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Bundesverfassungsgericht
Urt. v. 26.07.2005, Az.: 1 BvR 957/96

Überprüfung der Regelung zur Übertragung des Bestands von Lebensversicherungsverträgen auf ein anderes Versicherungsunternehmen am Maßstab von Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG); Beeinträchtigung der Privatautonomie der Versicherungsnehmer durch den generellen Ausschluss der Anwendbarkeit des § 415 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) durch den Gesetzgeber; Zweck der Erleichterungen von Bestandsübertragungen durch Versicherungsunternehmen; Angewiesensein der Versicherten im Lebensversicherungsrecht auf den Schutz durch die Rechtsordnung ; Sicherstellung des Behaltens von als Grundlage der Überschussbeteiligung geschaffenen Vermögenswerten bei Lebensversicherungen mit Überschussbeteiligung; Konkreter Anspruch des Versicherten über eine sich im Laufe der Vertragszeit stufenweise konkretisierende Beteiligung am Überschuss d-es Lebensversicherungsunternehmens; Pflicht des Gesetzgebers zum Treffen von Vorkehrungen zum Schutz auch der im Werden begriffenen Position hinsichtlich der Überschussbeteiligung als nicht nur potenzielle Erwerbsaussicht; Pflicht des Gesetzgebers zur Sicherstellung der Einsetzbarkeit der durch Prämienzahlungen der Versicherungsnehmer beim Versicherer geschaffenen Quellen für die Erwirtschaftung von Überschüssen; Hinreichende Sicherung des verfassungsrechtlich geforderten Schutzes der Belange der Versicherten durch den bei der Genehmigung der Bestandsübertragung zur Wahrung aller betroffenen Belangen anzuwendenden gesetzlichen Maßstab; Erfordernis der positiven Feststellung einer angemessenen Berücksichtigung der Interessen der Versicherten im Gesamtgefüge aller betroffenen Belange; Zurückbehaltung von mehr als zur Erfüllung der bei ihm verbliebenen Verbindlichkeiten notwendigen Vermögensbestandteilen beim früheren Versicherer; Verfahrensrechte der Versicherten zur effektiven Interessenverfolgung im Genehmigungsverfahren; Behebung des verfassungsrechtlichen Mangels der Regelung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung von Bestandsübertragungen durch Auslegung der unbestimmten Gesetzesbegriffe der anzuwendenden Normen; Gebot der Normenbestimmtheit und der Normenklarheit; Verschiedene Anwendungsbereiche des § 8 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG); Festsetzung eines Entgelts im Rahmen der Genehmigung der Bestandsübertragung von Lebensversicherungsverträgen von einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit auf eine Aktiengesellschaft; Schutz der Mitgliedschaft in einem Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit durch die Eigentumsgarantie; Erlöschen der Vereinsmitgliedschaft mit der Genehmigung der Bestandsübertragung; Abstimmung der Interessen der ausscheidenden Vereinsmitglieder mit denen der anderen Betroffenen

Bibliographie

Gericht
BVerfG
Datum
26.07.2005
Aktenzeichen
1 BvR 957/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 35698
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
BVerwG - 12.12.1995 - AZ: 1 A 2.92
BVerwG - 11.01.1994 - AZ: 1 A 72.89

Fundstellen

  • BVerfGE 114, 1 - 72
  • DB 2005, VI Heft 30 (amtl. Leitsatz)
  • DB 2005, XIV Heft 30 (Pressemitteilung)
  • DStR 2005, XII Heft 31 (Kurzinformation)
  • DVBl 2005, A 327 (Pressemitteilung)
  • DVBl 2005, 1274 (amtl. Leitsatz)
  • DVBl 2005, A327 (Pressemitteilung)
  • EWiR 2005, 647-648 (Kurzinformation)
  • JZ 2005, 442*-443* (amtl. Leitsatz)
  • JuS 2005, X Heft 9 (Pressemitteilung)
  • JuS 2005, 1026-1029 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 2005, 2892-2894 (Urteilsbesprechung von Vorsitzender Richter am OLG a. D. Dr. Ulrich Knappmann)
  • NJW 2005, 2363-2376 (Volltext mit amtl. LS)
  • VersR 2005 (amtl. Leitsatz)
  • VersR 2006, 1306-1313 (Urteilsbesprechung von RA Bianca Hövelmann und Ralph Brouwers)
  • VersR 2005, 1109-1127 (Volltext mit amtl. LS)
  • VuR 2005, 319 (amtl. Leitsatz)
  • VuR 2005, 321-324 (Urteilsbesprechung von Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski)
  • VuR 2006, 249-255 (Urteilsbesprechung von RA Burkard Lensing)
  • WM 2005, 1505-1515 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZAP 2005, 817 (Kurzinformation)
  • ZAP EN-Nr. 543/2005
  • ZBB 2005, 372 (amtl. Leitsatz)
  • r+s 2005, 401-406 (Urteilsbesprechung von Prof. Dr. Horst Baumann)
  • r+s 2005, 472-473 (amtl. Leitsatz)

