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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 22.07.2024, Az.: BVerwG 8 B 70.23

Klage einer Gemeinde gegen die Festsetzung der Kreisumlage für ein Haushaltsjahr; Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde

Bibliographie

Gericht
BVerwG
Datum
22.07.2024
Aktenzeichen
BVerwG 8 B 70.23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 21263
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:BVerwG:2024:220724B8B70.23.0

Verfahrensgang

vorgehend
OVG Sachsen-Anhalt - 05.09.2023 - AZ: 4 L 14/22

Redaktioneller Leitsatz

Es ist geklärt, dass im Falle eines rückwirkenden Inkraftsetzens des Kreisumlagehebesatzes im Wege einer Heilungssatzung bei der Ermittlung des Finanzbedarfs der kreisangehörigen Gemeinden und des Landkreises auf Erkenntnisse im Zeitpunkt des Beschlusses der Heilungssatzung abzustellen ist. Dies schließt eine Berücksichtigung der zwischenzeitlich angefallenen, bei Erlass solcher Satzungen zur Fehlerbehebung verfügbaren Daten mit ein.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 22. Juli 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Keller,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Naumann
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 5. September 2023 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 2 377 062 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Klägerin, eine kreisangehörige Gemeinde des beklagten Landkreises, wendet sich gegen die Festsetzung der Kreisumlage für das Haushaltsjahr 2017. Im Dezember 2016 beschloss der Kreistag des Beklagten die Haushaltssatzung für das Jahr 2017. Mit Bescheid vom 7. April 2017 setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin eine Kreisumlage für das Haushaltsjahr 2017 in Höhe von 2 377 062 € fest. Die dagegen erhobene Klage hatte Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Festsetzungsbescheid aufgehoben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Auf die Revision des Beklagten hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 27. September 2021 - 8 C 29.20 - das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Oberverwaltungsgericht die Berufung des Beklagten erneut zurückgewiesen. Der angefochtene Bescheid lasse sich nicht auf § 5 der im Dezember 2016 erlassenen ursprünglichen Haushaltssatzung stützen. Auch § 5 der im Dezember 2020 vom Kreistag beschlossenen Änderungssatzung für das Haushaltsjahr 2017, durch die der Kreisumlagesatz wie in der ursprünglichen Haushaltssatzung auf 47,06 % festgesetzt worden sei, stelle keine wirksame Rechtsgrundlage für den angefochtenen Heranziehungsbescheid dar. Die Vorschrift verstoße gegen den Grundsatz des finanziellen Gleichrangs gemäß Art. 28 Abs. 2 GG. Der Beschluss über den Umlagesatz sei weder ergebnisoffen erfolgt, noch seien die im Zeitpunkt der Beschlussfassung zur Verfügung stehenden aktuellen Informationen über den Finanzbedarf des Landkreises und der kreisangehörigen Gemeinden im Haushaltsjahr 2017 berücksichtigt worden. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen seinen Beschluss nicht zugelassen.

2

Die allein auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde des Beklagten hat keinen Erfolg, dabei bedarf die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob das Rechtsschutzinteresse für die Beschwerde durch die mittlerweile erfolgte erneute Änderung des § 5 der Haushaltssatzung entfallen sein könnte, keiner Entscheidung.

3

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlich klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts zu erwarten ist (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 2019 - 8 B 37.18 - juris Rn. 4). Diesen Voraussetzungen genügt die Beschwerde nicht.

4

a) Die vom Beklagten aufgeworfene Frage,

"ob es einer aus Artikel 28 Abs. 2 GG gebotenen Abwägung zwischen den finanziellen Interessen der kreisangehörigen Gemeinden einerseits und des Landkreises andererseits bei der Festsetzung des Kreisumlagehebesatzes widerspricht, wenn in der Beschlussvorlage der kreislichen Satzung zur Festsetzung des Kreisumlagehebesatzes lediglich ein konkreter Umlagesatz genannt wird, ohne in der Beschlussvorlage andere Umlagesätze zu erwägen",

rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil sie von einem unzutreffenden Verständnis des angegriffenen Beschlusses ausgeht. Der vom Beklagten der Frage zugrunde gelegte Rechtssatz, "dass für die von Verfassungs wegen gebotene, ergebnisoffene, weder einseitige noch rücksichtslose Abwägung die Erwägung anderer Umlagesätze unverzichtbar sei", ist dem Berufungsbeschluss nicht zu entnehmen. Vielmehr hat das Oberverwaltungsgericht lediglich eine einzelfallbezogene Würdigung der konkreten Umstände der Beschlussfassung des Beklagten vorgenommen. Dabei hat es seine Auffassung, der Beschluss über den Kreisumlagesatz sei im Dezember 2020 nicht ergebnisoffen erfolgt, auf die Ausführungen der Beschlussvorlage B/0199/2020 des Beklagten gestützt. Diese hat es dahingehend gewürdigt, dass es dem Beklagten bei der Änderungssatzung nicht um eine ergebnisoffene Abwägung, sondern darum gegangen sei, den ursprünglich festgesetzten Umlagesatz - unabhängig vom Ausgang des vor dem Bundesverwaltungsgericht im Verfahren 8 C 29.20 damals noch anhängigen Rechtsstreits - in jedem Fall zu halten. Seine Einschätzung hat das Oberverwaltungsgericht durch die der Beschlussvorlage beigefügte Anlage "Abwägung zur Festsetzung des Kreisumlagesatzes für das Haushaltsjahr 2017" bestätigt gesehen, weil der Beklagte darin lediglich ausgeführt habe, weshalb er den ursprünglich festgesetzten Umlagesatz von 47,06 % als angemessen erachte, ohne einen anderen Umlagesatz auch nur zu erwägen. Eine über den konkreten Einzelfall hinausgehende rechtsgrundsätzliche Aussage hat das Berufungsgericht damit nicht getroffen.

5

b) Die weitere Frage,

"ob im Falle eines rückwirkenden Inkraftsetzens des Kreisumlagehebesatzes im Wege einer Heilungssatzung bei der Ermittlung des Finanzbedarfs der kreisangehörigen Gemeinden und des Landkreises auf Erkenntnisse im Zeitpunkt des Beschlusses der Heilungssatzung abzustellen ist oder ob maßgeblich der Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses ist, der durch den neuerlichen Satzungsbeschluss geheilt werden soll",

bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie ist auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung im Sinne der erstgenannten Alternative zu beantworten. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits entschieden, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung der Rechtmäßigkeit der Haushaltssatzung der Zeitpunkt ihres Erlasses ist. Das gilt auch für eine Satzung, die nach Ablauf des betreffenden Haushaltsjahres rückwirkend zur Behebung von Fehlern der ursprünglichen Haushaltssatzung erlassen wird. Erlaubt das Landesrecht zur Fehlerbehebung den erneuten Beschluss einer Haushaltssatzung auch nach Ablauf des Haushaltsjahres, hat die Ermittlung, Berücksichtigung und Gewichtung der finanziellen Belange des Kreises und der kreisangehörigen Gemeinden ergebnisoffen zu erfolgen; sie darf nicht von vornherein auf eine Bestätigung des zuvor gefassten Beschlusses beschränkt sein. Diese Ergebnisoffenheit setzt voraus, dass alle im Zeitpunkt der Beschlussfassung vorliegenden Informationen über die finanzielle Situation des Kreises und der Gemeinden im betreffenden Haushaltsjahr betrachtet und in die Gewichtung einbezogen werden, auch wenn sie über die bei Erlass der ursprünglichen Haushaltssatzung aus der damaligen prognostischen ex ante-Sicht bekannten Informationen hinausgehen. Der Kreis hat bei der Festlegung des Umlagesatzes die im Zeitpunkt der jeweiligen Beschlussfassung zur Verfügung stehenden, für die Wahrung der verfassungsrechtlichen Vorgaben erheblichen Informationen zu berücksichtigen. Bei rückwirkenden Haushaltssatzungen zur Fehlerbehebung schließt dies eine Berücksichtigung der zwischenzeitlich angefallenen, bei Erlass dieser Satzungen verfügbaren Daten mit ein (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. November 2022 - 8 C 13.21 - BVerwGE 177, 170 Rn. 31). Darüber hinausgehenden, weiteren Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.

6

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Dr. Keller
Hoock
Dr. Naumann