacht hat, deutet auch der Umstand hin, dass es unmittelbar im Anschluss an die beanstandete Stolle ausführt, für das Verhalten des Leiters des Strassenverkehrsamts Oh. sei es bezeichnend, dass er Inanspruchnahme zur Nutzung deshalb niemals vorgenommen habe, weil es dann nachträglich immer Scherereien wegen der Reparaturen gegeben habe und dass das Berufungsgericht aus diesem Verhalten Oh. folgert, er habe nicht nach seinem pflichtgemässen Ermessen als Beamter gehandelt.

69

Das Berufungsgericht trifft in diesem Zusammenhang auch nicht andere Tatsachenfeststellungen, aus denen sich etwa das Unterlassen jeglicher. Nachprüfung, nicht nur einer "pflichtgemässen" Nachprüfung er gibt. Es nimmt wegen des völligen Unterlassens einer "pflichtgemässen" Nachprüfung durch den Leiter des Strassenverkehrsamts vielmehr nur auf "die zutreffenden Gründe" des landgerichtlichen Urteils Bezug. Dort (S. 3-4 des landgerichtlichen Urteils) wird verlangt, die Bedarfsstelle habe sich mindestens durch einen Telefonanruf bei R. B. vergewissern müssen, ob der Antrag von R. B. oder von O. persönlich gestellt worden sei; dann würde sich die durch O. verübte Täuschung der Bedarfsstelle sofort herausgestellt haben; es hätten auch weitere Nachforschungen darüber angestellt werden müssen, ob die beantragte Enteignung des Wagens dem öffentlichen Wohl diente. O. habe sich zum Ort seiner Reportagen auch unter Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel oder zu Fuss oder mit dem Fahrrad begeben können. Alle diese Anforderungen, die das Landgericht an eine ordnungsgemässe Erledigung des Antrags stellt, beziehen sich auf das Mass der anzuwendenden Vorkehrungen zur Aufklärung des Sachverhalts und dienen damit der Beschaffung der Unterlagen für eine gerechte Ermessensentscheidung. Der Umfang der vor Erlass dieser Ermessensentscheidung anzustellenden Ermittlungen liegt aber wiederum im pflichtgemässen Ermessen der Bedarfsstelle. Es handelt sich also auch insoweit wiederum um eine vielleicht falsche, vielleicht sogar missbräuchliche Ermessensentscheidung. Keinesfalls liegt darin ein Verhalten, das ausserhalb aller verwaltungsmässigen Erwägungen läge. Mit Recht weist die Beklagte darauf hin, dass es mindestens denkbar sei, den Bedarf eines Rundfunkreporters an Benutzung eines Kraftfahrzeugs auch ohne nähere Ermittlungen der angegebenen Art zu prüfen.

70

Auch der vom Kläger besonders hervorgehobene Umstand, dass bisher keinerlei Entschädigung an ihn wegen des Wagens bezahlt worden ist (Schriftsatz vom 23. März 1949 S. 3), ändert an dieser Beurteilung nichts. Ganz abgesehen davon, dass die Zahlung der Entschädigung der Zuweisung des Wegens und damit dem Eigentums über gang am Wagen regelmässig nachzufolgen pflegt und daher keine Voraussetzung der Gültigkeit des Verwaltungsaktes sein kann, auch nicht etwa eine aufschiebende Bedingung des Eigentumsübergangs ist (VGH Karlsruhe in ÖVerw 1950, 444), hatte der Kläger damals Gelegenheit, mit Hilfe der Bedarfsstelle die bei der Herausgabe des Wagens unterbliebene Abschätzung später nachzuholen.

71

Selbst wenn der Leiter des Strassenverkehrsamts, wie Landgericht und Berufungsgericht annehmen, in zahlreichen Punkten "pflichtwidrig" gehandelt hätte (Zurückgabe des Antrags und der Bescheinigung der Militärregierung an O. keine Rückfrage bei R. B., wer den Antrag stelle und ob die Notwendigkeit der Zuweisung eines Wagens überhaupt vorliege oder ob etwa die Zuweisung eines Wagens zur Nutzung ausreichte; unklare Bezeichnung des Begünstigten), so ergäbe sich aus einer solchen Häufung von Pflichtwidrigkeiten eine Nichtigkeit des Verwaltungsaktes nicht (Naumann DVerw 1949, 189), es sei denn, dass der Verwaltungsakt im Hinblick auf eine dieser Pflichtwidrigkeiten einen Akt reiner Willkür darstellen würde, ein Fall, der nach dem oben Ausgeführten hier nicht vorliegt.

72

Anders wäre nur zu entscheiden, wenn das Berufungsgericht einwandfrei die tatsächliche Feststellung getroffen hätte, dass Oh. als Leiter des Strassenverkehrsamts überhaupt keine Nachprüfung der formellen und materiellen Voraussetzungen vorgenommen und trotzdem die Beorderung erlassen hätte. Da insoweit einwandfreie Tatsachenfeststellungen vom Berufungsgericht nicht getroffen sind, kann das angefochtene Urteil mit der Begründung des Berufungsgerichts, die Beorderungsverfügung sei nichtig, nicht aufrechterhalten werden.

73

IV.

Das angefochtene Urteil, kann aber auch deshalb nicht aufrechterhalten werden, weil es nicht nur rechtsirrtümlich ohne ausreichende tatsächliche Feststellungen die Nichtigkeit der Beorderungsverfügung annimmt, sondern such unter Verkennung des Begriffs des "Abhandenkommens" davon ausgeht, dass ein gutgläubiger Erwerb an dem Wagen durch den jetzigen Besitzer nicht erfolgt sei und der Kläger deshalb Anspruch gegen diesen auf Herausgabe des Wagens habe.

74

1.)

Geht man, wie das Berufungsgericht, von der Nichtigkeit der Beorderungsverfügung aus, so ist der Kläger noch jetzt Eigentümer des Wagens und kann vom jetzigen Besitzer Herausgabe verlangen, sofern nicht der Besitzer gutgläubig Eigentum an dem Wagen erworben hat. Ein gutgläubiger Erwerb entfällt im vorliegenden Falle nach dem übereinstimmenden Sachvortrag beider Parteien nur, wenn der Wagen dem Kläger abhandengekommen und deshalb nach §935 BGB ein gutgläubiger Erwerb daran rechtlich ausgeschlossen ist. Es bedarf also der Entscheidung, ob der Wagen dem Kläger im Sinne des §935 BGB "abhandengekommen" ist.

75

Die Revision rügt Verkennung des Begriffs des Abhandenkommens, weil das Berufungsgericht ausführt: Davon, dass der Kläger den Wagen "freiwillig" an O. herausgegeben habe, könne nach seinem eigenen Vortrag keine Rede sein. Er habe vielmehr die Herausgabe des Wagens an O., der sich dabei auf die "Beschlagnahmeverfügung" vom 3. Dezember 1946 berufen habe, abgelehnt und habe sich erst dann gefügt, als O. zum zweiten Male mit einem Polizeibeamten bei ihm erschienen sei, um die Herausgabe des Fahrzeugs mit obrigkeitlicher Gewalt durchzusetzen. Die Revision führt demgegenüber aus: Eine zwangsweise Fortnahme des Wagens, insbesondere durch einen Akt der Vollstreckung im Verwaltungszwangsverfahren, sei nicht festgestellt; der Kläger habe nach Erscheinen des Polizisten den Wagen zwar widerstrebend, aber ohne dass gegen ihn Zwang angewendet worden sei, herausgegeben. Die Feststellung des Berufungsgerichts, dass der Kläger sich der Herausgabe "gefügt" habe, widerlege das Abhandenkommen. Selbst wenn jemand durch Täuschung, Drohung oder Irrtum veranlasst wurde, eine Sache herauszugeben, komme ihm diese nicht abhanden.

