Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 13.03.1996, Az.: BVerwG 6 B 16.96
Bibliographie
- Gericht
- BVerwG
- Datum
- 13.03.1996
- Aktenzeichen
- BVerwG 6 B 16.96
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1996, 26331
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- Bayerischer VGH - 27.11.1995 - AZ: 7 B 93.3879
Tenor:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. November 1995 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8. 000 DM festgesetzt.
Tatbestand:
I.
Die Kläger begehrten im Ausgangsverfahren Akteneinsicht in verschiedene Unterlagen der Schulbehörden und Auskunft über verschiedene Umstände, die ihrer Meinung nach für die länger zurückliegende Nichtversetzung der Klägerin zu 3 in die 2. Jahrgangsstufe der Grundschule ursächlich waren, die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer damit zusammenhängenden Rechtsauskunft eines Bediensteten der Beklagten zu 2 und die Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilicher Maßnahmen. Soweit die Anträge schon erstinstanzlich gestellt waren, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das Begehren auf Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilicher Maßnahmen antragsgemäß durch in der mündlichen Verhandlung vom 27. November 1995 verkündeten Beschluß abgetrennt und an das Verwaltungsgericht verwiesen. Im übrigen hatten die Kläger mit den in der Berufungsinstanz gestellten Anträgen keinen Erfolg.
Gründe
II.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erweist sich - ihre Zulässigkeit unterstellt - als unbegründet. Die mit der Nichtzulassungsbeschwerde allein geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegen nicht vor.
1.
Die Beschwerde macht geltend, das Berufungsgericht habe den Antrag der Kläger auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Rechtsauskunft eines Bediensteten der Beklagten zu 2 zu Unrecht als Klägerweiterung ausgelegt, obwohl die Verweisung dieses Antrags an das zuständige Verwaltungsgericht begehrt worden sei.
Dieses Vorbringen läßt einen Verfahrensfehler des Berufungsgerichts nicht erkennen. Das Berufungsgericht darf grundsätzlich Anträge, die im Rahmen eines anhängigen Verfahrens bei ihm gestellt werden, nicht ungeprüft an das Verwaltungsgericht verweisen. Denn es hat nicht die Funktion einer Rechtsantragsstelle. Vielmehr muß es bei jedem in der Berufungsinstanz gestellten Antrag prüfen, ob dieser in der gewählten Instanz zulässig ist. Hier hatte es - wie geschehen - zu prüfen, ob der neu gestellte weitere Antrag als nachträgliche objektive Klagenhäufung anzusehen und deshalb als Klagänderung zu behandeln war, so daß er nur bei Sachdienlichkeit zuzulassen war (s. §§ 44, 91 VwGO). Ob eine Sache an die erste Instanz verwiesen wird, steht nach § 130 Abs. 1 VwGO im übrigen im Ermessen des Berufungsgerichts.
Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung ist es nicht möglich, einen Antrag in der Berufungsinstanz allein zu dem Zweck zu stellen, ihn an das erstinstanzlich zuständige Verwaltungsgericht verweisen zu lassen. Denn sonst wäre der Antrag nur unter der Bedingung rechtshängig gemacht worden, daß er von dem Berufungsgericht weiter verwiesen wird. Ein derart bedingter Antrag wäre indes unzulässig. Hieraus folgt, daß das Berufungsgericht den Verweisungsantrag der Kläger, um ihn nicht schon als bedingten Antrag als unzulässig verwerfen zu müssen, ersichtlich als unselbständigen Hilfsantrag ausgelegt hat. Hiergegen ist nichts zu erinnern.
2.
Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Rechtsmeinung mußte das Berufungsgericht den Antrag auf Verweisung im Urteil auch nicht ausdrücklich bescheiden. Da es den Antrag nach näherer Prüfung und Befragung es Klägers zu 1 wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses als unzulässig angesehen hat, kam eine Verweisung nicht mehr in Betracht. Diese Selbstverständlichkeit bedurfte neben der Darstellung auf S. 9 (oben) des Urteils keiner weiteren ausdrücklichen Erwähnung. Ein Verstoß gegen die Begründungspflicht liegt deshalb nicht vor.
3.
Der Feststellungsantrag war entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht beim unzuständigen Gericht gestellt worden. Denn das Berufungsgericht durfte über den gestellten Feststellungsantrag nach den §§ 44, 91 Abs. 1 VwGO in der Sache entscheiden. Es war zuständiges Gericht. Somit ist ein Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 GG) nicht festzustellen. Ergänzend sei angemerkt, daß eine andere, als die vom Gericht gewählte Behandlung angesichts des Zusammenhangs des Antrags mit dem zur Entscheidung anstehenden Streitstoff gegen den Grundsatz der Prozeßökonomie verstoßen hätte.
4.
Ausweislich der Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 27. November 1995 liegt auch kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG, Grundsatz des rechtlichen Gehörs, vor. Dem Protoll ist zu entnehmen, daß nach Stellung des die Auskunft betreffenden Feststellungsantrages und nach Abtrennung und Verweisung eines weiteren, nicht sachdienlichen Feststellungsantrages das Berufungsgericht über diesen Antrag und seine Behandlung mehrfach mit dem Kläger zu 1 gesprochen hat. So hat es ihn darauf hingewiesen, daß Fragen des Rechtsschutzbedürfnisses und der "Erforderlichkeit" zweifelhaft seien (S. 6 des Protokolls). Außerdem wurde der Kläger zu 1 aufgefordert zu erklären, unter welchen rechtlichen Gesichtspunkten die von ihm begehrte Akteneinsicht und die von ihm begehrten Auskünfte in derzeit laufenden Verfahren rechtlich von Bedeutung sein sollen (S. 6 des Protokolls). Nach der bis 15.30 Uhr dauernden Sitzungsunterbrechung wurde der Kläger zu 1 noch einmal ausdrücklich aufgefordert, inhaltlich zu dem Feststellungsantrag Stellung zu nehmen (S. 9 des Protokolls). Nach alledem konnte der Kläger zu 1 sich nicht darüber im unklaren sein, daß eine Entscheidung des Gerichts über diesen Sachantrag und nicht etwa eine Verweisung zu erwarten war. Wenn der Kläger angesichts dieser Prozeßsituation den Antrag nicht zurücknahm, um ihn beim Verwaltungsgericht erneut zu erheben, mußte das Berufungsgericht dieses Prozeßverhalten deuten. Die Deutung als - prozessual unzulässige - klägerische Ablehnung einer jeden Entscheidung des Berufungsgerichts über den gestellten Sachantrag als solchen stand dem Gericht dabei nicht offen. Somit hat das Berufungsgericht das Vorbringen des Klägers zu 1 zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen und ist aus prozessualen Gründen seinem vorrangig geäußerten Begehren auf Verweisung des Antrags nicht gefolgt. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs scheidet also aus.
5.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1, § 13 Abs. 1 GKG n.F. Es wurde berücksichtigt, daß sich die Beschwerde nur noch auf einen der in den Vorinstanzen gestellten Anträge bezieht.