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Bundesverfassungsgericht
Urt. v. 08.04.1987, Az.: 2 BvR 909/82

Künstler; Abgabe; Gleichheitssatz; Sozialversicherung; Gesetzgebung; Verwaltung; Künstlersozialabgabe; Geschichtliche Entwicklung; Lebensverhältnisse; Zahlungsverpflichtung; Sachlicher Grund; Fremdnützige Abgabe; Gattungsbegriff; Neuer Lebenssachverhalt; Klassische Sozialversicherung; Verhältnis zwischen Versichertem und Beitragspflichtigem; Behördeneinrichtung; Neue Behörden; Quantitätszunahme; Ländervorbehalt; Verfahrensregelung; Materiell-rechtlicher Anspruch

Bibliographie

Gericht
BVerfG
Datum
08.04.1987
Aktenzeichen
2 BvR 909/82
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1987, 12228
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BVerfGE 75, 108 - 165
  • AfP 1987, 583-590
  • BB 1987, 1529-1534
  • DVBl 1987, 941-947 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1987, 3115-3120 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

1. Verfassungsmäßigkeit der Künstlersozialabgabe. Eine Rechtfertigung fremdnütziger Sozialversicherungsbeiträge kann sich aus spezifischen Solidaritäts- und Verantwortlichkeitsbeziehungen zwischen Zahlungsverpflichteten und Versicherten ergeben, die in den Lebensverhältnissen, wie sie sich geschichtlich entwickelt haben und weiter entwickeln, angelegt sind.

2. Im Bereich der Sozialversicherung verlangt der Gleichheitssatz einen sachlich einleuchtenden Grund dafür, daß ein Privater im Unterschied zu anderen Privaten über seine Steuerpflicht hinaus zu einer Abgabe herangezogen wird, die weder ihm selbst noch seiner Gruppe zugute kommt, ihm vielmehr als fremdnützige Abgabe auferlegt wird.

3. Der Begriff "Sozialversicherung" ist als weitgefaßter verfassungsrechtlicher Gattungsbegriff zu verstehen. Neue Lebenssachverhalte können einbezogen werden, wenn die neuen Sozialleistungen in ihren wesentlichen Strukturelementen, insbesondere in der organisatorischen Durchführung und hinsichtlich der abzudeckenden Risiken dem Bild entsprechen, das durch die "klassische" Sozialversicherung geprägt ist.

4. Als Beteiligter darf ein nicht selbst Versicherter nur dann zur Finanzierung von Sozialleistungen herangezogen werden, wenn es dafür einen sachorientierten Anknüpfungspunkt in den Beziehungen zwischen Versicherten und Beitragspflichtigen gibt, der diese Heranziehung nicht außerhalb der Vorstellungen liegend erscheinen läßt, von denen die Sozialversicherung in ihrem sachlichen Gehalt bestimmt wird.

5. Zur Einrichtung der Behörden i. S. von Art. 84 I GG gehört auch die Festlegung ihres näheren Aufgabenkreises. Dies ist qualitativ zu sehen; rein quantitative Vermehrungen bereits bestehender Aufgaben greifen nicht in den den Ländern vorbehaltenen Bereich ein.

6. Ein Gesetz regelt das Verfahren der Landesbehörden, wenn es verbindlich die Art und Weise sowie die Formen ihrer Tätigkeit zur Ausübung seiner Bestimmungen vorschreibt. Das ist nicht der Fall, wenn eine Norm einen materiell-rechtlichen Anspruch gewährt und damit zwar ein Handeln der Behörde erzwingt, aber das Verfahren hierfür - auch indirekt - nicht mit festlegt.