Ehegattennachzug - Ausländerrecht
1. Allgemein
Das Ausländerrecht unterscheidet bei dem Familiennachzug zwischen dem Ehegattennachzug sowie dem Kindernachzug.
Allgemeine Voraussetzungen des Ehegattennachzugs sind gemäß § 27 Abs. 1 AufenthG, dass der Nachzug der Herstellung und Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft dient. Der bereits im Bundesgebiet lebende Ausländer muss mit dem Nachzug einverstanden sein.
Der Antrag auf den Nachzug des Ehegatten kann grundsätzlich erst nach der Heirat gestellt werden. In den Schutzbereich des Gesetzes fallen jedoch auch Personen, deren Eheschließung unmittelbar bevorsteht (Anträge gestellt). Einem sich daher bereits im Bundesgebiet aufhaltenden Verlobten ist der Aufenthalt bis zur Eheschließung daher im Rahmen einer Duldung zu gestatten.
2. Voraussetzungen
Bei dem Anspruch auf Nachzug des Ehegatten kann es sich um einen gebundenen Anspruch oder um eine Ermessensentscheidung handeln:
Der Ehegatte eines Ausländers hat gemäß § 30 Abs. 1 AufenthG einen Rechtsanspruch auf Nachzug bzw. die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis bei Vorliegen einer der folgenden Voraussetzungen:
Der Ehegatte hat das 18. Lebensjahr vollendet.
Er kann sich zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen.
Die Anforderungen sind erfüllt, wenn der Ehegatte über mündliche und schriftliche Grundkenntnisse auf der Stufe A 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens des Europarats für Sprachen (GER) verfügt (BVerwG 30.03.2010 - 1 C 8/09).
Aber: Mit dem geänderten § 30 Abs. 1 S. 3 AufenthG wurde der Ehegattennachzug zu ausländischen Fachkräften, Ausländern, die bestimmte herausgehobene Beschäftigungen ausüben (u.a. Unternehmensspezialisten und Wissenschaftler), Ausländern mit ausgeprägten berufspraktischen Kenntnissen (insbesondere IT-Spezialisten) sowie Ausländern, die in einem Beamtenverhältnis zu einem deutschen Dienstherrn stehen, vereinfacht und die Fachkräfteeinwanderung insgesamt attraktiver ausgestaltet. Der nachziehende Ehegatte muss sich nicht mehr auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen können.
Der Ausländer besitzt eine der folgenden Erlaubnisse:
eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt - EU
eine an den Asyl- oder Flüchtlingsstatus gebundene Aufenthaltserlaubnis nach § 20 AufenthG, § 25 Abs. 1, 2 AufenthG
seit zwei Jahren eine Aufenthaltserlaubnis und diese ist nicht mit einer Nebenbestimmung nach § 8 Abs. 2 AufenthG versehen oder die spätere Erteilung einer Niederlassungserlaubnis ist nicht ausgeschlossen
eine Aufenthaltserlaubnis, die Ehe bestand bereits bei ihrer Erteilung und die Dauer des Aufenthalts wird ein Jahr übersteigen
eine Aufenthaltserlaubnis nach § 38a AufenthG und die eheliche Lebensgemeinschaft bestand bereits in dem Mitgliedstaat der Europäischen Union
Ausnahmen zu dem Bestehen eines Rechtsanspruchs sind in § 30 Abs. 1 AufenthG niedergelegt.
Die Genehmigung des Ehegattennachzugs ist in den folgenden Fällen eine Ermessensentscheidung:
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Ehegatten steht gemäß § 30 Abs. 2 AufenthG im Ermessen der Behörde, wenn der Ausländer (nur) eine Aufenthaltserlaubnis besitzt.
Der hier lebende Ausländer ist im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 29 Abs. 3 AufenthG (es besteht ein Abschiebungshindernis).
Voraussetzungen der Ermessensentscheidung sind, dass humanitäre oder völkerrechtliche Gründe den Ehegattennachzug begründen.
3. Ausschluss des Ehegattennachzugs
Der Ehegattennachzug ist gemäß § 29 Abs. 3 S. 2 AufenthG ausgeschlossen, wenn der hier lebende Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG besitzt, d.h. er grundsätzlich ausreisepflichtig ist, die Ausreise aber aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht vollzogen werden kann.
4. Scheinehe
Bei der Prüfung des Vorliegens einer Scheinehe ist allein auf den Willen der Parteien zur Herstellung einer ehelichen Lebensgemeinschaft abzustellen. Unerheblich dabei sind die Motive zur Eheschließung.
