Normenkontrollverfahren
1 Begriff
Das Normenkontrollverfahren (gebräuchlich ist auch die Bezeichnung Normenkontrolle oder Normenkontrollklage) ist eine verwaltungsrechtliche Prozessart, bei der die Gültigkeit von Rechtsnormen gerichtlich überprüft wird.
Dabei entscheidet gemäß § 47 VwGO das Oberverwaltungsgericht im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit. Diese Voraussetzung ist nach der Entscheidung BVerwG 18.04.2013 5 CN 1/12 bereits dann gegeben, "wenn sich im Einzelfall verwaltungsgerichtliche Streitigkeiten ergeben können, für die der Verwaltungsrechtsweg gegeben und in denen die angegriffene Norm inzident zu prüfen ist".
Hinweis:
Das Normenkontrollverfahren gemäß § 47 VwGO ist zu unterscheiden von der abstrakten und konkreten Normenkontrolle des Bundesverfassungsgerichts.
Dabei werden auch diese Klagearten teilweise als Normenkontrollverfahren bezeichnet.
Die abstrakte und konkrete Normenkontrolle wird vom Bundesverfassungsgericht bzw. den Landesverfassungsgerichten durchgeführt. Geprüft wird die Vereinbarkeit von Bundes- oder Landesgesetzen mit dem Grundgesetz.
2 Prüfungsschema des Normenkontrollverfahrens
2.1 Zulässigkeit
Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges.
Statthaftigkeit des Verfahrens:
Gegenstand des Verfahrens ist die Überprüfung der Gültigkeit von
Satzungen nach dem BauGB, insbesondere Bebauungspläne
Beispiel:
"Möglicher Gegenstand einer statthaften Normenkontrolle gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO analog ist allein die in den Darstellungen des Flächennutzungsplans zum Ausdruck kommende planerische Entscheidung der Gemeinde, mit der Ausweisung von Flächen für privilegierte Nutzungen nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB an Standorten außerhalb der ausgewiesenen Flächen eintreten zu lassen. Denn nur die Ausschlusswirkung, nicht aber die Ausweisung von Positivflächen entfaltet die einer Rechtsvorschrift vergleichbaren Wirkungen (BVerwG vom 31.01.2013 - 4 CN 1/12). Auf die Ausschlusswirkung ist der Tenor zu begrenzen" (BVerwG 13.12.2018 - 4 CN 3/18).
anderen im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Vorschriften, sofern das Landesrecht dies bestimmt
Antragsbefugnis:
Den Antrag kann gemäß § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, sowie jede Behörde. Für die Antragsbefugnis reicht es demnach nicht aus, wenn die antragstellende Person einen aufgrund der angegriffenen Norm erlittenen oder drohenden Nachteil geltend macht.
Beispiel:
"Ein Grundstückseigentümer ist im Normenkontrollverfahren gegen einen Bebauungsplan antragsbefugt im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, wenn der Plan seinen Gebietserhaltungsanspruch entfallen lässt" (BVerwG 28.09.2022 - 4 BN 6.22).
Zuständiges Gericht:
Sowohl sachlich als auch örtlich und instanziell zuständig ist das Oberverwaltungsgericht des jeweiligen Bundeslandes (Verwaltungsgerichtsbarkeit).
Antragsgegner:
Der Normenkontrollantrag ist gegen die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung zu richten, die die anzugreifende Rechtsvorschrift erlassen hat.
Rechtsschutzbedürfnis:
Der Normenkontrollantrag ist nur zulässig, wenn der Antragsteller ein (allgemeines) Rechtsschutzbedürfnis geltend machen kann. Das ist gegeben, wenn durch die Entscheidung des Gerichts die Rechtsverletzung des Antragstellers noch beseitigt bzw. verhindert werden kann.
Frist:
Der Normenkontrollantrag kann nur innerhalb von einem Jahr nach Bekanntgabe der Vorschrift gestellt werden.
Die Jahresfrist gilt auch dann, wenn der Antragsteller geltend macht, die Rechtsvorschrift sei erst nach ihrer Bekanntmachung infolge einer Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse rechtswidrig geworden (BVerwG 22.07.2013 - 7 BN 1/13).
In dem obigen Urteil haben die Richter die Frage ausdrücklich offen gelassen, welche Bedeutung dem Fristerfordernis im Fall von Normenkontrollanträgen zukommt, wenn die Feststellung eingetretener Funktionslosigkeit eines Bebauungsplans beantragt wird.
2.2 Begründetheit
Die Normenkontrolle ist begründet, wenn die Norm nicht mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Eine eigene Rechtsverletzung des Klägers ist nicht erforderlich. Dabei kommen folgende Möglichkeiten in Betracht:
Fehlen einer Ermächtigungsgrundlage
Überschreiten der Grenzen der Ermächtigungsgrundlage
Vorliegen eines Verfahrensfehlers
Vorliegen eines Verstoßes gegen ein Grundrecht
3 Beispiele
Zur inzidenten Kontrolle eines Bebauungsplans (also einer Satzung nach § 10 BauGB) kommt es dann, wenn die richterliche Entscheidung von der Gültigkeit des Bebauungsplans abhängt, also häufig im Rahmen einer Verpflichtungsklage (Eigentümer greift die ablehnende Bescheidung seines Baugesuchs an) oder einer Anfechtungsklage (Nachbar greift eine erteilte Baugenehmigung mit der Begründung an, die Festsetzung des Bebauungsplanes, auf den sich die Baugenehmigung stütze, sei nichtig).
Eine Inzidentkontrolle mittels einer Anfechtungsklage oder Verpflichtungsklage kommt z.B. in Betracht (nach vorangegangenem Widerspruchsverfahren), wenn ein auf eine Naturschutzverordnung gestützter Verwaltungsakt (z.B. gewässeraufsichtsrechtliche Verfügung, Versagung einer Gestattung oder eine Geldbuße) ergangen ist.
Praktische Bedeutung im Landwirtschaftsrecht hat die Normenkontrolle insbesondere bei der Überprüfung der Gültigkeit eines Bebauungsplans. Der Landwirt, dessen Betrieb an ein im Bebauungsplan vorgesehenes Wohngebiet treffen wird, und der daher mit immissionsschutzrechtlichen Beschränkungen rechnen muss, erleidet durch den Bebauungsplan einen rechtlichen Nachteil und ist klageberechtigt.