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Bundessozialgericht
Beschl. v. 08.04.2025, Az.: B 12 BA 29/24 B

Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde

Bibliographie

Gericht
BSG
Datum
08.04.2025
Aktenzeichen
B 12 BA 29/24 B
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2025, 14026
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:BSG:2025:080425BB12BA2924B0

Verfahrensgang

vorgehend
SG Berlin - 19.03.2021 - AZ: S 223 KR 2645/17
LSG Berlin-Brandenburg - 18.07.2024 - AZ: L 14 BA 23/21

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Auch im Hinblick auf die Darlegungsanforderungen des § 160a Abs. 2 Satz 3 SGG kann die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nur Erfolg haben, wenn die angefochtene gerichtliche Entscheidung auf einer Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG beruht, wenn also nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Anhörung des Beschwerdeführers das Gericht zu einer anderen Beurteilung des Sachverhalts oder in einem wesentlichen Punkt zu einer anderen Würdigung veranlasst oder im Ganzen zu einer anderen, ihm günstigeren Entscheidung geführt hätte. Deshalb ist der Substantiierungspflicht bei der Rüge eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG nur genügt, wenn der Beschwerdeführer darlegt, was er bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte und welche Folgen sich daraus für die angegriffene Entscheidung ergeben hätten.

  2. 2.

    Die Behauptung, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei inhaltlich unrichtig, kann im sozialgerichtlichen Verfahren nicht (wegen Divergenz) zur Zulassung der Revision führen.

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat am 8. April 2025 durch den Vizepräsidenten Heinz sowie den Richter Beck und die Richterin Geiger
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Juli 2024 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 45 339,27 Euro festgesetzt.

Gründe

I

1

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund Beschäftigung der Beigeladenen für die Klägerin.

2

Nach einer Betriebsprüfung stellte die Beklagte fest, dass die von den Beigeladenen zu 1. und 2. im Prüfzeitraum vom 1.1.2012 bis zum 31.12.2015 für die Klägerin ausgeübten Bürotätigkeiten im Rahmen abhängiger Beschäftigungsverhältnisse ausgeübt worden seien. Für den Beigeladenen zu 1. bestehe ab dem 1.1.2012 Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung. Für die Beigeladene zu 2. bestehe in der Zeit vom 1.5.2014 bis zum 31.10.2014 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung; die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung sei ausgeschlossen, weil sie hauptberuflich selbstständig gewesen sei. Für die Zeit ab dem 18.9.2015 bestehe für die Beigeladene zu 2. Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung, ab diesem Zeitpunkt überwiege der zeitliche Umfang der ausgeübten abhängigen Beschäftigung. Die Nachforderung betrage insgesamt 45 339,27 Euro (Bescheid vom 14.2.2017; Widerspruchsbescheid vom 17.11.2017).

3

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 19.3.2021). Das LSG hat die Berufungen der Klägerin und der Beigeladenen zurückgewiesen. Nach dem Gesamtbild der Tätigkeiten überwögen die Indizien für eine versicherungspflichtige abhängige Beschäftigung der Beigeladenen (Beschluss gemäß § 153 Abs 4 SGG vom 18.7.2024).

4

Mit ihrer am 30.8.2024 eingegangenen Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem ihr am 30.7.2024 zugestellten Beschluss des LSG. Nach einem der Klägerin am 9.10.2024 zugestellten Hinweis des Berichterstatters hat sie mit Schriftsätzen vom 17.10.2024 ihre Beschwerde begründet und Wiedereinsetzung in die Begründungsfrist beantragt.

II

5

Unbeschadet des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) hinsichtlich der Beschwerdebegründungsfrist (§ 160a Abs 2 Satz 1 SGG) ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 Satz 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. In der Begründung des Rechtsmittels ist entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG kein Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

6

1. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (zu den Anforderungen an die Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels s exemplarisch BSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4 und BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 4, jeweils mwN; Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, Kap IX, RdNr 113 ff). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann sich der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG stützen. Ferner kann die Geltendmachung eines Verfahrensmangels auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Prüfungsmaßstab ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (vgl BSG Beschluss vom 14.5.2007 - B 1 KR 21/07 B - juris RdNr 18 mwN; BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn er hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen dargelegt wird, sodass das BSG allein anhand der Beschwerdebegründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.

