Bundesverwaltungsgericht
Urt. v. 15.10.1991, Az.: BVerwG 1 C 24.90
Melderechtliche Qualifikation; Hauptwohnung; Gesetzliche Regelungsvermutung
Bibliographie
- Gericht
- BVerwG
- Datum
- 15.10.1991
- Aktenzeichen
- BVerwG 1 C 24.90
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1991, 12599
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Trier - 21.07.1989 - AZ: 1 K 90/88
- OVG Rheinland-Pfalz - 20.03.1990 - AZ: 7 A 119/89
Rechtsgrundlagen
- § 12 MRRG
- § 2 Abs. 1 Nr. 12 MRRG
- § 7 Nr. 2 MRRG
- § 9 Satz 2 MRRG
- § 12 Abs. 1 MRRG
- § 12 Abs. 3 MRRG
- § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO
- § 137 Abs. 2 VwGO
- § 24 Abs. 1 VwVfG
Fundstellen
- BVerwGE 89, 110 - 117
- BWGZ 1992, 136-138
- BWVPr 1994, 34
- DVBl 1992, 305-308 (Volltext mit amtl. LS)
- DokBer A 1992, 23-26
- JA 1992, 285-286
- NJW 1992, 1121-1123 (Volltext mit amtl. LS)
- NVwZ 1994, 142
- NVwZ 1992, 484 (amtl. Leitsatz)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die vorwiegende Benutzung einer von mehreren Wohnungen und damit ihre melderechtliche Qualifikation als Hauptwohnung gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 MRRG bestimmt sich danach, wo sich der Einwohner am häufigsten aufhält. Dazu sind eine rein quantitative Berechnung und ein Vergleich der jeweiligen Aufenthaltszeiten erforderlich. Eine Gewichtung der Aufenthaltszeiten durch die Bildung von prägenden Vergleichszeiträumen findet im Gesetz keine Grundlage.
- 2.
Eine gesetzliche Regelvermutung des Inhalts, daß ein lediger Student während seines Studiums vorwiegend seine Wohnung am Studienort benutzt, läßt sich § 12 Abs. 2 Satz 1 MRRG nicht entnehmen. Es gibt auch keinen allgemeinen Erfahrungssatz dieses Inhalts.
Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat
am 15. Oktober 1991
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Meyer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Diefenbach,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Scholz-Hoppe und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gielen und Dr. Kemper
ohne mündliche Verhandlung
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. März 1990 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Gründe
I.
Die im Jahre 1966 geborene, unverheiratete Klägerin ist seit dem Wintersemester 1987/88 als Studentin der Rechtswissenschaft an der Universität ... immatrikuliert. Im September 1987 bezog sie eine Wohnung in ... und meldete diese als Nebenwohnung, ihre bisherige Wohnung im elterlichen Haus in ... als Hauptwohnung an, da sie sich vorwiegend in ... aufhalte. Die Beklagte teilte der Klägerin mit, bei Studenten könne in der Regel davon ausgegangen werden, daß sie sich im Verlauf eines Jahres überwiegend am Studienort aufhielten. Sollte dies bei der Klägerin nicht zutreffen, möge sie dies in geeigneter Form nachweisen.
Die Klägerin trug daraufhin vor, daß sie sich unter Berücksichtigung der Semesterferien, des verspäteten Vorlesungsbeginns im Semester, der Vorlesungsfreiheit an Wochenenden und Feiertagen sowie sehr häufig auch an Montagen und Freitagen in ... aufhalten werde und konkretisierte dies durch Angaben für das Studienjahr 1987/88.
Die Beklagte registrierte gleichwohl die Wohnung in ... als Hauptwohnung der Klägerin. Sie lehnte einen Antrag der Klägerin auf Berichtigung des Melderegisters ab und wies den gegen diese Entscheidung gerichteten Widerspruch zurück:
Nach typischem Verhalten benutze ein Student mit mehreren Wohnungen vorwiegend seine Wohnung am Studienort. Der Semesterbetrieb an der Universität mache etwa 7 1/2 Monate im Jahr aus. Während des Semesters halte sich der Student mindestens 5 Tage in der Woche am Studienort auf; regelmäßige oder gelegentliche Heimfahrten spielten insoweit nur eine untergeordnete Rolle. Diese Einschätzung habe die Klägerin nicht plausibel durch die Darlegung eines atypischen Sachverhalts erschüttert.
