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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 15.04.2025, Az.: BVerwG 5 B 50.24

Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde; Rüge einer Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO

Bibliographie

Gericht
BVerwG
Datum
15.04.2025
Aktenzeichen
BVerwG 5 B 50.24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2025, 15944
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:BVerwG:2025:150425B5B50.24.0

Verfahrensgang

vorgehend
OVG Sachsen - 15.04.2024 - AZ: 11 F 17/22.EK

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Soweit geklärt ist, dass im Entschädigungsprozess zum Schutz des Kernbereichs der richterlichen Unabhängigkeit die Rechtsauffassung des Ausgangsgerichts grundsätzlich nicht auf ihre sachliche Richtigkeit überprüft werden darf, soweit es sich nicht um eklatante Rechtsanwendungsfehler handelt, die als solche schon bei einer ex-ante-Betrachtung erkennbar sind, gilt dies nicht nur für die Anwendung des Prozessrechts bei der Verfahrensleitung durch das Ausgangsgericht, sondern auch für seine materiellrechtlichen Überlegungen.

  2. 2.

    Insbesondere gilt diese Überprüfungsbegrenzung für Fallgestaltungen, bei denen das Ausgangsgericht womöglich die Sache materiellrechtlich nicht vollständig erfasst hat und gegebenenfalls auf einem schnelleren Weg zum selben Ergebnis hätte kommen können. Auch insoweit darf die Grenze zwischen der Angemessenheit der Verfahrensdauer und der Richtigkeit der Rechtsanwendung nicht verwischt werden.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. April 2025
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 15. April 2024 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 6 000 € festgesetzt.

Gründe:

1

Die auf die Behauptung eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg, weil sie unbegründet ist.

2

1. Nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Damit sind Verstöße gegen Vorschriften gemeint, die den Verfahrensablauf bzw. den Weg zu dem Urteil und die Art und Weise des Urteilserlasses regeln, nicht jedoch Vorschriften, die den Urteilsinhalt betreffen und deren Verletzung sich als Mangel der sachlichen Entscheidung darstellt (BVerwG, Beschlüsse vom 4. Februar 2015 - 5 B 28.14 - juris Rn. 8 m. w. N. und vom 17. November 2015 - 5 B 17.15 - juris Rn. 3). Daran gemessen kommt die Zulassung der Revision nicht in Betracht.

3

a) Die Beschwerde rügt eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dazu trägt sie insbesondere vor, das Oberverwaltungsgericht habe seiner Entscheidung einen unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt, weil es mit Blick auf die von ihm angenommene gehobene Schwierigkeit des Ausgangsverfahrens (im Sinne von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG) allein darauf abgehoben habe, dass dessen Kernproblem die Frage der Voreingenommenheit des Erstbeurteilers gewesen sei. Der Kläger habe die Entschädigungsklage aber ausdrücklich auch darauf gestützt, dass die angefochtene Beurteilung wegen der Unzuständigkeit des Zweitbeurteilers ebenfalls verfahrensfehlerhaft erstellt worden sei. Die dem zugrunde liegende Rechtslage sei seit Langem höchstrichterlich geklärt. Wäre dies im Ausgangsverfahren berücksichtigt worden, hätte dieses im zweiten Rechtszug erheblich schneller abgeschlossen werden können. Das Vorbringen der Beschwerde führt nicht auf den gerügten Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

4

b) Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht aus seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Ein Verfahrensfehler in Form der Verletzung des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann vorliegen, wenn die angegriffene Entscheidung der Vorinstanz von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also etwa entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert. Im Übrigen ist das Ergebnis der gerichtlichen Tatsachenwürdigung vom Revisionsgericht diesbezüglich grundsätzlich nur daraufhin nachzuprüfen, ob es gegen allgemeine Sachverhalts- und Beweiswürdigungsgrundsätze, insbesondere gesetzliche Beweisregeln oder Denkgesetze verstößt oder gedankliche Brüche und Widersprüche enthält (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 28. Mai 2020 - 5 BN 2.19 - juris Rn. 31, vom 15. Dezember 2020 - 3 B 34.19 - NVwZ-RR 2022, 86 Rn. 21 und vom 30. Mai 2023 - 5 B 13.22 - NVwZ 2023, 1508 Rn. 9). Gemessen daran liegt der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel in Form eines Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz nicht vor.

