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Bundesverwaltungsgericht
Urt. v. 09.07.1965, Az.: BVerwG VII C 16.62

Rechtsmittel

Bibliographie

Gericht
BVerwG
Datum
09.07.1965
Aktenzeichen
BVerwG VII C 16.62
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1965, 15280
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OVG Berlin - 21.11.1961 - AZ: OVG III B 102.60

Fundstellen

  • BVerwGE 21, 330 - 334
  • AS 21, 330
  • DVBl 1966, 88 (Kurzinformation)
  • DÖV 1965, 769-771 (Volltext mit amtl. LS)
  • KirchE 7, 218
  • MDR 1965, 939-940 (Volltext mit amtl. LS)
  • VerwRspr 17, 657
  • ZevKR 1966, 403

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Bei öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ist dem Rechtsstaatsprinzip Genüge getan, wenn die Steuer nach der Steuersatzung vorausberechnet werden kann.

  2. 2.

    Die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften können die Mitgliedschaft im Rahmen des für alle geltenden Gesetzes nach ihrem Bekenntnisstand regeln. Es verstößt nicht gegen das Grundgesetz, wenn jüdische Religionsgemeinschaften die Mitgliedschaft nicht in jedem Falle von einer Beitrittserklärung abhängig machen, sondern Abstammung und Wohnsitz genügen lassen.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der VII. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juli 1965
durch
den Senatspräsidenten Witten und
die Bundesrichter Dr. Zinser, Reimer, Dr. Boerckel und Dr. Mühl
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 21. November 1961 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

1

I.

Der im Jahre 1906 in B... geborene Kläger ist Sohn jüdischer Eltern. Bei seiner Rückkehr nach B... im Jahre 1955 bezeichnete er sich in der polizeilichen Anmeldung als "mosaisch". Gegenüber dem Finanzamt erklärte er ebenfalls, der jüdischen Konfession anzugehören. Die Beklagte forderte den Kläger daraufhin mehrmals vergeblich zur Registrierung auf. Auf Grund ihrer Steuerordnung veranlagte sie ihn nach Schätzung seines Einkommens durch Bescheid vom 17. Februar 1959 zu einer Gemeindesteuer von 24 DM für das Jahr 1959. Hierauf zahlte der Kläger einen Teilbetrag von 12 DM. Nach einer Mitteilung des Finanzamts über ein steuerpflichtiges Einkommen des Klägers in Höhe von 25 523 DM für das Jahr 1957 veranlagte ihn die Beklagte zu einer Gemeindesteuer von 623 DM für das Jahr 1958 und zu Vorauszahlungen von insgesamt 467,25 DM für die ersten drei Vierteljahre des Jahres 1959. Auf diese Beträge rechnete sie die vom Kläger für 1959 gezahlten 12 DM an.

2

Den gegen diesen Veranlagungsbescheid vom Kläger mit der Begründung erhobenen Einspruch, er gehöre der Jüdischen Gemeinde nicht an, wies die Beklagte mit Bescheid vom 1. Dezember 1959 zurück. Widerspruch, Klage und Berufung blieben erfolglos. Das Berufungsurteil ist im wesentlichen wie folgt begründet:

3

Die Beklagte habe angesichts ihrer Eigenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts nach Maßgabe der Steuerordnung von ihren Gemeindeangehörigen Steuern zu erheben. Bei Streitigkeiten über die Erhebung der Steuern sei der Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten gegeben. Nach § 3 der Satzung der Beklagten seien Mitglieder der Jüdischen Gemeinde die Personen, die dem jüdischen Glauben von Geburt an angehörten oder auf Grund freiwilligen Beitritts in das Judentum aufgenommen worden seien und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in B... hätten. Nach § 4 der Satzung hätten sie nach Maßgabe der Steuerordnung Gemeindesteuern zu entrichten. Nach § 35 des preußischen Gesetzes über die Verhältnisse der Juden vom 23. Juli 1847 (GS S. 263) hätten die Juden nach Maßgabe der Orts- und Bevölkerungsverhältnisse dergestalt in Synagogengemeinden vereinigt werden sollen, daß alle innerhalb eines von der Regierung zu bildenden Synagogenbezirks wohnenden Juden einer solchen Gemeinde angehörten. Dadurch habe sichergestellt werden sollen, daß alle Angehörigen des jüdischen Glaubens innerhalb eines bestimmten Bezirks in einer Synagogengemeinde zusammengefaßt wurden. Nach dem Abstammungsprinzip, das in der Regel für den Erwerb der Staatsangehörigkeit anerkannt sei, müsse hier entsprechend für die Zugehörigkeit zur jüdischen Glaubensgemeinschaft angenommen werden, daß diese auch durch Geburt von jüdischen Eltern oder von einer jüdischen Mutter entstehe. Dieser Meinung sei auch das Preußische Oberverwaltungsgericht gewesen. Möge es auch an einer ausdrücklichen Rechtsvorschrift hierüber gefehlt haben, so müsse zumindest eine den jüdischen Glaubenssätzen entsprechende gewohnheitsrechtliche Regel angenommen werden, nach der die Zugehörigkeit zur Synagogengemeinde nach dem Abstammungsprinzip auch durch Geburt habe erlangt werden können.

