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Beweisverfahren - selbstständiges

Normen

§§ 485 - 494a ZPO

Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG

Information

1 Allgemein

Das selbstständige Beweisverfahren ist ein von einem Prozess unabhängiges Verfahren zur Beweissicherung und Beweiserhebung.

Ziel des selbstständigen Beweisverfahrens ist die Durchführung einer Beweisaufnahme außerhalb oder während eines Prozesses zum Zwecke der Beweissicherung oder der gütlichen Einigung.

Dabei sind zwei Fälle zu unterscheiden:

  1. a)

    Wenn der Gegner zugestimmt hat oder zu besorgen ist, dass das Beweismittel verloren geht oder die Benutzung erschwert wird:

    Es können gemäß § 485 Abs. 1 ZPO nur folgende Beweismittel eingesetzt werden:

  2. b)

    Ist der Rechtsstreit noch nicht anhängig, so bestehen gemäß § 485 Abs. 2 ZPO folgende Beschränkungen:

    • Als Beweismittel kann nur das schriftliche Sachverständigengutachten eingesetzt werden.

    • Die Beweisführung ist auf die in § 485 Abs. 2 ZPO Tatsachen beschränkt:

      • Zustand einer Person oder Zustand oder Wert einer Sache

        Dies erfasst auch die Frage, ob Schäden und Mängel eines Gebäudes für dessen Eigentümer bzw. Bewohner - aus sachverständiger Sicht - erkennbar waren (BGH 08.10.2009 - V ZB 84/09).

      • Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels

      • Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels

    • Die Partei muss ein rechtliches Interesse an der Beweisführung haben. Dies ist gemäß § 485 Abs. 2 S. 2 ZPO gegeben, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann.

      Das rechtliche Interesse ist nicht von den Erfolgsaussichten einer späteren Klage abhängig.

Die Beweismittel des Urkundenbeweises und die Parteivernehmung können nicht in einem selbstständigen Beweisverfahren eingesetzt werden.

Nachteil des selbstständigen Beweisverfahrens ist die lange Verfahrensdauer. Vorteil ist, dass es im Gegensatz zum Privatgutachten ein anerkanntes Beweismittel ist.

2 Durchführung

2.1 Einleitung

Das Beweisverfahren wird auf Antrag einer Partei eingeleitet. Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist nicht erforderlich.

Zuständig ist gemäß § 486 ZPO das Gericht, bei dem der Rechtsstreit schon anhängig ist oder anhängig zu machen wäre. Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Streitwert, der dem Streitwert der Hauptsache entspricht.

Nur in Fällen dringender Gefahr kann gemäß § 486 Abs. 3 ZPO der Antrag auch bei dem Amtsgericht gestellt werden, in dessen Bezirk die zu vernehmende oder zu begutachtende Person sich aufhält oder die in Augenschein zu nehmende oder zu begutachtende Sache sich befindet.

Der Antrag muss die in § 487 ZPO aufgeführten Angaben enthalten: Die Bezeichnung des Gegners, der Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll (Beweisthema), die Benennung der Beweismittel und die Glaubhaftmachung der Tatsachen, aus denen sich die Zulässigkeit des Verfahrens und die Zuständigkeit des Gerichts ergibt. Bei der Bezeichnung der beweisbedürftigen Tatsachen ist zu beachten, dass kein unzulässiger Ausforschungsantrag gestellt wird, d.h. das Beweisthema ist konkret zu benennen (nicht: "... festzustellen, ob der Einbau mangelhaft erfolgte").

Das Gericht entscheidet gemäß § 490 ZPO über die Einleitung des Verfahrens durch Beweisbeschluss, der nicht anfechtbar ist.

Der Antrag auf Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens muss nicht die Nennung eines Sachverständigen beinhalten. Dieser wird gemäß § 404 ZPO durch das Gericht benannt. Es kann jedoch ein Sachverständiger vorgeschlagen werden. Einigen sich die beteiligten Parteien auf einen Sachverständigen, so ist das Gericht gemäß § 404 Abs. 5 ZPO an diese Wahl gebunden.