5

Ungeachtet der Frage, inwieweit die Richtigkeit oder Vollständigkeit der der gerichtlichen Entscheidung in dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden materiellen Rechtsauffassung überhaupt als auf die Merkmale des § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG bezogene Tatsachenfeststellung anzusehen ist (vgl. zur Frage von Verfahrensverzögerungen durch den Anspruchsteller: BVerwG, Beschluss vom 30. Mai 2023 - 5 B 13.22 - NVwZ 2023, 1508 Rn. 11), ist der geltend gemachte Verfahrensverstoß nicht gegeben. Denn das Oberverwaltungsgericht ist der Sache nach zutreffend davon ausgegangen, dass der Einwand des Klägers, bei einem anderen materiellrechtlichen Prüfungsansatz des Ausgangsgerichts sei ein schnellerer Abschluss des Ausgangsverfahrens möglich gewesen, nicht zu berücksichtigen war. Deshalb hat es keinen entscheidungserheblichen Akteninhalt übergangen und auch der angegriffenen Entscheidung über den Entschädigungsanspruch keinen unvollständigen maßgeblichen Sachverhalt zugrunde gelegt.

6

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass im Entschädigungsprozess zum Schutz des Kernbereichs der richterlichen Unabhängigkeit die Rechtsauffassung des Ausgangsgerichts grundsätzlich nicht auf ihre sachliche Richtigkeit überprüft werden darf, soweit es sich nicht um eklatante Rechtsanwendungsfehler handelt, die als solche schon bei einer ex-ante-Betrachtung erkennbar sind (vgl. BGH, Urteile vom 13. April 2017 - III ZR 277/16 - NJW 2017, 2478 Rn. 16, vom 15. Dezember 2022 - III ZR 192/21 - BGHZ 236, 10 Rn. 28 und vom 9. März 2023 - III ZR 80/22 - BGHZ 236, 246 Rn. 21). Dies gilt nicht nur für die Anwendung des Prozessrechts bei der Verfahrensleitung durch das Ausgangsgericht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 13. März 2014 - III ZR 91/13 - NJW 2014, 1816 Rn. 34), sondern auch für seine materiellrechtlichen Überlegungen (vgl. BGH, Urteil vom 9. März 2023 - III ZR 80/22 - BGHZ 236, 246 Rn. 21). Insoweit bezieht sich die Überprüfungsbegrenzung nicht nur darauf, ob das Ausgangsgericht den Fall überhaupt rechtlich zutreffend entschieden und infolgedessen möglicherweise zugleich eine Verfahrensverlängerung herbeigeführt hat. Erst recht gilt sie für Fallgestaltungen, bei denen das Ausgangsgericht womöglich die Sache materiellrechtlich nicht vollständig erfasst hat und gegebenenfalls auf einem schnelleren Weg zum selben Ergebnis hätte kommen können. Auch insoweit darf die Grenze zwischen der Angemessenheit der Verfahrensdauer und der Richtigkeit der Rechtsanwendung nicht verwischt werden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2022 - III ZR 192/21 - BGHZ 236, 10 Rn. 28). Dass hier im Übrigen ein eklatanter Rechtsanwendungsfehler des Ausgangsgerichts vorgelegen haben könnte, zeigt die Beschwerde nicht auf; hierfür ist auch sonst nichts ersichtlich, zumal der Frage der Voreingenommenheit des Beurteilers auch mit Blick auf eine möglicherweise anstehende Neuerstellung der Beurteilung zentrale Bedeutung zukam.

7

2. Von einer weiteren Begründung wird nach § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO abgesehen.

8

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit § 52 Abs. 1 GKG. Zu berücksichtigen war die Differenz zwischen dem vom Kläger in der Vorinstanz geltend gemachten Mindestanspruch und dem ihm vom Oberverwaltungsgericht rechtskräftig zugesprochenen Betrag.

Dr. Störmer
Holtbrügge
Preisner