Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 31.01.1997, Az.: BVerwG 1 B 2/97
Erwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt; Nichteheliches Kind eines deutschen Vaters; Rückwirkung; Rückanknüpfung
Bibliographie
- Gericht
- BVerwG
- Datum
- 31.01.1997
- Aktenzeichen
- BVerwG 1 B 2/97
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1997, 12644
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- II. VG Köln 06.02.1995 - VG 10 K 6971/92
- I. OVG Münster 07.10.1996 - OVG 25 A 2169/95
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- NVwZ-RR 1997, 443 (amtl. Leitsatz)
- ZAR 1997, 97 (red. Leitsatz)
Amtlicher Leitsatz
§ 4 Abs. 1 RuStAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften vom 30. Juni 1993 (BGBl I S. 1062) erstreckt sich nicht auf vor dem 1. Juli 1993 Geborene.
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 7. Oktober 1996 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
Nach § 132 Abs. 2 VwGO kann die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Berufungsurteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem das Berufungsurteil beruhen kann. Der allein geltend gemachte Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung nur dann, wenn sie eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche und revisibles Recht betreffende Frage aufwirft, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Dies trifft für die vom Kläger aufgeworfene Frage nicht zu.
Die Frage, ob § 4 Abs. 1 RuStAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften vom 30. Juni 1993 (BGBl I S. 1062) Rückwirkung entfaltet oder im Wege der Rückanknüpfung für vor seinem Inkrafttreten am 1. Juli 1993 Geborene einen Staatsangehörigkeitserwerb zu diesem Zeitpunkt bewirkt, bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Sie ist ohne weiteres aus dem Gesetz verneinend zu beantworten.
Die Rückwirkung eines Gesetzes ist eine Ausnahme von der Regel, wonach Gesetze nur für die Zeit nach ihrer Verkündung gelten und so für gegenwärtige und künftige Rechtsverhältnisse zur Anwendung kommen. Demgemäß muß der Wille des Gesetzgebers, daß der Geltungsbereich des Gesetzes auch auf in der Vergangenheit liegende Vorgänge erstreckt werden soll, im Gesetz zum Ausdruck kommen (vgl. BVerwGE 91, 130 (132 f.) [BVerwG 29.10.1992 - 2 C 24/90]). Das Gesetz zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften enthält keinen dahin gehenden Hinweis.
Auch für eine Rückanknüpfung des § 4 Abs. 1 RuStAG in der ab 1. Juli 1993 geltenden Fassung in dem Sinn, daß die Regelung auch vor diesem Zeitpunkt Geborene erfaßt, gibt es keinen Anhalt. Vielmehr spricht, wie das angefochtene Urteil zutreffend dargelegt hat, alles gegen eine solche Rückanknüpfung. Das Gesetz vom 30. Juni 1993 enthält nur für die Änderungen des Asylverfahrensgesetzes ausdrückliche Übergangsvorschriften (Art. 1 Nr. 50). Zu Recht hat das Berufungsgericht auch darauf hingewiesen, daß früheren Änderungen des Staatsangehörigkeitsrechts, die vergleichbare Fragen betreffen, Übergangsvorschriften beigegeben worden sind, die den mit einer Änderung der Gründe des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit verbundenen Problemen Rechnung tragen sollen (vgl. Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 19. Dezember 1963 (BGBl I S. 982); Art. 3, 4 des Gesetzes zur Änderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 20. Dezember 1974 (BGBl I S. 3714); zu der dem Gesetzgeber gestellten Aufgabe vgl. BVerfGE 37, 217 (262 ff.); BVerwGE 99, 341). Danach verbietet sich die Annahme, der Gesetzgeber habe nunmehr undifferenziert an die Geburt vor Inkrafttreten der Neuregelung angeknüpft. Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, daß das Gesetz vom 30. Juni 1993 § 10 RuStAG unberührt gelassen hat; erstreckte sich § 4 Abs. 1 RuStAG n.F. auf vor dem 1. Juli 1993 geborene nichteheliche Kinder deutscher Väter, wäre es - auch darin ist dem Berufungsgericht zu folgen - unverständlich, den nach § 10 RuStAG eingeräumten und zudem von strengeren Voraussetzungen abhängigen Anspruch auf Einbürgerung aufrechtzuerhalten.
Schließlich ist eine Rückanknüpfung nicht von Verfassungs wegen gefordert. In der Rechtsprechung ist geklärt, daß Art. 6 Abs. 5 GG nicht gebietet, nichtehelichen Kindern deutscher Väter ohne weiteres den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit zu ermöglichen (BVerwGE 68, 220 (235 f.) [BVerwG 06.12.1983 - 1 C 122/80]; vgl. auch VG Bremen NVwZ-RR 1994, 545 [VG Bremen 08.02.1994 - 4 V 604/93]). Selbst wenn sich die Gegebenheiten, die für die verfassungsrechtliche Beurteilung der staatsangehörigkeitsrechtlichen Folgeregelungen des Rechts der nichtehelichen Kinder erheblich sind, im Laufe der Zeit gewandelt haben sollten, spricht nichts dafür, daß der Gesetzgeber verpflichtet gewesen sein könnte, dem bereits für das Jahr 1987, dem Geburtsjahr des Klägers, in der Weise nachzukommen, die er 1993 bei der Neufassung des § 4 Abs. 1 RuStAG gewählt hat. Die Beschwerdebegründung enthält dafür auch nicht den geringsten Hinweis.
Die Vorschrift des § 4 Abs. 1 RuStAG n.F. ist entgegen dem Beschwerdevorbringen auch nicht im Hinblick darauf, daß bis zu einem Tätigwerden des Gesetzgebers in bestimmten Fällen Verfahren über die Ehelicherklärung nicht abgeschlossen werden können (BVerfGE 84, 168 (187) [BVerfG 07.05.1991 - 1 BvL 32/88]) und damit die deutsche Staatsangehörigkeit nicht nach § 5 RuStAG durch Legitimation erworben werden kann, in dem vom Kläger angesprochenen Sinne auszulegen. Die Vorschrift bietet dafür keinen Ansatzpunkt. Eine solche Auslegung überstiege die Grenze des möglichen Wortsinns und wäre mit der Systematik des Gesetzes, das den Staatsangehörigkeitserwerb durch Geburt (§ 4 RuStAG) und durch Legitimation (§ 5 RuStAG) getrennt regelt, nicht vereinbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.
Meyer
Mallmann
Gerhardt