Bundesverwaltungsgericht
Urt. v. 03.02.1989, Az.: BVerwG 8 C 66.87
Bebauungsplan; Bauliche Nutzung; Baubeschränkung; Grundstücksfläche; Erschließung; Zulässiges Nutzungsmaß
Bibliographie
- Gericht
- BVerwG
- Datum
- 03.02.1989
- Aktenzeichen
- BVerwG 8 C 66.87
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1989, 12266
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Stuttgart - 29.01.1986 - AZ: 7 K 4500/84
- VGH Mannheim - 01.07.1987 - AZ: 2 S 713/86
Rechtsgrundlagen
- § 131 Abs. 1 BBauG
- § 131 Abs. 2 BBauG
- § 131 Abs. 3 BBauG
- § 20 Abs. 2 S. 2 BauNVO
- § 23 Abs. 3 BauNVO
Fundstellen
- BVerwGE 81, 251 - 258
- BWGZ 1989, 466-468
- BauR 1989, 593-596
- DVBl 1989, 421-424 (Volltext mit amtl. LS)
- DokBer A 1989, 139-142
- DÖV 1989, 855-857
- KStZ 1989, 172-174
- NVwZ 1989, 1076-1077 (Volltext mit amtl. LS)
- ZMR 1989, 275-277
- ZfBR 1989, 168-170
Verfahrensgegenstand
Erschließungsbeitragsrecht
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Hindert eine öffentlich-rechtliche Baubeschränkung die Ausschöpfung des für ein Grundstück durch Bebauungsplan vorgesehenen Maßes der zulässigen baulichen Nutzung, ist dem nicht nach § 131 Abs. 1 BBauG im Rahmen des Merkmals "erschlossen" durch eine Verminderung der Grundstücksfläche, sondern (nur) bei der Anwendung der satzungsmäßigen Verteilungsregelung Rechnung zu tragen, und dies allein dann, wenn das behinderte Nutzungsmaß eine Komponente des einschlägigen Verteilungsmaßstabs darstellt (Abweichung von den Urteilen vom 9. Dezember 1983 - BVerwG 8 C 112.82 - BVerwGE 68, 249 <262 ff.> und vom 25. Januar 1985 - BVerwG 8 C 106.83 - Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 59 S. 78 <81 ff.>).
- 2.
§ 131 Abs. 3 BBauG gebietet, eine u.a. auf ein "zulässiges" Nutzungsmaß abhebende Satzungsbestimmung im Tatbestandsmerkmal "zulässig" dahin auszulegen, daß als "zulässig" das Nutzungsmaß zu verstehen ist, das unter Berücksichtigung etwaiger öffentlich-rechtlicher Baubeschränkungen auf dem jeweils erschlossenen Grundstück verwirklicht werden darf.
Der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat
auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Februar 1989
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Weyreuther und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Noack, Dr. David, Dr. Kleinvogel und Prof.
Dr. Driehaus
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 1. Juli 1987 aufgehoben, soweit der Verwaltungsgerichtshof die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 29. Januar 1986 zurückgewiesen hat.
Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Gründe
I.
Die Klägerin ist Eigentümerin eines 1.798 qm großen bebauten Grundstücks, das an die Dairalerstraße grenzt (Daimlerstraße 19). Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des am 22. Mai 1970 genehmigten Bebauungsplans "Gewerbegebiet Ötlinger Straße" und ist als Gewerbegebiet mit zwei Vollgeschossen, einer Grundflächenzahl von 0,8 und einer Geschoßflächenzahl von 1,2 ausgewiesen.
Mit dem auf die Erschließungsbeitragssatzung vom 10. Januar 1977 gestützten Bescheid vom 15. Februar 1984 zog die Beklagte die Klägerin zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von 18.715,53 DM für die Kosten der Herstellung der Daimlerstraße und des Lerchenwegs zwischen der Talstraße und der Ötlinger Straße heran.