76

Eine Sache ist dann abhandengekommen, wenn der unmittelbare Besitzer ohne seinen Willen den Besitz verloren hat (RGZ 101, 225). Einigkeit besteht darüber, dass ein Abhandenkommen nicht vorliegt, wenn die Besitzentziehung auf Grund eines gesetzlich berechtigten Eingriffs erfolgt; der fehlende Wille des Besitzers wird in diesen Fällen durch die öffentlich-rechtliche Befugnis des Eingreifenden ersetzt (OGHZ 1, 292 [295]; OLG Braunschweig SJZ 1943, 758; Frankfurt NJW 1949, 430 [OLG Frankfurt am Main 30.09.1948 - I U 85/48]; Kammergericht in JR 1950, 218; Schleswig in SchlHA 1951, 44; Wolff, Sachenrecht Aufl. 9 §15 Anm. I 2; Staudinger Aufl. 9 §935 Anm. I 3 aE; Westermann, Sachenrecht Aufl. 1951 §49 I 4; Stein-Jonas ZPO Aufl. 17 §1003 Anm. V; Baur in DRZ 1949, 219 [222]).

77

Soweit der Besitz unter tätiger oder duldender Mitwirkung des Eigentümers auf einen anderen übergegangen ist, kann in zweifacher Richtung zweifelhaft sein, ob nicht trotz des in dieser Mitwirkung zum Ausdruck kommenden "Willens" ein Besitzverlust "ohne den Willen" des Eigentümers vorliegt: einmal, weil dieser zum Ausdruck gekommene Wille durch Irrtum, Täuschung oder Drohung beim Grundgeschäft oder bei der Übergabe beeinflusst war; zum anderen, weil diese in Erscheinung getretene Mitwirkung des Eigentümers sich nur äusserlich als dessen Willensakt darstellt, während sie in Wahrheit wegen unwiderstehlicher Gewalt oder aus anderen Gründen garkeine Willensäusserung des Eigentümers enthält.

78

Hinsichtlich der ersten Frage könnte es von Bedeutung sein, dass solche Willensmängel - sei es beim Kausalgeschäft, sei es bei Besitzübertragung - erst zu berücksichtigen wären, wenn deshalb eine Anfechtung erklärt wäre. Einer Entscheidung dieser Rechtsfrage bedarf es hier jedoch nicht, obgleich unstreitig eine derartige Anfechtung nicht erklärt ist. Es genügt nämlich für den Ausschluss einer Haftung nach §839 BGB, wenn in der Vergangenheit eine Ersatzmöglichkeit gegenüber einem Dritten bei rechtzeitiger Erhebung einer solchen Anfechtung bestanden und der Kläger davon schuldhaft keinen Gebrauch gemacht hätte (RGZ 139, 343 [349]). Trotz Fehlens einer Anfechtungserklärung bedarf es daher der Prüfung, ob ein durch Irrtum, Täuschung oder Drohung beeinflusster Wille ein "Abhandenkommen" im Sinne des §935 BGB ausschliesst.

79

Streitig war schon immer, ob unter Wille des Eigentümers der rechtliche oder der rein tatsächliche Wille zu verstehen sei. Das Reichsgericht (RGZ 101, 225) hat sich unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte des §935 EGP, der zweiten Ansicht angeschlossen und daraus gefolgert, eine Sache sei auch dann nicht abhandengekommen, wenn der Besitz infolge rechtswidriger Einwirkung auf den Willen des Aufgebenden (Drohung, Betrug) aufgegeben werde, weil der Verlust hier immer willentlich eintrete. Dieser Ansicht ist die Rechtsprechung einhellig und das Schrifttum im wesentlichen gefolgt (Staudinger Aufl. 9 §935 Anm. I 2 b; Soergel Aufl. 1931 §935 Anm. 1; Palandt Aufl. 7 §935 Anm. 4; Planck Aufl. 5 §935 Anm. 2; RGRK Aufl. 9 §935 Anm. 4; Wolff, Sachenrecht Aufl. 9 §15 I 1; Wedesweiler in NJW 1949, 416). Dem ist Heck (Sachenrecht 1930 §60 Anm. 5 S. 255) unter Zustimmung von Westermann (Sachenrecht 1951 §49 I 3 S. 223) in gewissem Umfange entgegengetreten. Auch er geht wie das Reichsgericht auf die Motive zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Bd. 3 S. 348) zurück, wo ausgeführt wird, die Geschäftsunfähigkeit des Besitzaufgebenden stehe einem gutgläubigen Erwerb entgegen, die blosse Beschränkung der Geschäftsfähigkeit und Willensmängel (Irrtum, Betrug, Drohung) hinderten einen gutgläubigen Erwerb dagegen nicht, weil dann immer noch eine "willentliche" Aufgabe des Besitzes vorläge. Er meint, dabei handle es sich um eine unbeachtliche Folgerung aus dem Wortlaut des ersten Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuches, wo in §879, dem heutigen §935, von "einem Kommen aus der Inhabung" "ohne den Willen des Eigentümers" die Rede sei, eine Wendung, die nicht in den heutigen §935 übernommen, sondern durch den unbestimmten Ausdruck "abhandengekommen" ersetzt worden sei. Er erblickt darin eine Gesetzeslücke, die der Ergänzung bedürfe. Bei dies er Ergänzung handle es sich darum, ob diejenigen Werturteile, welche bei Geschäftskonflikten, die von einem Mangel betroffen seien, den Erklärenden gegen die Folgen seiner Erklärung schützten, für den Eigentümer, der seine Sachen weggebe, auch bei Fehlern des Übergabewillens zuträfen. Es erscheine "vielleicht" am angemessensten, die verschiedenen Mängel zu trennen, jenachdem sie im Geschäftsrecht gegen gutgläubige Dritte wirkten oder nicht. Für den Fall des hier interessierenden Irrtums sieht er gemäss §122 BGB immerhin eine beschränkte Wirkung gegenüber Dritten; die gegen jeden Dritten wirkende widerrechtliche Drohung sei auch bei §935 als wirksam anzuerkennen.

80

Ganz abgesehen davon, dass Heck die Frage für den Fall des Irrtums nur angeschnitten, nicht aber beantwortet hat, ist sein Hinweis auf die Motive nicht zwingend. Wie bereits das Oberlandesgericht Hamburg (SeuffArch 60, 283), auf das RGZ 101, 225 verweist, hervorgehoben hat, trifft die von Keck angeführte Stelle aus den Motiven auch auf den §935 BGB in seiner jetzigen endgültigen Fassung zu. Zwar schloss der erste Entwurf (§879 Satz 2) den gutgläubigen Erwerb aus, "wenn die veräusserte Sache gestohlen oder verloren oder in anderer Weise ohne den Willen des Eigentümers ... aus dessen Inhabung gekommen ist." Die prinzipielle Voraussetzung für den Ausschluss eines gutgläubigen Erwerbs wurde "in dem Verlust der Inhabung ohne den Willen des Inhabers" gefunden und zwar in Anlehnung an das in Art. 306 Abs. 4 des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches (BGBl. 1869, 466) zum Ausdruck gekommene Prinzip; es wurde aber mit RGZ 1, 255 angenommen, dass dieses Prinzip in der dort allein gebrauchten Wendung, gutgläubiger Erwerb sei aus geschlossen, "wenn die Gegenstände gestohlen oder verloren waren" nicht ganz klar ausgedrückt sei; es sei daher vorzuziehen, mit den dort gebrauchten Ausdrücken "gestohlen oder verloren" die prinzipiell richtige Ausdrucksweise zu verbinden (Motive Bd. 3, 348). Trotz der Abänderungen des zweiten Entwurfs, der bereits die später Gesetz gewordene Fassung enthielt, also nicht mehr "von in anderer Weise ohne den Willen des Eigentümers ... aus dessen Inhabung gekommenen" sondern "von sonst abhandengekommenen" Sachen sprach, nahm die Denkschrift (S. 128) auf Art. 306 Abs. 4 Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Bezug; sie liess damit klar erkennen, dass durch die Fassungsänderung an der prinzipiellen Voraussetzung dieser Bestimmung nichts geändert war, die nach wie vor "in dem Verlust der Inhabung ohne den Willen des Inhabers" gefunden wurde. Es wird dann fortgefahren: "Wenn durch den Willen des Eigentümers selbst ein anderer in die Lage versetzt worden ist, Dritten gegenüber tatsächlich über die Sache zu verfügen, ist es an sich gerechtfertigt, den Eigentümer im Verhältnis zu dem gutgläubigen Erwerber die Gefahr einer solchen Verfügung tragen zu lassen". Damit können entgegen der Ansicht von Heck die Motive auch trotz, der geänderten Fassung zur Auslegung des jetzigen §935 BGB herangezogen werden, denn der prinzipielle Ausgangspunkt ist trotz textlicher Änderungen der gleiche geblieben.