4

An diesem Wesen der jüdischen Religionsgemeinschaft habe sich auch später nichts geändert. Durch das Grundgesetz sei ebenfalls keine Änderung eingetreten. Die Zugehörigkeit zur Synagogengemeinde entstehe daher unabhängig von einer besonderen Beitrittserklärung kraft des Abstammungsprinzips auch durch Geburt von jüdischen Eltern, so daß auch der Kläger Mitglied der Jüdischen Gemeinde sei. Diese Auffassung werde auch durch die eigenen Angaben des Klägers bei seiner polizeilichen Anmeldung und gegenüber dem Finanzamt gestützt. Ein Verstoß gegen Art. 4 GG liege nicht vor. Nach dem Gesetz betreffend den Austritt aus den Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts vom 30. November 1920 (GS 1921, S. 119) sei jedes Mitglied einer Religionsgemeinschaft berechtigt, seinen Austritt aus dieser Gemeinschaft zu erklären. Außerdem schütze das Grundrecht in erster Linie den Bürger gegenüber dem Staat, nicht gegenüber der Religionsgesellschaft.

5

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision beantragt der Kläger:

  1. 1.

    Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 21. November 1961 sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 27. Juni 1960 und die zugrunde liegenden Widerspruchs- und Einspruchsbescheide der Jüdischen Gemeinde zu B... vom 13. Januar 1960 und 1. Dezember 1959 einschließlich der Veranlagungsbescheide für die Gemeindesteuer 1958/59/60 werden aufgehoben.

  2. 2.

    Die Kosten des gesamten Rechtsstreites werden der Beklagten auferlegt.

6

Das angefochtene Urteil beruhe auf einem Verfahrensmangel, weil das Oberverwaltungsgericht entgegen dem § 108 VwGO den Vortrag des Klägers unvollständig gewürdigt und in seiner Entscheidung nicht genügend berücksichtigt habe. Das Oberverwaltungsgericht habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob und wie der Kläger, der zwar im Jahre 1906 im Synagogenbezirk der Jüdischen Gemeinde B... als Kind jüdischer Eltern geboren, später aber vertrieben worden sei, nach seiner Rückkehr nach B... im Jahre 1955 wieder Mitglied der beklagten Gemeinde habe werden können. Auch in den Jahren vor dem Verlassen B... sei er nicht Mitglied der damaligen Jüdischen Gemeinde gewesen. Aus § 35 des Gesetzes vom 23. Juli 1847 sei auch nicht zu schließen, daß der damalige Gesetzgeber an eine Zwangsmitgliedschaft in den Jüdischen Gemeinden gedacht habe. Außerdem sei die vom Oberverwaltungsgericht angenommene Mitgliedschaftsbegründung zur Jüdischen Gemeinde nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Der durch Art. 4 Abs. 1 GG auch garantierten negativen Vereinigungsfreiheit widerspreche die zwangsweise Begründung der Mitgliedschaft zur Beklagten. Schon in der Tatsache, daß der Kläger seinen Austritt aus der Jüdischen Gemeinde positiv erklären solle, liege ein Grundrechtsverstoß. Auch werde der Kläger nach Art. 3 Abs. 3 GG als Jude wegen seiner Abstammung erheblich im Verhältnis zu Personen christlicher Abstammung und christlichen Glaubens benachteiligt, deren Mitgliedschaft allein durch eine Aufnahme in Form der Taufe begründet werde.

