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Bundessozialgericht
Beschl. v. 03.09.2024, Az.: B 2 U 18/23 B

Anerkennung von Unfallfolgen und Gewährung einer Verletztenrente nach § 45 SGB X im Überprüfungsverfahren; Anforderung an die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde

Bibliographie

Gericht
BSG
Datum
03.09.2024
Aktenzeichen
B 2 U 18/23 B
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 22195
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:BSG:2024:030924BB2U1823B0

Verfahrensgang

vorgehend
SG München - 22.01.2019 - AZ: S 9 U 64/15
LSG Bayern - 22.11.2022 - AZ: L 2 U 44/19

Redaktioneller Leitsatz

1. Die Klärungsbedürftigkeit einer Frage ist nicht dargelegt, wenn sich der Beschwerdeführer neben den Rücknahmevoraussetzungen nach dem § 45 SGB X und deren Geltung im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach dem § 44 SGB X nicht mit der Bindungswirkung der Feststellung einer Unfallfolge auseinanbdersetzt. 2. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, müssen die diesen vermeintlich begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden.

Der 2. Senat des Bundessozialgerichts hat am 3. September 2024 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Roos sowie die Richterin Dr. Karl und den Richter Dr. Wahl
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 22. November 2022 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe

I

1

In der Hauptsache streiten die Beteiligten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens (§ 44 SGB X) darüber, ob die Beklagte die Anerkennung von Unfallfolgen und die Gewährung einer Verletztenrente nach § 45 SGB X zurücknehmen durfte.

2

Die Beklagte bewilligte dem Kläger aufgrund eines Arbeitsunfalls vom 23.3.2001 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 vom Hundert (vH) und bewertete hierbei die Unfallfolgen auf unfallchirurgischem Gebiet mit 10 vH, auf hno-ärztlichem Gebiet (ua ein unfallbedingtes Ohrgeräusch) mit unter 10 vH und auf neuropsychiatrischem Gebiet mit 20 vH (Bescheid vom 11.8.2004). Nachdem sie erfuhr, dass der Kläger bereits 1989 ein Knalltrauma mit Tinnitus erlitten hatte, nahm sie den Bescheid vom 11.8.2004 zurück, lehnte die Bewilligung einer Verletztenrente ab und forderte den Kläger zur Erstattung von 25.906,06 Euro auf (Bescheid vom 26.8.2005; Widerspruchsbescheid vom 26.1.2006). Die hiergegen erhobene Klage nahm der Kläger zurück und erstattete der Beklagten den geforderten Betrag.

3

Einen Antrag des Klägers auf Überprüfung des Bescheides vom 26.8.2005 lehnte die Beklagte ebenso ab (Bescheid vom 17.12.2014; Widerspruchsbescheid vom 27.1.2015) wie dessen Antrag auf Neufeststellung einer Rente (Bescheid vom 9.4.2014; Widerspruchsbescheid vom 29.9.2014). Die hiergegen erhobenen Klagen wies das SG überwiegend ab (Urteil vom 22.1.2019). Auf die Berufung des Klägers verpflichtete das LSG die Beklagte zur Rücknahme des Bescheides vom 26.8.2005 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.1.2006) mit Ausnahme der festgestellten Unfallfolge "Ohrgeräusch" und hob den Bescheid vom 9.4.2014 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.9.2014) auf (Urteil vom 22.11.2022).

4

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Beklagte gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG und macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz und Verfahrensmängel geltend.

II

5

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ordnungsgemäß dargelegt bzw bezeichnet worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

6

a) Grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (stRspr; zB BSG Beschlüsse vom 14.2.2024 - B 2 U 49/23 B - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen = juris RdNr 3, vom 9.11.2023 - B 2 U 66/23 B - juris RdNr 3 und vom 7.3.2017 - B 2 U 140/16 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 18 RdNr 5, jeweils mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

7

(1) Die Beklagte wirft zunächst die Frage auf,

ob das LSG "sehenden Auges einen unrichtigen Bescheid in Kraft setzen und damit einen rechtswidrigen Zustand herstellen darf, obwohl der Versicherte nicht einmal Vertrauen ausbilden konnte, weil er die Entscheidung viele Jahre nicht nur hingenommen hat, sondern die gewährte Rente sogar zurückgezahlt hat."