Verfahrensgegenstand

Verfassungsbeschwerden

1. gegen

a)
das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Januar 1994 - BVerwG 1 A 72.89 -,

b)
die Beschlusskammerentscheidung des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen vom 22. Februar 1989 und 11. Mai 1989 - Z 3-B 2/88 -,

c)
den Vergleichsvertrag vom 17. Mai 1989 und 2. Juni 1989 zwischen dem Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen, der Deutscher Herold Aktiengesellschaft und der Deutscher Herold Lebensversicherungs-AG,

d)
die Verfügung des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen vom 15. Juni 1988 - I-1138-11/88 -

- 1 BvR 782/94 -,

2. gegen

a)
das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 1995 - BVerwG 1 A 2.92 -,

b)
die Verfügung des Bundesaufsichtsamts für das Versicherungswesen vom 20. Juni 1989 in der Fassung der Beschlusskammerentscheidung vom 14. November 1991 - I 1 - 1141 - 48/91/Z 3 - B 2/90 -

- 1 BvR 957/96 -

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Bedarf es für die Übertragung des Bestands von Lebensversicherungsverträgen auf ein anderes Unternehmen keiner Genehmigung durch den Versicherungsnehmer (Ausschluss des § 415 BGB durch § 14 Abs. 1 Satz 4 VAG), ist der Gesetzgeber durch Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verpflichtet, den dadurch bewirkten Verlust der Möglichkeit, die vertragsmäßigen Rechte eigenständig und individuell durchzusetzen, auszugleichen.

  2. 2.

    Unterwirft der Gesetzgeber - wie in § 14 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VAG geschehen - die Übertragung des Bestands von Lebensversicherungsverträgen auf ein anderes Unternehmen dem Vorbehalt einer aufsichtsbehördlichen Genehmigung, so sind die Belange der Versicherten von der Aufsichtsbehörde umfassend festzustellen und ungeschmälert in die Entscheidung über die Genehmigung und die dabei vorzunehmende Abwägung einzubringen.

  3. 3.

    Die verfassungsrechtlichen Schutzpflichten aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG fordern Sicherungen dafür, dass die durch Prämienzahlungen der Versicherungsnehmer beim Versicherer geschaffenen Vermögenswerte im Fall von Bestandsübertragungen als Quellen für die Erwirtschaftung von Überschüssen erhalten bleiben und den Versicherten in gleichem Umfang zugute kommen wie ohne Austausch des Schuldners.

  4. 4.

    Zu den Anforderungen aus Art. 14 Abs. 1 GG an einen angemessenen Vermögensausgleich für den Verlust der Vereinsmitgliedschaft bei der Übertragung des Bestands von Lebensversicherungsverträgen eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit.

In den Verfahren über die Verfassungsbeschwerden
hat das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat -
unter Mitwirkung
des Präsidenten Papier,
der Richterinnen Jaeger, Haas,
der Richter Hömig, Steiner,
der Richterin Hohmann-Dennhardt und
des Richters Hoffmann-Riem
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 27. Oktober 2004
durch Urteil
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    § 14 Absatz 1 Satz 3 in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Nummer 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Dezember 1992 (Bundesgesetzblatt 1993 I Seite 2) und § 14 Absatz 1 Satz 3 in Verbindung mit § 8 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 dieses Gesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 21. Juli 1994 (Bundesgesetzblatt I Seite 1630) sind mit Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit sie nicht sicherstellen, dass eine aufsichtsrechtliche Genehmigung der Übertragung des Bestands von Lebensversicherungsverträgen auf ein anderes Unternehmen nur erfolgt, wenn die Belange der Versicherten - bei Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit auch der Anspruch der Mitglieder auf Zahlung eines angemessenen Entgelts - gewahrt sind.

  2. 2.

    Im Übrigen werden die Verfassungsbeschwerden zurückgewiesen.

  3. 3.

    Die Bundesrepublik Deutschland hat den Beschwerdeführern ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

Hinweis: Verbundenes Verfahren

Volltext siehe unter:
BVerfG - 26.07.2005 - AZ: 1 BvR 782/94