Auf die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht durch Gerichtsbescheid vom 29. Januar 1986 den angefochtenen Bescheid mit der Begründung aufgehoben, mangels wirksamer Verteilungs- und Merkmalsregelung habe bisher eine Erschließungsbeitragspflicht nicht entstehen können. Der dagegen mit dem Hinweis auf die inzwischen in Kraft getretene Erschließungsbeitragssatzung vom 3. Juni 1986 und den Zusammenfassungsbeschluß des Rates der Beklagten vom selben Tage eingelegten Berufung hat das Berufungsgericht durch Urteil vom 1. Juli 1987 überwiegend stattgegeben. Der angefochtene Bescheid sei nur insoweit aufzuheben, als die Klägerin zu einem 14.450,99 DM übersteigenden Erschließungsbeitrag veranlagt worden sei. Im übrigen sei der Bescheid rechtmäßig.
Zutreffend habe das Verwaltungsgericht erkannt, daß die Verteilungs- und die Merkmalsregelung in der Erschließungsbeitragssatzung vom 10. Januar 1977 unwirksam seien. Mit Inkrafttreten der Erschließungsbeitragssatzung vom 3. Juni 1986 am 13. Juni 1986 sei jedoch der hier in Rede stehende Erschließungsbeitragsbescheid teilweise rechtmäßig geworden. Bedenken gegen die Gültigkeit dieser Satzung seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Ebenfalls wirksam sei der Beschluß vom 3. Juni 1986, durch den die Daimlerstraße und der Lerchenweg zwischen der Talstraße und der Ötlinger Straße zur gemeinsamen Aufwandsermittlung zusammengefaßt worden seien. Jedoch habe die Beklagte die für die Herstellung der Erschließungsanlagen beitragsfähigen Kosten fehlerhaft ermittelt. Der umlagefähige Aufwand belaufe sich auf insgesamt nur 265.425,46 DM.
Fehlerhaft sei überdies die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwands. Die Beklagte habe insoweit bei den einzelnen Grundstücken des Abrechnungsgebiets abgestellt auf die Flächen, die der Ermittlung der jeweils zulässigen Nutzung zugrunde zu legen seien. Das sei für den Regelfall nicht zu beanstanden, weil nach § 131 Abs. 1 BBauG der umlagefähige Erschließungsaufwand auf die durch die Anlage "erschlossenen Grundstücke" zu verteilen und in qualifiziert beplanten Gebieten grundsätzlich die gesamte beplante Fläche erschlossen in diesem Sinne sei. Das sei jedoch dann anders, wenn Festsetzungen im Bebauungsplan, die als solche nicht über das Maß der zulässigen baulichen Nutzung, sondern wie beispielsweise Baugrenzen und Baulinien nur über die überbaubare Grundstücksfläche bestimmten, zur Konsequenz hätten, daß das im Bebauungsplan für ein Grundstück zugelassene Maß der baulichen Nutzung nicht ausgeschöpft werden könne, wenn sich also das Maß der im Bebauungsplan zugelassenen baulichen Nutzung aus "maßfremden Hinderungsgründen" nicht verwirklichen lasse. Soweit das der Fall sei, nehme das davon betroffene Grundstück kraft des § 131 Abs. 1 BBauG an der Aufwandsverteilung nur mit der Fläche teil, die für die verminderte bauliche Ausnutzung "erforderlich" sei. Bei der Ermittlung der Größe dieses für die verminderte Ausnutzung "erforderlichen" Baugrundstücks sei auszugehen jeweils von dem Nutzungsmaß, das durch die öffentlich-rechtliche Baubeschränkung betroffen sei, d.h. dessen Ausschöpfung durch sie behindert werde.