81

Kommt es aber mit der reichsgerichtlichen Rechtsprechung und der überwiegenden Ansicht in der Literatur nicht auf den rechtlichen, sondern den rein tatsächlichen Willen des Eigentümers bei Übertragung des Besitzes an, so ist auch an der Rechtsprechung des Reichsgerichts (Recht 1912 Nr. 1313) festzuhalten, dass ein Abhandenkommen nicht vorliegt, wenn der Besitzer einer Sache ihre Fortschaffung durch den Gerichtsvollzieher in der irrigen Annahme zulässt, zur Duldung der Amtshandlung des Gerichtsvollziehers verpflichtet zu sein. Zwangsläufig ergibt, sich daraus ferner, worauf Wedesweiler (NJW 1949, 416) hinweist, dass eine von dem Besitzer auf Grund einer behördlichen Beschlagnahmeverfügung - wenn auch widersprechend oder gar unter Protest - abgelieferte Sache nicht abhandengekommen ist; dabei kann es nicht darauf ankommen, ob die behördliche Beschlagnahme wirksam, anfechtbar oder nichtig war, falls überhaupt nur eine die Besitzübertragung enthaltende Handlung des Besitzers vorliegt. Offenbar will auch Wedesweiler nach dem Zusammenhang seiner Ausführungen den Satz so verstanden wissen. Allerdings sprechen die von ihm angezogenen Entscheidungen des Oberlandesgerichts Hamm (SJZ 1948, 762) und des Oberlandesgerichts Braunschweig (SJZ 1948, 758) einen solchen Grundsatz nicht aus, da beide Entscheidungen Fälle betrafen, in denen die zum Besitzverlust führenden Zwangsmassnahmen auf Grund "einer rechtmässigen Beorderung" bezw. "auf Grund völkerrechtlich wirksamer Akte der Besatzungsmacht" erfolgt waren. Die ebenfalls von Wedesweiler angezogene Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt (NJW 1949, 430 [OLG Frankfurt am Main 30.09.1948 - I U 85/48]) lässt diesen Grundsatz auch nicht klar erkennen, da in der offensichtlich gekürzt abgedruckten Entscheidung nur davon die Rede ist, die im Wege der rechtmässigen Vollstreckung weggenommene Sache sei nicht abhandengekommen, weil den Vollstreckungsorganen ein Recht zur gewaltsamen Wegnahme zustehe. Auch die weiter angezogene Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt (NJW 1949, 429 [OLG Frankfurt am Main 02.09.1948 - I U 80/48]) spricht den hier entwickelten Grundsatz nicht ausdrücklich aus. Wenn in dem Rechtsgutachten des Justizministeriums für Nordwürttemberg und Baden (NJW 1947/48, 138) und ihm folgend im Urteil des Württemberg-Badischen Verwaltungsgerichtshofs (NJW 1947/48, 396) ausgeführt wird, ein durch eine Beschlagnahmeverfügung Begünstigter könne durch diese Verfügung gutgläubig Eigentum nicht erwerben, weil die Vorschriften der §§932 ff sich nur auf Eigentumserwerb durch Rechtsgeschäfte beziehen, so ist das zwar richtig, ist aber für den vorliegenden Fall bedeutungslos, weil hier ein Dritter vom zunächst Begünstigten Eigentum erwerben sollte; insoweit handelt es sich um Eigentumserwerb durch bürgerlich-rechtliche Rechtsgeschäfte und darauf finden auch nach jenen Aussetzungen die §§932 ff BGBüber gutgläubigen Rechtserwerb Anwendung. Die im angezogenen Rechtsgutachten weiter erörterten Fälle, in denen ein Abhandenkommen bejaht wird, wenn "Fahrzeuge von der Truppe, ohne dass eine ordnungsmässige Inanspruchnahme auf Grund des Reichsleistungsgesetzes erfolgt ist, weggenommen würden und ebenso wenn dies durch Einheiten der Besatzungsmacht ohne ordnungsmässige Requisitionsbescheinigung geschah", treffen den vorliegenden Fall nicht, da in jenen Fällen der Eigentümer selbst nicht tätig geworden ist. Ob das bei der weiteren Entscheidung des Württemberg-Badischen Verwaltungsgerichtshofs in SJZ 1948, 152 der Fall gewesen ist, lässt sich aus den abgedruckten Gründen nicht ersehen.

82

Nach alledem schliesst weder ein Irrtum des Klägers über die Ordnungsmässigkeit der Beschlagnahme, noch der Umstand, dass der Kläger durch die vorgelegte Beschlagnahmeverfügung oder durch die Drohung des Begünstigten, die Wegnahme des Wagens gewaltsam durchzusetzen, oder durch das Erscheinen des Begünstigten in Begleitung eines Polizeibeamten beeinflusst worden ist, den Wagen herauszugeben, eine willentliche Herausgabe durch den Kläger aus; vielmehr würden weder Irrtum noch Drohung ein Abhandenkommen des Wagens zur Folge haben. Unter diesem Gesichtspunkt kommt es daher nicht darauf an, ob die Beschlagnahme des Wagens rechtmässig war und daher Irrtum und widerrechtliche Drohung ausschloss.

83

Zur zweiten Frage, nämlich, ob die Mitwirkung des Eigentümers bei der Herausgabe, sich nur äusserlich als Willensakt darstellt, während sie in Wahrheit garkeine Willensäusserung des Eigentümers enthält, weil er dazu gezwungen worden ist, besteht Einigkeit darüber, dass der Besitz ohne den Willen des Besitzers verloren geht, wenn ihm der Besitz durch unwiderstehliche physische Gewalt oder einen gleichen seelischen Zwang genommen wird (Planck Aufl. 5 §935 Anm. 2; Staudinger Aufl. 9 §935 Anm. I 2 b; Staub HGB Aufl. 1941 §366 Anm. 47). Westermann weist (Sachenrecht 1951 §49 I 3) mit Recht darauf hin, dass die Grenzen zwischen Wegnahme und erpresster Übergabe nicht immer leicht zu ziehen sind. Diese Abgrenzung wird im wesentlichen Tatfrage bleiben. Immerhin kann ein Anhaltspunkt für das Vorliegen eines unwiderstehlichen seelischen Zwanges aus den vom Reichsgericht (JW 1928, 497) bei der verbotenen Eigenmacht entwickelten Rechtsgrundsätzen entnommen werden, dass eine nicht mehr freiwillige Aufgabe des Besitzes dann anzunehmen ist, wenn der Wille zur Besitzaufgabe im wesentlichen unter dem Druck unerträglich werdender Störungen gefasst wird. Die Aufgabe des Besitzes ist dann die Wirkung der Störung, die Inbesitznahme seitens des Störers ihre Fortsetzung. Ob das der Fall ist, liegt allerdings, worauf bereits Raape (JW 1928, 497) hinweist, im wesentlichen wiederum auf tatsächlichem Gebiet.

84

Ein Zwang, der einen auf Besitzübertragung gerichteten Willen des Eigentümers trotz dessen Mitwirkung bei der Besitzübertragung ausschliesst, könnte im vorliegenden Falle einmal im Verhalten des Begünstigten O. gefunden werden. O. hat nach dem vom Berufungsgericht als richtig unterstellten Vortrag des Klägers zunächst erklärt, er werde die Wegnahme des Wagens gewaltsam durchsetzen. Hierin allein liegt schon deshalb kein Zwang, weil der Kläger daraufhin den Wagen nicht herausgegeben und der Begünstigte O. sich alsdann entfernt hat. Wenn der Begünstigte O. dann eine Stunde später in Begleitung eines Polizeibeamten wieder erschien, der Kläger daraufhin die Garage öffnete und den Kraftwagen übergab, so muss insoweit sowohl das Verhalten des O., wie das des Klägers in seiner rechtlichen Bedeutung abgewogen werden.

