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Abschnitt 301 RiStBV
Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) 
Bundesrecht

Richtlinien für das Bußgeldverfahren → 14. Abschnitt – Verkehr mit der Europäischen Staatsanwaltschaft

Titel: Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) 
Normgeber: Bund
Amtliche Abkürzung: RiStBV
Gliederungs-Nr.: [keine Angabe]
Normtyp: Richtlinie

Abschnitt 301 RiStBV – Strafsachen, die in die Zuständigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft fallen

(1) Vorgänge, aus denen sich der Verdacht einer in die Zuständigkeit der Europäischen Staatsanwaltschaft nach den Artikeln 22 und 23 der Verordnung (EU) 2017/1939 des Rates vom 12. Oktober 2017 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA-VO) fallenden Straftat ergibt, übersendet der Staatsanwalt gemäß Artikel 24 Absatz 1 oder 2 EUStA-VO mit einem Bericht unverzüglich der Europäischen Staatsanwaltschaft, sofern nach den Umständen erkennbar ist, dass der Tatzeitpunkt nach Inkrafttreten der EUStA-VO am 20. November 2017 liegt (siehe Artikel 120 Absatz 2 Unterabsatz 1 EUStA-VO) und die Europäische Staatsanwaltschaft gemäß Artikel 25 Absatz 2 und 3 EUStA-VO ihre Zuständigkeit ausüben könnte. Satz 1 gilt auch dann, wenn zum Zeitpunkt der Unterrichtung nicht erkennbar ist, ob die Kriterien des Artikels 25 Absatz 2 EUStA-VO erfüllt sind. Vor Übersendung des Vorgangs nach Artikel 24 Absatz 2 EUStA-VO hat der Staatsanwalt nach Möglichkeit Kontakt mit dem zuständigen deutschen Zentrum der Delegierten Europäischen Staatsanwälte aufzunehmen, um eine zeitgerechte Entscheidung über die Evokation zu ermöglichen.

(2) Der Bericht an die Europäische Staatsanwaltschaft enthält mindestens eine Beschreibung des Sachverhaltes einschließlich einer Bewertung des entstandenen oder voraussichtlichen Schadens, die mögliche rechtliche Würdigung und alle vorliegenden Informationen über mögliche Opfer, Verdächtige und andere Beteiligte (Artikel 24 Absatz 4 EUStA-VO) sowie die Mitteilung, ob die Meldung nach Artikel 24 Absatz 1 oder 2 EUStA-VO erfolgt, insbesondere ob nach deutschem Recht bereits ein Ermittlungsverfahren als eingeleitet gilt. Auf besondere Umstände (z. B. drohende Verjährung, Untersuchungshaft, erforderliche eilige richterliche Maßnahmen) ist hinzuweisen. Der Vorgang und der Bericht sind der Europäischen Staatsanwaltschaft über den Generalstaatsanwalt, in dringenden Fällen unmittelbar bei gleichzeitiger Übersendung von Abschriften an den Generalstaatsanwalt, zuzuleiten.

(3) Ein Bericht nach Artikel 24 Absatz 2 EUStA-VO erfolgt auch in den Fällen des Artikel 24 Absatz 3 EUStA-VO, in denen der Staatsanwalt der Auffassung ist, dass die Europäische Staatsanwaltschaft gemäß Artikel 25 Absatz 3 EUStA-VO ihre Zuständigkeit nicht ausüben könnte. In diesen Fällen ist eine Übersendung des Vorgangs in der Regel nicht erforderlich. Etwas anderes gilt dann, wenn bereits zum Zeitpunkt der Unterrichtung ein Einverständnis mit der Übernahme des Verfahrens durch die Europäische Staatsanwaltschaft gemäß Artikel 25 Absatz 4 in Verbindung mit Absatz 3 Buchstabe b EUStA-VO besteht. In diesem Fall ist das Einverständnis im Bericht nach Absatz 2 ausdrücklich zu erklären. Bei der Prüfung, ob ein solches Einverständnis erklärt werden soll, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob es sich um eine Straftat handelt, die grenzüberschreitende Bezüge oder Bedeutung aufweist, an der eine kriminelle Vereinigung beteiligt ist oder die Straftat eine ernste Gefahr für die finanziellen Interessen der Union oder für die Glaubwürdigkeit ihrer Institutionen und das Vertrauen ihrer Bürger darstellen könnte (Erwägungsgrund 60 der EUStA-VO).

