Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesfinanzhof
Urt. v. 07.04.2011, Az.: III R 8/09
Anspruch auf Investitionszulage für bewegliche Wirtschaftsgüter des verarbeitenden Gewerbes mit erhöhtem Zulagensatz von 27,5 v. H. besteht nicht für Tiefkühllager mit installiertem Verschieberegallager; Investitionszulage für bewegliche Wirtschaftsgüter des verarbeitenden Gewerbes bei Tiefkühllager mit installiertem Verschieberegallager
Gericht: BFH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 07.04.2011
Referenz: JurionRS 2011, 16712
Aktenzeichen: III R 8/09
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

FG Mecklenburg-Vorpommern - 26.04.2007 - AZ: 2 K 210/05

Rechtsgrundlagen:

§ 2 Abs. 2 Nr. 1 InvZulG 1999

§ 2 Abs. 7 Nr. 3 InvZulG 1999

§ 68 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BewG

Fundstellen:

BFH/NV 2011, 1187-1188

ErbStB 2011, 188

EStB 2011, 256

HFR 2011, 954-955

KÖSDI 2011, 17536

StuB 2011, 556

StX 2011, 409

BFH, 07.04.2011 - III R 8/09

Redaktioneller Leitsatz:

Für die bei der Herstellung eines Bauwerks, in dem sich ein Tiefkühllager befindet, anfallenden Kosten besteht kein Anspruch auf Investitionszulage für bewegliche Wirtschaftsgüter des verarbeitenden Gewerbes (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 InvZulG 1999), für die unter den weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 7 Nr. 3 InvZulG 1999 ein erhöhter Zulagensatz von 27,5 v.H. vorgesehen ist, da das Bauwerk ein Gebäude und damit ein unbewegliches Wirtschaftsgut ist, für das Investitionszulage mit einem Zulagensatz von 15 v.H. zu gewähren ist (§ 2 Abs. 6 Nr. 3 InvZulG 1999).

Gründe

1

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, die sich mit der Herstellung von Speiseeis befasst. In den Jahren 2001 und 2002 erweiterte sie ihre im Fördergebiet belegene Produktionsstätte u.a. um ein Tiefkühllager, in dem das Eis bis zur Auslieferung an den Handel zwischengelagert wird. Darin herrscht eine Temperatur zwischen minus 27 und 30 Grad Celsius. In dem Bauwerk ist ein Verschieberegallager installiert. Die Lagerarbeiten werden mit Hilfe von Gabelstaplern verrichtet, deren Fahrerkabinen beheizt sind. Für gelegentliche Arbeiten außerhalb der Stapler legen die Mitarbeiter Schutzkleidung an.

2

Die Klägerin beantragte für die in den Jahren 2001 und 2002 entstandenen (Teil-)Herstellungskosten des Bauwerks, in dem sich das Tiefkühllager befindet, eine Investitionszulage für bewegliche Wirtschaftsgüter des verarbeitenden Gewerbes. Die darauf entfallende Bemessungsgrundlage belief sich auf 104.828 DM (2001) und 1.112.480 € (2002). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte durch Bescheide vom 11. Dezember 2002 und vom 3. Juli 2003, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen (§ 164 der Abgabenordnung), die Zulage für das Kühllager zunächst mit einem Zulagensatz in Höhe von 27,5 v.H. fest. Dieser ist vorgesehen bei Erstinvestitionen, die der Anspruchsberechtigte nach dem 31. Dezember 2000 begonnen hat und die in Betriebsstätten im Randgebiet nach der Anlage 2 zum Investitionszulagengesetz 1999 (InvZulG 1999) durchgeführt werden (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 7 Nr. 3 InvZulG 1999).

3

Bei einer Außenprüfung, die bei der Klägerin durchgeführt wurde, kam der Prüfer zu der Auffassung, der Baukörper sei keine als bewegliches Wirtschaftsgut zu beurteilende Betriebsvorrichtung, sondern ein Gebäude, das nur mit dem für unbewegliche Wirtschaftsgüter vorgesehenen Zulagensatz von 15 v.H. begünstigt sei (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 6 Nr. 3 InvZulG 1999). Das FA erließ unter dem Datum des 3. Mai 2004 geänderte Bescheide und verminderte die Investitionszulage.

4

Einspruch und Klage hatten hinsichtlich der Zulage für das Tiefkühllager keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 6. April 2005). Während des finanzgerichtlichen Verfahrens erließ das FA unter dem 28. Juli 2006 aus nicht streitbefangenen Gründen einen Änderungsbescheid für das Jahr 2002. Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, bei dem Bauwerk handele es sich um ein Gebäude. Darin sei ein Aufenthalt von Menschen kurzfristig sogar ohne Schutzkleidung möglich. Ob sich die Mitarbeiter der Klägerin mit Schutzkleidung nur maximal für 15 Minuten darin aufhalten könnten, sei nicht entscheidungserheblich, da ein Aufenthalt in den beheizbaren Kabinen der Gabelstapler unbegrenzt möglich sei.

