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Bundessozialgericht
Beschl. v. 23.01.2015, Az.: B 13 R 394/14 B
Unterbliebene Beiladung als Verfahrensmangel; Tatsachensubstantiierung; Notwendiger Inhalt einer Grundsatzrevisionsschrift
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 23.01.2015
Referenz: JurionRS 2015, 10901
Aktenzeichen: B 13 R 394/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Bayern - 24.07.2014 - AZ: L 14 R 414/13

SG Landshut - AZ: S 3 R 662/10

BSG, 23.01.2015 - B 13 R 394/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Die bloße Behauptung, dass die Entscheidung des LSG auf der unterbliebenen Beiladung des Jobcenters beruhen kann, ist nicht ausreichend für die Bezeichnung eines Verfahrensmangels.

2. Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann.

3. Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung ist in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung zu bezeichnen und schlüssig aufzuzeigen, dass diese klärungsbedürftig, in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist.

4. Diese Anforderungen, die allerdings nicht überspannt werden dürfen, sind verfassungsrechtlich unbedenklich.

in dem Rechtsstreit

Az: B 13 R 394/14 B

L 14 R 414/13 (Bayerisches LSG)

S 3 R 662/10 (SG Landshut)

....................,

Kläger, Antragsteller und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigte: .........................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd,

Am Alten Viehmarkt 2, 84028 Landshut,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat am 23. Januar 2015 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. S c h l e g e l sowie die Richter G a s s e r und K a l t e n s t e i n

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. Juli 2014 Prozesskostenhilfe zu gewähren und Rechtsanwältin S. aus D. beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

I

1

Der im Jahr 1959 geborene Kläger ist Meister im Kraftfahrzeughandwerk. Er hat als versicherungspflichtiger Selbstständiger von August 1988 bis Mai 1995 Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt. Sein Versicherungsverlauf weist weitere Pflichtbeitragszeiten von August 1998 bis Februar 2000 aus versicherungspflichtiger Beschäftigung sowie im Zeitraum vom 27.11. bis 21.12.2001 aufgrund Sozialleistungsbezugs aus. Nach den Feststellungen des LSG war er bis zum Jahr 2006 zum Teil mit zwei Kfz-Betrieben selbstständig tätig. Von Januar 2006 bis Dezember 2007 und von Mai 2008 bis August 2009 sind für ihn Pflichtbeitragszeiten aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II (Alg II) ohne Arbeitslosigkeit vermerkt.

2

Den ersten Rentenantrag des Klägers vom Januar 2001 lehnte der beklagte Rentenversicherungsträger trotz Bejahung von Berufsunfähigkeit ab 4.12.2000 wegen fehlender versicherungsrechtlicher Voraussetzungen bestandskräftig ab (Bescheid vom 17.9.2001). Anschließend durchlief der Kläger vom 27.11. bis 21.12.2001 ein medizinisches Heilverfahren, bei dessen Abschluss ihm ein wieder mehr als sechsstündiges Leistungsvermögen als Kfz-Mechaniker sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bescheinigt wurde. Die Beklagte lehnte auch den weiteren Rentenantrag vom August 2009 ab: Zwar sei der Kläger seit dem 4.12.2000 dauerhaft teilweise erwerbsgemindert, doch lägen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (sog Drei-Fünftel-Belegung) nicht vor, da in dem maßgeblichen Fünf-Jahres-Zeitraum vor Eintritt der Erwerbsminderung nur 19 Monate mit Pflichtbeitragszeiten belegt seien (Bescheid vom 7.4.2010, Widerspruchsbescheid vom 18.6.2010).

3

Im Klageverfahren hat der Kläger geltend gemacht, die Erwerbsunfähigkeit habe schon 1995 bestanden. Das SG hat die Klage abgewiesen, das LSG die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Nach Ansicht der Vorinstanzen ist eine durchgehende Leistungsminderung beim Kläger seit Juni 1997 - dem Zeitpunkt, zu dem letztmals die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt gewesen seien - nicht nachweisbar. Teilweise Erwerbsminderung liege lediglich in der Zeit vom 4.12.2000 bis zum 21.12.2001 und erneut ab Januar 2008 vor, doch habe der Kläger im Zeitraum 1.1.2003 bis 31.12.2007 weder Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt noch sei die Zeit seit dem 1.1.1984 durchgehend mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt.

4

Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dem LSG-Urteil beim BSG Beschwerde erhoben und zu deren Durchführung Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten beantragt. Er macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie einen Verfahrensmangel geltend.

II

5

Der PKH-Antrag ist abzulehnen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 ZPO). Denn die bereits von einem Rechtsanwalt erhobene und begründete Nichtzulassungsbeschwerde erfüllt nicht die insoweit vorgeschriebenen formellen Voraussetzungen. Damit entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 121 Abs 1 ZPO).

III

6

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 14.1.2015 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn er hat keinen der gesetzlichen Revisionszulassungsgründe formgerecht dargetan (§ 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).

7

1. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht ordnungsgemäß dargelegt (§ 160 Abs 2 Nr 1 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).

8

Hierfür ist in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung zu bezeichnen und schlüssig aufzuzeigen, dass diese klärungsbedürftig, in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 19, Nr 22 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 2 ff, Nr 9 RdNr 4 - jeweils mwN). Es muss aus der Beschwerdebegründung ersichtlich sein, dass sich die Antwort auf die Rechtsfrage nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz oder der bisherigen Rechtsprechung ergibt; hierzu bedarf es der Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung. Diese Anforderungen, die allerdings nicht überspannt werden dürfen, sind verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG [Kammer] SozR 4-1500 § 160a Nr 12 RdNr 3 f, Nr 16 RdNr 4 f, Nr 24 RdNr 5 ff).