Im vorliegenden Fall lasse sich die im Bebauungsplan festgesetzte Grundflächenzahl von 0,8 auf den Grundstücken Daimlerstraße 19, 23, 27, 31, 35 und 32 wegen der festgesetzten Baugrenzen nicht verwirklichen. Die Größe der "erforderlichen" Baugrundstücke errechne sich daher hier aus der Division der erreichbaren überbaubaren Fläche durch die Grundflächenzahl. Unter Beachtung eines Zuschlags von 25 v.H. für Gewerbegebiete ergebe sich eine bei der Aufwandsverteilung zu berücksichtigende Geschoßfläche von 32.923,86 qm mit der Folge, daß der Beitragssatz 8,061919 DM pro Quadratmeter betrage. Da von dem 1.798 qm großen Grundstück der Klägerin infolge der festgesetzten Baugrenzen nur eine Fläche von 956 qm überbaubar sei, sei als im Sinne des § 131 Abs. 1 BBauG erschlossen lediglich eine Fläche von (956 qm: <GRZ> 0,8 =) 1.195 qm anzusehen, so daß unter Berücksichtigung der Geschoßflächenzahl von 1,2 und des Artzuschlags von 25 v.H. auf das Grundstück der Klägerin ein Erschließungsbeitrag von 14.450,99 DM entfalle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten, soweit mit ihr die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen worden ist. Die Beklagte rügt die Verletzung materiellen Bundesrechts.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren.
II.
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils, soweit die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts zurückgewiesen worden ist, und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO). Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die abschließende Beurteilung erfordert weitere tatsächliche Feststellungen; das nötigt zur Zurückverweisung.
Die Beklagte hat die Klägerin durch Bescheid vom 15. Februar 1984 zu einem Erschließungsbeitrag für die Kosten der erstmaligen Herstellung der Daimlerstraße und des Lerchenwegs zwischen der Talstraße und der Ötlinger Straße herangezogen. Die Beantwortung der Frage, ob dieser Bescheid rechtmäßig ist, richtet sich nach den Vorschriften des Bundesbaugesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. August 1976 (BGBl. I S. 2256) - BBauG - ungeachtet dessen, daß am 1. Juli 1987 das Gesetz über das Baugesetzbuch vom 8. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2191) in Kraft getreten ist (vgl. u.a. Urteil vom 24. September 1987 - BVerwG 8 C 75.86 - BVerwGE 78, 125 <126>).
1.
Das Berufungsgericht hat die Auffassung des Verwaltungsgerichts gebilligt, auf der Grundlage der Erschließungsbeitragssatzung vom 10. Januar 1977 habe mangels Wirksamkeit der Verteilungs- und der Merkmalsregelung keine Erschließungsbeitragspflicht entstehen können. Dagegen ist bundesrechtlich nichts zu erinnern. Entsprechendes gilt für die Ansicht des Berufungsgerichts, die Wirksamkeit der am 13. Juni 1986 in Kraft getretenen Erschließungsbeitragssatzung vom 3. Juni 1986 - EBS 1986 - begegne keinen Bedenken. Auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen sind überdies die Annahmen des Berufungsgerichts bundesrechtlich nicht zu beanstanden, die Daimlerstraße und der Lerchenweg im Abschnitt zwischen der Talstraße und der Ötlinger Straße bildeten eine Erschließungseinheit im Sinne des § 130 Abs. 2 Satz 2 BBauG, und der umlagefähige Erschließungsaufwand belaufe sich auf 265.425,46 DM.
2.
Nicht mit Bundesrecht vereinbar ist hingegen die Meinung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die gemäß § 131 Abs. 1 BBauG erschlossenen Grundstücksflächen deshalb fehlerhaft ermittelt, weil sie unberücksichtigt gelassen habe, daß sich die in dem einschlägigen Bebauungsplan ausgewiesene Grundflächenzahl von 0,8 wegen festgesetzter Baugrenzen (§ 23 Abs. 3 BauNVO) weder auf dem Grundstück der Klägerin noch auf den Grundstücken Daimlerstraße 23, 27, 31, 35 und 32 verwirklichen lasse. Hinderten in der bezeichneten oder in ähnlicher Weise öffentlich-rechtliche Baubeschränkungen die Ausschöpfung des für ein Grundstück nach dem Bebauungsplan vorgesehenen Maßes der zulässigen baulichen Nutzung, sei dem dadurch Rechnung zu tragen, daß das von der Ausnutzungsbehinderung betroffene Grundstück lediglich mit der Fläche als erschlossen im Sinne des § 131 Abs. 1 BBauG an der Aufwandsverteilung teilnehme, die für die verminderte bauliche Ausnutzung "erforderlich" sei. Im vorliegenden Fall errechne sich die Größe der erforderlichen und deshalb erschlossenen Grundstücksfläche unter Inanspruchnahme der Formel des § 19 Abs. 1 BauNVO aus der Division der jeweils erreichbaren Fläche durch die Grundflächenzahl. Dadurch ergebe sich für die genannten Grundstücke eine gegenüber dem Ansatz der Beklagten geringere erschlossene Grundstücksfläche. Diese Würdigung entspricht der Rechtsprechung des erkennenden Senats u.a. in den Urteilen vom 9. Dezember 1983 - BVerwG 8 C 112.82 - (BVerwGE 68, 249 <262 ff.>) und vom 25. Januar 1985 - BVerwG 8 C 106.83 - (Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 59 S. 78 <81 ff.>). Die dagegen gerichteten Einwände der Revision erweisen sich als gerechtfertigt; der Senat hält nach erneuter Überprüfung an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht fest.