5

Zur Begründung der Revision trägt die Klägerin vor, nach Textziffer 2 des gleichlautenden Erlasses der obersten Finanzbehörden der Länder zur Abgrenzung des Grundvermögens von den Betriebsvorrichtungen vom 15. März 2006 (BStBl I 2006, 314) müsse ein Gebäude so beschaffen sein, dass man sich darin nicht nur vorübergehend aufhalten könne. Bauwerke, in denen eine besonders hohe oder niedrige Temperatur herrsche und die keinen Aufenthalt von Menschen oder nur einen kurzfristigen Aufenthalt mit Schutzkleidung zuließen, seien nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) keine Gebäude. Auch habe der BFH entschieden, dass ein automatisches Hochregallager eine Betriebsvorrichtung sei, weil es sich nicht für den Aufenthalt von Menschen eigne (BFH-Urteil vom 18. März 1987 II R 222/84, BFHE 150, 62, BStBl II 1987, 551). Das Tiefkühllager sei mit einem Hochregallager zu vergleichen, abgesehen davon, dass die Ladevorgänge mit Hilfe von Gabelstaplern durchgeführt würden. Das FG habe verkannt, dass es sich bei der beheizbaren Fahrerkabine eines Gabelstaplers um ein geschlossenes System handele.

6

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Investitionszulage für das Jahr 2001 unter Änderung des Bescheids vom 3. Mai 2004 sowie der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 6. April 2005 um 6.699,72 € und die Investitionszulage für das Jahr 2002 unter Änderung des Bescheids vom 28. Juli 2006 um 139.060,03 € zu erhöhen.

7

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Anders als bei einem automatischen Hochregallager sei in dem Tiefkühllager der Klägerin der Aufenthalt von Menschen erforderlich, um den Lagerprozess durchführen und kontrollieren zu können. Der Gebäudeeigenschaft stehe auch nicht entgegen, dass Menschen sich nur in Schutzkleidung darin aufhalten könnten.

9

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

10

II.

Die Revision ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zutreffend einen Anspruch der Klägerin auf Investitionszulage für bewegliche Wirtschaftsgüter des verarbeitenden Gewerbes (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 InvZulG 1999), für die unter den weiteren Voraussetzungen des § 2 Abs. 7 Nr. 3 InvZulG 1999 ein erhöhter Zulagensatz von 27,5 v.H. vorgesehen ist, verneint. Das Bauwerk, in dem sich das Tiefkühllager befindet, ist ein Gebäude und damit ein unbewegliches Wirtschaftsgut, für das Investitionszulage mit einem Zulagensatz von 15 v.H. zu gewähren ist (§ 2 Abs. 6 Nr. 3 InvZulG 1999).

11

1.

Die Abgrenzung der als bewegliche Wirtschaftsgüter zu behandelnden Betriebsvorrichtungen von Gebäuden, die als unbewegliche Wirtschaftsgüter zu beurteilen sind, richtet sich auch im Investitionszulagenrecht nach bewertungsrechtlichen Gesichtspunkten (Senatsurteil vom 13. Dezember 2001 III R 21/98, BFHE 198, 160, BStBl II 2002, 310).

12

a)

Zu den beweglichen Wirtschaftsgütern zählen nach § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes Maschinen und sonstige Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), auch wenn sie wesentliche Bestandteile sind. Der Begriff der Betriebsvorrichtung umfasst nicht nur Maschinen und maschinenähnliche Anlagen, sondern alle Teile einer Betriebsanlage, die in einer so engen Beziehung zu dem ausgeübten Gewerbebetrieb stehen, dass dieser unmittelbar mit ihnen betrieben wird (vgl. BFH-Urteile vom 11. Dezember 1991 II R 14/89, BFHE 166, 176, BStBl II 1992, 278, m.w.N., und vom 11. Juni 1997 XI R 77/96, BFHE 183, 455, BStBl II 1997, 774). Grundvermögen, auch Gebäude, gehören allgemein nicht zu den beweglichen Wirtschaftsgütern. Bei der Abgrenzung der Gebäude von den Betriebsvorrichtungen ist vom Gebäudebegriff auszugehen, weil Gebäude grundsätzlich zum Grundvermögen gehören und demgemäß ein Bauwerk, das als Gebäude zu betrachten ist, nicht Betriebsvorrichtung sein kann (vgl. BFH-Urteile vom 28. Mai 2003 II R 41/01, BFHE 202, 376, BStBl II 2003, 693, m.w.N., und vom 9. Juli 2009 II R 7/08, BFH/NV 2009, 1609).

