Inzidentkontrolle von Rechtsnormen
1 Allgemein
Bei der Normenkontrolle wird die Vereinbarkeit eines Gesetzes mit der Verfassung geprüft. Nur das Bundesverfassungsgericht darf feststellen, dass ein Gesetz mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Unterschieden wird die abstrakte und die konkrete Normenkontrolle:
Konkrete Normenkontrolle (= Inzidentkontrolle von Rechtsnormen) (Art. 100 GG):
Bei der konkreten Normenkontrolle hält ein Gericht innerhalb eines laufenden Gerichtsverfahrens ein Gesetz für verfassungswidrig und will es deshalb nicht anwenden. Das Gericht ist in diesen Fällen verpflichtet, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
Die Befugnis, Gesetze auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung zu überprüfen, ist Teil des richterlichen Prüfungsrechts. Es kommt daher zu einer inzidenten Überprüfung von Rechtsnormen, wenn die richterliche Entscheidung von der Gültigkeit dieser Normen abhängt.
Abstrakte Normenkontrolle (Art. 94 Abs. 1 Nr. 2 GG)
Die Normenkontrolle erfolgt unabhängig von einem laufenden Gerichtsverfahren. Antragsberechtigt sind die Bundesregierung, eine Landesregierung oder 1/4 der Mitglieder des Bundestages.
Zu den weiteren Inhalten der abstrakten Normenkontrolle siehe den Beitrag »Normenkontrolle - Bundesverfassungsgericht«.
Hinweis:
Daneben besteht das verwaltungsgerichtliche Normenkontrollverfahren!
2 Zulässigkeit der konkreten Normenkontrolle
Bei der Zulässigkeitsprüfung sind folgende Punkte zu prüfen:
Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 GG, § 13 Nr. 11 BVerfGG.
Vorlagegegenstand: Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt:
Bei der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit muss dem Beschluss mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sein, dass und aus welchen Gründen das Gericht bei der Gültigkeit der Vorschrift zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im Fall ihrer Ungültigkeit.
Das vorlegende Gericht muss im Hinblick auf die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage den verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab nennen und die für seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit maßgebenden Erwägungen nachvollziehbar und umfassend darlegen. Dabei muss das Gericht auf naheliegende tatsächliche und rechtliche Gesichtspunkte eingehen. Insbesondere kann es erforderlich sein, die Gründe zu erörtern, die im Gesetzgebungsverfahren als für die gesetzgeberische Entscheidung maßgebend genannt worden sind.
Ein Gesetz, das Unionsrecht umsetzt, kann nur dann dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über seine Verfassungsmäßigkeit vorgelegt werden, wenn es der Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht unterliegt. Dies ist der Fall, wenn der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung des Gesetzes einen durch das Unionsrecht verbleibenden Gestaltungsspielraums hatte (BVerfG 04.10.2011 – 1 BvL 3/08).
Vorlageberechtigung: Ein Gericht.
Vorlagegrund: Zweifel bzw. Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes.
Form: Antrag, Schriftform, Begründung (§§ 23, 80 Abs. 2 BVerfGG).
3 Begründetheit der konkreten Normenkontrolle
Der Antrag ist begründet, wenn das Gesetz formell oder materiell mit dem Grundgesetz unvereinbar ist:
Formelle Unvereinbarkeit:
Fehlende Gesetzgebungskompetenz
Fehlerhaftes Gesetzgebungsverfahren
Mangel bei der Form
Materielle Unvereinbarkeit:
Der Inhalt des Gesetzes verstößt gegen eine Verfassungsnorm.