Die mit dem Ziel der Eintragung der ... Wohnung als Nebenwohnung erhobene Klage ist in den Vorinstanzen erfolgreich gewesen. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung auf im wesentlichen folgende Erwägungen gestützt: Zur Feststellung, welche von mehreren Wohnungen ein Einwohner vorwiegend benutze, komme es nicht auf prägende Vergleichszeiträume, sondern auf die Gesamtzahl der Tage an, die der Einwohner grundsätzlich während eines Jahres an seinen verschiedenen Wohnorten verbringe. Die Meldebehörde habe zu prüfen, ob die Angaben des Einwohners zu seinem Wohnverhalten plausibel, d.h. schlüssig und glaubhaft seien. Nur wenn der Einwohner einen zeitlich überwiegenden Aufenthalt am Ort der von ihm genannten Hauptwohnung gar nicht behaupte, er bei berechtigten Zweifeln der Meldebehörde seiner Mitwirkungspflicht nicht nachkomme oder seine Angaben nicht glaubhaft mache, dürfe von diesen abgewichen werden. In diesem Zusammenhang dürfe sich die Meldebehörde auch allgemeine Erfahrungstatsachen zunutze machen. Es gebe - jedenfalls in Flächenstaaten - keine allgemeine Erfahrungstatsache, daß sich Studenten vorwiegend am Studienort aufhielten. Aus den Angaben der Klägerin ergebe sich plausibel, daß sie vorwiegend ihre ... Wohnung benutze. Sie habe gegenüber der Beklagten schlüssig dargetan, daß sie unter Berücksichtigung der Vorlesungsferien sowie der Feiertags- und Wochenendheimfahrten beabsichtige, sich insgesamt weniger als fünfeinhalb Monate im Jahre in ... aufzuhalten und ansonsten weiterhin ihr Elternhaus in ... zum Wohnen zu benutzen. Angesichts der Art und der Intensität des juristischen Studiums, das noch weitgehend vom Grundsatz der akademischen Freiheit geprägt sei, sowie im Hinblick auf die relativ große Nähe und die günstigen Verkehrsverbindungen zwischen ... und ... bestehe auch kein hinreichender Anlaß, an der Glaubwürdigkeit ihrer Angaben, die von ihrem Vater bestätigt würden, zu zweifeln.
Die Beklagte macht mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision geltend: Die vorwiegende Benutzung einer Wohnung beurteile sich anhand objektiver Kriterien allein quantitativ nach deren zeitlicher Benutzung. Für einen Prognosezeitraum von in der Regel einem Jahr seien bei sich ändernden Aufenthaltsgewohnheiten verschiedene Vergleichszeiträume zu bilden. Die vorwiegende Benutzung einer Wohnung bestimme sich nach dem prägenden Vergleichszeitraum. Bei einem Studenten sei auf den Zeitraum des Semesters mit einer Dauer von 7 1/2 Monaten im Jahr abzustellen. Die Annahme des Berufungsgerichts, daß bei ledigen Studenten keine Vermutung für deren Hauptwohnung am Hochschulort bestehe, verletze allgemeine Erfahrungssätze und sei daher für das Revisionsgericht nicht bindend. Die aus der gebotenen generalisierenden Betrachtungsweise resultierende Regelvermutung habe die Klägerin nicht durch eigene, signifikant von der Regel abweichende Angaben zu widerlegen vermocht.
Die Klägerin verteidigt das Berufungsurteil.
Der Oberbundesanwalt trägt vor, nach der überwiegenden Auffassung der Bundesländer gebe es keine Regelvermutung, daß ein Student mit mehreren Wohnungen vorwiegend diejenige am Studienort benutze. Bei geringer Entfernung und günstigen Verkehrsbedingungen zwischen den Wohnorten erscheine die Annahme einer Nebenwohnung am Studienort zutreffend, wenn ein lediger Student angebe, er halte sich außer in den Semesterferien auch während der Vorlesungszeit an den Wochenenden häufig im Elternhaus auf.
II.
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Parteien hiermit einverstanden sind (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Das Berufungsurteil beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht. Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, daß die Beklagte ihre ... Wohnung im Melderegister als Nebenwohnung einträgt.
1.