Der Sachverständige kann gemäß § 406 ZPO von den Parteien binnen einer Zwei-Wochen-Frist beginnend mit der Ernennung wegen Befangenheit abgelehnt werden.

Die Parteien sind gemäß § 491 ZPO von dem Termin der Beweisaufnahme so frühzeitig in Kenntnis zu setzen, dass eine Teilnahme möglich ist. Zu anderen Zwecken als der Beweisaufnahme (z.B. der Beweissicherung) kann der Sachverständige einen Termin grundsätzlich auch allein wahrnehmen. Etwas anderes gilt nur, wenn mit einer Partei verbundene Personen anwesend sein werden, z.B. Mitarbeiter, Mieter etc. In diesen Fällen ist zum Ausschluss der Befangenheit immer auch die andere Partei zu laden.

2.2 Nichtzahlung des angeforderten Kostenvorschusses durch den Antragsteller

Die Frage, ob die Nichtzahlung des angeforderten Kostenvorschusses zur Folge hat, dass dem Antragsteller die Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens auferlegt werden können, wurde mit der Entscheidung OLG Köln 03.09.2014 - 16 W 37/13 verneint. Wird der Auslagenvorschuss trotz Fristsetzung und ordnungsgemäßer Belehrung nicht gezahlt, unterbleibt die weitere Beweisaufnahme und das Verfahren ist durch Erledigung zu beenden. Nach dem Ende des selbstständigen Beweisverfahrens kann der Antragsgegner, für den das Beweisverfahren positiv geendet hat, über § 494a ZPO eine Kostenentscheidung erreichen.

2.3 Streitverkündung

Die Streitverkündung ist schon in diesem Verfahrensstadium zulässig. Auch kann die Streitverkündung auf einzelne Punkte des Verfahrens beschränkt werden, z.B. wenn der Streitverkündete nur von einigen Beweisthemen betroffen ist.

Verkündet der Antragsteller in einem selbstständigen Beweisverfahren, das er gegen einen vermeintlichen Schädiger führt, einem möglicherweise stattdessen haftenden Schädiger den Streit, so umfasst die Bindungswirkung des § 68 ZPO grundsätzlich jedes Beweisergebnis, das im Verhältnis zum Antragsgegner von rechtlicher Relevanz ist (BGH 18.12.2014 - VII ZR 102/14).

2.4 Beendigung

Das Beweisverfahren endet mit der Ablehnung des Antrags auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens bzw. dem Ende der Beweiserhebung. Die Parteien können abschließend die mündliche Erläuterung des Gutachteninhalts vor Gericht beantragen bzw. schriftlich die Erläuterung einzelner Punkte beantragen.

Gegen die Ablehnung der Einholung eines weiteren Gutachtens kann kein Rechtsmittel eingelegt werden (BGH 20.04.2011 - VII ZB 42/09).

Ist das Beweisverfahren beendet, kann der Gegner gemäß § 494a ZPO bei dem Gericht beantragen, dass dem Antragsteller des Beweisverfahrens eine Frist zur Klageerhebung aufgegeben wird. Kommt es innerhalb der Frist nicht zur Anhängigkeit des Rechtsstreits, so hat der Antragsteller des Beweisverfahrens die Kosten des Beweisverfahrens zu tragen, seine durch das Beweisverfahren entstandenen Rechte sind verwirkt.

Hinweis:

Unabhängig davon kann jedoch auch in diesen Fällen zu einem späteren Zeitpunkt Klage eingereicht werden, nicht jedoch unter Verwendung der Ergebnisse des Beweisverfahrens.

3 Folgen

Die Feststellungen des Sachverständigen sind in einem späteren Klageverfahren für die Parteien verbindlich.

