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Verkehrssicherungspflicht - Bäume

Normen

§ 823 BGB

Information

1 Allgemein

Pflicht zur Vermeidung eines Schadens durch von Bäumen ausgehende Gefahren.

Der Eigentümer bzw. der von ihm Beauftragte ist verpflichtet, den Eintritt von Personen- oder Sachschäden durch herabstürzende Bäume oder Äste zu vermeiden. Dabei reicht nach der Rechtsprechung zunächst eine Sichtprüfungskontrolle vom Boden aus.

In der Entscheidung OLG Hamm 15.04.2010 - I-6 U 160/09 hat der gerichtliche Sachverständige bei Bäumen im Straßenbereich eine zweimalige Baumkontrolle im Jahr und bei Bäumen im Waldbestand eine einmalige Kontrolle für erforderlich bzw. ausreichend gehalten.

Verhindert werden muss nicht eine abstrakte, sondern nur die konkrete Gefahr. Erst wenn Anzeichen auf eine Krankheit bzw. eine Bruchgefährdung bestehen, ist der Verkehrssicherungspflichtige verpflichtet, den Baum genauer zu untersuchen und gegebenenfalls zu fällen oder einzelne Äste zu schneiden.

Das "Visual Tree Assessment" ist eine Methode zur Baumkontrolle, mit der der Baumbruch baumschonend ermittelt werden kann.

2 Inhalt der Verkehrssicherungspflicht

Gemäß § 14 BWaldG sowie den Waldgesetzen der Länder ist jedermann das Betreten des Waldes zum Zwecke der Erholung gestattet. Dabei sind das Radfahren, das Fahren mit Krankenfahrstühlen und das Reiten im Walde nur auf Straßen und Wegen gestattet. Die Benutzung geschieht auf eigene Gefahr.

Hintergrund ist, dass sich die Waldbesitzer immer stärker in einer juristisch vorgegebenen Zwickmühle befinden: Einerseits wird der Druck der Erholung Suchenden auf den Wald immer stärker, neue Erholungsformen wie z.B. Mountainbiking führen zu veränderten Gefährdungssituationen. Andererseits steigt durch Umwelteinflüsse (Immissionen, Klimawandel) die Instabilität der Wälder und es bestehen Vorgaben des Europäischen Natur- und Artenschutzrechtes, die den Waldbesitzern u.a. vorgeben, zum Schutz und zur Erhaltung der Biodiversität vermehrt abgestorbene Bäume im Bestand zu belassen.

Dadurch sind die Waldbesitzer durch Vorschriften im Sinne des Gemeinwohles mehr und mehr gezwungen, gefährliche Situationen zu dulden oder gar zu schaffen, unterliegen hierfür aufgrund des Besucherdruckes aber einem erhöhten Haftungsrisiko aus der Verkehrssicherungspflicht. Die Rechtsprechung zeigt, dass der ganz überwiegende Teil der vor Gericht verhandelten Schadensfälle durch umstürzende Bäume oder herabfallendes Totholz oder Kronenteile verursacht wird. Im Gegensatz zu jedem anderen Grundeigentümer ist es dem Waldbesitzer aber verwehrt, seinen Verkehrssicherungspflichten nachzukommen, indem er Besuchern den Zutritt zu seinen Flächen verwehrt.

In den Entscheidungen BGH 02.10.2012 - VI ZR 311/11, OLG Saarbrücken 26.11.2015 - 4 U 64/14 und OLG Hamm 30.03.2007 - 13 U 62/06 wurde die Verkehrssicherungspflicht des Waldeigentümers wie folgt konkretisiert:

  1. a)

    Verkehrssicherungspflicht bei dem Betreten des Waldes:

    Eine Haftung des Waldbesitzers für waldtypische Gefahren ist ausgeschlossen. Die Verkehrssicherungspflicht erstreckt sich somit nur auf atypische Gefahren.

