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Verein - Mildtätiger Zweck

 Normen 

§§ 51 - 68 AO

 Information 

1. Allgemein

Eine der drei in § 51 AO aufgeführten Möglichkeiten zur Inanspruchnahme von Steuervergünstigungen.

2. Voraussetzung der Mildtätigkeit

Ein Verein verfolgt gemäß der gesetzlichen Definition des § 53 AO einen mildtätigen Zweck, wenn

  • seine Tätigkeit darauf gerichtet ist, hilfebedürftige Personen selbstlos zu unterstützten

    und

  • einer der in den Nummern 1 und 2 aufgeführten Sachverhalte vorliegt.

Verbindliche Informationen über die Anwendung der gesetzlichen Vorgaben in der Praxis erfolgen durch die Rechtsprechung und den "Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO)" zu § 53 AO: Abschnitt 44 AEAO.

Flüchtlinge zählen regelmäßig zu den von § 53 AO erfassten hilfsbedürftigen Personen. Daher ist bei den Tätigkeiten zur Unterbringung, Versorgung, Verpflegung und Betreuung von Flüchtlingen die Prüfung der Voraussetzungen des § 53 AO nicht erforderlich. Aber: Die Einrichtungen dürfen nicht des Erwerbs wegen betrieben werden, § 66 Abs. 2 AO.

3. Selbstlosigkeit / Wirtschaftliche Betätigung

Der mildtätige Zweck erfordert immer eine Selbstlosigkeit der Körperschaft. Eine Begriffsbestimmung ist in § 55 AO geregelt: Danach besteht die Selbstlosigkeit, wenn dadurch nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke - zum Beispiel gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke - verfolgt werden und wenn die weiteren in der Vorschrift genannten Voraussetzungen gegeben sind.

Ist die Tätigkeit einer Körperschaft in erster Linie auf Mehrung ihres eigenen Vermögens gerichtet, so handelt sie nicht selbstlos.

Nach § 55 Abs. 1 AO dürfen sämtliche Mittel der Körperschaft nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden.

Hinweis:

Weitere Erläuterungen zur Anwendung der Selbstlosigkeit in der Praxis sind in dem "Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) 2023" zu finden.

Rechtsprechung:

Der BFH hat in einer aktuellen Entscheidung ausführlich Stellung genommen zu der Frage, wann eine eigenwirtschaftliche Zweckverfolgung vorliegt (BFH 12.05.2022 - V R 37/20):

"Eine Körperschaft verfolgt "in erster Linie" eigenwirtschaftliche Zwecke, wenn sie vorrangig und somit nicht nur nebenbei ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen oder (mittelbar) die ihrer Mitglieder fördert (BFH 22.08.2019 – V R 67/16). Eine Körperschaft kann allerdings grundsätzlich auf Gewinnerzielung ausgerichtete wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhalten, ohne gegen das Gebot der Selbstlosigkeit zu verstoßen. Maßgeblich ist dann, ob das Vermögen der gemeinnützigen Körperschaft zweckgerichtet für die ideellen Zwecke eingesetzt wird und die Einnahmen aus der nicht begünstigten Tätigkeit für die begünstigte Tätigkeit verwendet werden. Wirtschaftliche Tätigkeiten zur Erhöhung der Einkünfte mit dem Ziel, den gemeinnützigen Satzungszweck durch Zuwendungen von Mitteln zu fördern, sind nicht schädlich (BFH 04.04.2007 – I R 76/05). Nicht jede auf Verbesserung der Einkünfte oder des Vermögens gerichtete Tätigkeit führt zum Ausschluss der Selbstlosigkeit. Bei vielen Körperschaften ist die Förderung der Mitglieder oder Gesellschafter notwendiges Nebenprodukt der Tätigkeit. An der Selbstlosigkeit fehlt es erst dann, wenn der Eigennutz der Mitglieder in den Vordergrund tritt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH 27.11.2013 – I R 17/12)."

Vergünstigungen auch nach anderen Gesetzen:

Die Gebührenbefreiungen nach anderen Gesetzen setzen ebenfalls voraus, dass die Angelegenheit nicht einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb betrifft. Das OLG Hamm (30.09.2015 - 15 W 34/13) hat dazu folgende Abgrenzung festgesetzt:

" ...dass die Gebührenbefreiung nur für solche gebührenpflichtigen Vorgänge entfällt, die inhaltlich auf den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sind, also z.B. seiner Gestaltung, Ausgliederung o.ä. dienen. Wohl in diesem Sinne heißt es in der Gesetzesbegründung zu der sachgleichen Vorgängernorm des § 1 Abs.2 des Gesetzes über Gebührenbefreiungen, die Angelegenheiten dürften sich nicht auf den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb "beziehen" (vgl. LTDrs. 1404/1969 S.9). Der Anteil des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs an der Gesamtbetätigung kann danach nur dann Bedeutung haben, wenn er Letztere praktisch dominiert, so dass alle Gestaltungsmaßnahmen vorrangig ihm zugute kommt."

 Siehe auch 

Anfallberechtigte

Ehrenamtliche Tätigkeit

Verein - Gemeinnützigkeit

Verein - Kirchlicher Zweck

Verein - rechtsfähiger

Verein - nichtrechtsfähiger

Verein - Satzungsänderung

Verein - Spendenbescheinigung

Verein - Zweckänderung

Flore/Tsambikakis: Steuerstrafrecht; Kommentar; Print und Online. 3. Auflage 2023