Auszugehen ist davon, daß - von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen (vgl. dazu Urteil vom 27. Juni 1985 - BVerwG 8 C 30.84 - BVerwGE 71, 363 ff.) - bei Grundstücken in (qualifiziert) beplanten Gebieten grundsätzlich die gesamte im Plangebiet gelegene Fläche als erschlossen im Sinne des § 131 Abs. 1 BBauG anzusehen und dementsprechend bei der Verteilung des umlagefähigen Erschließungsaufwands nach einem Maßstab, der neben dem Maß der baulichen Nutzung auch auf die Größe der erschlossenen Grundstücksfläche abhebt, in vollem Umfang zu berücksichtigen ist. Auch die selbst nicht bebaubaren Flächen sind bebauungsrechtlich Grundlage des Maßes der baulichen Nutzbarkeit eines Grundstücks. An dieser Verknüpfung fehlt es jedoch, wenn eine öffentlich-rechtliche Baubeschränkung die Ausschöpfung des für ein Grundstück nach dem Bebauungsplan vorgesehenen Maßes der zulässigen baulichen Nutzung hindert und infolgedessen das vorgesehene Maß der baulichen Nutzung nur "auf dem Papier steht". Für diesen Fall leuchtet ohne weiteres ein, daß bei der Verteilung des Erschließungsaufwands nicht das nur "auf dem Papier stehende", sondern ausschließlich das tatsächlich realisierbare Nutzungsmaß zur Grundlage der Ermittlung des auf das Grundstück entfallenden Erschließungsbeitrags gemacht werden darf. Diese zutreffende Erkenntnis gestattet jedoch, wie der Revision zuzugeben ist, nicht, solchen Nutzungsreduzierungen durch eine auf das Merkmal "erschlossen" in § 131 Abs. 1 BBauG gestützte Verminderung der erschlossenen Grundstücksfläche Rechnung zu tragen. Richtig ist vielmehr - wie an anderer Stelle noch darzulegen ist -, sie gegebenenfalls bei der Anwendung der ortsgesetzlichen Verteilungsregelung zu berücksichtigen.