7

Die Beklagte ist den Ausführungen des Klägers entgegengetreten und bittet um Zurückweisung der Revision.

8

Der Oberbundesanwalt beteiligt sich nicht am Verfahren.

9

II.

Die Revision ist nicht begründet.

10

1.

Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen, wie im Urteil vom 1. August 1958 (BVerwG VII C 51.57 = BVerwGE 7 S. 189) ausführlich begründet worden ist, keine Bedenken. Wie das Berufungsgericht festgestellt hat, ist der Beklagten durch Beschluß des Senats der Stadt B... vom 3. September 1951 die Eigenschaft einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen worden. Nach § 137 Abs. 6 Weimarer Reichsverfassung - WRV -, der durch Art. 140 GG in das Grundgesetzübernommen worden ist, ist die Beklagte daher berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben. Dieses Besteuerungsrecht auf Grund staatlicher Veranlagungsmerkmale ist keine eigene Angelegenheit der Religionsgesellschaft, sondern ein vom Staat verliehenes Recht, dessen Durchsetzung durch die staatliche Zwangsgewalt garantiert ist. Es handelt sich somit um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, für die der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist.

11

2.

Die Revision will einen Verstoß gegen die Vorschrift des § 108 VwGO daraus herleiten, daß das Berufungsgericht sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt habe, wie der Kläger nach seiner Rückkehr nach B... im Jahre 1955 wieder Mitglied der Beklagten habe werden können. Das Berufungsgericht geht zwar nicht darauf ein, welche Auswirkungen das Verlassen B... und die Verhältnisse in der nationalsozialistischen Zeit auf die Zugehörigkeit des Klägers zu der Beklagten gehabt haben. Auf diese Frage kommt es aber nach der Auffassung des Berufungsgerichts nicht an, denn es hat festgestellt, daß nach den in B... geltenden landesrechtlichen Vorschriften die Zugehörigkeit zur Beklagten durch Abstammung von jüdischen Eltern und durch den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in B... begründet wird. Der Kläger hat selbst nicht bestritten, daß er von jüdischen Eltern abstammt und seinen Wohnsitz in B... hat. Aus den Ausführungen des Berufungsgerichts ergibt sich somit ohne Verstoß gegen die Denkgesetze, daß der Kläger mindestens seit dem Jahre 1955 der Beklagten als Mitglied angehörte. Die Frage der Mitgliedschaft in der davor liegenden Zeit ist somit für diesen Rechtsstreit unerheblich.

12

3.

In sachlich-rechtlicher Hinsicht kann die Revision nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. Die vom Berufungsgericht angegebenen Vorschriften des preußischen Gesetzes über die Verhältnisse der Juden vom 23. Juli 1847 (Preußische Gesetzessammlung - GS - S. 263) und des preußischen Gesetzes betreffend den Austritt aus den Religionsgesellschaften öffentlichen Rechts vom 30. November 1920 (GS 1921 S. 119) sowie die Satzung und die Steuersatzung der Beklagten sind nicht Bundesrecht. Das Revisionsgericht ist mithin darauf beschränkt zu prüfen, ob diese Vorschriften und ihre Anwendung und Auslegung durch das Berufungsgericht gegen Bundesrecht, insbesondere gegen das Grundgesetz verstoßen. Ein solcher Verstoß hat jedoch nicht festgestellt werden können.

13

a)

Ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip liegt nicht vor. Ein solcher könnte daraus hergeleitet werden, daß auf Grund der landesrechtlichen Vorschriften, insbesondere des § 58 des preußischen Gesetzes vom 23. Juli 1847 die Höhe der Gemeindesteuer nicht vorausberechnet werden kann, weil in dieser Vorschrift die für eine solche Berechnung notwendigen Bestimmungen, insbesondere die Steuergesetze, fehlen. Dem Rechtsstaatsprinzip ist jedoch im vorliegenden Falle dadurch Genüge getan, daß die Gemeindesteuern nach den landesrechtlichen Vorschriften in Verbindung mit der Satzung und der Steuersatzung der Beklagten vorausberechnet werden konnten.

