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Bundesverwaltungsgericht
Urt. v. 27.02.1963, Az.: BVerwG V C 105.61

Bemessung der Sozialhilfe für zwei Hilfsbedürftige in eheähnlicher Gemeinschaft nach den Richtsätzen für Eheleute; Zulässigkeit einer ungleichen Behandlung von Haushaltsvorstand und haushaltsangehörigem Erwachsenen; Umfang der Fürsorgepflicht der Behörde bei Nichtgewähren von Unterhalt durch einen nicht hilfsbedürftigen Partner; Statthaftigkeit einer Klage auf Nachzahlung von rückwirkend zu wenig gezahlten Sozialhilfeleistungen; Erfordernis eines Vorverfahrens in besonders gelagerten Fällen und nach Einlassung der Behörde auf die Klage

Bibliographie

Gericht
BVerwG
Datum
27.02.1963
Aktenzeichen
BVerwG V C 105.61
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1963, 12600
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OVG Niedersachsen - 30.03.1960 - AZ: IV OVG - A 120/58

Fundstellen

  • BVerwGE 15, 306 - 316
  • AS XV, 306
  • DVBl 1963, 406-407 (Volltext mit red. LS)
  • DÖV 1963, 617-618 (Volltext mit amtl. LS)
  • DÖV. 1963, 317
  • Fürsorgerechtl.Entsch. 9, 241
  • MDR 1963, 621-622 (Volltext mit amtl. LS)
  • NDV. 1964, 507
  • Verw.Rspr. 16, 746
  • ZLA 1963, 251

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Lebt ein Hilfsbedürftiger in eheähnlicher Gemeinschaft, so beeinflußt dies seine Hilfsbedürftigkeit nur insoweit, als der Partner ihm tatsächlich Unterhalt gewährt.

  2. 2.

    Sind beide Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft hilfsbedürftig, so sind sie fürsorgerechtlich wie ein Ehepaar zu behandeln. Der Richtsatz für den Haushalts vor stand steht jedoch nur dann einem Partner allein zu, wenn dieser die Generalunkosten eines Haushalts auch nachweisbar allein trägt.

In dem Verwaltungsstreitsache hat
der V. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 27. Februar 1963
durch
den Senats Präsidenten Dr. Elsner und
die Bundesrichter Kohlbrügge, Dr. Wolf, Dr. Gützkow und Dr. Rösgen
ohne mündliche Verhandlung
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Klägerin wird wegen Versäumung der Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein vom 30. März 1960 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein vom 30. März 1960 wird aufgehoben, soweit es die Klage auf Fürsorgeleistungen für die Zeit vom 19. Februar 1951 bis 12. Februar 1956 abgewiesen hat. Insoweit wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Revision der Klägerin im übrigen und die Anschlußrevision des Beklagten werden zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

Gründe

1

I.

Die Klägerin, die unter Verzicht auf Unterhalt geschieden worden ist, erhält seit 19. Februar 1951 vom Wohlfahrtsamt der Stadt Neumünster laufend Fürsorgeunterstützung. Sie hat zwei unehelich geborene, minderjährige Kinder und ist seit 1955 wegen eines Leberleidens erwerbsunfähig. Vom 1. August 1954 bis 3. Juli 1955 kürzte das Wohlfahrtsamt die Fürsorgeunterstützung mit der Begründung, die Klägerin lebe mit Otto B., dem Erzeuger eines ihrer Kinder, in ihrer im Dachgeschoß befindlichen, aus einer Stube von etwa 16 qm und einer Kammer von etwa 4 qm Größe bestehenden Wohnung in eheähnlicher Gemeinschaft zusammen. Ein derartiges Zusammenleben nahm das Wohlfahrtsamt auch in der Zeit vom 12. Oktober 1955 bis 30. September 1956 an und berechnete die Fürsorgeunterstützung nach den Richtsätzen für B. als Haushaltsvorstand und für die Klägerin als Haushaltsangehörige, wobei es von dem Bedarfssatz zunächst die Sperralfu, später die Alfu des B. abzog. Nachdem das Arbeitsamt mit Wirkung vom 30. September 1956 Bendfeldt die Arbeitslosenhilfe entzogen und dieser ebenfalls Fürsorgeunterstützung beantragt hatte, setzte das Wohlfahrtsamt ab 1. Oktober 1956 die Fürsorgeunterstützung für B., die Klägerin und eines ihrer in der Hausgemeinschaft lebenden Kinder wie für ein Ehepaar mit Kind fest. Da B. die Klägerin und das Kind betreute, den Haushalt führte, Kohlen und Wasser holte und sämtliche Einkäufe tätigte, legte es dabei für ihn den Richtsatz eines Haushaltsvorstandes und für die Klägerin den Richtsatz einer erwachsenen Haushaltsangehörigen zugrunde.