8

Damit wird bereits keine abstrakte Rechtsfrage hinreichend formuliert. Denn es ist schon unklar, um welches Tatbestandsmerkmal welcher (revisiblen) Norm es geht. Außerdem ist nicht erkennbar, inwiefern es sich bei der Frage, ob die Rückzahlung einer Rente einem Vertrauensschutz entgegen stehen soll, überhaupt um eine abstrakte Rechtsfrage und nicht um eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige (Tatsachen-)Frage handeln soll. Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 9.11.2023 - B 2 U 66/23 B - juris RdNr 4 mwN). Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung aus dem Beschwerdevorbringen herauszufiltern (BSG Beschluss vom 10.1.2024 - B 2 U 77/23 B - juris RdNr 6 mwN).

9

Auch die (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit der Frage wird nicht hineichend aufgezeigt. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort nicht von vornherein praktisch außer Zweifel steht, so gut wie unbestritten ist, sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergibt und sich auch aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung keine hinreichenden Anhaltspunkte zur Beantwortung ergeben (BSG Beschluss vom 12.7.2022 - B 2 U 11/22 B - juris RdNr 9). Im Hinblick darauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung vorliegt oder durch die schon vorliegenden Urteile die maßgebende Frage der grundsätzlichen Bedeutung noch nicht beantwortet ist (BSG Beschluss vom 12.7.2022 - B 2 U 711/22 B - juris RdNr 9). Die Beschwerde setzt sich jedoch bereits nicht mit der Rechtsprechung des BSG zum Vertrauensschutz nach § 45 SGB X und den Voraussetzungen eines Rücknahmeanspruchs nach § 44 SGB X auseinander.

10

Die Beklagte legt auch die (konkrete) Klärungsfähigkeit der Frage nicht hinreichend dar. Klärungsfähigkeit setzt voraus, dass eine Klärung der Frage im Revisionsverfahren erwartet werden kann. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt werden, dass es für die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits auf die Beantwortung der aufgeworfenen Frage ankommt (BSG Beschluss vom 24.5.2023 - B 2 U 77/22 B - juris RdNr 11). Dazu muss ein Beschwerdeführer zunächst den Sachverhalt schildern, den das LSG für das Revisionsgericht verbindlich festgestellt hat (vgl BSG Beschluss vom 12.7.2022 - B 2 U 11/22 B - juris RdNr 6). Die Beklagte schildert den vom LSG festgestellten Sachverhalt indes nur bruchstückhaft. Sie geht zwar davon aus, dass die Entscheidung des LSG zu einem rechtswidrigen Zustand geführt hat, weil sich aus neueren Gutachten ergebe, dass keine rentenberechtigende MdE vorgelegen habe. Entsprechende Feststellungen (§ 163 SGG) des LSG werden aber bereits nicht behauptet.

11

Schließlich zeigt die Beklagte auch nicht die Breitenwirkung der von ihr aufgeworfenen Frage auf. Sie behauptet nicht einmal, dass die Rechtsfrage einen größeren Personenkreis betrifft. Die Frage ist vielmehr auf die konkrete Situation des Klägers zugeschnitten. Wie häufig es die Konstellation gibt, dass nach Rücknahme einer Rentenbewilligung und Rückzahlung der Rente durch den Versicherten ein Gericht ihm diese Leistungen erneut zuspricht, obwohl im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kein Anspruch (mehr) besteht, trägt die Beklagte nicht vor.

12

(2) Die Beklagte hält ferner die Frage für grundsätzlich bedeutsam,

"ob die Rechtswidrigkeit der Anerkennung einer Unfallfolge, die aufgrund vorsätzlicher Falschangaben des Beschwerdegegners erfolgte, auf die Anerkennung hiermit untrennbar verbundener Unfallfolgen durchgreifen muss" und "ob gerade bei psychischen Unfallfolgen eine Prüfung nicht zu trennen ist".

13

Diese Frage ist bereits nicht aus sich heraus verständlich, weil nicht erläutert wird, was mit "untrennbar verbunden"/"nicht zu trennen" sowie "durchgreifen" gemeint ist und zudem offenbleibt, welche Normen zur Überprüfung gestellt werden sollen und welche Bedeutung es hierbei haben soll, ob eine vorsätzliche Falschangabe vorliegt. Im Kern handelt es sich zudem um eine Fragestellung, deren Beantwortung von medizinischen Erwägungen und den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt. Denn der Beklagten kommt es bei dieser Frage darauf an, dass sich die Falschaussage des Klägers auf die nachfolgenden Begutachtungen ausgewirkt hat.