85

O. hat damit keinen Zwang auf den Kläger aus geübt, der dem Kläger die Möglichkeit genommen hätte, seinen Willen überhaupt zu betätigen. Von gewaltsamer Wegnahme, der der Kläger nicht hätte widersprechen können, ist nicht die Rede. Der Kläger war auch nicht durch die Anwesenheit des Polizeibeamten so unter Druck gesetzt, dass er keinen Widerstand zu leisten hätte wagen dürfen. Er hatte nach seinem eigenen Vortrag "zuvor fruchtlose Einwendungen erhoben und im Laufe der Vorgänge erklärt, er werde gegen die Beschlagnahmeverfügung Beschwerde einlegen". Hatte also der Kläger die Möglichkeit, einen freien Willen zu äussern, der nicht nur äusserlich als solcher erschien, sondern tatsächlich auf einer dem Kläger zurechenbaren Ehtschliessung beruhte, so kommt es darauf an, ob der Kläger einen solchen rein tatsächlichen Willen auf Besitzübertragung zum Ausdruck gebracht hat.

86

Ein den Willen des Klägers ausschliessender Zwang könnte zum anderen von dem beigezogenen Polizeibeamten ausgegangen sein. Soweit der Polizeibeamte in rechtmässiger Vollstreckung gehandelt hätte, würde es auf den Willen des Klägers überhaupt nicht ankommen, da, wie oben bereits ausgeführt, durch einen solchen Vollstreckungsakt der Wille des Klägers ersetzt worden wäre. Unter welchen Voraussetzungen ein vom Polizeibeamten ausgeübter Zwang als "ordnungsmässiger Vollstreckungsakt" anzusehen ist, bedarf hier deshalb keiner Prüfung, weil das Berufungsgericht nicht feststellt, dass der Polizeibeamte überhaupt Zwang ausgeübt hat. Nach der unbestrittenen Darstellung des Klägers ist der Polizeibeamte nur als Begleiter des "Begünstigten" O. erschienen, ohne den Kläger zur Herausgabe aufgefordert oder gar den Wagen mit Gewalt fortgenommen zu haben; er war daher selbst nicht unmittelbar beteiligt. Seine Anwesehheit könnte nur in Verbindung mit dem "Begünstigten" O. dazu führen, dass eine willentliche Besitzübergabe des Klägers trotz dessen äusserer Mitwirkung nicht als vorliegend angesehen werden konnte.

87

Es bleibt noch zu erörtern, welche Rechtswirkungen einer bloss duldenden Mitwirkung zukommen. Hinsichtlich der Handlungen des Klägers, die erforderlich sind, um sein Einverständnis mit der Besitzübertragung anzunehmen, genügt ein Geschehenlassen nicht schlechthin. So spricht auch das Reichsgericht in Recht 1912 Nr. 1313 zwar im Leitsatz davon, ein Abhandenkommen liege nicht vor, wenn der Gläubiger die Fortschaffung durch den Gerichtsvollzieher zulasse in der irrigen Annahme, zur Duldung der Amtshandlungen verpflichtet zu sein; in den Gründen wird aber ausgeführt, der Besitzer habe sich mit der Fortschaffung "einverstanden gezeigt"; woraus dieses "Einverständnis" in tatsächlicher Beziehung entnommen wird, ist aus der abgedruckten Entscheidung allerdings nicht ersichtlich, insbesondere nicht, dass es etwa allein in dem Geschehenlassen der Fortnahme gesehen worden ist. Andererseits kann dieses Einverständnis bereits in einem Unterlassen liegen: lässt der Ehemann, dem im Ehescheidungsprozess durch einstweilige Verfügung aufgegeben ist, die Wohnung und bestimmte Möbel der Frau zu überlassen, weitere Gegenstände in der von ihm geräumten Wohnung, so sind ihm diese Gegenstände nicht abhandengekommen (RGRK Aufl. 9 §935 Anm. 4; RG vom 2. Dezember 1924 - VI 104/24 -).

88

2.)

Das angefochtene Urteil lässt nicht klar erkennen, ob das Berufungsgericht von den im Vorstehenden entwickelten Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist. Das Berufungsgericht führt zunächst aus, der die Inanspruchnahme des Wagens aussprechende Verwaltungsakt vom 3. Dezember 1946 und die in ihm entwickelte originäre Eigentumsübertragung hinsichtlich des Wagens seien absolut nichtig. Es fährt dann fort, der Wagen sei daher dem Kläger dadurch, dass ihm der Besitz hieran entzogen worden sei, im Sinne des §935 Abs. 1 BGB "abhandengekommen". Dieser Satz ist kaum anders zu verstehen als dahin, dass bei "nichtiger Inanspruchnahmeverfügung" immer ein Abhandenkommen vorliege. Nach dem oben Ausgeführten kommt es aber nicht auf die Nichtigkeit des Kausalgeschäfts, sondern allein darauf; an, ob die Besitzübertragung ohne den Willen des Eigentümers erfolgt ist. Die nach Ansicht des Berufungsgerichts nichtige Inanspruchnahmeverfügung enthält aber zunächst nur das hier nicht interessierende Kausalgeschäft. Das angefochtene Urteil legt die Vermutung nahe, dass das Berufungsgericht die unterschiedliche Bedeutung des fehlenden Willens für Eigentumsübertragung und für Besitzübertragung nicht erkannt hat.

89

Das Berufungsgericht führt dann weiter aus, davon, dass der Kläger den Wagen "freiwillig" an O. herausgegeben habe, könne nach seinem eigenen Vorbringen keine Rede sein; er habe vielmehr die Herausgabe des Wagens an den Begünstigten O., der sich dabei auf die "Beschlagnahmeverfügung" berufen habe, abgelehnt und habe sich erst dann gefügt, als der Begünstigte O. zum zweiten Male mit einem Polizeibeamten bei ihm erschienen sei, um die Herausgabe des Fahrzeugs mit obrigkeitlicher Gewalt durchzusetzen.

90

Unrichtig ist allerdings die Ansicht der Revision, bereits die vom Berufungsgericht getroffene "Feststellung", der Kläger habe sich schliesslich "gefügt", stehe einem Abhandenkommen entgegen. In diesem Ausdruck "gefügt" kann enthalten sein, der Kläger habe die Fortnahme des Wagens ohne eigene Mitwirkung geschehen lassen; es kann aber darin auch liegen, er habe sein Einverständnis mit der Besitzübergabe durch Mitwirken zum Ausdruck gebracht.

91

Die Ausführungen des Berufungsgerichts reichen aber nicht aus. Sie lassen nur erkennen, dass das Berufungsgericht ein Abhandenkommen deshalb annimmt, weil der Kläger den Wagen nicht "freiwillig" herausgegeben hat. Worin aber das Berufungsgericht den Mangel des freien auf Besitzübertragung gerichteten Willens erblickt, ist nicht ersichtlich. Es wird weder das Vorliegen eines unwiderstehlichen physischen oder psychischen Zwanges noch eine zwangsweise Fortnahme ohne jede Mitwirkung des Klägers festgestellt. Es fehlt überhaupt an klaren Feststellungen, ob und in welcher Weise der Kläger bei der Übergabe mitgewirkt hat. Deshalb ist auch nicht erkennbar, ob das Berufungsgericht bei Verneinung eines Willens zur Besitzübergabe von dem rechtlichen oder tatsächlichen Willen des Klägers ausgegangen ist.

