Beschl. v. 14.01.2014, Az.: 1 BvR 236/12
Verfahrensgang:
vorgehend:
BGH - 10.10.2011 - AZ: AnwZ (Brfg) 1/10
BGH - 14.12.2011 - AZ: PatAnwZ 1/10
OLG München - 22.02.2010 - AZ: PatA - Z - 2/09
AGH Bayern - 25.02.2010 - AZ: I - 25/2009
Rechtsgrundlagen:
§ 1 BRAO
§ 2 Abs. 1 BRAO
§ 59f Abs. 1 BRAO
§ 2 Abs. 2 PAO
§ 6 Abs. 1 S. 1 PAO
Fundstelle:
NZG 2014, 8
Hinweis:
Hinweis: Verbundenes Verfahren
Volltext siehe unter:
BVerfG - 14.01.2014 - AZ: 1 BvR 2998/11
BVerfG, 14.01.2014 - 1 BvR 236/12
In den Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerden
der M... Patent- und Rechtsanwaltsgesellschaft mbH i.Gr., vertreten durch die Geschäftsführer Dr. M..., K...und S...
- Bevollmächtigte: Anwaltskanzlei Zuck,
Vaihinger Markt 3, 70563 Stuttgart -
I. 1. unmittelbar gegen
a) das Urteil des Bundesgerichtshofs
vom 10. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 1/10 -,
b) das Endurteil des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 25. Februar 2010 - BayAGH I - 25/2009 -,
c) den Bescheid der Rechtsanwaltskammer München vom 14. September 2009 - Zul. 50151 -,
2. mittelbar gegen
§ 59e Abs. 2 Satz 1, § 59f Abs. 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO)
-1 BvR 2998/11 -,
II. 1. unmittelbar gegen
a) den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. Dezember 2011 - PatAnwZ 1/10 -,
b) den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 22. Februar 2010 - PatA - Z - 2/09 -,
c) das Gutachten der Patentanwaltskammer München vom 20. Juli 2009 - IV/06/09 -,
2. mittelbar gegen
§ 52e Abs. 2 Satz 1, Abs. 3, § 52f Abs. 1 der Patentanwaltsordnung (PAO)
-1 BvR 236/12-
hat das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat -unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter Vizepräsident Kirchhof,
Gaier,
Eichberger,
Schluckebier,
Masing,
Paulus,
Baer,
Britz am 14. Januar 2014 beschlossen:
Tenor:
- 1.
- a)
§ 59e Absatz 2 Satz 1 und § 59f Absatz 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 303-8 veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013 (Bundesgesetzblatt I Seite 3786), sind mit Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit sie der Zulassung einer Berufsausübungsgesellschaft von Rechts- und Patentanwälten als Rechtsanwaltsgesellschaft entgegenstehen, wenn nicht die Mehrheit der Geschäftsanteile und Stimmrechte sowie die verantwortliche Führung der Gesellschaft und die Mehrheit der Geschäftsführer den Rechtsanwälten überlassen sind.
- b)
Der Bescheid der Rechtsanwaltskammer München vom 14. September 2009 - Zul. 50151 -, das Endurteil des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 25. Februar 2010 - BayAGH I - 25/2009 - und das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 1/10 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 1/10 - wird aufgehoben. Das Verfahren wird an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.
- 2.
- a)
§ 52e Absatz 2 Satz 1 und § 52f Absatz 1 Satz 1 der Patentanwaltsordnung (PAO) vom 7. September 1966 (Bundesgesetzblatt I Seite 557), zuletzt geändert durch Artikel 5 Absatz 13 des Gesetzes zur Modernisierung des Geschmacksmustergesetzes sowie zur Änderung der Regelungen über die Bekanntmachungen zum Ausstellungsschutz vom 10. Oktober 2013 (Bundesgesetzblatt I Seite 3799), sind mit Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit sie der Zulassung einer Berufsausübungsgesellschaft von Rechts- und Patentanwälten als Patentanwaltsgesellschaft entgegenstehen, wenn nicht die Mehrheit der Geschäftsanteile und Stimmrechte sowie die verantwortliche Führung der Gesellschaft den Patentanwälten überlassen sind.
- b)
Das Gutachten der Patentanwaltskammer vom 20. Juli 2009 - IV/06/09 - und der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. Dezember 2011 - PatAnwZ 1/10 - verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit diese Entscheidungen die unter Nummer 4 und Nummer 5 des Gutachtens festgestellten Gründe für die Versagung der Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft betreffen. Der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 22. Februar 2010 - PatA - Z -2/09 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit diese Entscheidung den unter Nummer 4 des Gutachtens der Patentanwaltskammer festgestellten Grund für die Versagung der Zulassung als Patentanwaltsgesellschaft betrifft. Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 14. Dezember 2011 - PatAnwZ 1/10 - wird aufgehoben, soweit er das Vorliegen der unter Nummer 4 und Nummer 5 des Gutachtens der Patentanwaltskammer aufgeführten Versagungsgründe feststellt. Im Umfang der Aufhebung wird das Verfahren an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen.
- c)
Im Übrigen wird die Verfassungsbeschwerde 1 BvR 236/12 verworfen.
- 3.
Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin die ihr im Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 2998/11 entstandenen und zwei Drittel der ihr im Verfassungsbeschwerdeverfahren 1 BvR 236/12 entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
- 4.
Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für die Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf jeweils 30.000 EUR (in Worten: dreißigtausend Euro) festgesetzt.
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