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Bundesfinanzhof
Urt. v. 25.09.2014, Az.: III R 5/13
Zulässigkeit des Übergangs von der getrennten zur gemeinsamen Veranlagung
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 25.09.2014
Referenz: JurionRS 2014, 34081
Aktenzeichen: III R 5/13
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Sachsen-Anhalt - 27.01.2011 - AZ: 5 K 2429/04

Fundstellen:

BFH/NV 2015, 811-812

FamRB 2015, 223

StX 2015, 331-332

BFH, 25.09.2014 - III R 5/13

Redaktioneller Leitsatz:

1. Das in § 26 Abs. 1 S.1 EStG normierte Wahlrecht zwischen getrennter Veranlagung und Zusammenveranlagung kann bis zum Eintritt der Bestandskraft der Steuerfestsetzung ausgeübt werden.

2. Die einmal eingetretene Bestandskraft hinsichtlich der Festsetzung der Einkommensteuer hinsichtlich beider Ehegatten wird durch die spätere Zustimmung der Ehefrau zur Zusammenveranlagung nicht überwunden. Denn diese stellt weder eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache i.S. von § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO, noch ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO dar.

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 27. Januar 2011 5 K 2429/04 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

1

I. Die Beteiligten streiten, ob der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1991 des Klägers und Revisionsbeklagten dahin geändert werden muss, dass er mit der Beigeladenen, seiner damaligen Ehefrau, zusammen veranlagt wird.

2

Der Kläger trennte sich im Jahr 1991 (Streitjahr) von der Beigeladenen, von der er später geschieden wurde. In seiner am 20. Oktober 1993 abgegebenen Einkommensteuererklärung für das Jahr 1991 beantragte er die getrennte Veranlagung und wurde insofern antragsgemäß veranlagt. Der Einkommensteuerbescheid für 1991 erlangte Bestandskraft.

3

Mit Schreiben vom 5. Juli 1995, beim damals zuständigen Finanzamt Z eingegangen am 7. Juli 1995, legte der Kläger "Einspruch" gegen alle ihn betreffenden Bescheide ein. Nach mehrmaliger Kontaktaufnahme durch das Finanzamt Z und das 1996 zuständig gewordene Finanzamt O nahm er den Einspruch mit Schreiben vom 28. Oktober 1996 zurück.

4

Nach Auswertung einer Kontrollmitteilung und entsprechend einem Änderungsantrag wurde am 22. Dezember 1997 ein geänderter Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1991 erlassen. Ein Einspruch dagegen wurde vom Kläger nicht eingelegt.

5

Im Jahr 2001 verpflichtete sich die Beigeladene gegenüber dem Kläger in einem Prozessvergleich, der Zusammenveranlagung für das Jahr 1991 zuzustimmen. Am 21. Januar 2002 ging bei dem Finanzamt N ein entsprechendes Schreiben ein. Zu diesem Zeitpunkt waren sowohl die Einkommensteuer des Klägers für das Jahr 1991 als auch die Einkommensteuer der Beigeladenen für das Jahr 1991 bestandskräftig festgesetzt. Der Kläger beantragte am 10. September 2002 die Änderung der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1991 und die Durchführung der Zusammenveranlagung.

6

Das Finanzamt N wies den Änderungsantrag mit Bescheid vom 6. Mai 2004 zurück und bestätigte diese Entscheidung mit Einspruchsentscheidung vom 23. November 2004. Es war der Ansicht, einem Wechsel der Veranlagungsart stünden sowohl die eingetretene Bestandskraft als auch die ebenfalls eingetretene Festsetzungsverjährung entgegen.