Rechtsgrundlage für diesen Anspruch sind neben irrevisiblen Bestimmungen des rheinland-pfälzischen Meldegesetzes vom 22. Dezember 1982 (GVBl. S. 463) Vorschriften des Melderechtsrahmengesetzes vom 16. August 1980 (BGBl. I S. 1429), geändert durch Gesetz vom 24. Februar 1983 (BGBl. I S. 179) - MRRG -. Nach § 23 MRRG haben die Länder ihr Melderecht den Vorschriften des Melderechtsrahmengesetzes anzupassen. Die landesrechtlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Nebenwohnung und deren Eintragung im Melderegister müssen daher in Übereinstimmung mit dem Melderechtsrahmengesetz stehen. Die Auslegung und Anwendung des Melderechtsrahmengesetzes betrifft Bundesrecht und ist somit nach § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO revisionsgerichtlicher Nachprüfung zugänglich (Beschlüsse vom 13. Mai 1987 - BVerwG 7 B 72.87 - Buchholz 402.43 § 12 MRRG Nr. 1, vom 16. März 1988 - BVerwG 1 B 25.88 - Buchholz 402.43 § 12 MRRG Nr. 2 und vom 14. Mai 1991 - BVerwG 1 CB 49.90 -). Schon deshalb greift die Rüge der Klägerin nicht durch, die Revision habe nicht zugelassen werden dürfen, weil das Berufungsgericht Vorschriften des Landesmelderechts angewendet habe.
2.
Nach §§ 7 Nr. 2, 9 Satz 1 MRRG kann jeder Einwohner die Berichtigung der zu seiner Person im Melderegister gespeicherten Daten verlangen, wenn diese unrichtig sind. Zu den im Melderegister gespeicherten Daten gehören nach § 2 Abs. 1 Nr. 12 MRRG auch die Haupt- und Nebenwohnung. Hat ein Einwohner mehrere Wohnungen in Deutschland, so ist eine dieser Wohnungen gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 MRRG seine Hauptwohnung, jede weitere Wohnung gemäß § 12 Abs. 3 MRRG seine Nebenwohnung. Hauptwohnung des unverheirateten Einwohners ist nach § 12 Abs. 2 Satz 1 MRRG dessen "vorwiegend benutzte" Wohnung. Die vorwiegende Benutzung einer Wohnung bedarf als gerichtlich in vollem Umfang nachprüfbarer unbestimmter Rechtsbegriff näherer Konkretisierung. Dabei ist nach Satz 3 nur in Zweifelsfällen darauf abzustellen, wo der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen des Einwohners liegt (Beschluß vom 16. März 1988 - BVerwG 1 B 25.88 - a.a.O.).
3.
Die vorwiegende Benutzung einer von mehreren Wohnungen ist dort anzunehmen, wo sich der Einwohner am häufigsten aufhält. Da es melderechtlich auf die zukünftige Benutzung der Wohnung ankommt, ist - auch im Rahmen eines Berichtigungsanspruchs - eine Einschätzung des zukünftigen Verhaltens des Einwohners geboten. Ob eine derartige Prognose ebenso wie bei einem Wohnungswechsel ohne zeitliche Beschränkung oder, wie das Berufungsgericht meint, mit Rücksicht auf die Ungewißheit der Benutzungsgewohnheiten bei mehreren Wohnungen zunächst für ein Jahr zu erfolgen hat, sofern nicht feststeht, daß die Benutzung einer Wohnung vorher endet, kann offenbleiben, weil dies im vorliegenden Fall zu keiner unterschiedlichen Beurteilung führt.
a)
Die vorwiegende Benutzung bestimmt sich nicht nach dem Aufenthalt in der Wohnung selbst, sondern nach dem Aufenthalt an dem Ort, in dem sich die Wohnung befindet (in diesem Sinne auch Beiz, Meldegesetz für Baden-Württemberg, 3. Aufl., 1987, § 17 MG Rdnr. 20). Das folgt daraus, daß zwischen dem Aufenthalt am Ort und der Wohnungsbenutzung ein unmittelbarer Zusammenhang besteht und die Meldebehörden die in ihrem Zuständigkeitsbereich wohnhaften Einwohner zu registrieren haben (vgl. § 1 Abs. 1 MRRG).
