Sachverständige - öffentlich bestellt
1 Allgemein
Der öffentllich-bestellte Sachverständige ist eine der Formen der Sachverständigentätigkeit.
2 Öffentliche Bestellung allgemein
Ein Sachverständiger kann auf Antrag von der Landesregierung oder einer sonst zuständigen Stelle öffentlich bestellt werden. Vorteil der öffentlichen Bestellung ist, dass der Sachverständige in Gerichtsverfahren bevorzugt zu beauftragen ist.
Rechtsgrundlagen der öffentlichen Bestellung sind § 36 Gewerbeordnung sowie die Sachverständigenordnungen der Kammern.
In der Praxis erfolgt die Bestellung zumeist durch die Industrie- und Handelskammer. Dabei haben sich die IHKs auf eine einheitliche Verwaltungs- und Verfahrenspraxis geeinigt, die in der Mustersachverständigenordnung der DIHK geregelt ist.
Weitere für die Bestellung zuständige Institutionen sind z.B. die Handwerkskammern, die Ärztekammern, die Landwirtschaftskammern oder Architektenkammern. Die Kammern haben sich ebenfalls Sachverständigenordnungen gegeben, in denen die Bestellungsvoraussetzungen vorgegeben sind.
Allgemeine Voraussetzungen einer öffentlichen Bestellung eines Sachverständigen sind gemäß § 36 GewO:
Es besteht ein Bedarf für das Sachgebiet:
Zulässig ist es, die öffentliche Bestellung von einem allgemeinen Bedarf abhängig zu machen. Nicht zulässig ist es nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, die öffentliche Bestellung von der Anzahl der bereits bestellten öffentlichen Sachverständigen abhängig zu machen.
Der Sachverständige kann eine besondere Sachkunde nachweisen:
Besondere Sachkunde wird nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/12784) in der Regel dahin gehend ausgelegt, dass der Sachverständige überdurchschnittliche Kenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten auf einem bestimmten abgrenzbaren Sachgebiet nachweisen kann und dass er in der Lage ist, einen konkreten Streitfall in Gutachtenform nachvollziehbar, nachprüfbar und verständlich zu bearbeiten.
Unter welchen Voraussetzungen der Nachweis der besonderen Sachkunde jeweils als erbracht anzusehen ist, wird in den Rechtsverordnungen nach § 36 Absatz 3 GewO oder Satzungen nach § 36 Absatz 4 GewO bzw. in internen Verwaltungsvorschriften bestimmt. Der Sachkundenachweis erfordert damit in der Regel entweder eine bestimmte berufliche Ausbildung (Ausbildungsnachweis) oder eine spezielle Sachkundeprüfung (Befähigungsnachweis), ggf. auch einschlägige Berufserfahrung und fällt somit unter die Definition der Berufsqualifikation nach der Berufsanerkennungsrichtlinie (Art. 3 Absatz 1 Buchstabe a - c RL 2005/36 ). Die Tätigkeit der öffentlich bestellten Sachverständigen ist damit als reglementierter Beruf im Sinne der Berufsqualifikationen in der EU anzusehen.
Es bestehen keine Bedenken gegen die Eignung.
Zulässig ist es, die öffentliche Bestellung von einem allgemeinen Bedarf abhängig zu machen. Nicht zulässig ist es nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, die öffentliche Bestellung von der Anzahl der bereits bestellten öffentlichen Sachverständigen abhängig zu machen.
Der Sachverständige wird darauf vereidigt, dass er seine Sachverständigenaufgabe unabhängig, weisungsfrei, persönlich, gewissenhaft und unparteiisch erfüllt.
3 Altersgrenze
Das Bundesverwaltungsgericht hat nunmehr entschieden (BVerwG 01.02.2012 - 8 C 24/11), dass eine in den Sachverständigenordnungen der Industrie- und Handelskammern festgesetzte generelle Höchstaltersgrenze für alle öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen unzulässig ist.