    • "Zu den typischen Gefahren des Waldes, gegen die der Waldbesitzer Waldwege grundsätzlich nicht sichern muss, zählen solche, die sich aus der Natur oder der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Waldes unter Beachtung der jeweiligen Zweckbestimmung ergeben (...). Zu den typischen Gefahren des Waldes können herabhängende Äste (...) oder die mangelnde Stand- oder Bruchfestigkeit von Bäumen gehören."

      Typische Waldgefahren gehören zu dem vom Waldbesucher übernommenen Risiko, der Waldbesuch erfolgt auf dessen eigene Gefahr. Mit natürlichen Gefahren muss derjenige, der sich in die Natur begibt, stets rechnen.

      Seitens der öffentlichen Hand ergibt sich die Pflicht, zur Abwehr der von Bäumen ausgehenden Gefahren diejenigen Maßnahmen zu treffen, die einerseits zum Schutz gegen Astbruch erforderlich, andererseits unter Berücksichtigung des umfangreichen Baumbestandes zumutbar sind. Dazu reicht im Regelfall eine in angemessenen Abständen vorgenommene äußere Sichtprüfung, bezogen auf die Gesundheit und die Standsicherheit des Baumes aus. Hierzu sind regelmäßige Kontrollen vorzunehmen. Eine eingehende fachmännische Untersuchung ist nur dann vorzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die der Erfahrung nach auf eine besondere Gefährdung hindeuten.

    • "Atypische Gefahren sind alle nicht durch die Natur oder durch die Art der Bewirtschaftung mehr oder weniger zwangsläufig vorgegebenen Zustände, insbesondere vom Waldbesitzer geschaffene oder geduldete Gefahren, die ein Waldbesucher nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und auf die er sich nicht einzurichten vermag, weil er nicht mit ihnen rechnen muss (...). Dazu können etwa (nicht waldtypische) Hindernisse, die einen Weg versperren, oder nicht gesicherte Holzstapel gehören."

  2. b)

    Verkehrssicherungspflicht für an eine öffentliche Straße grenzende Bäume:

    Soweit das Waldgrundstück eines Eigentümers an eine öffentliche Straße angrenzt, besteht eine Sicherungspflicht des Baumbestandes, von dem Gefahren für den Verkehr auf dem angrenzenden öffentlichen Weg oder der öffentlichen Straße ausgehen können, zur Vermeidung schädlicher Einwirkung auf die Verkehrsteilnehmer durch umstürzende Bäume.

    Der Eigentümer des an einer öffentlichen Straße liegenden Waldgrundstücks ist mit Rücksicht auf den Straßenverkehr verpflichtet, schädliche Einwirkungen auf die Verkehrsteilnehmer durch umstürzende Bäume zu vermeiden. Hier gelten dann die für die Sicherheit von Straßenbäumen entwickelten Grundsätze für eine äußere Sichtprüfung bezogen auf die Gesundheit und Standsicherheit zweimal jährlich im belaubten und unbelaubten Zustand.

3 Eichenprozessionspinner

Der VGH Bayern hat einen Bescheid anerkannt, mit dem der Grundstückseigentümer zur fachkundigen Entfernung der Gespinstnester des Eichenprozessionsspinners auf der befallenen Eiche auf seinem Grundstück verpflichtet wurde (VGH Bayern 11.06.2019 - 10 CS 19/684).

4 Beweislast

Nach einer Entscheidung des BGH 04.03.2004 - III ZR 225/03 muss der Anspruchsteller bei der unterlassenen Ausübung der Verkehrssicherungspflicht nachweisen, dass bei der ordnungsgemäßen Überprüfung des Baumes der Schaden entdeckt worden wäre.

Die Verkehrssicherungspflichtigen genügen ihrer Sicherungs- und Überwachungspflicht, wenn sie - außer der stets gebotenen regelmäßigen Beobachtung auf trockenes Laub, dürre Äste, Beschädigungen oder Frostrisse - eine eingehende Untersuchung dort vornehmen, wo besondere Umstände - wie das Alter des Baums, sein Erhaltungszustand, die Eigenart seiner Stellung oder sein statischer Aufbau oder Ähnliches - sie dem Einsichtigen angezeigt erscheinen lassen (BGH 06.03.2014 - III ZR 352/13).

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