Vorteil des Beweisverfahrens ist zudem, dass gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB mit dem Eingang des Antrags bei Gericht die Verjährung von Ansprüchen (Gewährleistungsansprüchen) gehemmt ist. Die Hemmung der Verjährung endet gemäß § 204 Abs. 2 BGB sechs Monate nach dem Ende des Beweisverfahrens.

Dabei erstreckt sich die Hemmung jedoch nur auf in der Antragschrift aufgeführte Mängel (LG München II 02.05.2012 - 5 O 5855/11).

4 Kosten

Die Kosten des Verfahrens gehören grundsätzlich zu den Kosten der Hauptsache und werden von der Kostenentscheidung erfasst. Ausnahmsweise ergeht zulasten des Antragstellers ein Kostenbeschluss, wenn dieser nicht innerhalb der vorgegebenen Frist Klage erhoben hat, der das Verfahren einleitende Antrag vom Antragsteller zurückgenommen wurde oder durch das Gericht zurückgewiesen wurde. Der Beschluss ist mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar.

Nach der Entscheidung BGH 21.10.2004 - V ZB 28/04 gehören die Kosten auch dann zu den Kosten des Klageverfahrens, wenn nur Teile des selbstständigen Beweisverfahrens zum Gegenstand der anschließenden Klage gemacht werden. Voraussetzung ist aber immer, dass die Parteien der beiden Verfahren identisch sind.

An der erforderlichen Parteiidentität fehlt es, wenn anstelle des Antragstellers oder des Antragsgegners ein Streithelfer aus dem selbstständigen Beweisverfahren Partei des sich anschließenden Rechtsstreits wird. Wird ein Hauptverfahren gegen einen Antragsgegner nicht erhoben, hat der Antragsteller keine andere Möglichkeit, eine prozessuale Kostenentscheidung zu erwirken. Denn im selbstständigen Beweisverfahren ergeht gemäß § 494a ZPO keine Kostenentscheidung. Das gilt auch dann, wenn an dem selbstständigen Beweisverfahren ein Streithelfer beteiligt ist, der nach Abschluss des Verfahrens - möglicherweise aufgrund der in diesem Verfahren gewonnenen Erkenntnisse - verklagt wird (BGH 12.09.2013 - VII ZB 4/13).

In den Fällen des Wegfalls des Interesses an der Beweiserhebung ist eine Kostenentscheidung in entsprechender Anwendung des § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO nicht möglich (LG Lübeck 16.07.2015 - 7 T 243/15).

5 Rechtsanwaltsvergütung

Die rechtsanwaltliche Vergütung für das selbstständige Beweisverfahren bestimmt sich nach Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG:

Das selbstständige Beweisverfahren ist dabei grundsätzlich im Verhältnis zum Hauptsacheverfahren eine eigenständige Angelegenheit, in der gemäß der Nrn. 3100 ff. Vergütungsverzeichnis zum RVG die Verfahrensgebühr in Höhe von 1,3 und die Terminsgebühr in Höhe von 1,2 entstehen. Bei einem nachfolgenden Klageverfahren wird die Verfahrensgebühr des Beweisverfahrens auf die Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens angerechnet. Die Anrechnung entfällt gemäß § 15 Abs. 5 S. 2 RVG, sofern seit der Beendigung des Beweisverfahrens ein Zeitraum von zwei Jahren vergangen ist. Sofern die Terminsgebühr entstanden ist, wird sie nicht angerechnet.

Die Terminsgebühr entsteht neben der Teilnahme an einem gerichtlichen Termin gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 3 Vergütungsverzeichnis zum RVG auch

  • mit der Teilnahme des Rechtsanwalts an einem von dem Sachverständigen festgesetzten Termin

    und

  • für die Mitwirkung an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts.

Daneben kann bei Vorliegen der Voraussetzungen die Einigungsgebühr entstehen.

Gebührenstreitwert ist der Wert des Hauptverfahrens. Die entstehenden Gebühren und Auslagen müssen durch Vorschüsse des Antragstellers abgedeckt sein (Gerichtskostenvorschuss).

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