2

Nach erfolglosem Einspruch gegen den Bescheid, der die Unterstützung ab 1. August 1954 festsetzte, wandte sich die Klägerin ab Januar 1956 mehrfach schriftlich und mündlich gegen die Berechnungsart der Unterstützung. Mit Schreiben vom 23. August 1956 ließ sie durch B. bei dem Beklagten Beschwerde über das Wohlfahrtsamt einlegen, in der sie u.a. rügte, daß die Unterstützung seit August 1955 zu Unrecht unter Annahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft festgesetzt worden sei. Der Beklagte erwirkte eine Erhöhung der Pflegezulage der Klägerin und die Gewährung eines Mehrbedarfszuschlages. Als die Klägerin daraufhin noch ausstehende Zahlungen in Höhe von 529 DM forderte, wies der Beklagte durch Bescheid vom 18. Dezember 1956 die Beschwerde zurück, wobei er u.a. auch die Festsetzung der Unterstützung ab 1. Oktober 1956 mit dem Hinweis auf das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft rechtfertigte.

3

Mit der Klage machte die Klägerin geltend, das Wohlfahrtsamt habe ihr vom 19. Februar 1951 bis April 1957 zu wenig Fürsorgeunterstützung gezahlt, und beantragte,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 3.082,01 DM nebst 4 % Zinsen seit Klageerhebung zu zahlen,

4

hilfsweise,

den Beklagten für verpflichtet zu erklären, ihr ab 1. Oktober 1954 den Richtsatz für Haushaltungsvorstände zu gewähren und die entgegenstehenden Bescheide des Beklagten bzw. der Stadt Neumünster aufzuheben.

5

Im Verwaltungsstreitverfahren ließ der Beklagte die Leistungen an die Klägerin vom 19. Februar 1951 bis 28. Februar 1957 durch das Wohlfahrtsamt nachprüfen und trat zunächst der Klage mit dem Vorbringen entgegen, daß die Klägerin auf Grund dieser Nachprüfung keine Nachforderungen an das Wohlfahrtsamt habe. Später überreichte er nochmals eine Aufstellung der vom 19. Februar 1951 bis 31. März 1958 für die Klägerin festgesetzten und ihr geleisteten Unterstützungen, berief sich aber darauf, daß die bis zum 29. Februar 1956 ergangenen Bescheide, unanfechtbar geworden seien.

6

Das Landesverwaltungsgericht Schleswig hat durch Urteil vom 28. April 1958 die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein durch Urteil vom 30. März 1960 diese Entscheidung geändert, die für die Zeit vom 13. Februar 1956 bis 30. September 1956 ergangenen Bescheide des Wohlfahrtsamts teilweise aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, die Stadt Neumünster anzuweisen, die Fürsorgeunterstützung der Klägerin für diese Zeit neu festzusetzen; hinsichtlich der weitergehenden Ansprüche der Klägerin hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht u.a. ausgeführt:

7

a)

Soweit sich die Klage auf Unterstützungsrückstände aus der Zeit von 1951 bis 12. Februar 1956 beziehe, sei sie unbegründet, weil die Klägerin die in dieser Zeit erlassenen, mit ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung versehenen Verwaltungsbescheide nicht rechtzeitig angefochten habe. Da die Klägerin außerdem im Verwaltungsverfahren Zahlungen nur für die Zeit vom 1. August 1955 an in beschränkter Höhe verlangt habe, sei die Klage hinsichtlich der darüber hinausgehenden Ansprüche mangels eines Verwaltungsvorverfahrens unzulässig.

8

b)

Zulässig und begründet sei das Klage begehren, die Fürsorgeunterstützung für die Zeit vom 13. Februar 1956 bis 30. September 1956 zu berechnen, ohne Bendfeldt und die von ihm bezogene Alfu zu berücksichtigen. Die Klägerin und B. hätten während dieser Zeit zwar in einer Haushaltsgemeinschaft nach der Art von Eheleuten oder Verwandten zusammengelebt, die Klägerin sei aber trotzdem hilfsbedürftig gewesen, weil B. sie nicht tatsächlich unterstützt habe. Der Klägerin habe daher der Bedarfssatz ohne Abzug der Alfu des B. zugestanden. Da Bendfeldt in dieser Zeit Zahlungen vom Arbeitsamt erhalten habe und selbst nicht hilfsbedürftig gewesen sei, habe das Wohlfahrtsamt der Klägerin den Fürsorgerichtsatz eines Haushaltsvorstandes zubilligen müssen. Wegen der mit B. bestehenden Haushaltsgemeinschaft sei allerdings dieser Richtsatz um 1/3 der Differenz zu dem Richtsatz für eine haushaltsangehörige Erwachsene zu kürzen gewesen; insoweit könne davon ausgegangen werden, daß B. durch Geld- oder Naturalzuwendungen zu den Generalunkosten des Haushalts beigetragen habe.

