Rechtswörterbuch

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Kunstfreiheit

 Normen 

Art. 5 Abs. 3 GG

 Information 

Die Freiheit der Kunst wird in Art. 5 Abs. 3 GG grundrechtlich geschützt.

Es besteht keine allgemein anerkannte Definition der Kunst. Das Bundesverfassungsgericht hat im Laufe der Zeit drei verschiedene Kunstbegriffe entwickelt:

  1. 1.

    Der materielle Kunstbegriff (Mephisto-Entscheidung): Das Wesentliche der künstlerischen Betätigung ist die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers durch das Medium in einer bestimmten Formensprache zur unmittelbaren Anschauung gebracht werden.

  2. 2.

    Der formelle Kunstbegriff: Ein Kunstwerk ist gegeben, wenn es einem bestimmten Werktyp (Malerei, Dichtung, Schauspiel etc.) zugeordnet werden kann.

  3. 3.

    Der offene Kunstbegriff: Kennzeichnend für ein Kunstwerk ist, dass es wegen der Mannigfaltigkeit seines Aussagegehalts möglich ist, der Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiterreichende Bedeutungen zu entnehmen.

Dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG unterliegen sowohl der Werkbereich (d.h. die künstlerische Tätigkeit als solche) als auch der Wirkbereich (die Darstellung/Verbreitung der Kunst).

Die Kunstfreiheit unterliegt keinem Gesetzesvorbehalt, kann daher durch ein Gesetz nicht eingeschränkt werden. Bezüglich der Schranken hat das BVerfG ausgeführt:

"Die Kunstfreiheit ist in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG zwar vorbehaltlos, aber nicht schrankenlos gewährleistet. Die Schranken ergeben sich insbesondere aus den Grundrechten anderer Rechtsträger, aber auch aus sonstigen Rechtsgütern mit Verfassungsrang (...). Es muss sichergestellt sein, dass Personen, die durch Künstler in ihren Rechten beeinträchtigt werden, ihre Rechte auch verteidigen können und in diesen Rechten auch unter Berücksichtigung der Kunstfreiheit einen wirksamen Schutz erfahren. In dieser Situation sind die staatlichen Gerichte den Grundrechten beider Seiten gleichermaßen verpflichtet. Auf private Klagen hin erfolgende Beeinträchtigungen der Kunstfreiheit stellen sich nicht als staatliche "Kunstzensur" dar, sondern sind darauf zu überprüfen, ob sie den Grundrechten von Künstlern und der durch das Kunstwerk Betroffenen gleichermaßen gerecht werden" (BVerfG 28.01.2019 - 1 BvR 1738/16).

Insofern kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Einschränkungen der Kunstfreiheit durch das Bundesverfassungsgericht. Die erste wesentliche Entscheidung war die Mephisto-Entscheidung von 1971, in der durch eine Interessenabwägung mit der Menschenwürde die Kunstfreiheit eingeschränkt wurde. In dem obigen Urteil wurde das Persönlichkeitsrecht als die Kunstfreiheit einschränkendes Recht anerkannt.

 Siehe auch 

Grundrechte

Persönlichkeitsrechte

Wissenschaftsfreiheit

BGH 16.09.2008 - VI ZR 244/07 (Verletzung der Menschenwürde durch ein Theaterstück unter Zugrundelegung einer kunstspezifischen Betrachtung)

BGH 21.06.2005 - VI ZR 122/04 (Interessenabwägung Kunstfreiheit - allgemeines Persönlichkeitsrecht)

BVerfG 06.09.2004 - 1 BvR 1279/00 (Meinungsäußerung als Kunstfreiheit)

BAG 27.04.2004 - 9 AZR 522/03 (Kunstfreiheit als dem Teilzeitanspruch entgegenstehender betrieblicher Grund)

Joch/Klichowski: Die Vereinbarung auflösender Bedingungen in Darstellerverträgen. Kunstfreiheit als Sachgrund; Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht - NZA 2004, 302

Karpen/Nohe: Die Kunstfreiheit in der Rechtsprechung seit 1992; Juristenzeitung - JZ 2001, 801

Limper/Musiol: Handbuch des Fachanwalts Urheber- und Medienrecht; 2. Auflage 2017

Stern/Becker: Grundrechte-Kommentar; 3. Auflage 2019