Der Ehegattennachzug ist gemäß § 27 Abs. 1a AufenthG ausgeschlossen, wenn die Ehe zur Ermöglichung der Einreise und des Aufenthalts in der Bundesrepublik geschlossen wurde oder tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe genötigt wurde.
Ist die innere Tatsache, eine eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet führen zu wollen, nach Ausschöpfung der zugänglichen Beweisquellen auch bei nur einem Ehepartner nicht erweislich, gehört der Herstellungswille beider Eheleute zu den günstigen Tatsachen, für die der Ausländer, der den Familiennachzug begehrt, die materielle Beweislast trägt. Im Falle eines non liquet ist der Antrag zu versagen (BVerwG 30.03.2010 - 1 C 7/09).
Unwahre Angaben des Ausländers (oder seines Rechtsanwalts) über das Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft sind gemäß § 95 AufenthG strafbar.
5. Mehrehe
Die Mehrehe unterliegt nicht dem Schutzbereich des Art. 6 GG. Gemäß der ausdrücklichen Regelung in § 30 Abs. 4 AufenthG ist ein Ehegattennachzug ausgeschlossen, wenn bereits ein Ehepartner des Ausländers im Bundesgebiet lebt.
6. Ehegattennachzug zu einem deutschen Staatsangehörigen
Der Ehegattennachzug zu einem deutschen Staatsangehörigen ist gemäß der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts unter erleichterten Bedingungen möglich. Rechtsgrundlage ist § 28 AufenthG. Danach hat der nachziehende Ehegatte ohne weitere Voraussetzungen grundsätzlich einen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, es sei denn es liegt ein zur Ausweisung berechtigender Grund vor.
7. Aufenthaltsrecht des Ehegatten
Das Aufenthaltsrecht des Ehegatten hängt zur Abgrenzung einer Scheinehe (zunächst) von dem Vorliegen einer ehelichen Lebensgemeinschaft ab. Das (abhängige) Aufenthaltsrecht erlischt, wenn die Eheleute sich nicht nur vorübergehend trennen, d.h. die eheliche Lebensgemeinschaft aufgeben und nicht wiederherstellen wollen (Scheidung, dauerhafte Trennung, Tod des Ehepartners). Die Anforderungen an eine Trennung entsprechen denen des Scheidungsrechts. Der Ehegatte erhält gemäß § 31 AufenthG in den folgenden Fällen ein eigenständiges Aufenthaltsrecht:
Die Aufenthaltserlaubnis wird in den folgenden Fällen für ein Jahr verlängert:
Die eheliche Lebensgemeinschaft hat mindestens drei Jahre im Bundesgebiet bestanden.
Hinweis:
Die Mindestbestandszeit, die für den Fall des Scheiterns der Ehe ein eigenständiges Aufenthaltsrecht begründet, beläuft sich auf drei Jahre. Diese Erhöhung war nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/4401) erforderlich, um den Anreiz für ausschließlich zum Zwecke der Erlangung eines Aufenthaltstitels beabsichtigte Eheschließungen (Scheinehen) zu verringern.
In Fällen besonderer Härte sieht Absatz 2 eine Ausnahmeregelung vor. Eine besondere Härte im Sinne dieser Vorschrift liegt unter anderem vor, wenn einem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange das weitere Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft unzumutbar ist. Das ist unter anderem in Fällen häuslicher Gewalt der Fall.
Beispiel:
Eine muslimische Ehefrau hat sich aufgrund der Gewalttätigkeiten von ihrem Ehemann scheiden lassen und würde wegen der Scheidung in ihrer Heimat von der Familie verstoßen.
oder
Der Ehegatte ist verstorben.
und der Ausländer war bis dahin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis, Blauen Karte EU für ausländische Hochqualifizierte oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG.
Der Ehegatte hat Anspruch auf eine Niederlassungserlaubnis, wenn sein Unterhalt durch Unterhaltszahlungen gesichert ist und sein Ehegatte bereits Inhaber einer Niederlassungserlaubnis oder einer Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG ist.
Familiennachzug - Ausländerrecht
Kindernachzug - Ausländerrecht
Nachzug sonstiger Angehöriger - Ausländerrecht
Nachzug des Lebenspartners - Ausländerrecht
Wiederkehrrecht - Ausländerrecht
Groß/Farahat: Europa- und verfassungsrechtliche Probleme des Spracherfordernisses beim Ehegattennachzug; Informationsbrief Ausländerrecht - InfAuslR 2011, 281
Wollenschläger/Schiedermair: Handbuch des Ausländerrechts der Bundesrepublik Deutschland; Loseblatt-Sammlung