(4) Absatz 1 und 2 gelten auch, wenn die Europäische Staatsanwaltschaft auf anderem Weg als durch einen Bericht Kenntnis erhält, dass eine Staatsanwaltschaft bereits in Bezug auf eine Straftat Ermittlungen, für die die Europäische Staatsanwaltschaft zuständig sein könnte, durchführt und um Unterrichtung gemäß Artikel 24 Absatz 2 EUStAVerordnung bittet (Artikel 27 Absatz 3 EUStA-VO).

(5) Nach Übersendung des Vorgangs gemäß Absatz 1 und des Berichts gemäß Absatz 2 hat der Staatsanwalt bis zur Entscheidung der Europäischen Staatsanwaltschaft über die Einleitung eines Verfahrens (Artikel 26 Absatz 1 EUStA-VO) oder die Übernahme des Verfahrens (Artikel 27 Absatz 1 EUStA-VO) nur solche Maßnahmen vorzunehmen, die dringend erforderlich sind, um effektive Ermittlungen und eine effektive Strafverfolgung sicherzustellen. Vor solchen Amtshandlungen hat der Staatanwalt, soweit möglich, mit dem zuständigen Delegierten Europäischen Staatsanwalt Fühlung zu nehmen.

(6) Bei Beantwortung von Anfragen der Europäischen Staatsanwaltschaft nach Artikel 24 Absatz 9 EUStA-VO sind die Informationen der Europäischen Staatsanwaltschaft über den Generalstaatsanwalt, in dringenden Fällen unmittelbar bei gleichzeitiger Übersendung von Abschriften an den Generalstaatsanwalt, zuzuleiten.

(7) Der zuständige Delegierte Europäische Staatsanwalt ist unverzüglich über alle neuen Sachverhalte zu unterrichten, die die Europäische Staatsanwaltschaft dazu veranlassen könnten, ihre Entscheidung, ihre Zuständigkeit nicht auszuüben, zu überprüfen (Artikel 27 Absatz 7 EUStA-VO). Bei der Unterrichtung ist auf die Umstände hinzuweisen, die eine Übernahme des Verfahrens durch die Europäische Staatsanwaltschaft nahelegen. Absatz 2 Satz 3 gilt sinngemäß.

(8) Besteht Uneinigkeit darüber, ob die strafbare Handlung in den Anwendungsbereich der Artikel 22 Absatz 2 und 3 oder Artikel 25 Absatz 2 und 3 EUStA-VO fällt, leitet die Staatsanwaltschaft dem Generalbundesanwalt die Akten zusammen mit einer kurzen Stellungnahme über den Generalstaatsanwalt zur Entscheidung zu (Artikel 25 Absatz 6 EUStA-VO, § 142b Absatz 2 Satz 1 GVG).

(9) Erhält der Staatsanwalt die Mitteilung, dass die Europäische Staatsanwaltschaft gemäß Artikel 26 Absatz 1 EUStA-VO ein Verfahren eingeleitet hat (§ 12 Absatz 2 des Gesetzes zur Ausführung der EU-Verordnung zur Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStAG)), prüft der Staatsanwalt, ob damit zusammenhängende Verfahren anhängig sind und unterrichtet gegebenenfalls den mit den Ermittlungen betrauten Delegierten Europäischen Staatsanwalt gemäß Absatz 1 und 2.

(10) Trifft ein Staatsanwalt dringend erforderliche Maßnahmen gemäß Artikel 28 Absatz 2 EUStA-VO, ist der mit den Ermittlungen betraute Delegierte Europäische Staatsanwalt unverzüglich und unmittelbar über die ergriffenen Maßnahmen bei gleichzeitiger Übersendung von Abschriften an den Generalstaatsanwalt zu unterrichten.

(11) Die Übersendung von Vorgängen und Berichten erfolgt nach Maßgabe der von den deutschen Zentren der Delegierten Europäischen Staatsanwälte herausgegebenen Richtlinien für die Kommunikation mit den nationalen Behörden und, soweit möglich, auch elektronisch. Der Staatsanwalt soll ein Aktendoppel behalten.