92

Es fehlt weiter an der Auseinandersetzung mit den Einzelheiten des Sächvorbringens des Klägers in seinem Schriftsatz vom 9. April 1949 auf Seite 2. Die dort erwähnte Ankündigung der Beschwerde gegen die "Beschlagnahmeverfügung" brauchte einem Einverständnis mit der Wegnahme nicht entgegen zu stehen, weil beides nebeneinander bestehen kann. Auch die "fruchtlosen Einwendungen" brauchen, wenn sie sich gegen die Beschlagnahmeverfügung richteten, nicht gegen dieses Einverständnis mit der Übergabe des Wagens zu sprechen, denn auch bei Unbegründetheit der Beschlagnahme, gegen die Einwendungen erhoben werden, kann man bereit sein, sich dem einstweilen zu fügen und die Sache freiwillig herauszugeben. Wenn diese Einwendungen sich aber gerade gegen die Fortnahme richten, so schliessen sie ein Einverständnis mit der Besitzübertragung aus. Doch kann ein anfänglicher Widerstand gegen die Besitzübertragung durch einen neuen Willensentschluss aufgegeben werden. Dieser wird allerdings regelmässig nicht schon im blossen Öffnen der Garagentür zu erblicken sein. Diese Handlung kann auch erfolgt sein, um eine gewaltsame Eröffnung und damit eine mögliche Beschädigung der Garagentür zu vermeiden; in diesem Falle würde darin ein Einverständnis mit der Übergabe des Wagens nicht ohne weiteres erblickt werden können. Wenn der Kläger aber unbestritten vorträgt, er habe alsdann "den Wagen freiwillig übergeben", so liegt es nahe, darin ein Einverständnis mit der Besitzübertragung zu erblicken.

93

Es kann zweifelhaft sein, ob in dieser Wendung eine Tatsachenbehauptung oder, wie das Berufungsgericht offenbar annimmt, eine rechtliche Würdigung des tatsächlichen Vorganges zu erblicken ist. Wird diese Wendung als reiner Tatsachenvortrag des Klägers angesehen, so kommt darin zum Ausdruck, dass der Kläger durch Tätigwerden die Übergabe mitbewirkt hat; mindestens liegt dann aber darin, dass er, selbst wenn er keine Übergabehandlungen vorgenommen, so doch zu erkennen gegeben hat, und zwar nicht nur durch Geschehenlassen der Fortnahme, er sei mit dem Besitzübergang einverstanden. Wenn der Ausdruck "freiwillig übergeben" als rechtliche Wertung verstanden würde, wie es das Berufungsgericht offenbar will, wäre eine Auseinandersetzung mit den dieser rechtlichen Würdigung zugrunde liegenden Tatsachen erforderlich gewesen. Derartige Ausführungen lässt das angefochtene Urteil aber vermissen.

94

Die bisherigen Feststellungen rechtfertigen auch nicht etwa die Annahme, der Kläger habe unter dem Druck eines "besitzstörerischen" Verhaltens des Begünstigten O. gehandelt. Besitzstörungen hat der Begünstigte O. weder durch Herausverlangen des Wagens noch durch das Erscheinen in Begleitung eines Polizeibeamten begangen, solange der Polizeibeamte nichts unternommen hat. Die blosse Anwesenheit des Beamten kann in Verbindung mit dem Herausverlangen des Wagens durch den Begünstigten O. noch nicht als Eingriff in den Besitz und damit nicht als dessen Störung angesehen werden. Darin liegt zwar eine Belästigung des Klägers, aber keine irgendwie geartete Besitzentziehung oder Störung. Ob das gleiche auch dann gelten würde, wenn der Beamte den Wagen herausverlangt hätte, ist Tatfrage. Dieses Tätigwerden des Begünstigten O. und des Beamten könnte möglicherweise nur das Motiv für das Handeln des Klägers gewesen sein; er braucht dadurch nicht aus seinem Besitz gedrängt worden zu sein, sondern kann sich entschlossen haben, im Hinblick auf diesen vielleicht nicht besitzstörerischen Druck den Besitz zu übergeben. Es kann also ein Übergabewille vorgelegen haben, der trotz des Druckes nach dem oben Ausgeführten einem Abhandenkommen entgegensteht.

95

Es hätte vor allem der Aufklärung bedurft, auf Grund welcher Tatsachen der Kläger von einer "freiwilligen" verausgabe des Wagens spricht. Erst dann wäre es möglich gewesen, die Bedeutung eines etwaigen Besitzübertragungswillens des Klägers zu würdigen.

96

Auch mit der vom Berufungsgericht zur Frage des Abhandenkommens gegebenen Begründung kann auf Grund der bisherigen Tatsachenfeststellungen das angefochtene Urteil daher nicht aufrechterhalten werden.

97

V.

Bei der Prüfung, ob das klagabweisende Urteil aus anderen Gründen gehalten werden kann, ist der Senat stark eingeengt, weil das Berufungsgericht den Sachverhalt nur aus dem Gesichtspunkt geprüft hat, ob ein Ersatzanspruch bei einem Dritten besteht.

98

Die Klage könnte schon jetzt abgewiesen werden, wenn sich aus dem unstreitigen bezw. aus dem festgestellten Sachverhalt ergäbe, dass der Kläger andere Ersatzansprüche gegen Dritte als die auf Herausgabe des Wagens hätte. Solche Ansprüche sind vom Berufungsgericht, von seinem Rechtsstandpunkt aus, d.h. bei Bejahung von Herausgabeansprüchen gegenüber dem jetzigen Besitzer, durchaus zu Recht nicht erörtert worden. Die Parteien, insbesondere der für das Nichtvorhandensein solcher Ansprüche behauptungs- und beweispflichtige Kläger, haben dazu nichts vorgetragen. Es liegt aber ausserordentlich nahe, dass solche Ansprüche in gewissem Umfange gegen den "Begünstigten" O. gegeben sind.

99

Bei Nichtigkeit der Inanspruchnahmeverfügung wäre zu prüfen, ob ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§812 BGB) gegeben ist, weil O. durch die - hier ja unterstellte - Besitzübertragung "etwas" vom Kläger "ohne rechtlichen Grund" erlangt hätte. Ist die Inanspruchnahmeverfügung dagegen nicht nichtig, sondern nur anfechtbar, so würden Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung entfallen, da der anfechtbare Verwaltungsakt bis zu seiner Vernichtung durch Aufhebung oder Widerruf wirksam bleibt und das Gericht bindet. In diesem Falle und im Falle, dass der Verwaltungsakt voll wirksam ist, hatte der Kläger jedoch Ansprüche aus dem Reichsleistungsgesetz gegen den "Begünstigten" O. (§27 RLG). Diese Ansprüche mindern nicht etwa den Schaden aus der Amtspflichtverletzung, denn die Amtspflichtverletzung wird gerade in dem angeblich unzulässigen Erlass der Beorderungsverfügung und in dem damit verbundenen Entzug des Eigentums, nicht in einer zu geringen Entschädigung für diese Eigentumsentziehung erblickt. Entschädigungsansprüche aus dem Reichsleistungsgesetz geben daher dem Verletzten die Möglichkeit, ganz oder wenigstens zum Teil Ersatz für die Amtspflichtverletzung zu erlangen. Diese fallen daher unter die Vorschrift des §839 Abs. 1 Satz 2 BGB. Wieweit diese Ansprüche wegen Versäumung der Anmeldungsfrist des §27 Abs. 1 Satz 4 RLG erloschen sind, wäre zu prüfen. Auf die Streitfrage, ob diese Ansprüche trotz Fristversäumung geltend gemacht werden können (vgl. BayerVerfGH VerwRspr 1, 125), braucht hier nicht eingegangen zu werden. Selbst wenn jetzt solche Ansprüche wegen Fristversäumung nicht mehr, geltend gemacht werden könnten, so bedürfte es doch in tatsächlicher. Beziehung der Prüfung, ob der Kläger durch rechtzeitige Anmeldung die Frist gewährt hat und ob gegebenenfalls das Erlöschen der Ansprüche infolge nicht rechtzeitiger Anmeldung auf ein Verschulden des Klägers zurückzuführen ist. Ob noch ein weiterer Anspruch gegen den O. aus unerlaubter Handlung wegen Erschleichens eines Verwaltungsaktes oder wegen vorsätzlicher Schadenszufügung vorliegt; bedarf im Revisionsrechtszug keiner weiteren Erörterung, da alle derartigen Ansprüche noch tatsächlicher Prüfung bedürften, vor allem auch in der Richtung, ob bei Olst jemals etwas zu holen gewesen wäre.

