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Bundesverfassungsgericht
Beschl. v. 22.01.2013, Az.: 1 BvR 367/12
Auslagenerstattung im Falle einer Erledigung der Verfassungsbeschwerde
Gericht: BVerfG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 22.01.2013
Referenz: JurionRS 2013, 55595
Aktenzeichen: 1 BvR 367/12
ECLI: [keine Angabe]

Fundstelle:

BVerfGE 133, 37 - 40

BVerfG, 22.01.2013 - 1 BvR 367/12

In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde
der C.... GmbH,vertreten durch die Geschäftsführer
- Bevollmächtigte:
1. Rechtsanwalt Dr. Peter Rädlerin Sozietät B B O R S Kreuznacht Rechtsanwälte, Immermannstraße 40, 40210 Düsseldorf,
2. Prof. Dr. Heinrich Amadeus Wolff, Rudolf-Ditzen-Weg 12, 13156 Berlin -
gegen
Artikel 1 Nummer 62 a) aa) und Artikel 5 Absatz 2 Satz 1 des am 9. und 10. Februar 2012 von Bundestag und Bundesrat verabschiedeten Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Regelungen
und
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hier:
Erstattung der Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren sowie Festsetzung der Gegenstandswerte für das Verfassungsbeschwerdeverfahren und das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter
Vizepräsident Kirchhof, Gaier, Eichberger. Schluckebier, Masing, Paulus, Baer, Britz
am 22. Januar 2013
beschlossen:

Tenor:

Die Bundesrepublik Deutschland hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren zu erstatten.

Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit für das Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 500.000 EUR (in Worten: fünfhunderttausend Euro) und für das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf 250.000 EUR (in Worten: zweihundertfünfzigtausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführerin sind ihre notwendigen Auslagen für das Verfassungsbeschwerdeverfahren von der Bundesrepublik Deutschland zu erstatten.

2

1. Über die Erstattung der Auslagen ist, nachdem die Beschwerdeführerin ihre Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt hat, nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden (§ 34a Abs. 3 BVerfGG). Dabei kann insbesondere dem Grund, der zur Erledigung geführt hat, wesentliche Bedeutung zukommen. So ist es billig, einer beschwerdeführenden Person die Erstattung ihrer Auslagen zuzuerkennen, wenn die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt beseitigt oder der Beschwer auf andere Weise abhilft, weil in diesem Fall davon ausgegangen werden kann, dass sie das Begehren der beschwerdeführenden Person selbst für berechtigt erachtet hat (vgl. BVerfGE 85, 109 [BVerfG 19.11.1991 - 1 BvR 1521/89] <114 ff.>; 87, 394 <397 f.>). Im Hinblick auf die Funktion und die Tragweite der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts begegnet es allerdings Bedenken, wenn im Falle einer Erledigung der Verfassungsbeschwerde über die Auslagenerstattung - analog den Regelungen in den Verfahrensordnungen für die Fachgerichte (§ 91a ZPO, § 161 Abs. 2 VwGO, § 138 Abs. 1 FGO) - aufgrund einer überschlägigen Beurteilung der Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde entschieden und dabei zu verfassungsrechtlichen Zweifelsfragen aufgrund einer lediglich kursorischen Prüfung Stellung genommen werden müsste. Diese Bedenken greifen allerdings dann nicht ein, wenn die Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde unterstellt werden kann oder wenn die verfassungsrechtliche Lage - etwa durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in einem gleichgelagerten Fall - bereits geklärt ist (vgl. BVerfGE 85, 109 [BVerfG 19.11.1991 - 1 BvR 1521/89] <115 f.>).

3

2. Der hier zu entscheidende Fall ist denen einer bereits geklärten Verfassungsrechtslage vergleichbar. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner Entscheidung über den mit der Verfassungsbeschwerde verbundenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bereits in einer Weise zu den Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde geäußert, die eine darauf gestützte Kostenentscheidung erlaubt.

4

In der Begründung zu dem Beschluss vom 4. Mai 2012 (NJW 2012, S. 1941 [BVerfG 04.05.2012 - 1 BvR 367/12]) führt der Senat aus, dass die Verfassungsbeschwerde nicht offensichtlich unbegründet sei; es spreche im Gegenteil viel dafür, dass der Gesetzgeber das Inkrafttreten der in die Berufsausübungsfreiheit der Beschwerdeführerin eingreifenden Preisansagepflicht auf einen späteren Zeitpunkt hätte festlegen müssen (a.a.O. Tz. 35). Weiterhin hält der Senat fest, dass alles dafür spreche, dass der Gesetzgeber der Einführung der Preisansagepflicht bei der sprachgestützten Betreiberauswahl eine angemessene Übergangsfrist hätte voranstellen müssen (a.a.O. Tz. 38). Die Verfassungsbeschwerde, mit der die Beschwerdeführerin die Verfassungswidrigkeit des übergangslosen Inkraftsetzens der Preisansagepflicht geltend machte, hätte also aller Wahrscheinlichkeit nach Erfolg gehabt.

5

Zu einer Stattgabe der Verfassungsbeschwerde oder einem "vorherigen Nachgeben" des Gesetzgebers kam es hier offensichtlich deshalb nicht, weil das Bundesverfassungsgericht selbst die von der Beschwerdeführerin vermisste Übergangsfrist im Wege des § 32 BVerfGG angeordnet und damit der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Beschwer ausreichend Rechnung getragen hat.

6

3. Vor diesem Hintergrund ist für das Verfassungsbeschwerdeverfahren die Anordnung der vollständigen Erstattung der notwendigen Auslagen angezeigt. Dass im Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung lediglich eine Erstattung von drei Vierteln der notwendigen Auslagen angeordnet wurde, lag an dem für jenes Verfahren gestellten weitergehenden Antrag, mit dem die Beschwerdeführerin einstweiligen Rechtsschutz bis zur Entscheidung in der Hauptsache angestrebt hatte. Damit hatte sie in zeitlicher Hinsicht nur teilweise Erfolg, weshalb der Senat in jenem Verfahren eine Kostenquotelung von drei Vierteln zu einem Viertel vornahm.

7

4. Über den Antrag der Beschwerdeführerin, die Erstattung der Auslagen für beide Bevollmächtigte anzuordnen, ist nicht durch den Senat in der Kostengrundentscheidung zu befinden. Dieses Begehren ist vielmehr im Rahmen der Kostenfestsetzung zu entscheiden, die in entsprechender Anwendung des § 21 Abs. 1 Nr. 1 des Rechtspflegergesetzes einer Rechtspflegerin oder einem Rechtspfleger übertragen ist (vgl. Kunze, in: Umbach/Clemens/Dollinger, BVerfGG, 2. Aufl. 2005, § 34a Rn. 96; Graßhof, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, § 34a Rn. 117 [Stand: EL 28. April 2008]).

II.

8

Die Festsetzung der Gegenstandswerte beruht auf § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 [BVerfG 28.02.1989 - 1 BvR 1291/85] <366 ff.>).

Kirchhof

Gaier

Eichberger

Schluckebier

Masing

Paulus

Baer

Britz

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