9

Das Vorbringen des Klägers wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Er führt hierzu in der Beschwerdebegründung lediglich Folgendes aus: "Es kann nicht angehen, dass ein schwerbehinderter Mensch, welcher unter Vernachlässigung seiner restlichen Gesundheit, obgleich schon die Erwerbsminderung festgestellt wurde, ein Studium beginnt und deswegen kein ALG II als Zuschuss inkl. Rentenpflichtversicherungsbeiträgen, wiederum nur wegen der fehlenden Versicherungszeiten keine Rentenleistungen erhält. Die versicherungstechnischen Voraussetzungen wären erfüllt, wenn der Kläger keinen Raubbau mit seiner Gesundheit betrieben hätte und statt dessen nur ALG II als Zuschuss bezogen hätte." Damit aber hat er weder eine Rechtsfrage iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG zur Auslegung, Anwendbarkeit oder Vereinbarkeit einer konkret bezeichneten Vorschrift des Bundesrechts mit höherrangigem Recht formuliert noch einen weiteren Klärungsbedarf im Lichte bereits vorhandener oberstgerichtlicher Rechtsprechung aufgezeigt.

10

Im Übrigen - ohne dass es für die hier zu treffende Entscheidung darauf ankommt - trifft die Ansicht des Klägers nicht zu, ihm würde ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zustehen, wenn er ab dem Jahr 2008 ohne eigene Bemühungen um Verbesserung seiner Lage weiterhin Alg II als Zuschuss bezogen hätte. Denn auch dann wäre nach den von ihm nicht angegriffenen und deshalb für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG) der Versicherungsfall teilweiser Erwerbsminderung erneut am 1.1.2008 eingetreten und hätte er im davor liegenden Zeitraum von fünf Jahren aufgrund des Bezugs von Alg II in der Zeit vom 2.1.2006 bis zum 31.12.2007 nur 24 statt der erforderlichen 36 Monate an Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorzuweisen (insoweit unzutreffend das Urteil des SG, vgl § 55 Abs 2 Nr 2 iVm § 3 S 1 Nr 3a Halbs 1 SGB VI - letztgenannte Norm in der ab 1.8.2006 bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung von Art 4 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706; zur Verfassungsmäßigkeit des Erfordernisses der Drei-Fünftel-Belegung s zuletzt Senatsurteil vom 24.10.2013 - SozR 4-2600 § 43 Nr 20 RdNr 23 mwN).

11

2. Der Kläger hat auch einen Verfahrensmangel nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).

12

Hierzu müssen die tatsächlichen Umstände, welche den geltend gemachten Verfahrensverstoß begründen sollen, substantiiert und schlüssig dargelegt und darüber hinaus muss aufgezeigt werden, inwiefern die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4, Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney in Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 202 ff).

13

Das Vorbringen des Klägers genügt diesen Anforderungen nicht. Er rügt eine Verletzung des § 75 Abs 1 und 2 SGG, weil das Berufungsgericht das zuständige Jobcenter nicht zu dem Rechtsstreit beigeladen habe, obwohl es in seinem Fall entscheidend darauf ankomme, "ob Pflichtbeiträge durch die Zeiten des SGB II Bezugs zu entrichten waren". Das Jobcenter habe im Wege der sog unechten notwendigen Beiladung an dem Verfahren beteiligt werden müssen, da die ernsthafte Möglichkeit bestehe, dass es den Ausschluss von Leistungen für Auszubildende nach § 7 Abs 5 SGB II zu Unrecht angewandt habe und somit Alg II als Zuschuss hätte leisten müssen, was zum Auffüllen der fehlenden Vorversicherungszeiten führen würde.

14

Mit diesem Vortrag ist das Vorliegen des Verfahrensmangels einer zu Unrecht unterblieben notwendigen Beiladung (Verletzung des § 75 Abs 2 SGG) nicht schlüssig aufgezeigt. Dass die Voraussetzungen einer echten notwendigen Beiladung (§ 75 Abs 2 Alt 1 SGG) vorliegen, macht der Kläger selbst nicht geltend. Seine Angaben enthalten aber auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Fall einer unechten notwendigen Beiladung (§ 75 Abs 2 Alt 2 SGG) gegeben sein könnte, weil bei Ablehnung des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs - hier: auf Rente wegen Erwerbsminderung - stattdessen ein anderer Versicherungsträger oder ein Träger der Grundsicherung als leistungspflichtig in Betracht kommt. Vielmehr behauptet der Kläger, es sei gerade die Beklagte im Sinne des mit seiner Klage geltend gemachten Anspruchs zu verurteilen, weil bei Beurteilung der Drei-Fünftel-Belegung davon auszugehen sei, dass das Jobcenter in einem Zeitraum vor Rentenantragstellung im August 2009, nämlich während seiner Weiterbildung zum Betriebswirt ab 4.1.2008, zeitweise zu Unrecht keine Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung für ihn abgeführt habe. Dies entspricht jedoch nicht der von einer unechten notwendigen Beiladung erfassten Fallkonstellation. Hinzu kommt, dass der Kläger nicht konkret aufzeigt, inwiefern die Entscheidung des LSG auf der unterbliebenen Beiladung des Jobcenters beruhen kann; die bloße Behauptung, dass dies so sei, ist nicht ausreichend.

15

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

16

Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Prof. Dr. Schlegel
Gasser
Kaltenstein

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