Die auf der Grundlage der davon abweichenden bisherigen Rechtsprechung des Senats gemachten Erfahrungen zeigen, daß diese Rechtsprechung insbesondere in den Fällen zu sehr unbefriedigenden Ergebnissen führen kann, in denen die satzungsmäßige Verteilungsregelung auf den heute weitgehend üblichen, mit dem Grundflächenmaßstab kombinierten sogenannten Vollgeschoßmaßstab abhebt. Da angenommen werden darf, daß Grundstücken von vergleichbarer Größe und Ausnutzbarkeit durch die von einer Anbaustraße bewirkte Erschließung grundsätzlich annähernd gleiche Vorteile verschafft werden (vgl. etwa Urteil vom 18. April 1986 - BVerwG 8 C 51 und 52.85 - BVerwGE 74, 149 <157>), entspricht der Beitragsgerechtigkeit, daß solche Grundstücke auch mit annähernd gleichen Beiträgen belastet werden. Das ist - sofern der Verteilungsmaßstab die zulässige Anzahl der Vollgeschosse zum ausschlaggebenden Nutzungsmaß bestimmt - bei der vom Berufungsgericht zugrunde gelegten, auf das Merkmal des Erschlossenseins abstellenden Auffassung in einer Vielzahl von Fallkonstellationen nicht zu erreichen. Von den zahlreichen Beispielen, die dies belegen, sei hier nur folgendes angeführt: Zwei jeweils 1.000 qm große Grundstücke sind eingeschossig und - etwa infolge Festsetzung überbaubarer Flächen - mit einer Geschoßfläche von jeweils 200 qm bebaubar, obwohl der Bebauungsplan für das eine Grundstück eine Geschoßflächenzahl von 0,2 und für das andere eine solche von 0,4 ausweist; auf dem letzteren Grundstück kann also das durch die Geschoßflächenzahl 0,4 ausgewiesene Nutzungsmaß nicht ausgeschöpft werden. Wird die erschlossene Grundstücksfläche des nutzungsbehinderten Grundstücks - der bisherigen Rechtsprechung des Senats entsprechend - unter Inanspruchnahme der Formel des § 20 Abs. 1 BauNVO auf (200 qm: <GFZ> 0,4 =) 500 qm vermindert, nimmt dieses Grundstück mit der um den - nach der einschlägigen Verteilungsregelung - für die eingeschossige Bebaubarkeit maßgebenden Vomhundertsatz vervielfältigten erschlossenen Grundstücksfläche von 500 qm an der Aufwandsverteilung teil, während das andere, gleich große und dem Maß (Geschoßfläche von 200 qm) nach gleich nutzbare Grundstück mit einer erschlossenen Grundstücksfläche von 1.000 qm in die Aufwandsverteilung eingeht, so daß auf dieses Grundstück eine doppelt so hohe Beitragsbelastung entfällt wie auf das erstere Grundstück. Ähnlich unangemessene Unterschiede in der Beitragsbelastung ergeben sich in dieser und ähnlichen Fallgestaltungen, soweit die Satzung nicht eine Aufwandsverteilung nach dem Vollgeschoßmaßstab, sondern nach den erschlossenen Grundstücksflächen oder nach den Summen aus erschlossenen Grundstücksflächen und zulässigen Geschoßflächen anordnet.
Das Gebot der Verwaltungspraktikabilität gibt zur Rechtfertigung der Ansicht, Nutzungsbehinderungen müßten ungeachtet dessen im Rahmen des § 131 Abs. 1 BBauG durch eine Verminderung der erschlossenen Grundstücksfläche berücksichtigt werden, nichts her. Im Gegenteil: Angesichts der Anzahl von öffentlich-rechtlichen Baubeschränkungen, die die Ausschöpfung des im Bebauungsplan für ein Grundstück vorgesehenen Maßes der zulässigen baulichen Nutzung verhindern können - in Betracht kommen insoweit u.a. Nutzungsverbote im Interesse des Umweltschutzes, Anbauverbote im Interesse der Belange des Verkehrs, bauplanungsrechtliche Festsetzungen der überbaubaren Grundstücksfläche gemäß § 23 BauNVO sowie Bestimmungen, die die Zerstörung erhaltenswerter Bauten untersagen -, hat sich erwiesen, daß diese Auffassung die mit der Abrechnung von beitragsfähigen Erschließungsanlagen befaßten Gemeindebediensteten nicht selten vor schwer zu bewältigende Schwierigkeiten stellt.
Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts hat somit die von ihm festgestellte Tatsache, daß sich die in dem hier einschlägigen Bebauungsplan ausgewiesene Grundflächenzahl von 0,8 wegen festgesetzter Baugrenzen auf mehreren Grundstücken des Abrechnungsgebiets nicht verwirklichen läßt, keinen Einfluß auf den Umfang der im Sinne des § 131 Abs. 1 BBauG erschlossenen Grundstücksflächen. Das zwingt zur Zurückverweisung der Sache. Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts ist eine abschließende Beantwortung der Frage nicht möglich, welche Grundstücksflächen hier als erschlossen an der Aufwandsverteilung teilnehmen; im Rahmen der erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Berufungsgericht die dazu erforderlichen Feststellungen zu treffen haben.
