Der Urlaubsanspruch im Krankheitsfall ist nicht von Verjährung bedroht

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21.10.202241 Mal gelesen
Neues EuGH-Urteil: Verjährungsfristen und Verfall des Urlaubsanspruchs bei Krankheit. Neue Updates 2022 im Arbeitsrecht. Jetzt mehr lesen ...

Das Gericht in Luxemburg betont den Sozialcharakter des EU-Rechts

Das Bundesarbeitsgericht muss seine bisherige Rechtsprechung zu Urlaubsansprüchen anpassen. Lesen Sie mehr, ob und wie Sie davon betroffen sind ...

 

Warum verjährt mein Urlaubsanspruch eigentlich?

Das Recht auf 24 Tage Erholungsurlaub pro Jahr ist im deutschen Arbeitsrecht fest verankert. Nach deutschem Recht unterliegen sämtliche Ansprüche, also auch der Urlaubsanspruch, der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Das ergibt sich aus § 195 des bürgerlichen Gesetzbuches. Eine Verjährungsfrist sorgt dafür, dass nach der festgelegten Dreijahresfrist sogenannter Rechtsfrieden herrscht. Ein Anspruch kann dann zwar noch bestehen, ist aber nicht mehr durchsetzbar, kann folglich auch nicht mehr gerichtlich erzwungen werden.

Die Regelung soll einen gerechten Ausgleich der Interessen aller Beteiligten ermöglichen. Was auf den ersten Blick nach einer einseitigen Benachteiligung für den Anspruchsteller klingt, lässt sich bei näherer Betrachtung durchaus nachvollziehen: Je nach Einzelfall beginnt die Verjährungsfrist erst später zu laufen, sodass dem Anspruchsteller stets genügend Zeit zum Geltendmachen des Anspruches verbleibt.

In der alltäglichen Hektik der modernen Arbeitswelt ist es keine Seltenheit, dass sich Urlaubstage anhäufen und ins nächste Jahr übertragen werden müssen. Wenn nur eine benötigte Arbeitskraft zeitweise ausfällt, muss oft eine andere den Ausfall ausgleichen und kann dann keinen Urlaub nehmen. Da ja aber ein Anspruch auf Urlaub besteht, muss dieser dann später nachgeholt werden, sodass sich ein Urlaubsrückstau nicht vermeiden lässt. Da aber der einspringende Arbeitnehmer unter der höheren Arbeitsbelastung nicht noch mehr leiden soll, darf der angehäufte Urlaub eben nicht ohne Weiteres verfallen.

 

Auch eine längere Arbeitsunfähigkeit verhindert per se keinen Urlaubsanspruch

Unter den Fällen, die die Richter des Bundesarbeitsgerichts zur Vorabentscheidung in Luxemburg vorlegten, waren solche, in denen Arbeitnehmer arbeitsunfähig geworden waren und dennoch einen Anspruch auf Urlaub geltend machten. Dies steht so weit auch mit der deutschen Rechtsprechung in Einklang. Neu an der Entscheidung ist, dass der Urlaubsanspruch nicht wie bisher 15 Monate nach Beginn des jeweiligen Urlaubsjahres verfällt, wenn der Arbeitnehmer ein ganzes Jahr erkrankte. Jedenfalls dann nicht, wenn der Arbeitgeber nicht zuvor ausdrücklich zum Verbrauch des aufgehäuften Urlaubs und auf den drohenden Verfall hingewiesen hat. Die jüngsten Urteile ergänzen also lediglich die gefestigte Rechtsprechungspraxis und weder für Unternehmen noch für Beschäftigte ändert sich viel.

 

EuGH: Verjährung und Verfall von Urlaubsansprüchen mit EU-Recht unvereinbar

Der Anspruch auf Erholungsurlaub habe als wesentlicher Grundsatz des EU-Sozialrechts zwingenden Charakter. So begründet Luxemburg seine Entscheidung, die Arbeitnehmerrechte zu stärken. Während so manchem Arbeitsrechtler dieses Urteil sauer aufstößt, findet sich doch auch viel Zustimmung in der arbeitsrechtlichen Fachwelt. Im Arbeitsverhältnis sei der Arbeitnehmer ganz regelmäßig die schwächere Partei und daher schutzbedürftig. Die Belastung für Arbeitgeber hält sich indes in Grenzen und zumindest herrscht nun Klarheit über die Informationspflicht des Arbeitgebers. Zwar wurde nun ausdrücklich eine arbeitgeberseitige Mitwirkungsobliegenheit festgestellt, dieser zu genügen ist allerdings leicht zu bewerkstelligen. Es genügt ein schriftlicher Hinweis (auch E-Mail), wie viele Urlaubstage dem Arbeitnehmer noch offen stehen und dass diese aufzubrauchen sind, da sie ansonsten zu verfallen drohen. Der Vorteil einer schriftlichen Mitteilung ist die bessere Beweisbarkeit im Falle eines Rechtsstreits. Nicht ausreichend ist eine pauschale Rundmail an alle Beschäftigten.

 

Sofern ein Mindestmaß an Sorgfalt an den Tag gelegt wird, gilt für Arbeitgeber folglich Entwarnung, es droht nicht die viel befürchtete Klagewelle.

 

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Dieser Artikel ist stark vereinfacht und dient lediglich zu Informationszwecken. Eine individuelle Beratung mit einem Rechtsanwalt ist zu empfehlen! 

 

Quellen

https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/eugh-c-120-21-urlaub-keine-verjaehrung-fehlende-mitwirkung-c-518-20-c-727-70/

https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/eugh-staerkt-urlaubsanspruch-bei-verfall-und-verjaehrung

https://www.spiegel.de/karriere/europaeischer-gerichtshof-urlaubstage-verfallen-nicht-automatisch-nach-drei-jahren-a-38beeff5-a571-4d87-8bd5-65e0804f4474

https://www.zeit.de/arbeit/2022-09/eugh-urteil-urlaubsanspruch-verjaehrung-faq

https://rechtsanwaltkaufmann.de/arbeitsrecht/eugh-urlaubsanspruch-verfall-verfall-krankheit

BAG, Urt. v. 07.08.2012, Az. 9 AZR 353/10

EuGH, Urt. v. 22.09.2022, C-120/21

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