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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 20.03.1992, Az.: BVerwG 1 B 33/92

Einbürgerungsanspruch für Abkömmlinge Verfolgter; Vorliegen eines Interesses an der Einheit oder Fortbildung des Rechts ; Reichweite des grundgesetzlich geregelten Wiedereinbürgerungsanspruchs ; Anspruch auf Wiederherstellung des staatsangehörigkeitsrechtlichen Zustands

Bibliographie

Gericht
BVerwG
Datum
20.03.1992
Aktenzeichen
BVerwG 1 B 33/92
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1992, 12873
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG Darmstadt - 04.07.1990 - AZ: V/1 E 2266/88
VG Darmstadt - 04.07.1990 - AZ: V/1 E 2267/88
VGH Hessen - 11.11.1991 - AZ: 12 UE 3389/90

Fundstellen

  • FamRZ 1992, 1072 (amtl. Leitsatz)
  • InfAuslR 1992, 212-213 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1993, 1940 (amtl. Leitsatz)
  • NVwZ 1992, 795-796 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Einbürgerungsberechtigte Abkömmlinge im Sinne des Art. 116 Abs. 2 Satz 1 GG sind nur solche, die infolge der Ausbürgerung eines Elternteils nicht deutsche Staatsangehörige geworden sind. Das eheliche Kind einer im Zeitpunkt der Geburt wieder eingebürgerten deutschen Frau hat danach keinen Anspruch auf Wiedereinbürgerung gemäß Art. 116 Abs. 2 Satz 1 GG.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 20. März 1992
durch
den Vorsitzenden Richter Meyer und
die Richter Dr. Kemper und Dr. Mallmann
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 11. November 1991 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu je einem Drittel.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 18 000 DM festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen Erfolg.

2

Die Kläger berufen sich zunächst auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Eine Rechtssache hat eine solche Bedeutung nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheit oder Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Diese Voraussetzungen zeigt die Beschwerde nicht auf.

3

Die in den Jahren 1961, 1964 und 1967 geborenen Kläger, die ihre Einbürgerung nach Art. 116 Abs. 2 GG erstreben, werfen die Frage auf, "ob für Abkömmlinge im Sinne des Art. 116 Abs. 2 GG, die nach dem 31. März 1953 als eheliche Kinder ausgebürgerter Frauen geboren wurden, die Gesetze zur Änderung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 19. Dezember 1963 (BGBl. I S. 982) und vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3714) anwendbar sind". Sie vertreten die Ansicht, daß ihnen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ein Einbürgerungsanspruch nach Art. 116 Abs. 2 Satz 1 GG zustehe und sie insbesondere nicht auf das befristete Recht eines Erklärungserwerbs verwiesen seien, wie es in Art. 3 des Gesetzes vom 20. Dezember 1974 (BGBl. I S. 3714) für die in der Zeit vom 1. April 1953 bis zum 31. Dezember 1974 geborenen ehelichen Kinder deutscher Mütter vorgesehen sei. Die damit aufgeworfene Frage nach der Reichweite des in Art. 116 Abs. 2 Satz 1 GG für Abkömmlinge geregelten Wiedereinbürgerungsanspruchs ist jedenfalls für die vorliegende Fallkonstellation nicht klärungsbedürftig, sondern läßt sich insoweit unmittelbar aufgrund des Gesetzes und der dazu ergangenen Rechtsprechung des beschließenden Senats ohne weiteres beantworten.

4

Nach Art. 116 Abs. 2 Satz 1 GG sind auch Abkömmlinge früherer deutscher Staatsangehöriger, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die deutsche Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, auf Antrag wieder einzubürgern. Wie der beschließende Senat bereits ausgesprochen hat, kann bei den - nicht selbst ausgebürgerten, sondern nach der Ausbürgerung des maßgebenden Elternteils geborenen - Abkömmlingen von einer "Wiedereinbürgerung" (Art. 116 Abs. 2 Satz 1 GG) sinnvoll nur gesprochen werden, wenn an die infolge der Ausbürgerung vorenthaltene deutsche Staatsangehörigkeit angeknüpft wird, also der staatsangehörigkeitsrechtliche Zustand "wieder"hergestellt wird, der ohne die Ausbürgerung bestanden hätte (Urteil vom 27. März 1990 - BVerwG 1 C 5.87 - BVerwGE 85, 108 <112>[BVerwG 27.03.1990 - 1 C 5/87]). Einbürgerungsberechtigte Abkömmlinge im Sinne des Art. 116 Abs. 2 Satz 1 GG sind also nur solche, die infolge der Ausbürgerung eines Elternteils nicht deutsche Staatsangehörige geworden sind. Die Mutter der Kläger war aber bereits wieder eingebürgert, als diese geboren wurden. Ihnen ist daher die deutsche Staatsangehörigkeit nicht infolge einer etwaigen Ausbürgerung ihrer Mutter vorenthalten worden. Sie haben nicht aufgrund einer als grobes Unrecht anzusehenden Ausbürgerung ein staatsangehörigkeitsrechtliches Schicksal erlitten, das nach Sinn und Zweck des Art. 116 Abs. 2 GG der Wiedergutmachung bedarf. Darauf hat sinngemäß auch das Berufungsgericht hingewiesen (UA S. 14). Demgemäß scheidet hier ein Wiedereinbürgerungsanspruch nach Art. 116 Abs. 2 GG aus.