9

c)

Die Festsetzung der Fürsorgeunterstützung für die Zeit ab 1. Oktober 1956 sei nicht zu beanstanden, weil von diesem Zeitpunkt an auch B. hilfsbedürftig gewesen sei. Das Wohlfahrtsamt habe die Unterstützung nunmehr so berechnen dürfen, wie wenn die Klägerin und B. verheiratet gewesen wären. Beide hätten weiter in einem Haushalt, wenn nicht in eheähnlicher, so doch in verwandtschaftsähnlicher Weise zusammengelebt. Es habe auch kein Anlaß bestanden, die Differenz zwischen dem Richtsatz für einen haushaltsangehörigen Erwachsenen und dem für den Haushaltsvorstand unter, der Klägerin und B. aufzuteilen.

10

Mit der zugelassenen Revision begehrt die Klägerin,

wegen Versäumung der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und unter Abänderung des Berufungsurteils nach dem Klagantrag zu erkennen,

11

hilfsweise,

unter Aufhebung des Berufungsurteils die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

12

Sie rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts, Das Berufungsgericht habe das Begehren auf Nachzahlung von Unterstützungsrückstände für die Zeit von 1951 bis 12. Februar 1956 zu Unrecht als unzulässig behandelt. Die Festsetzung der Unterstützung für sie und B. gemeinsam ab 1. Oktober 1956 sei verfassungswidrig, weil bevölkerungspolitische Erwägungen dem Grundgesetz widersprächen. Es sei nicht einzusehen, weshalb das Wohlfahrtsamt B. als Haushaltsvorstand und sie nur als Haushaltsangehörige behandele; hierin liege eine gegen Art. 3 GG verstoßende Bevorzugung des männlichen Geschlechts. Aus der Tatsache, daß B. Fürsorgeunterstützung empfangen und mit ihr weiter in einem Haushalt gelebt habe, lasse sich nicht schließen, daß sich sein Verhältnis zu ihr nach dem 1. Oktober 1956 geändert habe.

13

Der Beklagte hat Anschlußrevision eingelegt, mit der er beantragt,

die Revision der Klägerin und ihre Berufung gegen das Urteil des Landesverwaltungsgerichts Schleswig vom 28. April 1958 in vollem Umfange zurückzuweisen,

14

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es die Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts abändere, und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.

15

Er greift das Berufungsurteil an, soweit es den Ansprüchen der Klägerin für die Zeit vom 13. Februar 1956 bis 30. September 1956 stattgegeben hat. In einem eheähnlichen Verhältnis lebende Personen seien fürsorgerechtlich als Eheleute zu behandeln; denn es sei davon auszugehen, daß die Frau ihren notwendigen Lebensbedarf tatsächlich erhalte. Die Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen der Klägerin und B. rechtfertige die Einbeziehung des B. in die Berechnung der Unterstützung und die volle Anrechnung seiner Alfu. Es könne nicht darauf ankommen, ob B. die Klägerin mit Geld unterstützt habe. Eine den Gründen des angefochtenen Urteils entsprechende Berechnung der Fürsorgeunterstützung verstoße gegen Art. 3 und 6 GG.

16

Die Klägerin hat hierzu beantragt,

die Anschlußrevision zurückzuweisen.

17

Der Oberbundesanwalt hat sich am Verfahren beteiligt. Er trägt vor, eine eheähnliche Lebensgemeinschaft sei im Fürsorgerecht erst, dann anzunehmen, wenn zur Wohngemeinschaft noch eine Haushalts- und Versorgungsgemeinschaft in der Form hinzutrete, daß der Mann die Frau ernähren wolle und die Frau als Gegenleistung hierfür den gemeinsamen. Haushalt führe oder auch ein eigenes Einkommen beisteuere. Im vorliegenden Verfahren habe sich nicht ergeben, daß sich die Form der Lebensgemeinschaft zwischen der Klägerin und B. geändert habe, als auch Bendfeldt hilfsbedürftig geworden sei. Demnach sei die Forderung der Klägerin berechtigt, ab 1. Oktober 1956 fürsorgerechtlich als Haushaltsvorstand behandelt zu werden.

18

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

19

II.

1.

Die zulässige Revision der Klägerin hatte teilweise Erfolg.

20

Der Klägerin war wegen der Versäumung der Revisionsfrist und der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 60 VwGO). Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits durchUrteil vom 12. April 1956 - BVerwG III C 147.55 - (NJW 1956 S. 1731 - Buchholz BVerwG 427.2 § 4 FG Nr. 7) in Anlehnung an BGHZ 16, 1[BGH 09.12.1954 - IV ZB 94/54] entschieden, daß der "arme" Beteiligte, der ein Rechtsmittel einlegt, Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat, wenn er, was hier der Fall ist, ein Armenrechtsgesuch bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist eingereicht hat. Nachdem über das Armenrechtsgesuch der Klägerin für das Revisionsverfahren erst nach Ablauf der Revisionsfrist und der Revisionsbegründungsfrist entschieden worden ist, war die Klägerin ohne ihr Verschulden verhindert, diese Fristen einzuhalten.

