Arbeitnehmerüberlassung - Leiharbeitsverhältnis
BT-Drs. 20/1636
1 Einführung
Als Leiharbeitsverhältnis wird das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Entleiher bezeichnet. Dabei ist jedoch zu beachten, dass es sich nicht um ein Arbeitsverhältnis handelt. Tatsächlich besteht zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer kein Vertragsverhältnis.
Es erfolgt eine Eingliederung des Leiharbeitnehmers in den Betrieb des Entleihers. Bei der Berechnung der Mindestarbeitnehmer nach dem Kündigungsschutzgesetz ist er jedoch nicht zu berücksichtigen.
Gemäß § 14 Abs. 2 AÜG zählen Leiharbeitnehmer mit Ausnahme des § 112a BetrVG bei den betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerten auch im Entleiherbetrieb mit. Die Regelung berührt nicht die Frage, inwiefern Leiharbeitnehmer bei Schwellenwerten in anderen gesetzlichen Regelungen wie Stammarbeitnehmer zu berücksichtigen sind. Ein Mitzählen der Leiharbeitnehmer ist danach für jeden Schwellenwert gesondert anhand dessen Zwecksetzung zu prüfen.
Der Leiharbeitnehmer ist aber berechtigt, an Betriebsversammlungen u.Ä. teilzunehmen.
2 Überlassungshöchstdauer
In § 1 Abs. 1b AÜG ist eine Überlassungshöchstdauer geregelt: Danach beträgt die Überlassungshöchstdauer grundsätzlich 18 Monate.
Bezugspunkt der Überlassungsdauer ist die Dauer der Eingliederung des überlassenen Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation eines Entleihers. Der Arbeitsplatz, an dem der Leiharbeitnehmer eingesetzt wird, findet demgegenüber keine Erwähnung (BAG 08.11.2022 – 9 AZR 486/21).
Mit Absatz 1b Satz 2 sollen mögliche Umgehungsstrategien vermieden werden:
Unterbrechungen zwischen zwei Überlassungen zu demselben Entleiher werden nicht berücksichtigt, wenn die Unterbrechungen drei Monate nicht übersteigen. In diesem Fall werden die vorangehenden Überlassungen bei der Berechnung der Überlassungshöchstdauer mitgezählt. Dies gilt auch, wenn die Arbeitsverhältnisse während der Überlassungen bei verschiedenen Verleihern bestanden haben. Mit der Regelung wird sichergestellt, dass kurzzeitige Unterbrechungen keinen Einfluss auf die Berechnung der Überlassungshöchstdauer haben.
Um das Instrument der Arbeitnehmerüberlassung flexibel und bedarfsgerecht einsetzen zu können, sieht Absatz 1b Satz 3 vor, dass durch Tarifverträge der Einsatzbranche für tarifgebundene Entleiher die grundsätzliche Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten verkürzt oder ausgedehnt werden kann. Absatz 1b Satz 4 bestimmt, dass die abweichenden tarifvertraglichen Regelungen zur Überlassungshöchstdauer im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages der Einsatzbranche in Betrieben oder Dienststellen nicht tarifgebundener Entleiher durch Betriebs- oder Dienstvereinbarungen inhaltsgleich übernommen werden können. Die Übernahme ist damit nur möglich, wenn der Tarifvertrag insbesondere räumlich, fachlich und zeitlich einschlägig ist.
Abweichungen von der gesetzlichen Frist:
»Bei einer vorübergehenden Arbeitnehmerüberlassung kann in einem Tarifvertrag der Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche abweichend von der gesetzlich zulässigen Dauer von 18 Monaten eine andere Überlassungshöchstdauer vereinbart werden. Diese ist auch für den überlassenen Arbeitnehmer und dessen Arbeitgeber (Verleiher) unabhängig von deren Tarifgebundenheit maßgebend« (Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts zu dem Urteil BAG 14.09.2022 – 4 AZR 83/21).
Das BAG hat eine tarifvertragliche Erhöhung der Überlassungshöchstdauer auf 48 Monate anerkannt (BAG 08.11.2022 – 9 AZR 486/21).
3 Rechte und Pflichten im Leiharbeitsverhältnis
3.1 Weisungsbefugnis
Der Entleiher ist nicht Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers. Er ist aber Inhaber des Direktionsrechts, d.h. der Arbeitnehmer hat seine Weisungen zu befolgen.