7

Auf die hiergegen erhobene Klage hin verpflichtete das Finanzgericht (FG) das Finanzamt N, einen "Einkommensteueränderungsbescheid für das Jahr 1991 unter Berücksichtigung der Zusammenveranlagung des Klägers mit seiner damaligen Ehefrau zu erteilen". Es behandelte das als "Einspruch" bezeichnete Schreiben des Klägers vom 5. Juli 1995 als dahingehenden Änderungsantrag. Durch den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 22. Dezember 1997 sei die Bestandskraft überwunden worden und der Änderungsantrag "in die Begründung hineingewachsen". Zudem sei gemäß § 169 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) keine Verjährung eingetreten, weil über den Änderungsantrag vom 5. Juli 1995 nicht entschieden worden sei, so dass auch das Ergebnis des Prozessvergleichs aus dem Jahr 2001 noch zu berücksichtigen gewesen sei.

8

Hiergegen wendet sich das Finanzamt Z mit der vom Senat zugelassenen Revision. Im Wesentlichen macht es geltend, das Schreiben des Klägers vom 5. Juli 1995 hätte vom FG als Einspruch und nicht als Änderungsantrag behandelt werden dürfen. Jedenfalls habe es sich durch die Rücknahme am 28. Oktober 1996 erledigt. Zudem sei es in Bezug auf die Veranlagungsform nicht geeignet gewesen, die Bestandkraft zu durchbrechen.

9

Das Finanzamt beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

11

Er verteidigt das angefochtene Urteil und vertritt zudem die Auffassung, die Zustimmung der Beigeladenen zur Zusammenveranlagung sei als rückwirkendes Ereignis zu behandeln.

12

Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.

13

II. Während des Revisionsverfahrens wurden die Finanzämter N und Z zum Finanzamt X zusammengelegt (Runderlass des Ministeriums der Finanzen des Landes Sachsen-Anhalt vom 22. April 2013, BStBl I 2013, 724). Das Finanzamt X trat damit aufgrund gesetzlichen Parteiwechsels in die Stellung als Beklagter und Revisionskläger ein (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs —BFH— vom 22. August 2007 X R 2/04, BFHE 218, 533, BStBl II 2008, 109, [BFH 22.08.2007 - X R 2/04] unter II.1.).

III.

14

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Es kann dahinstehen, ob hinsichtlich der Einkommensteuer des Klägers für das Jahr 1991 am 10. September 2002 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war. Unabhängig vom Ablauf der Festsetzungsfrist stand jedenfalls die Bestandskraft der Einkommensteuerbescheide für das Jahr 1991, die auf der getrennten Veranlagung sowohl des Klägers als auch der Beigeladenen beruhten, einer Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 1991 entgegen.

15

1. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann das in § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG normierte Wahlrecht zwischen getrennter Veranlagung (§ 26a EStG) und Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) bis zum Eintritt der Bestandskraft der Steuerfestsetzung ausgeübt werden (Senatsurteile vom 19. Mai 2004 III R 18/02, BFHE 206, 201, BStBl II 2004, 980, [BFH 19.05.2004 - III R 18/02] unter II.1.b; vom 30. August 2012 III R 40/10, BFH/NV 2013, 193, Rz 16).

16

2. Bei Eingang des Antrags des Klägers auf Zusammenveranlagung vom 10. September 2002 waren sowohl der Kläger als auch die Beigeladene bestandskräftig getrennt zur Einkommensteuer für das Jahr 1991 veranlagt.

17

a) Nach den Feststellungen des FG wurde der letzte dem Kläger 1998 zugegangene Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1991, in dem der Kläger getrennt veranlagt wurde, nicht mehr angefochten.

18

Das Schreiben des Klägers vom 5. Juli 1995 konnte die dadurch eingetretene Bestandskraft dieses Bescheids nicht hindern. Dabei kann dahinstehen, ob das Schreiben als Einspruch oder als Antrag auf Durchführung der Zusammenveranlagung zu behandeln ist. Die von dem Schreiben vom 5. Juli 1995 ausgehenden Rechtswirkungen wurden jedenfalls durch die Rücknahme vom 28. Oktober 1996 beseitigt. Eine Auslegung des Schreibens vom 28. Oktober in dem Sinne, dass ein etwa in dem Schreiben vom 5. Juli 1995 enthaltener Antrag auf Zusammenveranlagung aufrechterhalten werden sollte, ist nicht möglich.

