Bundessozialgericht
Beschl. v. 27.03.2025, Az.: B 9 V 17/24 B
Gewährung einer Beschädigtenrente nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz wegen der Folgen seiner langjährigen Heimunterbringung in der ehemaligen DDR
Bibliographie
- Gericht
- BSG
- Datum
- 27.03.2025
- Aktenzeichen
- B 9 V 17/24 B
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2025, 14128
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:BSG:2025:270325BB9V1724B0
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Chemnitz - 28.07.2022 - AZ: S 9 VE 27/19
- LSG Sachsen - 15.10.2024 - AZ: L 9 VE 9/22
Rechtsgrundlage
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Mit der Rüge eines vermeintlichen Rechtsanwendungsfehlers kann die Nichtzulassungsbeschwerde nicht begründet werden.
- 2.
Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde ein Verfassungsverstoß gerügt, muss der Beschwerdeführer unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den gerügten Verfassungsnormen und -prinzipien in substantieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll.
Der 9. Senat des Bundessozialgerichts hat am 27. März 2025 durch den Richter Othmer als Vorsitzenden sowie die Richter Dr. Röhl und Dr. Schmidt
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 15. Oktober 2024 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Gewährung einer Beschädigtenrente nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz wegen der Folgen seiner langjährigen Heimunterbringung in der ehemaligen DDR.
Das LSG hat den Anspruch des Klägers mit Urteil vom 15.10.2024 wie vor ihm das SG und der Beklagte verneint. Bei ihm bestehe allein aufgrund der körperlichen und sexuellen Missbrauchsereignisse der Jahre 1971 bis 1975 keine Gesundheitsstörung, die einer Schwerbeschädigung entspreche und daher nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 50 zu entschädigen sei.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Er macht Verfahrensmängel geltend sowie eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil sie keinen der vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe ordnungsgemäß dargetan hat (vgl § 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
1. Der Kläger hat keinen Verfahrensmangel bezeichnet. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Kritik des Klägers, das LSG sei von einem falschen Beweismaßstab ausgegangen, vermag seiner Beschwerde von vornherein nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn der Kläger rügt damit keinen Verfahrensmangel, sondern lediglich einen vermeintlichen Rechtsanwendungsfehler des LSG. Dies betrifft aber allein die nicht rügefähige materielle Richtigkeit des angegriffenen Urteils (vgl BSG Beschluss vom 16.1.2023 - B 9 V 14/22 B - juris RdNr 11) bzw die mit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG ebenfalls nicht angreifbare Beweiswürdigung des Berufungsgerichts (vgl BSG Beschluss vom 25.1.2023 - B 9 V 32/22 B - juris RdNr 7).
Die Zulässigkeit dieser vom Kläger erhobenen Rüge ergibt sich auch nicht ausnahmsweise aus dem von der Beschwerde zitierten Beschluss des BSG vom 8.8.2001 (B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr 4 - juris RdNr 3 mwN). Dieser betraf den prozessrechtlichen Sonderfall eines zurückverweisenden Urteils des BSG mit nach § 170 Abs 5 SGG bindenden Vorgaben für den vom LSG anzuwendenden Beweismaßstab, deren Nichtbeachtung einen eigenständigen Verfahrensfehler darstellt (BSG Beschluss vom 8.8.2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr 4 - juris RdNr 3).
2. Ebenso wenig dargelegt hat der Kläger den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sogenannte Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschluss vom 27.8.2020 - B 9 V 5/20 B - juris RdNr 6 mwN).
Der Kläger hat - anders als notwendig - bereits keine klare Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer bestimmten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG) mit höherrangigem Recht bezeichnet. Allein die Mitteilung, § 10a Abs 1 Satz 1 Nr 1 OEG müsse "hier einschränkend ausgelegt werden", genügt dafür nicht. Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist aber unverzichtbar, damit das BSG als Beschwerdegericht die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann. Es gehört nicht zu den Aufgaben des BSG, aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers selbst eine entsprechende Rechtsfrage herauszusuchen und zu formulieren (stRspr; zB BSG Beschluss vom 8.3.2021 - B 9 BL 3/20 B - juris RdNr 17; BSG Beschluss vom 11.7.2017 - B 9 SB 15/17 B - juris RdNr 8).
Auch unabhängig davon ist eine grundsätzliche Bedeutung nicht dargetan. Wer mit der Nichtzulassungsbeschwerde einen Verfassungsverstoß - oder wie hier das Erfordernis einer verfassungskonformen einschränkenden Auslegung - geltend macht oder sich auf die Verfassungswidrigkeit der höchstrichterlichen Auslegung einer Vorschrift beruft, darf sich dabei nicht auf die bloße Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken. Vielmehr muss der Beschwerdeführer unter Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG zu den gerügten Verfassungsnormen und -prinzipien in substantieller Argumentation darlegen, welche gesetzlichen Regelungen welche Auswirkungen haben und woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe der jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des GG im Einzelnen dargelegt werden. Dabei ist aufzuzeigen, dass der Gesetzgeber die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten und in willkürlicher Weise verletzt hat (stRspr; zB Senatsbeschluss vom 20.12.2018 - B 9 V 13/18 B - juris RdNr 10 mwN).
Solche Darlegungen enthält die Beschwerde nicht.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.