Parteivernehmung
1 Im Zivilprozess
1.1 Allgemein
Beweismittel im Zivilprozessrecht.
Die Parteivernehmung im Zivilprozess dient der Aufklärung vergangener Tatsachen und Zustände. Sie ist subsidiär und dient ausschließlich dem Hauptbeweis, kann also nicht gegenbeweislich angeboten werden. Grundsätzlich gehen einer Parteivernehmung andere Beweismittel vor, insbesondere der Zeugenbeweis.
Die Parteivernehmung ist von der Anhörung der Partei nach Anordnung des persönlichen Erscheinens gemäß § 141 ZPO abzugrenzen. Der Beweiswert ist bei beiden gleich.
Beispiel:
Eine Partei kann den Inhalt eines allein zwischen den Parteien stattgefundenen Gesprächs im Wege der Parteivernehmung oder im Wege der Parteianhörung nach § 141 ZPO beweisen (BAG 22.05.2007 - 3 AZN 1155/06).
1.2 Formen
Es sind drei Arten der Parteivernehmung zu unterscheiden:
Die Vernehmung des Gegners auf Antrag der beweispflichtigen Partei gemäß § 445 ZPO.
Die Parteivernehmung auf Antrag der (eigenen) Parteien gemäß § 447 ZPO (mit Zustimmung des Gegners).
Die Parteivernehmung von Amts wegen gemäß § 448 ZPO.
Die Parteivernehmung von Amts wegen kann bei Vorliegen folgender Voraussetzungen angeordnet werden:
Nichtausreichen der Ergebnisse der bisherigen Beweisaufnahme und Erforderlichkeit zur Begründung des Beweisergebnisses § 448 ZPO.
Voraussetzung für eine Parteivernehmung der beweispflichtigen Partei ist, dass für die zu beweisende Tatsache aufgrund einer vorausgegangenen Beweisaufnahme oder des sonstigen Verhandlungsinhalts eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (BAG 14.11.2013 - 8 AZR 813/12).
Vorliegen der Voraussetzungen einer Schätzungsvernehmung gemäß § 287 ZPO.
In Ehe- und Kindschaftssachen gemäß § 128 FamFG und § 159 FamFG:
Der Richter soll die Anhörung an einem anderen Ort, möglichst einem dem Kind vertrauten Ort, ausführen.
Bezüglich des Verfahrens bestehen folgende weitere Vorgaben (OLG Frankfurt am Main 12.07.2022 - 1 UF 240/21):
"Im Rahmen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks nach § 159 FamFG bedarf es der expliziten Wahrnehmung des Kindes als eigenständige Persönlichkeit durch das Gericht, was auch damit einhergeht, dass das Kind zumindest kurz in seinem Verhalten beobachtet wird, um so auch Rückschlüsse auf seine Befindlichkeit ziehen zu können."
"Auch zum Ergebnis der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks ist ein Vermerk zu fertigen, in welchem die wesentlichen Vorgänge aufzunehmen sind (§ 28 Abs. 4 Satz 2 FamFG). Dazu gehört es auch, dass der persönliche Eindruck vom Kind und das Verhalten des Kindes im Vermerk geschildert und den Beteiligten hierzu rechtliches Gehör gewährt wird."
Die Anordnung der Parteivernehmung erfordert gemäß § 450 ZPO einen Beweisbeschluss, die Vernehmung ist gemäß § 160 Abs. 3 ZPO zu protokollieren. Die Partei wird durch das Gericht geladen, im Falle der Mittellosigkeit hat sie einen Anspruch auf Reisekostenentschädigung. Im Unterschied zur Zeugenaussage ist die Partei berechtigt, sowohl die Aussage als auch die Vereidigung zu verweigern. Beides unterliegt jedoch der freien Beweiswürdigung des Gerichts.
1.3 Durchführung der Parteivernehmung
Bei der Parteivernehmung handelt es sich nicht um eine förmliche Beweiserhebung, sodass die Anordnung keinen förmlichen Beweisbeschluss erfordert.
1.4 Unterlassen der Parteivernehmung
Eine Partei, die für ein Vier-Augen-Gespräch keine Zeugen hat, ist im Rahmen einer Parteivernehmung gemäß § 448 ZPO Gelegenheit zu geben, ihre Darstellung des Gesprächsverlaufs im Prozess einzubringen. Eine Unterlassung kann die Verletzung des rechtlichen Gehörs begründen (VerfGH Berlin 16.12.2015 - VerfGH 116/15).
1.5 Parteivernehmung in der Berufungsinstanz
"Das Berufungsgericht muss eine in erster Instanz angehörte Partei nochmals anhören, wenn es deren Aussage anders würdigen will als die Vorinstanz. Trägt das Berufungsgericht dem nicht Rechnung, liegt darin ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG" (BGH 25.07.2017 - VI ZR 103/17).
2 Strafprozess / Verwaltungsprozess
Im Strafprozess sind Einlassungen des Angeklagten, insbesondere Geständnisse zulässige Beweismittel.
Die Vernehmung von Beteiligten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist unter denselben einschränkenden Voraussetzungen wie im Zivilprozess zulässig.