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Bundesverfassungsgericht
Beschl. v. 04.12.2013, Az.: 2 BvE 6/13
Postulationsfähigkeit eines Rechtsassessors vor dem BVerfG als Bevollmächtigter für zehn Parteien und Vereinigungen im Organstreitverfahren
Gericht: BVerfG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 04.12.2013
Referenz: JurionRS 2013, 49970
Aktenzeichen: 2 BvE 6/13
ECLI: [keine Angabe]

Fundstellen:

EuZW 2014, 239

NJW 2014, 619

BVerfG, 04.12.2013 - 2 BvE 6/13

In dem Verfahren
über
den Antrag festzustellen,
dass das Gesetz vom 13. Juni 2013 (BTDrucks 17/13935), soweit es Parteien von der Vertretung im EU-Parlament ausschließt, die weniger als 3% der abgegebenen Stimmen erhalten (3%-Klausel), verfassungswidrig und nichtig ist
Antragstellerinnen:1) Ab jetzt ...Demokratie durch Volksabstimmung,
vertreten durch ihren Bundesvorsitzenden Dr. Helmut Fleck, Gneisenaustraße 52c, 53721 Siegburg,
2) Allianz Graue Panther (AGP), Rheinstraße 29, 57638 Neitersen, vertreten durch ihren 2. Vorsitzenden Dr. med. Erhard Römer, Buchrainstraße 47, 60599 Frankfurt am Main,
3) Bündnis 21/RRP, Mendelssohnstraße 2, 86368 Gersthofen,
vertreten durch ihren Bundesgeschäftsführer (Beisitzer) Wolfgang Kurtenbach, Arndtstraße 3, 71636 Ludwigsburg,
4) Deutsche Konservative Partei, Scharnweberstraße 100, 13405 Berlin,
vertreten durch ihren Bundesvorsitzenden Dieter Jochim, Zeppelinstraße 110, 13583 Berlin,
5) Deutsche Zukunft (DZ), Brand 24, 79677 Schönau,
vertreten durch ihren 1. Vorsitzenden Joachim Widera, Hauptstraße 12, 79618 Rheinfelden,
6) DSLP - Die Bürgerpartei,
Beim Roten Haus 3, 72401 Haigerloch, vertreten durch ihren Bundesvorsitzenden Thomas Mosmann, Postfach 02, 72394 Haigerloch,
7) Familien-Partei Deutschlands, Blankenburger Straße 129/141, 13256 Berlin, vertreten durch ihren stellvertretenden Bundesvorsitzenden Dipl.-Volksw. Heinrich Oldenburg, Otto-Wels-Straße 9, 32429 Minden,
8) Freie Wähler Deutschland (FWD), vertreten durch ihren Bundesvorsitzenden Hans-Jürgen Malirs und den stellvertretenden Bundesvorsitzenden Dr. Horst Schulz, Dahlwitzer Straße 2, 12623 Berlin,
9) GRAUE PANTHER Deutschland,
vertreten durch ihren 1. Vorsitzenden Hans E. Ohnmacht, Alboinstraße 123, 12105 Berlin,
10) Partei für Franken,
vertreten durch ihren 1. Vorsitzenden Robert Gattenlöhner, Waldstraße 55, 91154 Roth,
- Bevollmächtigter: Claus Plantiko,
Kannheideweg 66, 53123 Bonn -
Antragsgegner: D e u t s c h e r B u n d e s t a g ,
vertreten durch den Bundestagspräsidenten
Prof. Dr. Norbert Lammert,
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter Senat -unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Präsident Voßkuhle,
Lübbe-Wolff,
Gerhardt,
Landau,
Huber,
Hermanns,
Müller,
Kessal-Wulf
am 4. Dezember 2013 beschlossen:

Tenor:

Es wird festgestellt, dass Rechtsassessor Plantiko nicht postulationsfähig ist (§ 22 Absatz 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz).

Gründe

A.

In dem vorliegenden Organstreitverfahren tritt Rechtsassessor Plantiko als Bevollmächtigter für zehn Parteien und Vereinigungen auf. Das Verfahren soll am 18. Dezember 2013 mündlich verhandelt werden.

Mit Bescheid vom 4. Dezember 2003 ist die Zulassung des Rechtsassessors Plantiko zur Rechtsanwaltschaft aus gesundheitlichen Gründen widerrufen worden (§ 14 Abs. 2 Nr. 3 BRAO). Seither verfügt er nicht mehr über die erforderliche Zulassung als Rechtsanwalt bei einem deutschen Gericht. Im Februar 2012 wurde er in Rumänien als Avocat definitiv zugelassen. Ausweislich der rumänischen Zulassungsurkunde liegt sein Hauptkanzleisitz in Rumänien, sein Zweitkanzleisitz in Bonn.

