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Bundessozialgericht
Beschl. v. 19.07.2023, Az.: B 2 U 12/23 B

Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache; Bezeichnung von Verfahrensmängeln

Bibliographie

Gericht
BSG
Datum
19.07.2023
Aktenzeichen
B 2 U 12/23 B
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 35379
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:BSG:2023:190723BB2U1223B0

Verfahrensgang

vorgehend
LSG Baden-Württemberg - 17.01.2023 - AZ: L 6 U 3038/22
SG Mannheim - 23.09.2022 - AZ: S 2 U 2103/21

Redaktioneller Leitsatz

1. Zur Grundsatzrüge muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist – hier verneint für Rechtsfragen zur Zulässigkeit von Klagen gegen Verwaltungsentscheidungen in der gesetzlichen Unfallversicherung.

2. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden – hier verneint für Rügen eines Verstoßes gegen § 123 SGG sowie einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.

in dem Rechtsstreit
BSG Az.: B 2 U 12/23 B
LSG Baden-Württemberg 17.01.2023 - L 6 U 3038/22
SG Mannheim 23.09.2022 - S 2 U 2103/21
……………………………………..,
Kläger und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigter: ……………………………….,
g e g e n
Berufsgenossenschaft Holz und Metall,
Isaac-Fulda-Allee 18, 55124 Mainz,
Beklagte und Beschwerdegegnerin.
Der 2. Senat des Bundessozialgerichts hat am 19. Juli 2023 durch
die Vorsitzende Richterin Dr. R o o s sowie die Richter K a r m a n s k i und Dr. R ö h l
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. Januar 2023 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I

1

In der Hauptsache streiten die Beteiligten wegen andauernder Arbeitsunfallfolgen mit einer rentenbedeutsamen MdE.

2

Die Beklagte erkannte einen Unfall vom 22.7.2020 als Arbeitsunfall an und gewährte Heilbehandlung bis zum 28.10.2020.

3

Das SG hat die Klage auf Feststellung andauernder Folgen des Arbeitsunfalls mit einer rentenbedeutsamen MdE von mindestens 20 vH verworfen. Die Ausgangsbehörde habe bisher über die Gewährung einer Verletztenrente nicht entschieden (Urteil vom 23.9.2022). Im Berufungsverfahren hat der von Anbeginn anwaltlich vertretene Kläger beantragt festzustellen, dass die Folgen des Arbeitsunfalls nicht ausgeheilt sind und den Kläger in einem rentenrelevanten Ausmaß der MdE beeinträchtigen. Das LSG hat den Kläger hierzu auf die fehlende Verwaltungsentscheidung hingewiesen und die Berufung insoweit zurückgewiesen. In der Sache komme Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 10 vH nach den dokumentierten medizinischen Befunden ohnehin nicht in Betracht. Unfallfolgen bestünden nicht (Beschluss vom 17.1.2023).

4

Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG.

II

5

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und des Vorliegens von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend dargelegt.

6

Die Beschwerdebegründung lässt schon die für eine hinreichende Darlegung eines Zulassungsgrunds erforderliche lückenlose Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und Verfahrensgangs vermissen (vgl hierzu BSG Beschluss vom 11.7.2022 - B 9 V 41/21 B - juris RdNr 7 und 10 mwN).

7

1. Zur Grundsatzrüge muss die Beschwerdebegründung darüber hinaus ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 27.3.2023 - B 12 KR 39/22 B - juris RdNr 6 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

8

Die Beschwerdebegründung führt als Frage von grundsätzlicher Bedeutung an, ob eine Klage als unzulässig abgewiesen werden kann, wenn im Hinblick auf die getroffene Verwaltungsentscheidung des Inhalts, dass die Unfallfolgen ausgeheilt und die verbleibenden Unfallbeschwerden unfallunabhängig seien, neben der Feststellung, dass die Unfallfolgen andauern, eine überschießende Feststellung dahingehend begehrt wird, dass die weiterhin andauernden Unfallfolgen sogar eine rentenbedeutsame Minderung der Erwerbsfähigkeit nach sich ziehen.