13

b)

Für die Einordnung eines Bauwerks als Gebäude ist entscheidend, ob es alle, nicht nur einzelne Begriffsmerkmale aufweist. Ein Bauwerk ist ein Gebäude, wenn es Menschen oder Sachen durch räumliche Umschließung Schutz gegen Witterungseinflüsse gewährt, den Aufenthalt von Menschen gestattet, fest mit dem Grund und Boden verbunden, von einiger Beständigkeit und ausreichend standfest ist (BFH-Urteil in BFHE 202, 376, [BFH 28.05.2003 - II R 41/01] BStBl II 2003, 693). Für das Merkmal "Gestattung des Aufenthalts von Menschen" kommt es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht darauf an, dass das Bauwerk zum Aufenthalt von Menschen bestimmt ist (BFH-Urteil vom 30. Januar 1991 II R 48/88, BFHE 163, 236, BStBl II 1991, 618). Allerdings muss darin ein mehr als nur vorübergehender Aufenthalt möglich sein (BFH-Urteile in BFHE 150, 62, [BFH 18.03.1987 - II R 222/84] BStBl II 1987, 551, und vom 15. Juni 2005 II R 67/04, BFHE 210, 52, BStBl II 2005, 688). Der Gebäudeeigenschaft steht nicht entgegen, wenn sich Menschen nur in Schutzkleidung darin aufhalten können. Bauwerke, in denen wegen extremer Bedingungen während des laufenden Betriebs ein Aufenthalt von Menschen nicht oder nur kurzfristig mit Schutzkleidung möglich ist, sind keine Gebäude (BFH-Urteil in BFHE 163, 236, [BFH 30.01.1991 - II R 48/88] BStBl II 1991, 618). Die Eignung zu einem mehr als nur vorübergehenden Aufenthalt fehlt, wenn in dem Bauwerk kontinuierlich ablaufende Betriebsvorgänge stattfinden, die den Aufenthalt von Menschen überhaupt nicht oder nur während kurzer Betriebspausen zulassen (BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 1609).

14

c)

Die Frage, ob ein Bauwerk als Gebäude oder als Betriebsvorrichtung zu beurteilen ist, kann nur unter Würdigung des Einzelfalls beantwortet werden; der Verkehrsanschauung kommt nur dann Bedeutung zu, wenn Zweifel bestehen, ob ein bestimmtes Merkmal des Gebäudebegriffs vorliegt. Eine Korrektur des Gebäudebegriffs im Einzelfall unter Heranziehung einer angeblich in Bezug auf das gesamte Bauwerk bestehenden Verkehrsanschauung kommt hingegen nicht in Betracht (Senatsurteil vom 13. Juni 1969 III 17/65, BFHE 96, 57, BStBl II 1969, 517).

15

2.

Im Streitfall ist ein Aufenthalt von Menschen in dem Tiefkühllager während des laufenden Betriebs nicht nur möglich, sondern sogar erforderlich. Er ist integraler Bestandteil des Betriebsablaufs (s. BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 1609). Anders als in dem durch das BFH-Urteil in BFHE 150, 62, BStBl II 1987, 551 entschiedenen Fall handelt es sich hier nicht um ein automatisches Hochregallager, in dem der Aufenthalt von Menschen während des laufenden Betriebs nicht vorgesehen ist, sondern um einen Lagerraum, in dem die Lagerarbeiten von Menschen verrichtet werden, ohne die der Betrieb des Tiefkühllagers nicht möglich wäre. Deshalb ist nicht entscheidungserheblich, dass das Tiefkühllager während der weit überwiegenden Arbeitszeit von den Mitarbeitern der Klägerin nicht betreten, sondern "befahren" wird (vgl. hierzu den BFH-Beschluss vom 11. Januar 2002 II B 13/01, BFH/NV 2002, 760). Sogar wenn die klägerische Behauptung zutreffen sollte, dass außerhalb der Gabelstapler trotz Schutzkleidung nur ein vorübergehender Aufenthalt von Menschen möglich ist, gestatten dennoch die beheizbaren, für den Betrieb des Lagers unabdingbaren Fahrzeuge einen längeren Aufenthalt. Auch nach der Verkehrsanschauung ist das Merkmal "Gestattung des Aufenthalts von Menschen" erfüllt. Obwohl die Fahrer der Gabelstapler ihre Tätigkeit hauptsächlich von den abgeschlossenen Kabinen aus verrichten, ändert dies nichts daran, dass sie sich dabei "im Tiefkühllager" aufhalten.

Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.