Grenzen des Direktionsrechts ergeben sich aus dem Überlassungsvertrag, d.h. u.a. die Art der vereinbarten Arbeitsleistung, die Arbeitszeit, der Arbeitsort.
3.2 Informationspflichten
3.2.1 Arbeitsbedingungen
Der Leiharbeitnehmer hat gemäß § 13 AÜG im Falle der Überlassung gegen den Entleiher einen Anspruch auf Auskunft über die in dem Betrieb geltenden Arbeitsbedingungen für einen vergleichbaren Arbeitnehmer des Entleihers einschließlich des Arbeitsentgelts.
Voraussetzung dieser Informationspflicht ist jedoch, dass der Gleichstellungsgrundsatz/Equal-Pay-Grundsatz anwendbar ist und keine der dort genannten Ausnahmen greift.
Hinweis:
Zu detaillierten Informationen zu den Voraussetzungen und Inhalten des Gleichstellungsgrundsatzes/Equal-Pay-Grundsatzes siehe insofern den Beitrag »Arbeitnehmerüberlassung - Rahmenarbeitsverhältnis«.
Die Verletzung der Informationspflicht kann einen Schadensersatzanspruch nach § 280 BGB begründen.
3.2.2 Freie Arbeitsplätze
Der Entleiher hat gemäß § 13a AÜG den Leiharbeitnehmer über in seinem Betrieb und Unternehmen freie Arbeitsplätze zu informieren. Nicht erforderlich ist eine persönliche Information. Ausreichend ist es, wenn die Information auf dem üblichen Informationsweg erfolgt (Schwarzes Brett, Intranet etc.). Entscheidend ist, dass der Leiharbeitnehmer Zugang zu dem Informationsweg hat.
Aufgrund der ähnlichen Regelung bei Bestehen von befristeten Arbeitsverhältnissen in § 18 TzBfG kann auf die zu dieser Norm ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden.
3.3 Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen
Der Entleiher hat dem Leiharbeitnehmer § 13b AÜG den gleichen Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen des Unternehmens zu gewähren. Zu den Gemeinschaftseinrichtungen zählen z.B. Kantinen, Betriebskindergärten, Sportanlagen oder Betriebsparkplätze.
3.4 Begründung der Ablehnung einer Übernahme
Gemäß § 13a Abs. 2 AÜG ist der Entleiher verpflichtet, Leiharbeitnehmern, die ihm mindestens sechs Monate überlassen sind und die in Textform ihren Wunsch nach Abschluss eines Arbeitsvertrages anzeigen, eine begründete Antwort in Textform innerhalb eines Monats nach Zugang der Anzeige zu übermitteln.
Den Leiharbeitnehmern soll die Übernahme in die Stammbelegschaft durch die Information über freie Arbeitsplätze des Entleihers, die Anzeige ihres Übernahmewunsches und die vom Entleiher zu begründende Antwort erleichtert werden.
4 Zuständiges Gericht
Für Streitigkeiten zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher, die ihren Ursprung in der Arbeitnehmerüberlassung haben, sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG die Arbeitsgerichte (Arbeitsgerichtlicher Rechtsstreit) zuständig. Ebenso sind die Arbeitsgerichte zuständig bei unerlaubten Handlungen zwischen Leiharbeitnehmern und Entleihern, soweit sie mit dem Leiharbeitsverhältnis im Zusammenhang stehen (BAG 15.03.2011 – 10 AZB 49/10).
5 Kein Einsatz als Streikbrecher
Während eines laufenden Arbeitskampfes ist der Einsatz von Leiharbeitnehmern gemäß § 11 Abs. 5 AÜG unzulässig. Dies gilt nicht, wenn die Leiharbeitnehmer bereits vor dem Arbeitskampf bei dem Arbeitgeber beschäftigt waren. In diesem Fall haben sie jedoch gemäß § 11 Abs. 5 S. 4 und 4 AÜG ein Leistungsverweigerungsrecht, auf das sie hingewiesen werden müssen.
Hinweis:
Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde eines Arbeitgebers gegen dieses Verbot nicht zur Entscheidung angenommen
6 Betriebsänderung
Bei der Ermittlung der maßgeblichen Unternehmensgröße für eine Betriebsänderung in § 111 Satz 1 BetrVG sind Leiharbeitnehmer, die länger als drei Monate im Unternehmen eingesetzt sind, mitzuzählen (BAG 18.10.2011 – 1 AZR 335/10).