100

Sollte O. nicht hinreichend klar als "Begünstigter" angegeben sein und sollte daher etwa das Eigentum mangels Bezeichnung eines Begünstigten auf die Bedarfsstelle übergegangen sein, so könnten Ansprüche aus §26 RLG gegen diese bestehen. Auch bei Zahlungsunwilligkeit oder Unfähigkeit des "Begünstigten" O. würde neben diesem die Bedarfsstelle gemäss §26 Abs. 4 RLG für die Entschädigungsforderung haften. Auch insoweit kommt es nicht darauf an, ob diese Ansprüche noch jetzt bestehen; entscheidend ist auch hier, ob das etwaige Erloschen dieser Ansprüche auf ein Verschulden des Klägers zurückzuführen ist.

101

Die Bedarfsstelle, gegen die solche Ersatzansprüche bestehen oder bestanden haben, ist nun allerdings im vorliegenden Falle die Beklagte selbst. Dieser Umstand steht aber der Anwendung des §839 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht entgegen. Auch die Möglichkeit, von dem wegen Amtspflicht Verletzung in Anspruch genommenen öffentlich-rechtlichen Dienstherrn auf Grund anderer Bestimmungen Ersatz zu verlangen, schliesst eine Klage aus Amtspflichtverletzung aus. Der Dienstherr haftet über Art. 131 WeimVerf bezw. Art. 34 GrundG nur anstelle seines "Beamten". Dieser Beamte haftet aber für eine schuldhafte Amtspflichtverletzung auch dann nicht, wenn der Kläger auf Grund von Ansprüchen gegen den Dienstherrn dieses Beamten Ersatz zu erlangen vermag. Da der Dienstherr dem Kläger gegenüber voll an die Stelle des Beamten getreten ist, kommt ihm auch in gleichem Umfange wie dem Beamten der Schutz des §839 Abs. 1 Satz 2 BGB zugute. Der Sinn dieser Vorschrift geht dahin: die häufig schwierige Prüfung, ob eine schuldhafte Amtspflichtverletzung gegeben ist, soll nur dann erfolgen, wenn keine andere Ersatzmöglichkeit mehr besteht. Dieser Grund für den Ausschluss der Ansprüche aus Amtspflichtverletzung besteht aber auch dann, wenn der Dienstherr in Anspruch genommen wird und ausser diesen streitigen Ansprüchen andere Ansprüche gegen den Dienstherrn bestehen, die dem durch die angebliche Amtspflichtverletzung Geschädigten anderweitige Ersatzmöglichkeiten gewähren.

102

Das Vorliegen derartiger Ansprüche gegen die Beklagte würde, bis ihre Höhe ziffernmässig klargestellt ist (vgl. oben II), einen Anspruch aus Amtspflichtverletzung auch gegen die Beklagte ausschliessen.

103

Ob Ersatzansprüche des Klägers in den genannten Richtungen vorliegen, die einer Klage aus Amtspflichtverletzung gemäss §839 Abs. 1 Satz 2 BGB entgegenstehen, bedarf mithin noch weiterer tatsächlicher Aufklärung, so dass auch nicht im Hinblick auf diese etwaigen Ansprüche die Entscheidung des Berufungsgerichts aufrechterhalten werden kann.

104

Irgendeine weitere Möglichkeit, schon jetzt das die Klage abweisende Urteil des Berufungsgerichts mit einer anderen Begründung aufrecht zu erhalten, ist nicht ersichtlich.

105

Das angefochtene Urteil war, soweit es Ansprüche aus Amts Pflichtverletzung wegen der angeblichen Ansprüche auf Herausgabe gegen den derzeitigen Besitzer im Hinblick auf §839 Abs. 1 Satz 2 BGB abweist, aufzuheben. Die Sache war insoweit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

106

Eines Eingehens auf die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe dem Kläger durch einen Verstoss gegen die Aufklärungspflicht des §139 ZPO die Möglichkeit genommen, im Berufungsrechtszug vorzutragen, der jetzige Besitzer des Wagens sei ihm unbekannt, bedarf es bei dieser Sachlage nicht mehr; der Kläger hat infolge der Zurückverweisung des Rechtsstreits in die Tatsacheninstanz ohne weiteres ausreichend Gelegenheit, diese neuen Tatsachen vorzutragen.

107

VI.

1.)

Die Revision rügt Verletzung des Art. 14 GrundG, da das Berufungsgericht für die Ansprüche aus dem Reichsleistungsgesetz den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt hat.

108

Gemäss §27 Abs. 3 Satz 4 RLG ist hinsichtlich der Festsetzung der Ansprüche "auf Vergütung oder Entschädigung" nach dem Reichsleistungsgesetz der Rechtsweg ausgeschlossen. Unter Berufung auf Art. 14 Abs. 3 Satz 4 Grund G, wonach wegen der Höhe der Enteignungsentschädigung im Streitfall der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen steht, wird die Ansicht vertreten, dass für die Ansprüche "auf Vergütung oder Entschädigung" nach dem Reichsleistungsgesetz der Ausschluss des Rechtsweges gemäss §27 Abs. 3 Satz 4 RLG durch diese Verfassungsbestimmung beseitigt und der Rechtsweg vor den Zivilgerichten eröffnet sei (Naumann DVerw 1950, 629 f; OVG Hamburg MDR 1950, 504, 568 [OVG Hamburg 24.04.1950 - Bf II 482/49];  1951, 124 [OVG Hamburg 25.08.1950 - Bf I 227/50]; VerwGH Stuttgart BB 1950, 102; LG Hamburg MDR 1951, 360 [LG Hamburg 16.02.1951 - 3 OH 24/51]). Zum gleichen Ergebnis kommen unter Berufung auf entsprechende Bestimmungen von Länderverfassungen der Bayerische Verfassungsgerichtshof in VerwRspr 1, 125 und der Badische Staatsgerichtshof in VerwRspr. 2, 129 [133/4].

109

Dass unter Rechtsweg "vor den ordentlichen Gerichten" in Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GrundG im Anschluss an die Ausdrucksweise der Weimarer Verfassung, insbesondere auch in deren Art. 153 Abs. 2 der Rechtsweg vor den Zivilgerichten zu verstehen ist (RGZ 119, 296 [300]; 124, 173 [176]), hat der Senat in anderem Zusammenhang bereits in BGHZ 2, 274[BGH 04.06.1951 - III ZR 120/50] ausgeführt. Insbesondere wird das auch dadurch erhärtet, dass das Grundgesetz nunmehr nicht nur der Wortfassung nach zwischen "Rechtsweg" (Art. 19 Abs. 4 Satz 1) und "ordentlichem Rechtsweg" (Art. 14 Abs. 3 Satz 4; Art. 19 Abs. 4 Satz 2; Art. 34 Satz 3), sondern auch inhaltlich unterscheidet, da es in Art. 19 den "Rechtsweg" schlechthin ausdrücklich neben den "ordentlichen Rechtsweg" stellt, indem es zunächst für Ansprüche aus Verletzung der Rechte durch die öffentliche Gewalt den "Rechtsweg" öffnet und sodann bestimmt, dass, soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, der "ordentliche Rechtsweg" gegeben ist. Naumann (a.a.O.) bestätigt dieses Ergebnis, auf Grund der Entstehungsgeschichte des Art. 14 Abs. 3 Satz 4 aus den Protokollen über die Beratungen des Parlamentarischen Rates bezw. von dessen Ausschüssen.

110

Eine Inanspruchnahme "zur Verfügung" nach dem Reichsleistungsgesetz stellt auch eine Enteignung dar. Der Art. 14 GrundG bestimmt zwar mit dem Art. 153 WeimVerf nicht völlig überein. Es herrscht jedoch Einigkeit darüber, dass dem Art. 14 GrundG der Enteignungsbegriff wie er von der Rechtsprechung des Reichsgerichts zu Art. 153 WeimVerf entwickelt wurde (Anschütz WeimVerf 4. Aufl. Art. 153 Anm. 6-9), zu Grunde liegt (Mangoldt, Das Bonner Grundgesetz Art. 14 Anm. 5; Kommentar zum Bonner Grundgesetz Art. 14 Anm. 15). Im übrigen handelt es sich bei der Entziehung des Eigentums geradezu um einen Fall der "klassischen" Enteignung, so dass es nicht der Heranziehung des erweiterten Enteignungsbegriffs bedarf, um diese Entziehung des Eigentums als Enteignung anzusehen.