14

Nun hat zwar das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 7 S. 282 [BVerfG 05.03.1958 - 2 BvL 18/56]) entschieden, daß ein Gesetz, das eine Steuer einführt und es dem Verordnungsgeber überläßt, das für diese Steuer Wesentliche zu bestimmen, gegen das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit verstößt. Dieser für das Verhältnis des Gesetzgebers zum Verordnungsgeber zutreffende Grundsatz kann jedoch weder für die sich selbstverwaltenden Gemeinden noch für die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften gelten. Für die Gemeinden ergibt sich dies eindeutig aus Art. 105 Abs. 2 Nr. 3 GG und der dort vorgeschriebenen Überlassung der Festsetzung der Hebesätze an die Gemeinden. Das Bundesverwaltungsgericht hat deshalb auch wiederholt (BVerwGE 6 S. 247; 19 S. 68) die Anwendbarkeit des Art. 80 GG auf den Erlaß von Gemeindesatzungen abgelehnt; für die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften kann nichts anderes gelten. Sie sind nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 WeimRV Körperschaften des öffentlichen Rechts wie die Gemeinden, ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes und sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben. Ihre Stellung ist in verschiedener Hinsicht unabhängiger als die der Gemeinden. Mit dieser Stellung könnte es nicht vereinbart werden, wenn der Landesgesetzgeber in dem von ihm nach Art. 137 GG WeimRV zu erlassenden Landessteuergesetze alle Einzelheiten der Besteuerung durch die Religionsgemeinschaften einschließlich der Steuersätze zu regeln hätte, so daß schon nach dem Landessteuergesetz die Höhe der Steuer vorausberechnet werden könnte. Es kommt hinzu, daß die Steuersatzungen durch ein nach demokratischen Grundsätzen gewähltes Organ festgesetzt werden. Nach alledem ist das Rechtsstaatsprinzip nicht dadurch verletzt, daß die hier umstrittene Gemeindesteuer nicht schon nach den landesrechtlichen Vorschriften vorausberechnet werden kann.

15

b)

Das Berufungsgericht hat die hier maßgebenden Vorschriften, das preußische Gesetz vom 23. Juli 1847 (GS S. 263) und die Satzung der beklagten Gemeinde dahin ausgelegt, daß die Steuerpflicht von der Mitgliedschaft abhänge und daß Mitglied sei, wer von jüdischen Eltern abstamme und in B... seinen Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt habe. Diese Vorschriften sind Landesrecht. Es bleibt nur zu prüfen, ob diese Regelung gegen Bundesrecht, insbesondere gegen das Grundgesetz verstößt. Ein solcher Verstoß ist im vorliegenden Falle nicht gegeben. Bei dieser Prüfung kann nicht daran vorbeigegangen werden, daß sowohl der Kläger wie die beklagte Gemeinde Rechte nach dem Grundgesetz haben. Nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WeimRV ordnet und verwaltet jede Religionsgesellschaft ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Nach dieser Vorschrift ist die Beklagte auch befugt, die Mitgliedschaft zu regeln. (Ebenso Mikat in "Die Grundrechte, herausgegeben von Bettermann-Nipperdey-Scheuner Bd. IV/1 S. 186.) Allerdings muß sich die Regelung innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes halten. Der Kläger beanstandet, daß in seinem Falle die Mitgliedschaft nicht von seiner ausdrücklichen Beitrittserklärung abhänge, sondern daß es nur auf allgemeine Merkmale (Abstammung und Wohnsitz) ankomme. Hierin ist ein Verstoß gegen Bundesrecht nicht zu erblicken. Es gibt keine bundesrechtliche Vorschrift, daß die Mitgliedschaft bei einer Religionsgemeinschaft nur durch eine ausdrückliche Beitrittserklärung erworben werden könne. Eine solche Vorschrift läßt sich auch nicht aus allgemeinen Grundsätzen des öffentlichen Rechts herleiten. Gerade das öffentliche Recht macht Rechtsstellungen der hier in Frage kommenden Art von objektiven Voraussetzungen abhängig, läßt sie also automatisch entstehen. Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang mit Recht auf die Staatsangehörigkeit hingewiesen, die neben anderen Gründen auch durch Abstammung erworben wird.

16

Die freie Gestaltungsmöglichkeit der Mitgliedschaft durch die Religionsgemeinschaften ist allerdings durch die Grundrechte des einzelnen Mitglieds, seine Glaubensfreiheit und die negative Vereinigungsfreiheit beschränkt. Daß durch die geforderte Zahlung die Freiheit des Glaubens, des Gewissens, des Bekenntnisses oder der Religionsausübung beschränkt wird, ist nicht anzunehmen, da durch eine Geldforderung nicht - jedenfalls nicht ohne weiteres - in diese Freiheiten eingegriffen wird. Besondere Umstände, die einen solchen Eingriff ergeben könnten, sind weder ersichtlich noch vom Kläger ausdrücklich behauptet oder dargetan worden.