21

Das Begehren der Klägerin auf Gewährung angeblich zu wenig geleisteter Fürsorgeunterstützung richtet sich gemäß § 195 Abs. 6 Nr. 5 VwGO nach den Vorschriften der MRVO Nr. 165. Es stellt eine Klage auf Vornahme eines beantragten Verwaltungsaktes dar (§ 24 MRVO Nr. 165). Zwar ist behauptet worden, daß Klagen auf Zahlung von Fürsorgeunterstützung nicht unter diese Vorschrift fielen, weil die Fürsorgeunterstützung nicht rechtsnotwendig durch einen Verwaltungsakt erbracht zu werden brauche, und daß demzufolge auch eine Entscheidung, durch die ein Antrag auf Zahlung von Fürsorgeunterstützung abgelehnt werde, keine Ablehnung eines beantragten Verwaltungsaktes, sondern die Ablehnung gegenständlicher Leistungen darstelle. Das Bundesverwaltungsgericht ist dieser Auffassung jedoch schonim Urteil vom 21. März 1956 - BVerwG V C 13.54 - (BVerwGE 3, 212) entgegengetreten. Der Fürsorgebescheid ist eine zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffene Maßnahme und damit ein Verwaltungsakt im Sinne des § 25 MRVO Nr. 165. Denn die Tätigkeit der Verwaltungsbehörde erschöpft sich hierbei nicht in der Zahlung des Geldbetrages. Sie enthält vielmehr zugleich die Entscheidung über das Vorliegen und den Umfang der Hilfsbedürftigkeit, welche die Voraussetzung für die Anordnung der Unterstützungszahlung bildet. Ob, wie die Klägerin meint, die Auszahlung des Unterstützungsbetrages für sich allein einen Verwaltungsakt darstellen, kann, braucht hier nicht erörtert zu werden; denn die Unterstützungszahlungen an die Klägerin erfolgten alle auf Grund von Berechnungsbescheiden des Wohlfahrtsamtes. Einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über die von der Klägerin erhobenen Fürsorgeansprüche steht auch die Voraussetzung des § 24 MRVO Nr. 165 nicht entgegen, daß eine Klage auf Vornahme eines beantragten Verwaltungsaktes nur darauf gestützt werden kann, daß der Kläger einen Rechtsanspruch auf die. Vornahme habe. Seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtsvom 24. Juni 1954 - BVerwG V C 78.54 - (BVerwGE 1, 159) unterliegt es keinem Zweifel mehr, daß Bedürftigen ein Rechtsanspruch auf Fürsorge zusteht.

22

a)

