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Bundesverfassungsgericht
Urt. v. 05.06.1973, Az.: 1 BvR 536/72
„Lebach - Lebach“

Deckung der Rundfunkfreiheit; Persönlichkeitsschutz; Informationsinteresse der Öffentlichkeit; Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz; Privatsphäre; Gefährdung der Resozialisierung

Bibliographie

Gericht
BVerfG
Datum
05.06.1973
Aktenzeichen
1 BvR 536/72
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1973, 11009
Entscheidungsname
Lebach - Lebach
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Mainz 08.06.1972 - 1 O 128/72
OLG Koblenz - 05.10.1972 - AZ: 9 U 552/72

Fundstellen

  • BVerfGE 35, 202 - 245
  • DVBl 1974, 31-37 (Volltext mit amtl. LS)
  • DÖV 1973, 451-456 (Volltext mit amtl. LS)
  • JA 2000, 649-650
  • JZ 1973, 509-513 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1973, 1226-1234 (Volltext mit amtl. LS) "Lebach-Fall"

Redaktioneller Leitsatz

1. Auf den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG kann sich eine Rundfunk- oder Fernsehanstalt grundsätzlich für jede Sendung zunächst berufen . Eine Deckung der Rundfunkfreiheit ist sowohl durch die Auswahl des dargebotenen Stoffes als auch über die Art und Weise der Darstellung einschließlich der gewählten Form der Sendung gegeben. Erst wenn die Rundfunkfreiheit mit anderen Rechtsgütern in Streit gerät, kann es auf das mit der konkreten Sendung verfolgte Interesse, die Art und Weise der Gestaltung und die erzielte oder voraussehbare Wirkung ankommen.

2. Die Interessenabwägung trägt der Ausstrahlungswirkung der Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einerseits, des Persönlichkeitsschutzes gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG andererseits Rechnung. Die Vorschriften der §§ 22, 23 Persönlichkeitsschutzbieten ausreichend Raum für dafür.

Einen grundsätzlichen Vorrang beanspruchen, kann keiner der beiden Verfassungswerte. Im Einzelfall ist eine Abwägung zwischen der Intensität des Eingriffes in den Persönlichkeitsbereich gegen das Informationsinteresse der Öffentlichkeit abzuhalten.

3. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit bekommt im allgemeinen den Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz des Straftäters, es um die aktuelle Berichterstattung über schwere Straftaten geht.Eine Namensnennung, Abbildung oder sonstige Identifikation des Täters ist nicht immer zulässig. Deshalb ist neben der Rücksicht auf den unantastbaren innersten Lebensbereich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Der verfassungsrechtliche Schutz der Persönlichkeit erlaubt jedoch nicht , daß das Fernsehen sich über die aktuelle Berichterstattung hinaus etwa in Form eines Dokumentarspiels zeitlich unbeschränkt mit der Person eines Straftäters und seiner Privatsphäre befaßt. Wenn sie geeignet ist, gegenüber der aktuellen Information einer erhebliche neue oder zusätzliche Beeinträchtigung des Täters zu bewirken, insbesondere seine Wiedereingliederung in die Gesellschaft (Resozialisierung) zu gefährden, dann ist eine spätere Berichterstattung nicht zulässig. Die Resozialisierung eines Täters ist gefährdet, wenn eine den Täter identifizierende Sendung über eine schwere Straftat nach seiner Entlassung ausgestrahlt wird" (Fall Lebach II).