3.
Das Berufungsgericht hat dargelegt, im vorliegenden Fall sei der umlagefähige Erschließungsaufwand gemäß § 6 Abs. 2 EBS 1986 nach den zulässigen Geschoßflächen zu verteilen. Als in diesem Sinne zulässige Geschoßfläche gelte - wie § 7 Abs. 1 Satz 1 EBS 1986 bestimme - die mit der im Bebauungsplan festgesetzten Geschoßflächenzahl vervielfachte erschlossene Grundstücksfläche, so daß die im Sinne der §§ 6 Abs. 2, 7 Abs. 1 Satz 1 EBS 1986 zulässige Geschoßfläche für das 1.798 qm große, mit der Geschoßflächenzahl 1,2 ausgewiesene Grundstück der Klägerin 2.157,6 qm betrage. Das verstößt aus folgenden Gründen gegen Bundesrecht:
Die Ansicht, bei einem Grundstück in einem (qualifiziert) beplanten Gebiet sei selbst dann die gesamte im Plangebiet gelegene Fläche als erschlossen im Sinne des § 131 Abs. 1 BBauG anzusehen, wenn eine öffentlich-rechtliche Baubeschränkung die Ausschöpfung des im Bebauungsplan für dieses Grundstück vorgesehenen Maßes der zulässigen baulichen Nutzung hindert, führt, wie bereits eingangs klargestellt, nicht dazu, daß derartige Ausnutzungsbehinderungen für die Aufwandsverteilung im Erschließungsbeitragsrecht stets ohne Bedeutung sind. Sie wirken sich vielmehr dann aus, wenn das durch die Baubeschränkung betroffene Nutzungsmaß eine Komponente der satzungsmäßigen Verteilungsregelung ist: Das Maß der baulichen Nutzung ist, wie § 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 BBauG ergeben, ein bundesrechtlich wesentliches Element der durch Satzung zu schaffenden Verteilungsmaßstäbe. § 131 Abs. 3 BBauG gebietet - von hier zu, vernachlässigenden Ausnahmen abgesehen -, daß bei der Anwendung der Verteilungsmaßstäbe Verschiedenheiten des Nutzungsmaßes Rechnung getragen wird, und das meint - unter dem Blickwinkel des jeweiligen Verteilungsmaßstabs - nicht das (etwa) nur "auf dem Papier stehende", sondern das realisierbare Nutzungsmaß. Das heißt: Behinderungen in der Ausschöpfung des vom Bebauungsplan vorgesehenen Maßes der zulässigen baulichen Nutzung werfen Probleme auf, die den Inhalt bzw. die Anwendung der satzungsmäßigen Verteilungsmaßstäbe angehen. Zu fragen ist daher in Fällen der hier in Rede stehenden Art zunächst nach dem Verteilungsmaßstab der jeweiligen Erschließungsbeitragssatzung. Ordnet er - was er für sogenannte alterschlossene Gebiete (vgl. Urteil vom 12. September 1984 - BVerwG 8 C 124.82 - BVerwGE 70, 96 <102 ff.>) und für bestimmte neuerschlossene Gebiete darf - eine Aufwandsverteilung nach den Grundstücksflächen (§ 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BBauG) oder den Grundstücksbreiten an der Erschließungsanlage (§ 131 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BBauG) an, ist das Maß der baulichen Nutzung und in der Folge auch eine Behinderung der Ausschöpfung dieses Nutzungsmaßes ohne Einfluß auf die Aufwandsverteilung. Entsprechendes gilt, wenn die anzuwendende Verteilungsregelung zwar auf ein Nutzungsmaß (z.B. Anzahl der Vollgeschosse) abhebt, nicht jedoch die Ausschöpfung dieses, sondern ausschließlich die eines anderen Nutzungsmaßes (z.B. Größe der bebaubaren Grundfläche) durch eine öffentlich-rechtliche Baubeschränkung behindert wird. Nur wenn eine solche Baubeschränkung das Nutzungsmaß betrifft, auf das es nach der jeweiligen Verteilungsregelung