Dem Berufungsgericht kann nicht gefolgt werden, soweit es das Klagebegehren für die Zeit vom 19. Februar 1951 bis 12. Februar 1956 als unzulässig abgewiesen hat, weil die Klägerin vor Klageerhebung keinen Rechtsbehelf eingelegt habe. Das Fehlen des Vorverfahrens rechtfertigt angesichts der besonderen Umstände des vorliegenden Falles diese Beurteilung nicht. Das in § 44 MRVO Nr. 165 angeordnete Vorverfahren sollte zum Vorteil des Klageberechtigten und zur Entlastung der Verwaltungsgerichte der Verwaltungsbehörde Gelegenheit geben, ihre Entscheidungen nochmals zu überprüfen (BVerwG Urteil vom 13. Dezember 1956 - BVerwG I C 36.56 - [BVerwGE 4, 203]). In Sonderfällen kann jedoch, wie das Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, das Einspruch- oder Beschwerdeverfahren aus Gründen der Prozeßökonomie dadurch entbehrlich werden, daß der Beklagte sich auf die Klage einläßt und deren Abweisung beantragt (BVerwG Urteil vom 5. Dezember 1954 - BVerwG II C 100.53 - [BVerwGE 1, 247], Urteil vom 26. März 1955 - BVerwG I C 80.54-, Urteil vom 15. September 1955 - BVerwG V C 26.54-, Urteil vom 29. Mai 1956- BVerwG V C 252.54 - [DVBl. 1956 S. 579], Urteil vom 24. Januar 1957 - BVerwG I C 227.54-, Urteil vom 6. März 1959 - BVerwG VII C 71.57- [BVBl. 1959 S. 777], Urteil vom 18. Dezember 1959 - BVerwG VII C 95.57 - [NJW 1960 S. 883], Urteil vom 11. Mai 1960 - BVerwG V C 125.58 -). Hierfür bietet der vorliegende Streitfall ein Beispiel. Der Beklagte ließ nach Erhebung der Klage die Festsetzung und Erfüllung der. Fürsorgeansprüche der Klägerin vom 19. Februar 1951 ab in vollem Umfange nachprüfen; wobei zu dem Vorbringen der Klägerin im einzelnen sachlich Stellung genommen wurde, und trat zunächst der Klage mit der Begründung entgegen, daß diese materielle Nachprüfung keine weiteren Fürsorgeansprüche der Klägerin ergeben habe. In diesem Falle muß die Klage zugleich als Beschwerde und die Einlassung des Beklagten als der fehlende Beschwerdebescheid angesehen werden. Damit entfällt auch die Möglichkeit, die vorher etwa eingetretene Unanfechtbarkeit der bis zum 12. Februar 1956 erlassenen Bescheide des Wohlfahrtsamtes zu beachten. Genausowenig wie das Wohlfahrtsamt verpflichtet war, auf einen wiederholten, bereits unanfechtbar beschiedenen Antrag der Klägerin bei Gleichbleiben der rechtlichen Verhältnisse, eine neue Sachentscheidung zu treffen, brauchte der Beklagte bei verspäteter Einlegung eines Rechtsbehelfs die Sache noch materiell zu prüfen. Tat er dies trotzdem, so ist gegen seine Entscheidung der Klageweg eröffnet, auch wenn durch den Bescheid die früheren Verwaltungsakte formell nicht aufgehoben wurden (BVerwG.Urteil vom 26. August 1959 - BVerwG V C 144.56 - [DVBl. 1960 S. 107], Urteil vom 12. Mai 1960 - BVerwG III C 83.58 - [DVBl. 1960 S. 727 = DÖV 1960 S. 953]). Unter diesen Umständen ist es rechtlich belanglos, daß der Beklagte im späteren Verlauf des Verwaltungsstreitverfahrens ausdrücklich geltend gemacht hat, die bis zum 29. Februar 1956 ergangenen Unterstützungsfestsetzungen seien rechtskräftig geworden; denn hierdurch konnte sein früheres Verhalten nicht mehr rückgängig gemacht werden. Im übrigen erscheint es auch zweifelhaft, ob alle Bescheide des Wohlfahrtsamtes bis zum 12. Februar 1956 mit ordnungsgemäßer Rechtsmittelbelehrung versehen waren und deshalb unanfechtbar geworden sind. Der Einspruchsbescheid des Wohlfahrtsamtes vom 1. Oktober 1954 schrieb beispielsweise als Rechtsmittel die Beschwerde zu dem Beklagten vor. Demgegenüber hat aber das Bundesverwaltungsgerichtim Urteil vom 21. März 1956 - BVerwG V C 13.54 - (BVerwGE 3, 212) eingehend dargelegt, daß das in Fürsorgesachen nach § 20 Abs. 7 der Preußischen Ausführungsverordnung zur Verordnung über die Fürsorgepflicht vom 30. Mai 1932 (GS S. 207) vorgesehene, dem Einspruchsverfahren nachfolgende Beschwerdeverfahrn keine Klagevoraussetzung im Sinne der MRVO Nr. 165 bildet.

23

Das angefochtene Urteil muß demnach aufgehoben werden, soweit es über das Klagebegehren für den Zeitraum vom 19. Februar 1951 bis 12. Februar 1956 erkennt. Die Sache ist insoweit zurückzuverweisen, um dem Berufungsgericht Gelegenheit zu geben, über die von der Klägerin für diesen Zeitraum behaupteten weiteren Fürsorgeansprüche materiell zu entscheiden.

24

Sollten diese Ansprüche, berechtigt sein, so könnte die Klägerin auch die Nachzahlung der noch ausstehenden Leistungen verlangen. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits in den Urteilenvom 3. April 1957 - BVerwG V C 94.56/V C 152.54 - (BVerwGE 5, 27) undvom 21. Juni 1958 - BVerwG V C 100.55 - ausgeführt hat, kann es dem Hilfsbedürftigen nicht verweigert werden, seine Ansprüche für eine vergangene Zeit durchzusetzen. Der Hilfsbedürftige hat ein subjektives öffentliches. Recht auf Unterstützung, das, wenn es erst einmal geltend gemacht worden ist, nicht mangels Anerkennung durch die Behörde sogleich wieder untergehen kann. Andernfalls wäre es der Behörde möglich, durch Bestreiten ihrer Fürsorgepflichten den Beginn der Zahlung auf Jahre hinauszuschieben. Die Behörde würde dadurch für die in Streit befindlichen Zeiten auch gegen, ihre Pflicht, nach § 2 Abs. 1 der Reichsgrundsätze über Voraussetzung, Art und Maß der öffentlichen. Fürsorge i.d.F. vom 1. August 1931 (RGBl. I S. 441) - RGr. - verstoßen, wonach die Fürsorge rechtzeitig einsetzen muß und, nicht einmal von einem Antrag abhängig ist.

