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Bundesverfassungsgericht
Beschl. v. 18.01.2022, Az.: 1 BvR 2318/21
Anforderungen an fristgerechte Begründung einer Verfassungsbeschwerde zur Aufhebung infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen an Grundschulen
Gericht: BVerfG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 18.01.2022
Referenz: JurionRS 2022, 11827
Aktenzeichen: 1 BvR 2318/21
ECLI: ECLI:DE:BVerfG:2022:rk20220118.1bvr231821

Verfahrensgang:

vorgehend:

OLG Brandenburg - 23.06.2021 - AZ: 9 UF 105/21

Fundstellen:

FamRB 2022, 142

FamRZ 2022, 528

FK 2022, 73

NZFam 2022, 412

SchuR 2023, 13-14

BVerfG, 18.01.2022 - 1 BvR 2318/21

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Zur Begründung einer Verfassungsbeschwerde nach § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG gehört die fristgerechte Vorlage aller für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde notwendigen Anlagen, insbesondere der angegriffenen Entscheidungen und aller sonstigen wichtigen Dokumente. Ein Nachreichen von Unterlagen nach Ablauf der Monatsfrist ist, vorbehaltlich einer Wiedereinsetzung, grundsätzlich nicht möglich.

  2. 2.

    Es ist geklärt, dass mit § 1666 Abs. 4 BGB eine Befugnis der Familiengerichte zum Erlass von Anordnungen zur Durchsetzung des Kindeswohls gegenüber Behörden und sonstigen Trägern der öffentlichen Gewalt nicht verbunden ist.

In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
der Frau (...),
- Bevollmächtigter: (...) -
gegen a) den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 23. Juni 2021 - 9 UF 105/21 -,
b) den Beschluss des Amtsgerichts Königs Wusterhausen vom 26. April 2021 - 5 F 263/21 -
hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Harbarth,
die Richterin Britz
und den Richter Radtke
gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473)
am 18. Januar 2022 einstimmig beschlossen:

Tenor:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Gründe

I.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Einleitung eines Kinderschutzverfahrens nach § 1666 BGB ablehnende familiengerichtliche Entscheidungen, welche die Beschwerdeführerin zur Aufhebung infektionsschutzrechtlicher Maßnahmen in der Grundschule ihres Sohnes angeregt hatte.

2

Familiengericht und Oberlandesgericht haben die Einleitung eines Kinderschutzverfahrens abgelehnt, weil die Familiengerichte keine Hoheitsbefugnisse gegenüber staatlichen Stellen hätten. Die Beschwerdeführerin macht mit ihrer Verfassungsbeschwerde unter anderem einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG geltend, weil das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat.

II.

3

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin nicht zur Entscheidung an. Annahmegründe (§ 93a Abs. 2 BVerfGG) liegen nicht vor, weil die Verfassungsbeschwerde unzulässig ist und zudem eine Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten der Beschwerdeführerin nicht ersichtlich ist.

4

1. Die Verfassungsbeschwerde genügt aus mehreren Gründen den aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Begründungsanforderungen nicht.

5

Die Beschwerdeführerin hat es entgegen den genannten gesetzlichen Anforderungen bereits versäumt, innerhalb der Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG für die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde erforderliche Unterlagen vorzulegen oder deren wesentlichen Inhalt vorzutragen.

6

Für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde ist nach § 93 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG erforderlich, dass diese innerhalb eines Monats ab Zustellung der angegriffenen Entscheidung beim Bundesverfassungsgericht eingelegt und begründet wird. Zur Begründung gehört die fristgerechte Vorlage aller für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde notwendigen Anlagen, insbesondere der angegriffenen Entscheidungen und aller sonstigen wichtigen Dokumente (vgl. BVerfGE 93, 266 >288>; 129, 269 >278> m.w.N.; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 4. September 2019 - 1 BvR 1789/19 -, Rn. 3). Ein Nachreichen von Unterlagen nach Ablauf der Monatsfrist ist, vorbehaltlich einer Wiedereinsetzung, grundsätzlich nicht möglich (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 16. Juni 2017 - 1 BvR 1877/15 -, Rn. 9).

7

Hier erfolgte die Vorlage der angegriffenen Entscheidungen acht Tage nach Ablauf der Monatsfrist. Die Begründung der Verfassungsbeschwerde gibt insbesondere den Inhalt der Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts auch nicht in der gebotenen Weise wieder.

8

2. Die Begründung der Verfassungsbeschwerde genügt im Übrigen den Anforderungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG nicht und zeigt insbesondere die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung nicht auf.

9

Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits vor, der die angegriffenen Gerichtsentscheidungen folgen, so ist der behauptete Grundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben zu begründen (vgl. BVerfGE 151, 67 [BVerfG 12.03.2019 - 2 BvR 675/14] >84 f. Rn. 49>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 19. November 2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, Rn. 89 jeweils m.w.N.).

10

Hier hat die Beschwerdeführerin die angeblich verletzten Grundrechte nur genannt, sich aber nicht mit den Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts zu diesen Normen auseinandergesetzt. Das gilt auch und vor allem für die behauptete Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wegen der unterbliebenen Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberlandesgericht.

11

3. Eine Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten der Beschwerdeführerin ist auch nicht ersichtlich.

12

Die Fachgerichte haben in Übereinstimmung mit der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Oktober 2021 - XII ARZ 35/21 -, Rn. 8, und vom 3. November 2021 - XII ZB 289/21 -, Rn. 15) § 1666 Abs. 4 BGB dahingehend ausgelegt, dass damit eine Befugnis der Familiengerichte zum Erlass von Anordnungen zur Durchsetzung des Kindeswohls gegenüber Behörden und sonstigen Trägern der öffentlichen Gewalt nicht verbunden ist. Angesichts der durch den Bundesgerichtshof geklärten fachrechtlichen Rechtslage waren die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde von vornherein nicht gegeben. Ihr Unterbleiben verletzt die Beschwerdeführerin daher nicht in ihrem Anspruch auf den gesetzlichen Richter.

13

Soweit die Beschwerdeführerin meint, sich auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stützen zu können, verkennt sie deren Inhalt. Die gerichtliche Kontrolle von Behördenhandeln, auch hinsichtlich Infektionsschutzmaßnahmen in den jeweiligen Schulen, obliegt auch nach dessen Rechtsprechung allein den Verwaltungsgerichten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Juni 2021 - 6 AV 1/21 -, Rn. 7).

14

Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

15

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Harbarth

Britz

Radtke

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