b)
Zur Ermittlung der vorwiegenden Benutzung einer von mehreren Wohnungen ist eine quantitative Berechnung durch Gegenüberstellung der Nutzungszeiten geboten. Diese Betrachtungsweise entspricht dem Wortsinn des Begriffs "vorwiegend" und den Intentionen des Gesetzgebers, die Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenwohnung eindeutig festzulegen, weil daran Behördenzuständigkeiten sowie Rechte und Pflichten des Einwohners anknüpfen (BT-Drucks. 8/3825 S. 20 und S. 31). In diesem quantitativen Sinne versteht auch die einhellige Meinung in Rechtsprechung und Literatur die vorwiegende Benutzung einer Wohnung (vgl. OVG Hamburg, Urteile vom 29. Mai 1985 - OVG Bf V 14/85 <S. 12> und 15/85 <DÖV 1987, 164> -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juli 1986, NJW 1987, 209; Bayer. VGH, Urteil vom 9. Dezember 1988, NVwZ-RR 1989, 365 <366>; Hess. VGH, Urteil vom 13. November 1990, NVwZ-RR 1991, 357 <358>; wohl auch OVG NRW, Urteil vom 4. Juli 1986, DVBl. 1987, 144; VG Gießen, Urteil vom 22. November 1988, NVwZ-RR 1989, 367 <368>; VG Freiburg, Urteil vom 4. Februar 1987, NVwZ 1987, 1017 <1018>; Beiz, Meldegesetz für Baden-Württemberg, 3. Aufl. 1987, § 17 Rdnr. 19; Medert/Süßmuth, Melderecht des Bundes und der Länder, Loseblattkommentar, Stand: 5. Lieferung Mai 1989, Erläuterungen § 12 MRRG Rdnr. 15; Honnacker, BayVBl. 1983, 481 <483>).
Die vom Gesetz gebotene rein quantitative Betrachtung hat die Konsequenz, daß allen Benutzungszeiten die gleiche Bedeutung zukommen muß (so auch Hess. VGH, Urteil vom 13. November 1990, a.a.O.; VG Gießen, Urteil vom 22. November 1988, a.a.O.; Beiz, a.a.O., § 17 Rdnr. 20). Eine Gewichtung der Aufenthaltszeiten durch die Bildung von prägenden und nicht prägenden Vergleichszeiträumen (so OVG Hamburg, Urteile vom 29. Mai 1985 - OVG Bf V 14/85 und 15/85 - a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 8. November 1988, NVwZ-RR 1989, 364, vom 9. Oktober 1989, NVwZ-RR 1990, 193; und vom 26. November 1990, NVwZ-RR 1991, 359), bei der die Benutzungszeiten des nicht prägenden Vergleichszeitraums unberücksichtigt blieben, findet in § 12 Abs. 2 MRRG keine Grundlage. Sie würde eine vom Gesetzgeber gerade nicht beabsichtigte Wertung erfordern und eine möglichst eindeutige Festlegung der Hauptwohnung erschweren.
Daraus folgt für die hier in Rede stehende Fallgruppe der Hochschulstudenten, die sowohl am Hochschul- als auch am Heimatort eine Wohnung haben, daß die Aufenthaltszeiten am Studienort den Aufenthaltszeiten am Heimatort insgesamt gegenüberzustellen sind und nicht allein auf die Wohnungsbenutzung während des zeitlich überwiegenden Semesters abgestellt werden darf. Wenn der Student insgesamt unter Zusammenrechnung der Benutzungszeiten während der Semesterferien und bei Heimfahrten an Wochenenden und vorlesungsfreien Tagen während des Semesters überwiegend die Wohnung am Heimatort benutzt, ist diese seine Hauptwohnung.