5

Im vorliegenden Verfahren braucht dagegen nicht geklärt zu werden, ob auch in der Zeit vom 1. April 1953 bis zum 31. Dezember 1974 geborene eheliche Abkömmlinge ausgebürgerter Frauen, die im Zeitpunkt der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit (noch) nicht wieder erworben hatten, nach Art. 116 Abs. 2 Satz 1 GG einbürgerungsberechtigt sind, obwohl sie ohne Ausbürgerung die deutsche Staatsangehörigkeit nicht durch Geburt aufgrund der ehelichen Abstammung von ihrer Mutter erworben hätten (vgl. § 4 Abs. 1 RuStAG a.F. und dazu BVerwGE 75, 86 <91>[BVerwG 21.10.1986 - 1 C 44/84]), oder ob ihnen die Möglichkeit eines befristeten Erklärungserwerbs nach Art. 3 des Gesetzes vom 20. Dezember 1974 in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift eröffnet war (vgl. dazu Makarov/v.Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, 3. Auflage <Stand: November 1987> Art. 116 Rdnr. 90).

6

Die Kläger machen mit ihrer Beschwerde weiter geltend, das Berufungsgericht habe sich in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gesetzt. Eine die Zulassung der Revision rechtfertigende Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt vor, wenn das Berufungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden (abstrakten) Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssatz abgerückt ist. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

7

Die Kläger beziehen sich auf das oben erwähnte Urteil des Senats vom 27. März 1990 - BVerwG 1 C 5.87 - (a.a.O.). Sie machen geltend, aus dieser Entscheidung folge erkennbar, "daß nach dem 1. April 1953 geborene eheliche Kinder ausgebürgerter Frauen zu dem Personenkreis zählen, denen als Abkömmlingen die Rechte nach Art. 116 Abs. 2 GG zustehen, da sie zum Ausgebürgerten in einem rechtlichen Verhältnis stehen, an welches das Staatsangehörigkeitsrecht den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit knüpft". Davon sei das Berufungsgericht abgerückt. Das Urteil vom 27. März 1990 enthält jedoch einen derartigen Rechtssatz nicht. Gegenstand des Urteils war die Klage zweier vor dem 1. April 1953 geborener ehelicher Kinder einer ausgebürgerten und im Zeitpunkt der Geburt noch nicht wieder eingebürgerten deutschen Frau. Der Senat hat entschieden, daß diese nicht die Voraussetzungen des Einbürgerungsanspruchs nach Art. 116 Abs. 2 Satz 1 GG erfüllen. Soweit der Senat in diesem Urteil im Anschluß an sein Urteil vom 6. Dezember 1983 - BVerwG 1 C 122.80 - (BVerwGE 68, 220) den Rechtssatz aufgestellt hat, daß der fragliche Einbürgerungsanspruch nur den Kindern eines Ausgebürgerten zusteht, die zu ihm in einem rechtlichen Verhältnis stehen, an welches das Staatsangehörigkeitsrecht den gesetzlichen Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit knüpft, ist damit entgegen der Auffassung der Kläger nicht zugleich entschieden worden, daß in der Zeit vom 1. April 1953 bis zum 31. Dezember 1974 geborene eheliche Kinder ausgebürgerter Frauen zu dem Personenkreis zählen, dem die Rechte nach Art. 116 Abs. 2 Satz 1 GG zustehen, namentlich nicht für Fälle, in denen die Mutter im Zeitpunkt der Geburt wieder deutsche Staatsangehörige war. Im übrigen hat der Senat, wie oben bereits ausgeführt, darauf abgestellt, daß der Anspruch aus Art. 116 Abs. 2 Satz 1 GG auf die Wiederherstellung des staatsangehörigkeitsrechtlichen Zustands gerichtet ist, der ohne die Ausbürgerung bestanden hätte, woran im vorliegenden Fall der geltend gemachte Anspruch schon aus den dargelegten Gründen scheitert.

8

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, [...].

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 18 000 DM festgesetzt.[...] die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG in Verbindung mit einer entsprechenden Anwendung des § 5 ZPO.