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§ 33a PAG
Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei (Polizeiaufgabengesetz - PAG)
Landesrecht Thüringen

Zweiter Abschnitt – Befugnisse der Polizei → Zweiter Unterabschnitt – Datenerhebung und -verarbeitung

Titel: Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei (Polizeiaufgabengesetz - PAG)
Normgeber: Thüringen
Amtliche Abkürzung: PAG
Gliederungs-Nr.: 2012-2
Normtyp: Gesetz

§ 33a PAG – Offener Einsatz technischer Mittel zur Bild- und Tonaufnahme und -aufzeichnung

(1) Bei Maßnahmen der Gefahrenabwehr, Maßnahmen zur Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten sowie bei Personen- und Fahrzeugkontrollen an öffentlich zugänglichen Orten kann die Polizei offen personenbezogene Daten durch Bild- und Tonaufzeichnungen mittels körpernah getragener Aufnahmegeräte als dauerhafte Aufzeichnung erheben, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zum Schutz von Polizeibeamten oder Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist. Die Erhebung nach Satz 1 darf auch mittels fest installierten Aufnahmegeräten in polizeilich genutzten Fahrzeugen stattfinden.

(2) Eine dauerhafte Aufzeichnung nach Absatz 1 Satz 1 durch mit körpernah getragenen Aufnahmegeräten ausgestattete Polizeibeamte soll erfolgen, wenn durch diese unmittelbarer Zwang gegen eine Person angedroht oder angewandt wird und dabei die Umstände eine Bild- und Tonaufzeichnung zulassen. Sie soll ebenso durch mit körpernah getragenen Aufnahmegeräten ausgestattete Polizeibeamte erfolgen, wenn diese sich im unmittelbaren Bereich einer polizeilichen Maßnahme befinden, bei der der unmittelbaren Zwang ausübende oder androhende Polizeibeamte selbst kein körpernah getragenes Aufnahmegerät führt oder verhindert ist, eine dauerhafte Aufzeichnung auszulösen, sofern dabei die Umstände eine Bild- und Tonaufzeichnung zulassen. Wird ab dem 31. Dezember 2024 durch mit körpernah getragenen Aufnahmegeräten ausgestattete Polizeibeamte die Dienstpistole aus der dafür vorgesehenen Tragevorrichtung entnommen, um deren Gebrauch anzudrohen oder diese gegen eine Person anzuwenden, soll eine technisch automatisierte Auslösung der dauerhaften Aufzeichnung erfolgen. Die dauerhafte Aufzeichnung soll außerdem erfolgen, wenn es von einer Person, die von einer polizeilichen Maßnahme betroffen ist, ausdrücklich verlangt wird.

(3) Die in Absatz 1 genannten technischen Mittel dürfen in ihrem Zwischenspeicher Bild- und Tonaufnahmen flüchtig für maximal 30 Sekunden speichern. Die flüchtigen Daten im Zwischenspeicher sind automatisiert nach 30 Sekunden unwiderruflich und vollständig zu löschen, außer es erfolgt eine dauerhafte Aufzeichnung nach Absatz 1 oder Absatz 2. In einem solchen Fall der dauerhaften Aufzeichnung dürfen auch die im Zwischenspeicher erfassten Daten bis zu einer Dauer von 30 Sekunden vor dem Beginn der Bild- und Tonaufzeichnung dauerhaft gespeichert werden. Die Erhebung nach Absatz 1, Absatz 2 sowie Absatz 3 Satz 1 darf auch erfolgen, wenn Dritte unvermeidbar betroffen sind. Die Beendigung der Aufzeichnung erfolgt unmittelbar mit Abschluss der Maßnahme, in deren Rahmen die Aufnahme entstanden ist.

(4) Das offene Tragen der Aufnahmegeräte ist durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen. Die dauerhafte Aufnahme ist der betroffenen Person vorab anzukündigen. Das Auslösen der Aufnahme ist ihr unverzüglich mitzuteilen. Bei Gefahr im Verzug können die Ankündigung und Mitteilung unterbleiben. Die Mitteilung ist in diesem Fall unverzüglich nachzuholen. Eine Aktivierung der dauerhaften Aufzeichnung muss geräteseitig optisch oder akustisch erkennbar sein. Wenn es die Einsatzsituation zulässt, muss der Betroffene spätestens mit Abschluss der Maßnahme über den Anspruch und die Möglichkeit der Einsichtnahme hingewiesen werden.