c)
Ausgangspunkt für die Bestimmung der Hauptwohnung sind die Angaben des Einwohners. § 12 Abs. 1 Satz 2 MRRG verpflichtet den Einwohner mit mehreren Wohnungen, der Meldebehörde mitzuteilen, welche Wohnung seine Hauptwohnung ist. Der Einwohner entscheidet, wo er eine Wohnung bezieht und - beim Bezug mehrerer Wohnungen - welche der Wohnungen er vorwiegend benutzen wird. Die Meldebehörden haben diesen Tatbestand nach § 1 Abs. 1 MRRG lediglich zu registrieren. Dies bedeutet freilich nicht, daß der Einwohner unabhängig von der zu erwartenden Benutzungsgewohnheit eine seiner Wohnungen als Hauptwohnung auswählen kann. Die Hauptwohnung bestimmt sich vielmehr nach den in § 12 Abs. 2 MRRG genannten Kriterien. Das folgt aus dem Wortlaut, der Systematik und dem der Entstehungsgeschichte zu entnehmenden Sinn und Zweck der Vorschrift: Nach der regierungsamtlichen Begründung und der Stellungnahme des Bundesrates zu § 12 MRRG sollte eine nach früherem Recht bestehende Wahlmöglichkeit des Einwohners in der Bestimmung der Hauptwohnung ausgeschlossen werden, diese sich vielmehr nach "objektiven Merkmalen" beurteilen (vgl. BT-Drucks. 8/3825 S. 20 und S. 30 f. jeweils zu § 12). Anderenfalls wäre die auf Initiative des Bundesrates in § 12 MRRG aufgenommene Legaldefinition der Hauptwohnung überflüssig.
Wie auch die in § 2 Abs. 1 MRRG vorgesehene Befugnis der Meldebehörde ergibt, neben den eigentlichen Daten des Einwohners die "zum Nachweis ihrer Richtigkeit" erforderlichen Hinweise im Melderegister zu speichern, darf und muß also die Meldebehörde prüfen, ob die Angaben des Einwohners über den Bezug einer Wohnung und deren Qualifikation als Haupt- oder Nebenwohnung zutreffend sind. Sie wird sich dabei mit Rücksicht auf den Massenbetrieb im Meldewesen und die ihr nicht ohne weiteres zugänglichen persönlichen Verhältnisse und Absichten des Einwohners zumeist auf die Prüfung beschränken können, ob ihr die Angaben des Einwohners plausibel erscheinen, d.h. in sich schlüssig und glaubhaft sind. In diese Prüfung darf die Meldebehörde Erfahrungstatsachen über die Benutzungsgewohnheiten bestimmter Personengruppen einbeziehen. Eine solche generalisierende Betrachtungsweise rechtfertigt es allerdings nicht, den wahren Sachverhalt außer acht zu lassen. Legt der Einwohner substantiiert dar, daß und warum er eine Wohnung vorwiegend benutzt, dann darf die Meldebehörde sich über diese Angaben nicht einfach hinwegsetzen, sondern muß gegebenenfalls den Sachverhalt weiter aufklären (vgl. § 24 Abs. 1 VwVfG). Lassen sich Zweifel an der vorwiegenden Benutzung der einen oder anderen Wohnung nicht ausräumen, hat die Meldebehörde gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 MRRG auf den Schwerpunkt der Lebensbeziehungen des Einwohners abzustellen.
d)
Diese Grundsätze gelten auch, wenn ein Student den Bezug einer Wohnung am Studienort unter Aufrechterhaltung einer weiteren Wohnung am Heimatort mitteilt. Eine gesetzliche Regelvermutung des Inhalts, daß ein lediger Student während seines Studiums vorwiegend seine Wohnung am Studienort benutzt, läßt sich § 12 Abs. 2 Satz 1 MRRG weder ausdrücklich noch aufgrund einer Auslegung der Vorschrift entnehmen. § 12 Abs. 2 Satz 1 MRRG stellt lediglich abstrakt auf die vorwiegende Benutzung einer Wohnung ab, ohne für bestimmte Personengruppen wie z.B. Studenten weitere Regeln oder Grundsätze für die tatsächliche Würdigung vorzusehen.
Die Meldebehörde braucht sich mit der Mitteilung eines Studenten über den Bezug einer Nebenwohnung am Studienort nicht abzufinden, wenn sie aufgrund von Erfahrungstatsachen davon ausgehen darf, daß sich Studenten normalerweise vorwiegend am Studienort und nicht am Heimatort aufhalten. Ob und inwieweit sie dabei gestützt auf derartige Erfahrungstatsachen die Angaben des Einwohners als unglaubhaft einstufen darf, ist eine Frage der Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall. Sie ist revisionsgerichtlicher Nachprüfung grundsätzlich entzogen (§ 137 Abs. 2 VwGO). Im übrigen führen im vorliegenden Fall die Angaben der Klägerin und die vom Berufungsgericht festgestellten Erfahrungstatsachen übereinstimmend zu dem Ergebnis, daß deren Wohnung am Studienort ... ihre Nebenwohnung ist.
4.