9

Es sei dahingestellt, ob hiermit eine hinreichend präzise Rechtsfrage mit Breitenwirkung über den Einzelfall hinaus aufgezeigt wird. Jedenfalls zeigt die Beschwerdebegründung weder Klärungsbedarf noch Klärungsfähigkeit näher auf. Sie beschäftigt sich nicht damit, welcher Klärungsbedarf angesichts der - von den Vorinstanzen teilweise zitierten - Rechtsprechung des BSG und insbesondere auch des Unfallsenats zum Verhältnis der einzelnen Klagearten (§§ 54, 55 SGG) und der jeweils erforderlichen Sachurteilsvoraussetzungen abstrakt-generell noch verblieben sein könnte. Auch lassen sich der Beschwerdebegründung keine hinreichend konkreten Ausführungen zum Inhalt der vorausgegangenen Verwaltungsentscheidungen nach den Feststellungen der Vorinstanz entnehmen. Ebenfalls fehlen Ausführungen, ob und inwieweit der Kläger trotz der von ihm geltend gemachten rentenbedeutsamen Minderung der Erwerbsfähigkeit lediglich weitere Heilbehandlung und/oder die Anerkennung von Unfallfolgen begehrt. Im Ansatz rügt der durchgehend anwaltlich vertretene Kläger vielmehr die Vorgehensweise der Vorinstanz auf dem Weg zur Entscheidungsfindung und damit Verfahrensfehler, deren fehlende Anforderungen indes mit Hilfe einer Grundsatzrüge nicht umgangen werden können (vgl zB BSG Beschluss vom 22.9.2020 - B 13 R 45/20 B - juris RdNr 11 mwN; dazu sogleich unter 2.).

10

2. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

11

a) Soweit der Kläger rügt, SG und LSG hätten sich über seine Klageanträge hinweggesetzt, macht er allerdings einen fortwirkenden Verstoß gegen § 123 SGG geltend. Das Gericht ist indes nicht an die Fassung der Anträge gebunden (§ 123 Halbsatz 2 SGG). Insoweit versäumt die Beschwerdebegründung nachvollziehbare Ausführungen dazu, wieso die vorgenommene Umstellung der Klage von der Feststellungs- auf die Anfechtungs- und Leistungsklage angesichts der beanspruchten Verletztenrente (LSG-Beschluss S 10) nicht mehr dem erkennbaren Klagebegehren entsprochen haben könnte. Dies gilt auch, soweit darüber hinaus gerügt wird, die beantragte Feststellung hätte zu einer Sachentscheidung geführt, die Entscheidung der Vorinstanz beruhe mithin auf der gerügten Umstellung, weil anstelle der getroffenen Prozessentscheidung eine Sachentscheidung zu treffen gewesen wäre (vgl hierzu BSG Beschluss vom 8.2.2023 - B 5 R 165/22 B - juris RdNr 8 mwN). Vortrag zur Zulässigkeit der begehrten Feststellung lässt sich der Beschwerdebegründung insoweit nicht entnehmen.

12

b) Soweit der Kläger wegen der Umstellung auch eine Verletzung rechtlichen Gehörs geltend macht (Art 103 Abs 1 GG iVm § 62 SGG), versäumt er allerdings Ausführungen dazu, warum er sich angesichts der vorangegangenen Entscheidung des SG nicht wenigstens im Berufungsverfahren durch einen präzisen Antrag mit entsprechender Begründung rechtliches Gehör verschaffen konnte (stRspr; zB BSG Beschluss vom 23.2.2022 - B 9 V 35/21 B - juris RdNr 17 mwN) und stattdessen trotz des Hinweises auf das Fehlen einer Verwaltungsentscheidung ein weiterer richterlicher Hinweis zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung zwingend geboten gewesen wäre, weil bisher nicht erörterte Gesichtspunkte zum Tragen gekommen sind und dadurch der Rechtsstreit eine unerwartete Wendung genommen hat, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (hierzu BSG Beschluss vom 3.3.2022 - B 9 V 37/21 B - juris RdNr 11 mwN).

13

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

14

4. Die Verwerfung der nicht formgerecht begründeten und unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

15

5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dr. Roos
Karmanski
Dr. Röhl