Hinweis:
Das ein Jahr zuvor ergangene anderslautende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG 26.01.2011 - 8 C 45/09) wurde vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben (BVerfG 24.10.2011 - 1 BvR 1103/11).
Aber diese Rechtsprechung ist nicht absolut: Die Gewährleistung der Bausicherheit ist ein legitimes Ziel, das für Prüfsachverständige für die Prüfung technischer Anlagen und Einrichtungen die Festsetzung einer generellen Höchstaltersgrenze von 68 Jahren rechtfertigen kann (BVerwG 11.05.2016 - 10 C 2/15).
4 Öffentliche Bestellung EU/EWR-Bewerber
Die öffentliche Bestellung ist nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/12784) als Genehmigung im Sinne der Dienstleistungs-Richtlinie anzusehen.
Gemäß § 36a GewO gelten für die der Dienstleistungs-Richtlinie unterliegenden Bewerber folgende Grundsätze:
- a)
Ausbildungs- und Befähigungsnachweise:
Bei der Bewertung der besonderen Sachkunde sind die ausländischen Ausbildungs- und Befähigungsnachweise anzuerkennen.
- b)
Nachweis der besonderen Sachkunde:
Der Nachweis der besonderen Sachkunde ist anzuerkennen, wenn der Bewerber in seinem Herkunftsstaat zur Ausübung von Tätigkeiten berechtigt ist, die dort Personen vorbehalten sind, die über eine besondere Sachkunde verfügen, und in diesen Staaten mit der öffentlichen Bestellung von Sachverständigen in Deutschland vergleichbare Regelungen bestehen.
In Staaten, in denen die öffentliche Bestellung von Sachverständigen nicht geregelt ist und auch keine vergleichbaren Regelungen existieren, ist die besondere Sachkunde von Antragstellern grundsätzlich anzuerkennen, wenn diese in ihrem Herkunftstaat in zwei der letzten zehn Jahre als Sachverständiger vollzeitlich tätig gewesen sind und sich aus den von ihnen vorgelegten Nachweisen ergibt, dass sie über eine der besonderen Sachkunde im Sinne des § 36 GewO vergleichbare Sachkunde verfügen.
Sofern die besondere Sachkunde nach den oben genannten Grundsätzen abzulehnen ist, kann gemäß § 36a Absatz 2 GewO dem Antragsteller nach seiner Wahl eine Eignungsprüfung oder ein Anpassungslehrgang auferlegt werden.
- c)
Eignung des Bewerbers:
Sofern der Bewerber bereits in seinem Herkunftstaat außerhalb der Sachkunde liegende Anforderungen erfüllt hat, sind diese gemäß § 36a Absatz 3 GewO nicht nochmals nachzuprüfen.
Nach der Gesetzesbegründung kann es sich dabei um Anforderungen wie Unparteilichkeit, Gewissenhaftigkeit oder Zuverlässigkeit handeln. Die Regelung solcher Anforderungen ist von der Berufsanerkennungsrichtlinie nicht abschließend erfasst. Hierfür sind deshalb die Regelungen der Dienstleistungsrichtlinie maßgebend.
Das Verfahren ist in § 36a Absatz 4 GewO geregelt. Danach hat die zuständige Behörde dem Bewerber binnen eines Monats den Eingang seiner Unterlagen zu bestätigen und ihm mitzuteilen, ob ggf. noch Unterlagen nachzureichen sind.
Das Verfahren muss innerhalb von drei Monaten abgeschlossen sein, in begründeten Fällen kann die Frist um einen Monat verlängert werden.
Sofern die Behörde weitere Auskünfte benötigt oder sie Zweifel an der Echtheit der Unterlagen hat, kann sie sich direkt an die zuständigen Behörden des Herkunftstaats des Bewerbers wenden. Die dafür benötigte Zeit wird dabei der Verfahrensfrist von drei Monaten hinzugerechnet.