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Bundessozialgericht
Beschl. v. 22.01.2015, Az.: B 12 KR 67/14 B
Begriff der Divergenz; Notwendiger Inhalt einer Beschwerdebegründung
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 22.01.2015
Referenz: JurionRS 2015, 10761
Aktenzeichen: B 12 KR 67/14 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

nachgehend:

BVerfG - 17.06.2020 - AZ: 1 BvR 1134/15

BSG, 22.01.2015 - B 12 KR 67/14 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Divergenz i.S. von § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind.

2. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat.

3. Das LSG weicht damit nur dann i.S. von § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG von einer Entscheidung u.a. des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu dem selben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt.

4. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann.

in dem Rechtsstreit

Az: B 12 KR 67/14 B

L 1 KR 63/12 (Sächsisches LSG)

S 18 KR 674/11 (SG Dresden)

...............................................,

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigte: ...............................................,

gegen

1. BARMER GEK,

Axel-Springer-Straße 44, 10969 Berlin,

Prozessbevollmächtigte: ...............................................

2. BARMER GEK - Pflegekasse,

Axel-Springer-Straße 44, 10969 Berlin,

Prozessbevollmächtigte: ...............................................,

Beklagte und Beschwerdegegnerinnen.

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat am 22. Januar 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dr. K r e t s c h m e r sowie die Richter K a l t e n s t e i n und B e c k

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 21. Mai 2014 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich die Klägerin gegen die Berücksichtigung von Leistungen der "Deutschen Steuerberater Versicherung - Pensionskasse des steuerberatenden Berufs VVaG" im Rahmen der Beitragserhebung in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung.

2

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen LSG vom 21.5.2014 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

3

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

4

Die Klägerin beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 21.7.2014 auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).

5

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

6

Die Klägerin nimmt auf Seite 2 der Beschwerdebegründung an, das angefochtene Urteil werfe die klärungsbedürftige und -fähige Frage nach der korrekten Interpretation und Anwendung des Beschlusses des BVerfG vom 28.9.2010 (BVerfG SozR 4-2500 § 229 Nr 11) sowie nach Kriterien auf, unter welchen Voraussetzungen privatrechtlich ausgestaltete Versorgungseinrichtungen der Vorschrift des § 229 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB V unterlägen. Privatrechtliche Pensionskassen seien allenfalls von § 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V erfasst, da die vom LSG vorgenommene Subsumtion unter Nr 3 der Vorschrift das "Kriterium der Betriebsbezogenheit" aushebeln würde. Zudem seien beim BSG Verfahren zur Beitragspflicht auf Erträge von Pensionskassen anhängig (ua Hinweis auf BSG - B 12 KR 28/12 R, inzwischen: Urteil vom 23.7.2014 - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2500 § 229 Nr 18 vorgesehen).

7

Die Beschwerdebegründung genügt nicht den Zulässigkeitanforderungen. Die Klägerin formuliert bereits keine ausdrückliche Rechtsfrage, sondern hinterfragt sinngemäß die Rechtsanwendung in ihrem Einzelfall, insbesondere die Anwendung von § 229 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB V auf eine bestimmte (Versorgungs-)Einrichtung. Darüber hinaus legt die Klägerin nicht die Klärungsbedürftigkeit ihrer sinngemäß in den Raum gestellten Frage dar. Sie unterlässt die gebotene Auseinandersetzung damit, dass das LSG unter ausdrücklichem Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG (BSG SozR 3-2500 § 229 Nr 6) die von ihr bezogene Leistung als Rente der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen, die für Angehörige bestimmter Berufe errichtet sind (§ 229 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB V), und nicht als Rente der betrieblichen Altersversorgung (§ 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V) qualifiziert hat. Stattdessen gibt sie nur ihre Rechtsauffassung wieder, wonach der rechtlichen Beurteilung durch das LSG nicht zu folgen sei, weil dadurch das "Kriterium der Betriebsbezogenheit" ausgehebelt würde. Eine nähere Begründung hierfür, insbesondere unter Würdigung der gesetzlichen Systematik sowie eine Heranziehung von Rechtsprechung und Literatur, unterlässt die Klägerin. Gleiches gilt für ihre Auffassung, wonach die Entscheidung des BVerfG vom 28.9.2010 (BVerfG SozR 4-2500 § 229 Nr 11) im vorliegenden Fall heranzuziehen sei. Zu einer vertieften Auseinandersetzung hätte insoweit aber schon deshalb Anlass bestanden, weil die Entscheidung des BVerfG zu Leistungen der betrieblichen Altersversorgung (§ 229 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V) ergangen ist. Der bloße Hinweis der Klägerin auf die privatrechtliche Struktur der Deutschen Steuerberater Versicherung und den Namensbestandteil "Pensionskasse" ersetzt nicht die gebotene Befassung mit den grundlegend unterschiedlichen Tatbeständen der Beitragspflicht (§ 229 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB V einerseits und Nr 5 andererseits).

8

2. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN).

9

Die Klägerin nimmt an, das angefochtene Urteil weiche von der Entscheidung des BVerfG vom 28.9.2010 (BVerfG SozR 4-2500 § 229 Nr 11), von beim BSG anhängigen Revisionsverfahren sowie von einer Entscheidung des SG Lübeck ab.

10

Auch insoweit genügt die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht den Zulässigkeitsanforderungen. Die Entscheidung eines SG ist nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG nicht divergenzfähig. Gleiches gilt auch für im Zeitpunkt der Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde noch nicht ergangene Entscheidungen des BSG. Hinsichtlich der von der Klägerin angeführten Entscheidung des BVerfG (SozR 4-2500 § 229 Nr 11) fehlt es wiederum bereits an der erforderlichen Darlegung, dass diese zum selben Gegenstand ergangen ist.

11

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen, § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG.

12

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dr. Kretschmer
Kaltenstein
Beck

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