111

Allerdings vertritt das Oberlandesgericht Frankfurt (Recht des Kraftfahrers 1950, 174) die Ansicht, die Entziehung des Eigentums sei in Wahrheit nicht Inhalt der Inanspruchnahmeverfügung, sondern lediglich eine Folge der erst mit der Besitzübertragung vollzogenen Inanspruchnahme. Es folgert daraus, auch bei Inanspruchnahme zur Verfügung erstrebe der Verwaltungsakt nicht etwa eine Rechtsentziehung und Rechtsbegründung, sondern lediglich die Entziehung des Besitzes des Betroffenen zugunsten eines Dritten. Es kann dahingestellt bleiben, ob aus diesen Erwägungen der Enteignungscharakter einer Inanspruchnahme zur Verfügung überhaupt zu verneinen wäre, wie es das Oberlandesgericht Frankfurt will. Denn bereits die vom Oberlandesgericht als Ausgangspunkt vertretene Rechtsansicht, der Eigentumsübergang trete erst mit der Übergabe ein, ist unrichtig, wie oben unter III, 1 ausgeführt wurde. Fällt damit aber der Ausgangspunkt der Erwägungen des Oberlandesgerichts Frankfurt weg, so entfallen damit auch die daraus hergeleiteten Einwände gegen die Beurteilung einer Inanspruchnahme zur Verfügung als Enteignung.

112

Der Umstand, dass das Reichsleistungsgesetz in §26 Abs. 1 einen Anspruch auf "Vergütung" und in §26 Abs. 3 einen Anspruch auf "Entschädigung" gewährt, kann nicht dahin gedeutet werden, dass nur die "Entschädigung" des §26 Abs. 3 eine "Entschädigung" im Sinne des Art. 14 GrundG ist. Vielmehr enthält auch die "Vergütung" des §26 Abs. 1 RLG eine solche "Entschädigung", weil regelmässig gerade diese "Vergütung" den vom Grundgesetz verlangten Ersatz für die durch die Enteignung erfolgte Entziehung darstellt.

113

Ist aber die hier allein zu entscheidende Frage, ob eine Inanspruchnahme "zur Verfügung" nach dem Reichsleistungsgesetz eine Enteignung im Sinne des Grundgesetzes ist, zu bejahen, so ist für die aus dieser Enteignung erwachsenden Entschädigungsansprüche der Rechtsweg vor den Zivilgerichten gegeben. Art. 14 GrundG enthält nicht nur einen Programmsatz, sondern eröffnet für alle Streitigkeiten über die Höhe der Enteignungsentschädigung den Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten. Damit hebt er entgegenstehende Bestimmungen älterer Gesetze auf und eröffnet auch hinsichtlich der in ihnen geregelten Enteignungsentschädigungen den Rechtsweg. Es handelt sich also nicht darum, ob durch den Ausschluss des Rechtswegs in §27 Abs. 3 Satz 4 RLG der Art. 14 GrundG verletzt wird. Einer Anrufung des Verfassungsgerichts gemäss Art. 100 GrundG bedarf es daher nicht.

114

Zuzugeben ist besonders Clemens (MDR 1950, 588), dass sich aus dieser Abänderung des Reichsleistungsgesetzes durch das Grundgesetz ein unerwünschtes Nebeneinanderstehen von Zivil- und Verwaltungsgerichtsbarkeit für einen Teil der Entschädigungsansprüche des §26 Abs. 3 RLG und zahlreiche weitere erhebliche Zweifelsfragen anderer Art ergeben können. Bereits Naumann (DVerw 1950, 629) und die angeführten Urteile des Oberverwaltungsgerichts Hamburg haben Wege zur Behebung eines Teiles dieser Zweifelsfragen gewiesen, jedoch bedarf es hier eines näheren Eingehens darauf nicht, weil diese Schwierigkeiten nur darauf beruhen, dass der Verfassungsgesetzgeber durch die in Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GrundG allgemein ausgesprochene Eröffnung des Rechtsweges für alle Ansprüche aus Enteignungsentschädigung in bereits bestehende Gesetze, wie z.B. das Reichsleistungsgesetz, eingegriffen und deren systematischen Aufbau zerstört hat, ohne entsprechende Überleitungs und Änderungsanordnungen für jene Gesetze zu treffen. Daraus darf aber keinesfalls der Schluss gezogen werden, die Inanspruchnahme nach dem Reichsleistungsgesetz sei keine Enteignung. Bereits bei Erlass des Reichsleistungsgesetzes wurde von Hedemann (DJ 1939, 1520/1) die Inanspruchnahme nach dem Reichsleistungsgesetz im Gegensatz zu den Beschlagnahmen des §25 RLG als Enteignung bezeichnet. Es wurde von ihm gefordert, wegen der bei den Enteignungsentschädigungen auftretenden schwierigen Rechtsfragen die allmähliche Wiederheranziehung des ordentlichen Rechtsweges ernsthaft ins Auge zu fassen. Mit Recht weist Naumann (a.a.O. S. 632/3) darauf hin, dass diese Schwierigkeiten nur durch den Verfassungsgesetzgeber selbst wieder beseitigt werden können.

115

Mithin ist für Ansprüche aus dem Reichsleistungsgesetz, die eine Entschädigung für eine Enteignung enthalten, die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs vor den Zivilgerichten gegeben.

116

2.)

Dem steht auch nicht der Umstand entgegen, dass es sich hier um Entschädigungsansprüche aus Enteignung en handelt, die vor Inkrafttreten des Bonner Grundgesetzes ergangen sind. Es handelt sich bei der Vorschrift des Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GrundG betreffend die Eröffnung des Rechtswegs um eine prozessuale Vorschrift. Nach einhelliger Auffassung von Rechtsprechung und Schrifttum, der sich der Senat in dem insoweit in BGHZ 2, 273[BGH 04.06.1951 - III ZR 120/50] nicht veröffentlichten Urteil vom 4. Juni 1951 - III ZR 120/50 - angeschlossen hat, sind derartige Bestimmungen, auch wenn sie erst nach Erlass des Berufungsurteils ergangen sind, im Revisionsrechtszuge anzuwenden. Erst recht sind diese Bestimmungen dann anzuwenden, wenn schon bei Beginn des Verfahrens oder in den Tatsacheninstanzen der Rechtsweg für diese Ansprüche eröffnet worden ist, und zwar gleichgültig, ob es sich materiell um Ansprüche aus der Zeit vor oder nach Eröffnung des Rechtswegs handelt (im Ergebnis ebenso OVG Hamburg MDR 1950, 506 [OVG Hamburg 07.02.1950 - Bf I 607/49] und 569).

117

3.)

Fraglich ist, ob der nach dem Reichsleistungsgesetz Leistungspflichtige vor Anrufung der Zivilgerichte zunächst das in §§26-27 c RLG vorgesehene Entschädigungs-Festsetzungsverfahren vor den Verwaltungsbehörden betreiben muss. Naumann (a.a.O. 632) und Landgericht Hamburg (MDR 1951, 360 [LG Hamburg 16.02.1951 - 3 OH 24/51]) sehen diese Festsetzung der Entschädigung durch die Verwaltungsbehörde als Voraussetzung für die Beschreitung des Rechtswegs an, sozusagen als einen "Vorbescheid", ohne dessen Vorliegen der Rechtsweg unzulässig ist, während das Oberverwaltungsgericht Hamburg (MDR 1951, 122 [OVG Hamburg 25.08.1950 - Bf. I 227/50] [124]) diese Frage dahingestellt lässt; auch Clemens (MDR 1950, 591) wirft sie nur auf, ohne sie zu beantworten.