ankommt, ordnet § 131 Abs. 3 BBauG an, daß die Nutzungsbehinderung im Rahmen der Aufwandsverteilung beachtet werden muß. Dieses Beachtungsgebot richtet sich - bundesrechtlich - nicht allein (und praktisch sogar weniger) an den Satzungsgeber als vielmehr an den Satzungsanwender: Der jeweilige Maßstab ist, soweit er auf das Nutzungsmaß abstellt und dieses Nutzungsmaß nicht ausgeschöpft werden kann, "in der Weise anzuwenden", daß auch etwaigen Unterschieden in der Realisierbarkeit des Nutzungsmaßes Rechnung getragen wird. Damit schlägt § 131 Abs. 3 BBauG - erforderlichenfalls unter Verdrängung eines davon abweichenden Satzungsinhalts - auf die Satzungsanwendung und damit zugleich die Satzungsauslegung durch. Er fordert, die Bestimmung einer satzungsmäßigen Verteilungsregelung, die (außer auf die erschlossene Grundstücksfläche) auf ein "zulässiges" Nutzungsmaß - sei es die zulässige Geschoßfläche, die zulässige Baumasse oder die zulässige Anzahl der Vollgeschosse - abhebt, in ihrem Merkmal "zulässig" dahin auszulegen, daß als "zulässig" im Einzelfall das Nutzungsmaß zu verstehen ist, das unter Berücksichtigung auch öffentlich-rechtlicher Baubeschränkungen auf dem jeweiligen erschlossenen Grundstück verwirklicht werden darf (s. zur vergleichbaren Auswirkung des § 131 Abs. 3 BBauG auf die Auslegung des Begriffs "Gewerbe" in einer den grundstücksbezogenen Artzuschlag regelnden Satzungsbestimmung Urteil vom 11. Dezember 1987 - BVerwG 8 C 85.86 - BVerwGE 78, 321 <331 f.>).
Nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts beträgt die überbaubare Fläche für das Grundstück der Klägerin wegen festgesetzter Baugrenzen gemäß § 23 Abs. 3 BauNVO 956 qm. Das hat zur Folge, daß bei zulässiger zweigeschossiger Bebaubarkeit auf diesem Grundstück - in den beiden vorgesehenen Vollgeschossen - lediglich eine Geschoßfläche von 1.912 qm verwirklicht werden kann. Die Annahme, diese Geschoßfläche sei die im Sinne der §§ 6 Abs. 2, 7 Abs. 1 Satz 1 EBS 1986 für das Grundstück der Klägerin zulässige Geschoßfläche, könnte gleichwohl unzutreffend sein, wenn es der Auffassung der Beklagten entsprechend geboten sein sollte, insoweit auch die nach § 20 Abs. 2 Satz 2 BauNVO mitzurechnenden Geschoßflächen zu berücksichtigen. Für eine so weitgehende Differenzierung gibt das Bundesrecht nichts her. Dafür sprechen nicht zuletzt Bedürfnisse der Verwaltungspraktikabilität. Müßten die in § 20 Abs. 2 Satz 2 BauNVO bezeichneten Flächen nämlich berücksichtigt werden, ergäbe sich im Zuge der Verteilung des Erschließungsaufwands der Zwang, für jeden Einzelfall die legal erreichbaren Geschoßflächen von Aufenthaltsräumen in anderen (als Voll-, d.h. insbesondere in Dach- und Keller-)Geschossen "einschließlich der zu ihnen gehörenden Treppenräume und einschließlich ihrer Umfassungswände" (§ 20 Abs. 2 Satz 2 BauNVO) anhand der u.U. vielgestaltigen Bebauungsplanfestsetzungen (u.a. Dachneigung, Dachform usw.) zu ermitteln, d.h. in dieser Richtung für jedes betroffene Grundstück gleichsam ein fiktives Baugesuch zu erstellen, weil nur auf diese Weise festgestellt werden kann, welche Geschoßfläche maximal genehmigungsfähig wäre.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Revisionsverfahren auf 4.264,54 DM festgesetzt.
Noack
Dr. David
Dr. Kleinvogel
Prof. Dr. Driehaus