25

b)

Soweit das angefochtene Urteil das Klagbegehren für die Zeit ab 1. Oktober 1956 abgewiesen hat, ist die Revision unbegründet. Das Oberverwaltungsgericht ist insoweit davon ausgegangen, daß in diesem Zeitraum sowohl die Klägerin als auch Otto Bendfeldt im Sinne des Fürsorgerechts hilfsbedürftig wären und in einem Haushalt, wenn nicht in eheähnlicher, so doch in verwandtschaftsähnlicher Weise zusammenlebten. Der daraus gezogenen Folgerung, daß das Wohlfahrtsamt die Fürsorgeunterstützung ab 1. Oktober 1956 so berechnen durfte, wie wenn die Klägerin und B. verheiratet gewesen wären, ist im Ergebnis zuzustimmen. Eine nur verwandtschaftsähnliche Verbindung der hilfsbedürftigen Klägerin mit dem hilfsbedürftigen Bendfeldt hätte es allerdings nicht gerechtfertigt, beiden Fürsorge wie einem Ehepaar zu gewähren. Wenn beide. Personen auch, gemeinsam in einem Haushalt lebten, so bildeten sie doch keine Familiennotgemeinschaft im Sinne des Fürsorgerechts. Denn es ist üblich, mit diesem Begriff nur Haushaltsangehörige zu erfassen, die durch Verwandtschaft oder Schwägerschaft verbunden sind (VGH Bremen Urteil vom 17. April 1956 [FES 2, 309]; Jehle in ZfF 1955 S. 50; Jehle, Handkommentar zum Fürsorgerecht 3. Auflage S. 129; vgl. auch § 16 BSHG). Derartige blutsmäßige oder rechtliche Bande bestanden zwischen der Klägerin und B. aber nicht. Zwar mögen auch in menschlichen Verbindungen außerhalb der Familiengemeinschaft gegenseitige Beziehungen denkbar sein, die zu einem engeren Zusammenhalt führen können als familiäre Bindungen; allein solche tatsächlichen Verhältnisse erfaßt das Fürsorgerecht mit Ausnahme der eheännlichen Gemeinschaft nicht. Die Art des Zusammenlebens der Klägerin mit Bendfeldt erweist sich aber gerade auch für die Zeit ab Oktober 1956 als eheähnliches Verhältnis. Maßgebend für die Annahme einer eheähnlichen Gemeinschaft ist das Bestehen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau. Entscheidend ist also nicht, ob innere Bindungen oder Verpflichtungen zur Unterhaltsgewährung oder zur gemeinsamen Lebensführung bestehen, auch nicht, ob die beiden Partner durch geschlechtliche Beziehungen miteinander verbunden sind, sondern allein der Umstand, daß wie in einer echten Ehe "aus einem Topf" gewirtschaftet wird (vgl. Gottschick, BSHG Anm. 2 zu § 122; Knopp-Biederbick, BSHG Anm. 2 zu § 122). Eine derartige Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft hat das Berufungsgericht bei der Klägerin und B. auch ab 1. Oktober 1956 tatsächlich festgestellt. Daran ist das Revisionsgericht gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO), da zulässige und begründete Rügen insoweit nicht vorgebracht worden sind.

26

Es ist daher auch nicht zu beanstanden, daß das Wohlfahrtsamt die Unterstützung für die Klägerin und B., die ab 1. Oktober 1956 beide hilfsbedürftig waren, in diesem Zeitraum wie für ein Ehepaar berechnet hat. Der hierbei angewandte Grundsatz, daß die Unterstützung für zwei hilfsbedürftige Personen, die in eheähnlicher Gemeinschaft leben, nach den Richtsätzen für Eheleute zu bemessen ist, war in Rechtsprechung und Literatur seit langem unumstritten (BAH Entscheidung vom 31. März 1936 in BAH Bd. 89 S. 115 [118]; Jehle, Handkommentar zum Fürsorgerecht 3. Auflage S. 125; Jehle in ZfF 1955 S. 67) und ist neuerdings in § 122 Satz 1 des Bundessozialhilfegesetzes vom 30. Juni 1961 (BGBl. I S. 815) sogar ausdrücklich festgelegt worden. Entgegen der Auffassung der Revision verstößt dieser Grundsatz auch nicht gegen das Grundgesetz. Zu der gleichlautenden Regelung für die Gewährung, von Unterstützung aus der Arbeitslosenhilfe (§ 149 Abs. 5 AVAVG) hat dies das Bundesverfassungsgericht mit Beschluß vom 16. Dezember 1958 (BVerfGE 9, 20) eingehend dargelegt. Es besteht kein sachlich einleuchtender Grund, Personen, die in eheähnlicher Gemeinschaft leben, hinsichtlich der Voraussetzungen sowie des Umfanges. der Fürsorge besser zu stellen als Ehegatten. Es widerspräche im Gegenteil dem Gedanken des sozialen Rechtsstaates, wenn Mittel der Allgemeinheit, die zur Hilfe für deren bedürftige Mitglieder bestimmt sind, in Fällen in Anspruch genommen werden könnten, in denen wirkliche Bedürftigkeit nicht vorliegt.