(5) In Wohn- und Nebenräumen sowie in dazugehörigem befriedetem privatem Besitztum sind Aufzeichnungen nach Absatz 1 und Absatz 2 nicht zulässig. Ebenso sind Aufzeichnungen in solchen Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräumen, die der Ausübung der Tätigkeit von Berufsgeheimnisträgern und Berufshelfern nach den §§ 53, 53a StPO dienen, nicht zulässig. Aufzeichnungen mittels offen körpernah getragener Bild- und Tonaufzeichnungsgeräte sind in allen übrigen Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräumen abweichend zu Satz 2 nur dann zulässig, wenn die Voraussetzungen von § 25 Abs. 4 gegeben sind und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr für Leib oder Leben der eingesetzten Polizeibeamten oder eines Dritten erforderlich ist. Dies gilt auch außerhalb der Arbeits-, Geschäfts- oder Aufenthaltszeiten. Die Aufzeichnung soll außerdem erfolgen, wenn es von einer Person, die von einer polizeilichen Maßnahme betroffen ist, ausdrücklich verlangt wird. Absatz 2 Satz 3 gilt entsprechend. Der Einsatz von körpernah getragenen Aufzeichnungsgeräten in Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräumen nach Satz 3 soll gegenüber den Betroffenen in geeigneter Weise dokumentiert werden, Absatz 4 gilt entsprechend. Eine Verwertung der nach Satz 3 erlangten Erkenntnisse ist zum Zweck der Gefahrenabwehr nur zulässig, wenn zuvor die Rechtmäßigkeit der Maßnahme richterlich festgestellt wurde. Flüchtige Speicherungen im Bereitschaftsbetrieb nach Absatz 3 Satz 1 in Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräumen sind nach Möglichkeit zu vermeiden. Die Verwertung von dauerhaft gespeicherten flüchtigen Aufzeichnungen nach Absatz 3 Satz 3 in Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräumen ist nicht zulässig, sie sind unverzüglich zu löschen.

(6) Die Aufzeichnung personenbezogener Daten, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, ist unzulässig. Ergeben sich tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass Daten nach Satz 1 erfasst werden, ist der Aufzeichnungsvorgang unverzüglich zu unterbrechen. Nach einer Unterbrechung darf die Aufzeichnung nur fortgesetzt werden, wenn aufgrund geänderter Umstände davon ausgegangen werden kann, dass die Gründe, die zur Unterbrechung geführt haben, nicht mehr vorliegen. Aufzeichnungen über solche Äußerungen und Handlungen dürfen nicht weiterverarbeitet werden und sind unverzüglich durch die berechtigte Person, spätestens jedoch binnen 48 Stunden zu löschen. Die Tatsache ihrer Erlangung und die Löschung der Daten sind zu dokumentieren. Absatz 7 Satz 4 bis 6 gilt entsprechend. Bestehen Zweifel hinsichtlich einer etwaigen Kernbereichsrelevanz erhobener Daten, sind diese unverzüglich dem behördlichen Datenschutzbeauftragten und einer von dem Behördenleiter beauftragten Leitungsperson des höheren Polizeivollzugsdienstes zur Durchsicht vorzulegen.

(7) Die dauerhaften Aufzeichnungen nach Absatz 1 und 2 sind verschlüsselt sowie manipulationssicher anzufertigen und aufzubewahren. Die Aufzeichnungen sind 30 Tage nach ihrer Anfertigung automatisiert zu löschen. Dies gilt nicht, wenn die Aufzeichnungen

  1. 1.

    zur Verfolgung von Straftaten,

  2. 2.

    für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit auf Verlangen der von der polizeilichen Maßnahme betroffenen Person,

  3. 3.

    zur Durchführung von Maßnahmen der Dienst- und Fachaufsicht oder von Disziplinarverfahren durch den Leiter der Polizeibehörde oder einen von ihm besonders beauftragten Polizeibeamten oder eine mittels Rechtsverordnung durch das für die Polizei zuständige Ministerium festgelegten Stelle, sofern im Einzelfall tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die auf ein vorschriftswidriges Verhalten deuten und es sich dabei nicht um eine Bagatellverfehlung handelt,

  4. 4.

    für die Aufgabenerfüllung des Thüringer Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 6 ThürDSG zur Untersuchung des Gegenstands der Beschwerde einer betroffenen Person oder

  5. 5.

    zur unabhängigen wissenschaftlichen Evaluierung dieser Vorschrift gemäß § 78, wobei maximal Daten aus einem Erhebungszeitraum von 6 Monaten verwendet werden dürfen,

benötigt werden. § 40 Abs. 4 Satz 1 und 2 bleibt unberührt. In Ausnahmefällen sind frühzeitigere manuelle Löschungen durch berechtigte Personen dann möglich, wenn der Kernbereich privater Lebensgestaltung betroffen ist (Absatz 6 Satz 4), ein Antrag auf Löschung von Betroffenen der polizeilichen Maßnahme gestellt wurde oder Daten erhoben wurden, die offensichtlich nicht im Zusammenhang mit polizeilichen Maßnahmen gegen Personen stehen. Durch technische und organisatorische Maßnahmen ist sicherzustellen, dass an der Datenerhebung nach Absatz 1 und 2 Beteiligte oder von der Aufzeichnung betroffene Polizeibeamte die gespeicherten Bild- und Tonaufzeichnungen weder bearbeiten noch löschen können. Die Löschung der Bild- und Tonaufzeichnungen ist zu dokumentieren. Die Dokumentation darf ausschließlich für Zwecke der Datenschutzkontrolle verwendet werden; sie ist frühestens nach Abschluss der Datenschutzkontrolle und spätestens nach 24 Monaten zu löschen.

(8) Maßnahmen nach dieser Vorschrift sind zu dokumentieren. Die Landesregierung unterrichtet den Landtag in jährlichen Abständen über den offenen Einsatz technischer Mittel zur Bild- und Tonaufzeichnung nach Absatz 1 bis 7.

(9) Eine Verknüpfung der Bild- und Tonaufzeichnungsgeräte mit Gesichtserkennungssoftware ist ausgeschlossen.