7

Die Klägerin rügt eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör. Zwar habe das LSG "der Beklagten" einen Hinweis zur beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung erteilt, jedoch sei ihr Schriftsatz vom 28.9.2023 mit keinem Wort inhaltlich gewürdigt und bei der Begründung des Beschlusses nicht berücksichtigt worden. § 153 Abs 4 SGG sei jedenfalls verletzt, wenn feststehe, dass die Stellungnahme der Beteiligten in keiner Weise Berücksichtigung gefunden habe. Eine Anhörung, die nur zum Schein durchgeführt werde, um einer Vorschrift gerecht zu werden, sei keine Anhörung.

8

Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör kann nur Erfolg haben, wenn die angefochtene gerichtliche Entscheidung auf einer Verletzung des Art 103 Abs 1 GG beruht, wenn also nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Anhörung des Beschwerdeführers das Gericht zu einer anderen Beurteilung des Sachverhalts oder in einem wesentlichen Punkt zu einer anderen Würdigung veranlasst oder im Ganzen zu einer anderen, ihm günstigeren Entscheidung geführt hätte. Aus diesem Grunde ist der Substantiierungspflicht bei der Rüge eines Verstoßes gegen Art 103 Abs 1 GG nur genügt, wenn der Beschwerdeführer darlegt, was er bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte und welche Folgen sich daraus für die angegriffene Entscheidung ergeben hätten (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 12.5.2022 - 2 BvR 354/21 - juris RdNr 8 mwN). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin bemängelt lediglich, dass ihr Schriftsatz vom 28.9.2023 nicht berücksichtigt worden sei. Sie legt jedoch nicht dar, inwieweit darin ein Vortrag enthalten wäre, der zu weiteren Ermittlungen oder zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung Anlass geboten und damit zu einer möglicherweise anderen Entscheidung geführt hätte. Dass die mit dem Beschluss zugleich getroffene Entscheidung, von einer mündlichen Verhandlung abzusehen, im Verhältnis zur Klägerin pflichtgemäßem Ermessen widerspricht, trägt sie nicht vor (vgl BSG Beschluss vom 17.12.2020 - B 12 R 23/20 B - juris RdNr 10). Soweit die Klägerin im Übrigen ausführt, das LSG habe nur der Beklagten einen Hinweis auf die beabsichtigte Verfahrensweise nach § 153 Abs 4 SGG erteilt, muss mangels näherer Ausführungen dazu durch die Klägerin von einem Schreibfehler ausgegangen werden. Denn im Schriftsatz vom 28.9.2023 nimmt die Klägerin ausdrücklich auf die Mitteilung des LSG vom 28.8.2023 über die Einschätzung der Unbegründetheit der Berufungen Bezug.

9

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5 und BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Dem wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

10

Die Klägerin macht geltend, die Beklagte, das SG und das LSG seien von der ständigen Rechtsprechung des BSG abgewichen. Der vorliegende Sachverhalt unterscheide sich erheblich von denjenigen, die den vom LSG zitierten Entscheidungen zugrunde gelegen hätten. Mit der Entscheidung des LSG, sich über die Vereinbarung der drei Beteiligten hinwegzusetzen, habe es gegen Art 2 Abs 1 GG verstoßen und sich über höchstrichterliche Rechtsprechung hinweggesetzt.

11

Eine entscheidungserhebliche Divergenz legt die Klägerin dadurch nicht dar. Sie entnimmt bereits der angefochtenen Entscheidung des LSG keine abstrakten Rechtssätze, die sie zum Nachweis der behaupteten Abweichung im Grundsätzlichen Rechtssätzen des BSG gegenüberstellt. Stattdessen rügt sie überwiegend eine aus ihrer Sicht fehlerhafte Rechtsanwendung in ihrem individuellen Fall. Die Behauptung, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei inhaltlich unrichtig, kann aber im sozialgerichtlichen Verfahren nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).

12

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

13

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG i.V.m. § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

14

5. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.