118

Dass gewisse Zweckmässigkeitserwägungen (Fernhalten unnötiger Klagen von den Gerichten in analoger Anwendung der Regelung bei anderen Enteignungsgesetzen, wie etwa §30 des Preussischen Gesetzes, über die Enteignung von Grundeigentum vom 11. Juni 1874) dafür sprechen, die Eröffnung des Rechtswegs von der vorherigen Festsetzung der Entschädigung durch die Verwaltungsbehörden abhängig zu machen, ist sicher richtig. Es muss auch zugegeben werden, dass durch Art. 14 GrundG nur die Bestimmung über den Ausschluss des Rechtswegs in §27 Abs. 3 Satz 4 RLG beseitigt ist, nicht dagegen die weiteren Bestimmungen über die Festsetzung der Entschädigung und über deren Vollstreckung durch die Verwaltungsbehörde. Die Zulässigkeit einer derartigen Festsetzung durch die Verwaltungsbehörde kann sicherlich auch trotz der Bestimmung des Art. 14 GrundGüber die Eröffnung des Rechtswegs aufrecht erhalten werden, wie das Reichsgericht für ähnliche Bestimmungen bereits mehrfach entschieden hat. Eine solche Zulässigkeit eines vorhergehenden Verfahrens vor den Verwaltungsbehörden bedingt aber nicht zwingend, dass eine Klage erst nach einer solchen Festsetzung möglich wäre. Das ergibt sich bereits daraus, dass der Gesetzgeber selbst einem solchen verwaltungsmässigen Festsetzungsverfahren die verschiedensten Wirkungen im Hinblick auf die Zulässigkeit des Rechtswegs gegeben hat (vgl. die Zusammenstellung bei Stein-Jonas ZPO Aufl. 17 vor §1 Anm. II D Ziff. 1 u. 2 S. 15/16). Gewisse Ansprüche können nur nach einem Vorbescheid der obersten Dienstbehörde geltend gemacht werden; in anderen Fällen ist die Entscheidung des Streites zunächst einer Verwaltungsstelle zuzuweisen und der ordentlichen Rechtsweg als Rechtsbehelf gegen die Verwaltungsentscheidung gewährt; teils ist der Rechtsweg erst offen, wenn ein dem gütlichen Ausgleich dienendes Verwaltungsverfahren durchgeführt ist; in manchen Fällen ist die vorherige Anrufung der Verwaltungsbehörde freigestellt; in anderen hat die Verwaltung die Befugnis, einen Rechtsstreit ganz oder teilweise an sich zu ziehen; gelegentlich bestehen Bindungen der Gerichte an Verwaltungsentscheidungen.

119

Es bedarf daher in jedem Einzelfalle der Prüfung, welche Wirkungen einem solchen verwaltungsmässigen Vorverfahren nach dem Willen des Gesetzgebers zukommen.

120

Dabei kann der Umstand, dass keine Frist für die Beschreitung des Rechtswegs besteht, einen Anhalt dafür geben, dass die vorherige Anrufung der Verwaltungsbehörde lediglich freigestellt ist; denn in Fällen, in denen erst der Vorbescheid den Rechtsweg eröffnet, ist regelmässig eine solche Frist zur Beschreitung des Rechtswegs gegeben, z.B. in §143 DBG. Jedoch kann auch aus diesem Zustand hier nichts zwingend gefolgert werden, da die Entschädigungsfestsetzung der Verwaltungsbehörde zu ihrer vollen Wirksamkeit nicht erst der Feststellung bedarf, dass sie nicht mit Klage vor den Zivilgerichten angefochten wird, sondern gemäss §27 b RLG jederzeit vollstreckt werden kann.

121

Wenn Naumann (a.a.O. 632) meint, Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GrundG setze eine Festsatzungsverfügung der Behörden geradezu als Prozessvoraussetzung voraus, so kann ihm nicht gefolgt werden. In Art. 14 ist nur "von einem Streitfall wegen der Höhe der Entschädigung" die Rede; ein solcher Streitfall liegt aber nicht nur nach vorangegangener verwaltungsmässiger Festsetzung der Entschädigung, sondern immer dann vor, wenn die Beteiligten über die Höhe der Entschädigung streiten. Auch der Hinweis auf das bisherige Landesenteignungsrecht, wonach das Vorliegen einer Festsetzungsverfügung der Verwaltungsbehörden geradezu Prozessvoraussetzung gewesen sein soll, greift nicht durch. So ist z.B. im Preussischen Enteignungsgesetz, das in §30 "von der Beschreibung des Rechtsweges gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde über die Entschädigung" spricht, also den vorhandenen Erlass dieser Entscheidung vorauszusetzen scheint, in §16 vorgesehen, dass "die Festsetzung der Entschädigung nach den Vorschriften dieses Enteignungsgesetzes oder je nach Verabredung der Beteiligten sofort im Rechtswege erfolgt". Daraus hat die Rechtsprechung hergeleitet, der Rechtsweg sei auch dann ohne eine verwaltungsmässige Festsetzung der Entschädigung zulässig, wenn der durch die Enteignung begünstigte Unternehmer sich ohne eine solche Festsetzung auf die Klage eingelassen habe (RG in JW 1895, 365), und sogar dann, wenn der Unternehmer zu erkennen gegeben habe, dass er eine verwaltungsmässige Festsetzung der Entschädigung auf keinen Fall anerkennen werde (RG in JW 1901, 357). Die Durchführung des verwaltungsmässigen Festsetzungsverfahrens kann daher nicht schlechthin als Voraussetaung der Eröffnung des Rechtswegs für Ansprüche auf gerichtliche Festsetzung der Enteignungsentschädigung angesehen werden (vgl. weitere Entscheidungen, bei Eger, Preussisches Enteignungsgesetz Aufl. 3 §30 Anm. 236 S. 292). Ist aber nicht einmal in diesem Gesetz die Einholung des Vorbescheides eine von Amts wegen zu prüfende Voraussetzung der Zulässigkeit des Rechtsweges, so kann etwas derartiges erst recht nicht mit Naumann (a.a.O.) analog auf die Regelung des Reichsleistungsgesetzes übertragen werden, selbst dann nicht, wenn in anderen weniger bedeutungsvollen Enteignungsgesetzen, wie z.B. in §12 Abs. 2 des Preussischen Gesetzes betreffend Ilassnahmen zur Verhütung von Hochwassergefahr in der Provinz Schleswig vom 3. Juli 1900 (PrGS. 1900, 171) und im §13 Abs. 3 des Preussichen Gesetzes betreffend die Herstellung und den Ausbau von Wasserstrassen vom 1. April 1905 (PrGS. 1905, 179) mangels ähnlicher Regelungen wie in §16 Preussisches Enteignungsgesetz das Vorliegen einer verwaltungsmässigen Entschädigungsfestsetzung als reine, nicht der Parteiverfügung unterliegende Prozessvoraussetzung geregelt ist.

122

Vielmehr weist das Reichsleistungsgesetz, nach dem es durch Art. 14 Abs. 3 Satz 4 GrundG inhaltlich geändert ist, auch insoweit eine. Lücke auf, weil die Systematik des Gesetzes durchbrochen ist. Es ist infolgedessen nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass die vorhergehende Einholung einer Verwaltungsentscheidung Voraussetzung der Eröffnung des Rechtswegs ist.

123

Der Rechtsweg ist daher für die Ansprüche auf Entschädigung und Vergütung aus dem Reichsleistungsgesetz entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts zulässig, und zwar ohne dass es zuvor der Festsetzung der Entschädigung im Verwaltungsverfahren bedürfte. Das angefochtene Urteil ist daher auch hinsichtlich der Entschädigungsansprüche aus Reichsleistungsgesetz aufzuheben und die Sache auch insoweit zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird deshalb für den Fall, dass die Ansprüche aus Amtspflichtverletzung nicht durchgreifen, die Entschädigungsansprüche aus dem Reichsleistungsgesetz materiellrechtlich prüfen müssen.

124

Das Berufungsgericht wird auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.

Dr. Riese Dr. Delbrück Dr. Pagendarm Dr. Kleinewefers Dr. Bock