14

Die Beklagte hat nicht die Klärungsbedürftigkeit der Frage(n) aufgezeigt. Dazu hätte sie sich neben den Rücknahmevoraussetzungen nach § 45 SGB X und deren Geltung im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X ua mit der Bindungswirkung der Feststellung (§ 31 Satz 1 SGB X) einer Unfallfolge (§ 39 SGB X, § 77 SGG) sowie der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Senats (siehe zB BSG Urteil vom 20.3.2007 - B 2 U 38/05 R - SozR 4-1300 § 48 Nr 10), insbesondere zur Geltung der Bindungswirkung auch im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X(BSG Urteil vom 26.10.2017 - B 2 U 6/16 R - SozR 4-2200 § 547 Nr 1 RdNr 22), auseinandersetzen müssen.

15

Auch die Klärungsfähigkeit der Frage(n) ist nicht hinreichend dargelegt. Die Beschwerde trägt weder Feststellungen des LSG vor, wonach die Ohrgeräusche eine andere ebenfalls als Unfallfolge anerkannte Gesundheitsstörung (rechtlich wesentlich) verursacht hätten noch, dass die sonstigen Bewertungen von Unfallfolgen im Bescheid vom 11.8.2004 unzutreffend und nur durch eine Falschaussage des Klägers zustande gekommen wären. Nach dem Vortrag der Beklagten hat das LSG sogar umgekehrt festgestellt, dass die Anerkennung von psychiatrischen Unfallfolgen in keinerlei Zusammenhang mit der Anerkennung des Tinnitus als Unfalfolge steht.

16

b) Eine Divergenz ist ebenfalls nicht hinreichend bezeichnet. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass die angefochtene Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Um eine Abweichung aufzuzeigen, muss dargelegt werden, dass das LSG im angefochtenen Urteil nicht lediglich die Tragweite der höchstrichterlichen Rechtsprechung verkannt, sondern dieser Rechtsprechung bewusst einen eigenen Rechtssatz entgegengesetzt hat. Eine Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Ferner bedarf es der Darlegung, weshalb die aufgezeigten Rechtssätze nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht. Hierfür muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die höchstrichterliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird. Dagegen genügt nicht die Behauptung, das LSG habe in seiner Entscheidung die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht zugrunde gelegt. Denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (stRspr; vgl BSG Beschlüsse vom 30.1.2024 - B 2 U 64/23 B - juris RdNr 5, vom 9.8.2022 - B 2 U 23/22 B - juris RdNr 10 und vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN). Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

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(1) Die Beklagte rügt zunächst, das Urteil des LSG "basiere auf der Annahme", dass die Anträge nach § 44 SGB X und § 48 SGB X nicht nebeneinander bestehen könnten, sondern ein Antrag nach § 48 SGB X lediglich nachrangig sei. Damit weiche es von der Entscheidung des BSG vom 27.5.1997 (2 BU 49/97 - juris) ab, in dem der Rechtssatz aufgestellt worden sei, dass die Vorschriften der §§ 44, 45 SGB X die Rücknahme von Verwaltungsakten regelten, die von Anfang an rechtswidrig seien, während § 48 SGB X die Aufhebung von Dauerverwaltungsakten ermöglichen solle, die zwar zunächst rechtmäßig seien, aber wegen einer nach ihrem Erlass eingetretenen Änderung der Sach- und Rechtslage im Widerspruch zu dem (dann) geltenden Recht stünden.

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Mit diesem Vortrag wird bereits kein abstrakter Rechtssatz des LSG bezeichnet. Es wird auch nicht aufgezeigt, dass ein solcher aus dessen Urteil ableitbar wäre. Die Beschwerde legt nicht hinreichend dar, dass die Formulierung des LSG, wonach der Neufeststellungsantrag des Klägers nachrangig gegenüber dem Überprüfungsantrag sei, eine bewusste Entwicklung eines über den Einzelfall hinausgehenden rechtlichen Maßstabes sei und dass das LSG nicht lediglich den Streitgegenstand habe erläutern und zum Ausdruck bringen wollen, dass der neue Rentenantrag des Klägers ins Leere gehe, wenn bereits ein Bescheid über den Rentenanspruch in der begehrten Höhe bestehe. Die Beklagte trägt zudem nicht schlüssig vor, dass das LSG mit der Bezeichnung des Antrages als "Neufeststellungsantrag" einen Antrag nach § 48 SGB X gemeint hat. Außerdem ist nicht dargelegt, ob eine Verschlimmerung, die nach § 48 SGB X zu einem höheren Rentenanspruch führen könnte, überhaupt Gegenstand des Berufungsverfahrens war. Schließlich ist auch nicht aufgezeigt, inwiefern die zitierten Passagen aus den Entscheidungen miteinander unvereinbar sein sollten.