17

Aus welcher Vorschrift des Grundgesetzes die negative Vereinigungsfreiheit herzuleiten ist, ist umstritten. (Zu vgl. Füßlein in "Die Grundrechte" Bd. II S. 432; v. Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl. Art. 4 Anm. V 2; Hamann, Das Grundgesetz Art. 4 Anm. B 3.) Das Bundesverfassungsgericht hat bisher - soweit ersichtlich - über die religiöse Vereinigungsfreiheit noch nicht entschieden. Nach seiner Auffassung garantiert Art. 9 GG die Freiheit, privatrechtliche Vereinigungen zu gründen, ihnen beizutreten oder fernzubleiben, während eine Zwangsmitgliedschaft in öffentlich-rechtlichen Verbänden nicht religiöser Art nach Art. 2 Abs. 1 GG zu beurteilen ist (BVerfGE 10 S. 89 [102]; 354 [361]; 15, 235 [239]). Doch bedarf es für die Entscheidung dieses Rechtsstreits keiner abschließenden Stellungnahme zu der Streitfrage, ob die negative Vereinigungsfreiheit im Falle öffentlich-rechtlicher Religionsgemeinschaften aus Art. 2, 4, 9 oder 140 GG in Verbindung mit Art. 136 ff. WeimRV oder aus dem Zusammenhalt dieser Vorschriften herzuleiten ist, da diese Freiheit nicht angezweifelt wird und werden kann. Diesem negativen Vereinigungsrecht ist aber durch die Austrittsmöglichkeiten nach dem preußischen Gesetz vom 30. November 1920 (GS 1921 S. 119) - gegebenenfalls in Verbindung mit dem Reichsgesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15. Juli 1921 (RGBl. S. 939) - Genüge getan.

18

Auch ein Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes liegt entgegen der Ansicht der Revision nicht vor. Von einer Benachteiligung im Sinne des Art. 3 Abs. 3 GG kann schon deshalb keine Rede sein, weil es sich bei der Frage der Zugehörigkeit zur Jüdischen Gemeinde gegenüber der Zugehörigkeit zu den christlichen Kirchen um eine andere Rechtsgestaltung handelt, die sowohl Vorteile wie Nachteile mit sich bringt (BVerfGE 5 S. 17 [BVerfG 25.05.1956 - 1 BvR 190/55] [21]). Der Kläger hat bisher auch keine einleuchtenden Gründe dafür vorbringen können, wieso es für die Glieder der Jüdischen Gemeinde von Nachteil sein soll, daß sie dieser Gemeinschaft automatisch angehören, während die Mitgliedschaft in den christlichen Kirchen durch die Taufe begründet wird. Es handelt sich zwar gegenüber den christlichen Kirchen um unterschiedliche Rechtsgestaltungen, von denen aber nicht gesagt werden kann, daß die einen insgesamt vorteilhafter oder nachteiliger seien als die anderen. Diese unterschiedliche Rechtsgestaltung verletzt auch nicht Art. 3 Abs. 1 GG. Denn nach Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 ff. der WeimRV sind unterschiedliche Gestaltungen durch die Religionsgemeinschaften entsprechend ihrem Bekenntnisstand anerkannt und müssen deshalb auch im vorliegenden Einzelfall beachtet werden, wenn nicht gegen den Grundsatz verstoßen werden soll, daß Verschiedenes nach seiner Eigenart zu behandeln ist.

19

Andere Gesichtspunkte, aus denen eine Verletzung von Bundesrecht hergeleitet werden könnte, sind nicht ersichtlich, so daß die Revision zurückzuweisen ist.

20

Die Entscheidung über die Kosten [...] beruht auf § 154 Abs. 2 und § 189 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 74 BVerwGG.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 1 078,25 DM festgesetzt.

Die Entscheidung über [...] die Festsetzung des Streitgegenstandes beruht auf § 154 Abs. 2 und § 189 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 74 BVerwGG.

Witten
Dr. Zinser
Reimer
Dr. Boerckel
Dr. Mühl