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§ 42i ThürAbgG
Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Abgeordneten des Thüringer Landtags (Thüringer Abgeordnetengesetz - ThürAbgG)
Landesrecht Thüringen

Fünfter Teil – Unabhängigkeit der Abgeordneten, Verschwiegenheitspflichten

Titel: Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Abgeordneten des Thüringer Landtags (Thüringer Abgeordnetengesetz - ThürAbgG)
Normgeber: Thüringen
Amtliche Abkürzung: ThürAbgG
Gliederungs-Nr.: 1101-1
Normtyp: Gesetz

§ 42i ThürAbgG – Überprüfung von Abgeordneten

(1) Die Mitglieder des Thüringer Landtags, die am 15. Januar 1990 volljährig waren, werden nach Annahme des Mandats ungeachtet früherer Überprüfungen und ohne ihre Zustimmung auf eine geheimpolizeiliche, insbesondere auf eine hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) oder das Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) im Sinne von § 6 Abs. 4 des Gesetzes über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (StUG) in der jeweils gültigen Fassung überprüft. Die Überprüfung erstreckt sich entsprechend § 6 Abs. 5 StUG auch auf inoffizielle Mitarbeiter des Arbeitsgebietes 1 der Kriminalpolizei der Volkspolizei und auf Personen, die gegenüber dem MfS oder AfNS rechtlich oder faktisch weisungsbefugt waren. Die Überprüfung wird bis zum Ende der Fristen in § 20 Abs. 3 und § 21 Abs. 3 StUG in seiner jeweils geltenden Fassung durchgeführt. Scheidet ein Abgeordneter aus dem Landtag aus, ist das Überprüfungsverfahren einzustellen und die dabei angefallenen Unterlagen unverzüglich zu vernichten. Im Übrigen sind die angefallenen Unterlagen unverzüglich nach dem Abschluss der Überprüfung zu vernichten.

(2) Der Präsident ersucht den Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (Bundesbeauftragter) bzw. die für die Unterlagen zuständige Behörde um die Übermittlung von Unterlagen zum Zweck der Überprüfung. Die Abgeordneten sind verpflichtet, zu diesem Zweck dem Präsidenten alle Vor- und Familiennamen (Geburtsnamen und Namen aus früheren Ehen), ihre Personenkennzahl nach dem Recht der DDR und die Wohnanschriften (Haupt- und Nebenwohnung) vor dem 3. Oktober 1990 mitzuteilen.

(3) Enthält die Antwort des Bundesbeauftragten bzw. der für die Unterlagen zuständigen Behörde Anhaltspunkte, die auf eine Tätigkeit nach Absatz 1 hinweisen, erfolgt eine Einzelfallprüfung.

(4) Mit Beginn einer Wahlperiode wird vom Landtag für die Dauer der Wahlperiode eine Kommission zur Überprüfung nach Absatz 1 eingerichtet. Die Kommission besteht neben dem Präsidenten aus vier weiteren Mitgliedern, die weder dem Landtag noch der Landesregierung angehören. Diese weiteren Mitglieder werden vom Landtag mit Zweidrittelmehrheit gewählt und sollen aus dem Thüringer Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, einer Vertreterin/einem Vertreter der Thüringer Betroffenenverbände, einer Vertreterin/einem Vertreter der DDR-Forschung der Thüringer Hochschulen sowie einer ehemaligen Richterin/einem ehemaligen Richter am Thüringer Verfassungsgerichtshof bestehen. Die Kommission trifft alle Entscheidungen mit einfacher Mehrheit.

(5) Die Kommission gibt sich eine Geschäftsordnung. Die Sitzungen der Kommission, an denen Beauftragte des Präsidenten teilnehmen dürfen, sind geheim. Für alle am Überprüfungsverfahren beteiligten Personen gilt die Verschwiegenheitspflicht nach § 43 ThürAbgG entsprechend, und dies auch für die Zeit nach dem Abschluss des Überprüfungsverfahrens. Der betroffene Abgeordnete ist befugt, auf die Geheimhaltung ihn betreffender Feststellungen zu verzichten. Soweit hierdurch Feststellungen öffentlich gemacht worden sind, kann die Kommission durch ihren Vorsitzenden zu ihnen Stellung nehmen. Darüber hinaus erhält der betroffene Abgeordnete jederzeit die Gelegenheit zur Stellungnahme.

(6) Enthält die Mitteilung des Bundesbeauftragten bzw. der für die Unterlagen zuständigen Behörde Anhaltspunkte auf eine Tätigkeit nach § 6 Abs. 4 und 5 StUG,übermittelt der Präsident alle Unterlagen und, soweit vorhanden, die Stellungnahme des Mitglieds des Landtags an die übrigen Mitglieder der Kommission. Die Kommission trifft im Rahmen einer Einzelfallprüfung die Feststellung, ob eine Tätigkeit nach § 6 Abs. 4 und 5 StUG als erwiesen anzusehen ist. Sie kann dazu ergänzende Unterlagen und Stellungnahmen des Bundesbeauftragten bzw. der für die Unterlagen zuständigen Behörde oder anderer Stellen anfordern, Auskunftspersonen befragen und bei Bedarf um Akteneinsicht ersuchen. Vor Abschluss der Überprüfung sind die Feststellungen dem betroffenen Mitglied des Landtags zur Kenntnis zu geben und mit ihm zu erörtern. Das betroffene Mitglied kann Akteneinsicht verlangen und eine Vertrauensperson hinzuziehen.

(7) Die Feststellungen der Kommission werden unter Angabe der wesentlichen Gründe vom Präsidenten in einem Bericht zusammengefasst. Vor der Übergabe des Berichts an den Landtag gibt die Kommission dem betroffenen Mitglied des Landtags Gelegenheit, zu den seine Person betreffenden Feststellungen eine schriftliche Erklärung abzugeben. Diese ist dem Bericht als Anlage beizufügen. Der Bericht nimmt im Wissen um das Leid vieler Menschen, die in der DDR zu Unrecht und willkürlich verfolgt, schikaniert und eingesperrt wurden, und im Sinne von Transparenz und Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Opfern der SED-Diktatur eine Beurteilung der Tätigkeit nach § 6 Abs. 4 und 5 StUG des betroffenen Abgeordneten vor und wird als Drucksache veröffentlicht. Der Landtag befasst sich mit dem Bericht in einer seiner Sitzungen und ermöglicht dazu eine öffentliche Debatte.

(8) Bei Übermittlung nach Absatz 3, Akteneinsicht nach Absatz 6 und Veröffentlichungen nach Absatz 7 sind berechtigte Interessen Betroffener und Dritter im Sinne des § 6 Abs. 3 und 7 StUG zu berücksichtigen. Insbesondere die Rechte zum Schutz der Betroffenen sind während des gesamten Überprüfungsverfahrens zu beachten.