19

b) Dass auch die Beigeladene getrennt zur Einkommensteuer für das Jahr 1991 veranlagt worden ist und dass diese Veranlagung bestandskräftig wurde, ergibt sich aus der Einspruchsentscheidung des Finanzamts N und ist im Übrigen nicht streitig. Der Inhalt der Einspruchsentscheidung ist Gegenstand der vom FG nach § 118 Abs. 2 FGO getroffenen tatsächlichen Feststellungen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 10. Mai 1968 VI R 7/66, BFHE 92, 333, BStBl II 1968, 589; vom 14. Januar 1986 VII R 111/79, BFH/NV 1986, 384, unter II.2.b; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 118 Rz 37).

20

3. Die hinsichtlich beider Einkommensteuerfestsetzungen für das Jahr 1991 eingetretene Bestandskraft wurde durch die spätere Zustimmung der Beigeladenen zur Zusammenveranlagung nicht überwunden. Diese Zustimmung stellt weder eine nachträglich bekannt gewordene Tatsache (§ 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) noch ein rückwirkendes Ereignis (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) dar.

21

a) Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 AO wegen neu bekannt gewordener Tatsachen scheidet aus, wenn sich die fraglichen Tatsachen erst nach Bekanntgabe der Steuerfestsetzung ereignet haben und der Finanzbehörde in diesem Zeitpunkt nicht schon bekannt sein konnten (BFH-Urteil vom 2. April 1998 V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695 [BFH 02.04.1998 - V R 34/97]). So verhält es sich im Streitfall. Die Zustimmung zur Zusammenveranlagung wurde gegenüber dem FA erst 2002 nach Erlass des letzten Einkommensteuerbescheids für das Jahr 1991 erklärt.

22

b) Auch eine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO wegen des Eintritts eines rückwirkenden Ereignisses kommt nicht in Betracht. Der Senat erkannte zwar in mehreren Entscheidungen die Wahl einer bestimmten Veranlagungsart oder deren Änderung durch einen Ehegatten für den anderen Ehegatten als rückwirkendes Ereignis an, weil die Wahl bzw. deren Änderung durch den einen Ehegatten sich auf die gesetzlichen Voraussetzungen der Veranlagung des anderen, bereits bestandskräftig veranlagten Ehegatten auswirke (vgl. Senatsurteile vom 3. März 2005 III R 22/02, BFHE 209, 454, BStBl II 2005, 690, [BFH 03.03.2005 - III R 22/02] unter II.2.; vom 28. Juli 2005 III R 48/03, BFHE 210, 393, BStBl II 2005, 865, unter II.2.a; vom 15. Dezember 2005 III R 49/05, BFH/NV 2006, 933, unter II.1.).

23

In den Fällen, die diesen Entscheidungen zugrunde lagen, war allerdings die Einkommensteuerfestsetzung des Ehegatten, der die Wahl ausübte bzw. änderte, noch nicht bestandskräftig, so dass dieser Ehegatte sein Veranlagungswahlrecht wirksam ausüben konnte. Dagegen waren im Streitfall beide Ehegatten bestandskräftig getrennt zur Einkommensteuer für das Jahr 1991 veranlagt worden. Daher war eine wirksame Ausübung oder Änderung des Wahlrechts nicht mehr möglich. Eine gleichwohl erklärte Wahl kann sich bei keinem der Ehegatten auf die gesetzlichen Voraussetzungen der Veranlagung auswirken. Dementsprechend stellt sie kein rückwirkendes Ereignis dar.

24

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO. Der Beigeladenen sind keine Kosten aufzuerlegen, da sie keine Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat (§ 135 Abs. 2 FGO).

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