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(2) Die Beklagte rügt außerdem, das LSG weiche vom Urteil des BSG vom 24.4.2014 (B 13 R 3/13 R - SozR 4-1300 § 44 Nr 30) ab, in dem dieses festgestellt habe, dass im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X dem Betroffenen nicht mehr gewährt werden könne als ihm nach matriellem Recht zustehe.

20

Die Beschwerde versäumt es indes auch insoweit, einen abstrakten Rechtssatz des LSG zu bezeichnen. Stattdessen bringt sie lediglich vor, durch die Entscheidung des LSG über den Antrag nach § 44 SGB X erreiche der Kläger eine Verletztenrente, die ihm nach den aktuellen Gutachten und der materiellen Rechtslage nicht zustehe. Damit wird aber nur ein Rechtsanwendungsfehler im Einzelfall gerügt, der keine Divergenz zu begründen vermag.

21

Selbst wenn das LSG einen entsprechenden Rechtssatz aufgestellt hätte, wäre eine Abweichung von dem angeführten Rechtssatz des BSG nicht hinreichend bezeichnet. Denn es wird nicht dargelegt, zu welchem Sachverhalt die Entscheidung des BSG vom 24.4.2014 ergangen ist. Das Aufzeigen einer Abweichung erfordert indes, den Kernlebenssachverhalt sowohl der mit der Beschwerde angegriffenen Entscheidung als auch der herangezogenen Entscheidung des BSG darzulegen, denn eine die Rechtseinheit gefährdende Entscheidung kann nur bei vergleichbarem Sachverhalt vorliegen, auf den dieselben Rechtsnormen anzuwenden sind (BSG Urteil vom 30.1.2024 - B 2 U 64/23 B - juris RdNr 8). Das Urteil des BSG von 24.4.2014 erging zu einem rechtswidrigen Vormerkungsbescheid, der nach Auffassung des für die gesetzliche Rentenversicherung zuständigen 13. Senats keine Bindungswirkung für den anschließenden Rentenbescheid hatte. Die Beschwerde trägt nichts dazu vor, inwiefern diese Entscheidung auf den vorliegenden Rechtsstreit übertragbar sein könnte.

22

Schließlich wäre auch die Entscheidungserheblichkeit einer Abweichung für ein Revisionsverfahren nicht dargelegt. Die Beschwerdebegründung behauptet bereits nicht, das LSG habe festgestellt (§ 163 SGG), dass dem Kläger aufgrund neuerer Gutachten kein Rentenanspruch zustehe.

23

c) Die Beklagte hat schließlich auch keinen Verfahrensmangel hinreichend bezeichnet. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG), müssen die diesen vermeintlich begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG, ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht, auf dem Mangel beruhen kann. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG nicht und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (BSG Beschluss vom 26.4.2024 - B 2 U 38/23 B - juris RdNr 3). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

24

Es wurde bereits kein Verfahrensfehler bezeichnet. Eine Beschwerde muss die (revisible) bundesrechtliche Verfahrensnorm, gegen die das LSG verstoßen haben soll, so genau bezeichnen, dass erkennbar wird, welcher Verfahrensmangel konkret gerügt werden soll (Karmanski in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 3. Aufl 2023, § 160a RdNr 93). Die Beklagte sieht einen Verfahrensfehler darin, dass das LSG den Bescheid vom 26.8.2005 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.1.2006) teilweise aufgehoben hat, obwohl eine Teilaufhebung nicht möglich gewesen wäre, ohne erneut über die Rechtsfolge einer Rentengewährung zu entscheiden. Begründet wird dieser behauptete Verfahrensfehler damit, dass der Wegfall einer Unfallfolge Auswirkungen auf andere Unfallfolgen haben könne und dass nach neueren Gutachten keine dauerhafte MdE verblieben sei. Inwieweit der damit gerügte Tenorierungsfehler überhaupt ein Verfahrensfehler sein kann, ist nicht dargetan. Die Ausführungen sind stattdessen am ehesten als Rüge einer fehlerhaften Beweiswürdigung nach § 128 Abs 1 Satz 1 SGG zu werten. Hierauf kann die Nichtzulassungsbeschwerde indes nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG i.V.m. § 128 Abs 1 Satz 1 SGG).

25

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

26

3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, 169 Satz 2 und 3 SGG).

27

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

Roos
Karl
Wahl