Nach den Ausführungen des Berufungsgerichts kommt im Rahmen der Plausibilitätsprüfung von Angaben unverheirateter Personen in der Ausbildung (z.B. Studenten) über ihre Wohnverhältnisse am Ausbildungs- bzw. am Heimatort der Art und Intensität des Ausbildungsbetriebes, der Entfernung zwischen den angegebenen Wohnorten, der üblichen Fahrtzeit zwischen ihnen und der Häufigkeit der Heimfahrten eine wesentliche Bedeutung zu. Das Berufungsgericht hat darüber hinaus hervorgehoben, daß jedenfalls in Flächenstaaten nicht von einer allgemeinen Erfahrungstatsache ausgegangen werden könne, Studenten hielten sich vorwiegend am Studienort auf. Es hat den Angaben der Klägerin entnommen, daß sie unter Berücksichtigung der Vorlesungsferien sowie der Feiertags- und Wochenendfahrten ihre ... Wohnung weniger als 5 1/2 Monate im Jahr und damit nicht vorwiegend benutzt und diese Angaben mit Rücksicht auf das vom Grundsatz der akademischen Freiheit geprägte juristische Studium, die relativ große Nähe sowie die günstigen Verkehrsverbindungen zwischen ... und ... für glaubhaft erachtet (BU S. 12 ff.).
a)
Diese unter Berücksichtigung von Erfahrungstatsachen erfolgte Würdigung läßt sich als Teil der tatsächlichen Feststellungen im Sinne des § 137 Abs. 2 VwGO revisionsgerichtlich nur darauf überprüfen, ob das Berufungsgericht allgemein verbindliche Beweiswürdigungsgrundsätze, d.h. gesetzliche Beweisregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, verletzt hat (BVerwGE 47, 330 <361>; Urteil vom 8. Mai 1984 - BVerwG 9 C 141.83 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 147). Die unter Hinweis auf die Revisibilität von allgemeinen Erfahrungssätzen gegen die tatsächliche Würdigung des Berufungsgerichts gerichteten Angriffe der Revision gehen fehl, weil es keinen unzweifelhaft geltenden und durch keine Ausnahme durchbrochenen Erfahrungssatz (vgl. BVerwGE 67, 83 <84>; Urteile vom 25. Oktober 1979 - BVerwG 2 C 7.78 - Buchholz 237.90 § 88 LBG-SH Nr. 1, vom 3. Mai 1974 - BVerwG 4 C 31.72 - Buchholz 406.11 § 128 BBauG Nr. 15 und vom 12. November 1970 - BVerwG 2 C 55.68 - Buchholz 232 § 135 BBG Nr. 41) zur Hauptwohnung eines Studenten am Studienort gibt.
b)
Das Berufungsgericht hat auch nicht unberücksichtigt gelassen, daß es für den Erfolg der von der Klägerin im Klagewege erstrebten Berichtigung des Melderegisters maßgebend auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt. Das Melderegister hat als ein aktuelles Register die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse wiederzugeben. Deshalb muß eine Berichtigung grundsätzlich der aktuellen Sachlage entsprechen.
Das Berufungsgericht hat zwar nicht ausdrücklich dargelegt, daß auf die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen sei, und seine Beurteilung der tatsächlichen Benutzungsverhältnisse u.a. auf die von der Klägerin seinerzeit im Widerspruchsverfahren gemachten Angaben gestützt. Mit seiner Feststellung, daß die Klägerin ihre Hauptwohnung in ... "hat" und vorwiegend diese Wohnung "benutzt" (BU S. 11, 14), hat es jedoch eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß es seiner tatsächlichen Würdigung die Wohnverhältnisse der Klägerin bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zugrunde gelegt hat. Zur Annahme einer zwischenzeitlich eingetretenen Änderung der Benutzungsgewohnheiten der Klägerin bestand weder nach deren Angaben noch aus sonstigen Gründen für das Berufungsgericht ein Anhaltspunkt. Die Revision hat die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts insoweit auch nicht angegriffen.
Hat das Berufungsgericht ohne Rechtsverstoß festgestellt, daß die Klägerin ihre Hauptwohnung in ... hat, während das Melderegister ... als Hauptwohnsitz ausweist, ist der Berichtigungsanspruch begründet und die Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 6.000 DM festgesetzt.
Dr. Diefenbach
Dr. Scholz-Hoppe
Gielen
Dr. Kemper