27

Das Wohlfahrtsamt durfte bei der Berechnung der Richtsätze in diesem Fall die Klägerin auch auf den Satz einer haushaltsangehörigen Erwachsenen beschränken und B. allein den Satz eines Haushaltsvorstandes zubilligen. Die Klägerin hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, daß die rein schematische Festlegung des Richtsatzes eines Haushaltsvorstandes für den Ehemann oder den männlichen Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft und die rein schematische Behandlung der Frau als Haushaltsangehörige dem in Art. 3 Abs. 2 GG normierten Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau widerspricht. Als Rechtens kann es heute nur angesehen werden, den Richtsatz des Haushaltsvorstandes dem Haushaltsmitglied zuzuweisen, das tatsächlich die Lasten und General Unkosten des Haushalts, wie Licht, Heizung, bestreitet. Beteiligen sich beide Eheleute oder beide Partner der eheähnlichen Gemeinschaft an diesen Lasten und Generalunkosten, so ist die Differenz zwischen den Richtsätzen für den Haushaltsvorstand und für einen Haushaltsangehörigen je nach der Höhe ihrer Beteiligung unter den Partnern aufzuteilen. Trägt ein Partner die Lasten und Generalunkosten des Haushalts nicht allein und läßt sich auch ein bestimmtes Beteiligungsverhältnis nicht feststellen, so ist schließlich jedem Partner die Hälfte der Differenz zwischen den Richtsätzen zu bewilligen. Nach den im vorliegenden Fall getroffenen tatsächlichen Feststellungen hat B. die Lasten des Haushalts aber voll getragen. Er hat die Klägerin und das im Haushalt lebende Kind betreut, hat den Haushalt geführt, die Geschäfte besorgt, Kohlen und Wasser geholt und sämtliche Einkäufe getätigt. Ihm ist daher für den Zeitraum ab 1. Oktober 1956 mit Recht der volle Richtsatz eines Haushaltsvorstandes zugebilligt worden.

28

Die Revision muß aus diesen Gründen zurückgewiesen werden, soweit sie die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für die Zeit ab Oktober 1956 angreift.

29

2.

Die zulässige Anschlußrevision des Beklagten ist unbegründet.