Der Bevollmächtigte beruft sich auf die Richtlinie 77/249/EWG des Rates vom 22. März 1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte, wonach die Zugehörigkeit zu einer Berufsorganisation nicht gefordert werden dürfe. Er trägt unter Vorlage einer Einvernehmenserklärung vom 16. Januar 2013 vor, als europäischer Rechtsanwalt im Einvernehmen mit Rechtsanwältin G ... zu handeln. Sein Hauptkanzleisitz liege in Rumänien. Da es aber etwa fünf Jahre dauere, bis sich dort ein tragfähiger Mandantenstamm entwickele, sei er weiterhin öfter in Deutschland tätig und habe vor, dies zeitlebens zu sein. Hierbei handele es sich um vorübergehende Tätigkeiten im Sinne der §§ 25 ff. EuRAG.

B.

Rechtsassessor Plantiko ist nicht postulationsfähig im Sinne des § 22 Abs. 1 BVerfGG und kann demgemäß nicht als Prozessvertreter der Antragstellerinnen auftreten.

Nach § 22 Abs. 1 BVerfGG können sich die Beteiligten in jeder Lage des Verfahrens vertreten lassen; in der mündlichen Verhandlung müssen sie sich vertreten lassen. Die Prozessvertretung kann, soweit hier von Interesse, nur durch einen Rechtsanwalt erfolgen. Hieran fehlt es, da Rechtsassessor Plantiko lediglich über die Zulassung als Avocat definitiv in Rumänien verfügt.

Aus den Vorschriften über die Dienstleistungsfreiheit in der Europäischen Union ergibt sich nichts anderes. Gemäß § 25 Abs. 1 EuRAG darf ein europäischer Rechtsanwalt, worunter nach § 1 EuRAG in Verbindung mit der Anlage zu dieser Vorschrift auch der rumänische Avocat fällt, vorübergehend in Deutschland die Tätigkeit eines Rechtsanwalts nach den §§ 25 ff. EuRAG ausüben, sofern er Dienstleistungen im Sinne des Art. 50 EG (jetzt Art. 57 AEUV) erbringt. Die von Rechtsassessor Plantiko in Deutschland ausgeübte Tätigkeit ist jedoch keine vorübergehende Dienstleistung.

Der vorübergehende Charakter von unter die Dienstleistungsfreiheit fallenden Tätigkeiten (Art. 50 Abs. 3 EG <jetzt Art. 57 Abs. 3 AEUV>) beurteilt sich unter Berücksichtigung von Dauer, Häufigkeit, regelmäßiger Wiederkehr und Kontinuität der Tätigkeit. Soweit es sich um eine stabile und kontinuierliche Berufstätigkeit handelt, die ein Rechtsanwalt in dem Aufnahmemitgliedstaat von einem festen Berufsdomizil aus ausübt, handelt es sich nicht mehr um eine vorübergehende Dienstleistung. Der Sachverhalt fällt vielmehr unter die Vorschriften des Niederlassungsrechts (EuGH, Urteil vom 30. November 1995 - Rs C-55/94 - Gebhard, NJW 1996, S. 579 [EuGH 30.11.1995 - C 55/94]). Für die Tätigkeit als niedergelassener europäischer Rechtsanwalt in Deutschland sehen §§ 2 ff. EuRAG die Aufnahme in die Rechtsanwaltskammer vor. Eine Berufung auf § 25 ff. EuRAG ist in solchen Fällen ausgeschlossen.

Rechtsassessor Plantiko verfügt über eine feste Niederlassung in Bonn, von wo aus er trotz des Widerrufs seiner Zulassung kontinuierlich in Deutschland unter der Bezeichnung Rechtsassessor, aber in der Funktion eines Rechtsanwalts auftritt. Nicht zuletzt die Anzahl seiner allein beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren belegt, dass es sich hierbei um eine regelmäßige und auf Dauer angelegte Tätigkeit handelt. Nach seinen eigenen Angaben hat er vor, zeitlebens Rechtsanwaltstätigkeiten in Deutschland auszuüben. Wo sein Hauptkanzleisitz liegt, kann angesichts seines festen deutschen Zweitberufsdomizils dahinstehen.

Voßkuhle

Lübbe-Wolff

Gerhardt

Landau

Huber

Hermanns

Müller

Kessal-Wulf

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