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Nach den Darlegungen des Berufungsgerichts lebte die hilfsbedürftige Klägerin in der Zeit vom 13. Februar 1956 bis 30. September 1956 mit B. in einer Weise zusammen, die der Art des Zusammenlebens von Eheleuten, oder von Verwandten, die für längere Zeit eine Haushaltsgemeinschaft eingehen, nahekam, ohne daß B. der damals nicht hilfsbedürftig war, sie tatsächlich unterstützte. Das Oberverwaltungsgericht hat hierbei allerdings das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft zwischen der Klägerin und B. nach seinen eigenen tatsächlichen Feststellungen zu Unrecht in Frage gestellt; sein Erkenntnis, daß die Klägerin in dem umstrittenen Zeitraum nicht wie eine Ehefrau zu unterstützen gewesen sei, deckt sich jedoch mit den im Fürsorgerecht seit langem herrschenden Grundsätzen und ist nicht zu beanstanden. Besteht zwischen einer hilfsbedürftigen und einer nicht hilfsbedürftigen Person eine eheähnliche Gemeinschaft, so darf die Fürsorgebehörde zwar von der Vermutung ausgehen, daß der Hilfesuchende Leistungen zum Lebensunterhalt insoweit erhält, wie dies nach dem Einkommen des Partners der Gemeinschaft erwartet werden kann (BAH Entscheidung vom 19. September 1936 [BAH Bd. 90 S. 103]; Bayer. VGH, Urteil vom 15. Dezember. 1954 [FES 1, 159]; OVG Münster, Bescheid vom 20. Februar 1953 [FES. 3, 116]; OVG Lüneburg, Urteil vom 7. April 1954 [FES 2, 54]; OVG Münster, Urteil vom 19. Juli 1955 [FES 3, 124] und Beschluß vom 17. Januar 1956 [DÖV 1956 S. 502 = FES 3, 126]; VGH Bremen a.a.O.; Jehle, Handkommentar z. Fürsorgerecht 3. Aufl. S. 125 ff., 130 ff.; Jehle in ZfF 1955 S. 50; vgl. jetzt auch §§ 16, 122 BSHG). Diese Vermutung gilt jedoch nur, soweit ihr die tatsächlichen Verhältnisse nicht entgegenstehen. Stellt sich heraus, daß der Hilfesuchende von dem Partner den notwendigen Lebensbedarf nicht erhält, gleichgültig, ob der Partner nicht leisten kann oder nicht leisten will, so ist die Behörde zur Gewährung der Fürsorge verpflichtet. Die Hilfsbedürftigkeit wird nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß der nicht hilfsbedürftige Partner den Unterhalt kraft rechtlicher oder sittlicher Verpflichtung eigentlich leisten müßte, sondern erst dadurch, daß der Partner ausreichenden Unterhalt tatsächlich gewährt;(BAH Entscheidungen vom 6. Mai 1932 [BAH Bd. 81, 24], vom 30. November 1934 [BAH Bd. 86, 82] und vom 24. Oktober 1938 [BAH Bd. 94, 217]; Hamb.OVG, Urteil vom 22. Januar 1951 [Verw.Rechtspr. 3, 606]; OVG Lüneburg, Urteile vom 14. März 1951 [DVBl. 1952 S. 505 = FES 1, 81 = ZfF 1952 S. 115], vom 30. Januar 1952 [FES 1, 241 = ZfF 1952 S. 209] und vom 10. Juni 1953 [AS 6, 496 = FES 1, 115]; OVG Berlin, Urteil vom 2. Februar 1954 [FES 3, 161]; OVG Münster, Urteil vom 19. Juli 1955 [FES 3, 124]; Hamb.OVG, Urteil vom 5. Oktober 1953 [FES 2, 56]; VGH Bremen a.a.O.; OVG Berlin, Urteil vom 28. Januar 1957 [NJW 1957 S. 1046 = JZ 1957 S. 674 = FES 3, 54]; Jehle a.a.O.). Diese Auffassung hat auch bereits das Bundesverwaltungsgericht in den Beschlüssenvom 22. Februar 1962 - BVerwG V B 42.62 - undvom 26. März 1962 - BVerwG V B 53.62 - zum Ausdruck gebracht. Sie ergibt sich für den im vorliegenden Fall zur Entscheidung stehenden Zeltraum eindeutig aus § 5 RGr. Demnach war hilfsbedürftig, wer den notwendigen Lebensbedarf nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen konnte und ihn auch nicht von anderer Seite erhielt. Soweit Bendfeldt der Klägerin Zuschüsse tatsächlich geleistet hat, hat das angefochtene Urteil deren Anrechnung vorgesehen.

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Entgegen der Auffassung des Beklagten widerspricht diese Bemessung der Unterstützung für die Klägerin auch nicht dem Grundgesetz. Die Klägerin wird hierdurch im Sinne des Art. 3 GG weder besser noch schlechter als eine Ehefrau in gleicher Lage gestellt; denn auch bei einer Ehefrau verringert sich die Hilfsbedürftigkeit nicht schon dadurch, daß ihr der Ehemann Unterhalt gewähren müßte, sondern nur insoweit, wie er ihr den Unterhalt tatsächlich gewährt (OVG Lüneburg, Urteil vom 14. März 1951 [DVBl. 1952 S. 505 = FES 1, 81 = ZfF 1952 S. 115]; Hamb. OVG, Urteil vom 5. Oktober 1955 [FES 2, 56]; Jehle, Handk. z. Fürsorgerecht S. 122). Wenn Hilfsbedürftigkeit besteht, so muß die Fürsorgebehörde Hilfe leisten. Ebenso ist der Bestimmung des Art. 6 GG Rechnung getragen. Die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts entspricht der Tendenz dieser Vorschrift, eheähnliche Gemeinschaften hinsichtlich der materiellen Grundlagen gegenüber rechten Ehen nicht zu begünstigen (OVG Münster, Urteil vom 19. Juli 1955 [FES 3, 124]; Jehle a.a.O., S. 126; vgl. BVerfGE 9, 20). Eheähnliche Gemeinschaften durch Entziehung der materiellen Grundlage zu bekämpfen und die Auflösung solcher Verhältnisse zu erzwingen, ist nicht Sache der Fürsorgebehörde (Hamb.OVG in FES 2, 56; Jehle a.a.O., S. 126; a.A. Pfahler in ZfF 1952 S. 204). Die Fürsorge darf nicht als moralisches Druckmittel benutzt werden, um einen Zweck zu erreichen, der sonst nur mit anderen Mitteln oder gar nicht erreichbar wäre.

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Die Anschlußrevision des Beklagten muß daher zurückgewiesen werden.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 3 VwGO.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Wiedereinsetzungsverfahren auf 2.300 DM, für das Revisionsverfahren auf 3.200 DM festgesetzt.

Dr. Elsner
Kohlbrügge
Dr. Wolf
Dr. Gützkow
Dr. Rösgen